Krocha

Krocha

Als Krocha (hochdeutsch: Kracher) bezeichnet man Mitglieder einer österreichischen jugendkulturellen Szene. Der Begriff leitet sich vom Wienerischen „einekrochn“ (hineinkrachen) ab und wurde nach eigenen Angaben von dem österreichischen DJ Stefan Berndorfer (Stee Wee Bee) geprägt.[1] Diese Jugendkultur vertritt keine expliziten Werte oder Weltanschauungen.

Bei der Wahl zum Wort des Jahres 2008 in Österreich belegte Krocha den zweiten Platz hinter Lebensmensch[2].

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Jugendliche, die sich selbst als Krocha bezeichnen, gab es etwa von 2007 bis 2009 in Wien und später vereinzelt auch in ganz Österreich. Der Kleidungsstil hat sich jedoch bereits weit darüber hinaus ausgebreitet.[3] Durch Medien wie Youtube, Netlog oder MyVideo wurde die Art des Tanzens und der Kleidungsstil sehr schnell verbreitet, wobei die meisten Aufnahmen mit Handykameras gedreht wurden. Ende 2008 bezeichneten sich rund 1,7% der Elf- bis 29-Jährigen als Krocha.[4]

Ende 2008 begann die Krocha-Szene zu verschwinden.[5] Einige Elemente wurden von vielen Jugendlichen aber beibehalten.

Sprachstil

Die Szene definiert sich durch die Verwendung und Kreation eigener Wörter und Verwendung eines eigenen Sprachstils, die sich großteils aus der Wiener Umgangssprache und Teilen von Sprachen Eingewanderter ableiten.[6] So steht „Kroch' ma' eine“ (Krachen wir hinein) ganz einfach für Spaß haben oder einfach nur für das Betreten einer Diskothek. Zur Betonung und Bejahung ist das Wort „fix“ gebräuchlich. Allgemeiner Ausdruck der Gefühlserregung ist das Wort „Bam“[6] (von Na bumm! - Bumsternazl![7] - Ja so etwas!). „Pock i ned“ (Fass ich ja nicht) dient zum Ausdruck der Fassungslosigkeit; das „Oida“ (Alter) wird auch ohne sichtbaren Zusammenhang fast jedem Satz vor- oder hintangestellt.

Aussehen

So wie fast jede Jugendkultur unterscheiden sich Krocha durch ihre Kleidung optisch vom Rest der Gesellschaft. Sie geben sich markenbewusst und tragen D&G, De Puta Madre 69, Angel Devil, Baxmen und Ed Hardy offen zur Schau.[1] Zum Outfit gehören meist gold- oder silberfarbene und weiße Sneaker oder Boxerstiefel, große, lose auf den Hinterkopf gesetzte Trucker- und Designer-Kappen wie von Ed Hardy oder „Flash Caps“[8] genannte Kappen in Neonfarben, enge Jeans und teilweise auch Kufiyas.

Üblicher Haarstil bei männlichen Krochan ist der Vokuhila. Krocharinnen, wie sich die weiblichen Mitglieder dieser Gruppe auch selbst bezeichnen, haben dagegen meist geglättetes, schwarz gefärbtes oder blondiertes Haar, oft mit schräg geschnittenen Stirnfransen. Typisch für Krocha ist auch durch Bräunungscreme und Solarium getönte Haut.[9]

Musik

Krocha hören elektronische Tanzmusik, vor allem Schranz, Hardstyle, Jumpstyle und Dance, wobei sich der Tanzstil auf die Auswahl der Musikrichtung auswirkt.

Vermarktung

Anfang Mai 2008 brachten die Plattenfirmen Universal Music und EMI die Sampler krocha traxx Vol. 1 und Krocha Hits Vol. 1 heraus. Beide konnten sich in den Charts platzieren, wobei Letzterer sogar den 2. Rang belegen konnte.[10] Weiters nahm Universal Music die Hip-Hop-Band Die Vamummtn (Die Vermummten)[11] unter Vertrag, die die Krocha-Hymne, eine Persiflage auf die neue Jugendkultur, rappen. Die Single erschien am 23. Mai 2008.

Tanzstil

Der Tanzstil der Krocha lässt sich nicht eindeutig festlegen, die Krocha selbst bezeichnen Ihren Tanzstil als „krochn“. Einerseits lehnt er sich stark an den Melbourne Shuffle und Hardstep an, andererseits ist auch Jumpstyle unter den Krochan weit verbreitet.[8] Einige Schritte sind auch dem Charleston entnommen.[12]

Rezeption

In den Kulturressorts der österreichischen Tageszeitungen wurden die stilistischen Anlehnungen der Krocha zumeist abgelehnt:

„Neon, Vokuhila, Pali-Tuch: Warum kommt bloß das Schlimmste der 80er-Jahre zurück?“

Oliver Grimm: Die Presse, 2008 [6]

„Die 'Krocha' sind eine reine Spaßkultur. Bei ihnen stehen Selbstinszenierung und Konsum im Vordergrund. Das Palästinensertuch hat für sie überhaupt keine politische Bedeutung – es ist reines Modeaccessoire. Das ist vermutlich eine sehr kurzlebige Erscheinung – und Wien ist auch nicht die Stadt, in der internationale Trends entstehen.“

Philipp Ikrath, Leiter des Hamburger Departements des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien: Der Standard, 2008[13]

Ein ideologischer Hintergrund wird weitgehend verneint:

„Der ideologische Überbau dieser Bewegung ist noch etwas diffus. In besagtem Austro-Pidgin verfasste Stellungnahmen im Internet lassen eine solide Verweigerung des bildungsbürgerlichen Ethos sowie eine damit korrespondierende Betonung des Lustprinzips vermuten.[6]

Trivia

Thomas Schäfer-Elmayer gab zum Finale der 4. Staffel der ORF-Tanzshow Dancing Stars eine Einlage im Krocha-Stil zum Besten.[14] Außerdem unterrichtete er im Rahmen einer Morgensendung im Hitradio Ö3 eine eigene Krocha-Tanzklasse.

Quellen

  1. a b Falter: bAM oIDa!, 2. April 2008
  2. Der Standard: „Lebensmensch“ ist Wort des Jahres, 11.Dezember 2008
  3. Ostheimer im Netz: Krocha, Styla, Zerlega – ein Trend geht um, 9. Februar 2008
  4. DiePresse: Krise? Die Jugend auf Sparkurs, 20. März 2009.
  5. DiePresse: Die "Krocha" sind tot, lang leben die "Lohas"!, 3. November 2008
  6. a b c d Die Presse: Die Invasion der Neonkappen, 12. Februar 2008
  7. Bumsternazl aus Österreichisch-Deutsch Wörterbuch auf Ostarichi.org
  8. a b FM4: Examining the youth, 16. März 2008
  9. Der Standard: Stadtgeschichten: Krocha, 5. März 2008
  10. Krocha-Sampler in den österreichischen Charts
  11. Die Vammummtn bei Universal
  12. http://www.cartoontomb.de/deutsch/blog/2008/07/04/charleston/
  13. Der Standard: Betucht, aber unpolitisch, 26. Februar 2008
  14. www.orf.at: Tanzkunst und eine überraschende Einlage, 7. April 2008

Weblinks


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