Kulturindustrie - Aufklärung als Massenbetrug

Kulturindustrie - Aufklärung als Massenbetrug

Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug“ ist ein Kapitel aus der „Dialektik der Aufklärung“ von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. In diesem Kapitel analysieren die Autoren die veränderte Produktion und Funktion von Kultur im Kapitalismus.

„Kulturindustrie“ ist ein komplexer und kein statischer Begriff und entzieht sich einer eindeutigen Definition. Mit dem Begriff Kulturindustrie werden meist die Kernthesen des Kapitels gemeint: Alle Kultur wird zur Ware; Kunst definiert sich über ihren ökonomischen Wert, nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten, die für die Analyse des autonomen Kunstwerk der bürgerlichen Gesellschaft eine Rolle spielen. So wird das Ästhetische selbst zu Funktion der Ware, indem es die Bilder der Reklame vorbestimmt.

Mit Kulturindustrie meint Adorno die gesellschaftliche Implikation von kulturellen Ereignissen und Erzeugnissen. Adorno beschreibt in ihr die Warenform und die Ideologie derselben als die beiden zentralen Momente kapitalistischer Vergesellschaftung. Kulturindustrie erscheint als Verblendungszusammenhang, der die gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse naturalisiert. Dieser „soziale Kitt“, wie Erich Fromm die Ideologie der Kulturindustrie nannte, agiert als Mittel von Herrschaft und Integration. Diese Integration durch die Kulturindustrie beruht auch auf der Feststellung, dass die Produktion immer auch den Konsum reguliert. Die Verwaltungsform von Kultur, die gerade auch den Intellektuellen nötigt, Wissen zu produzieren, das einer Nutzen-Relation unterworfen ist, zeichnet die Kulturindustrie als Herrschaft von oben aus.

Inhaltsverzeichnis

Warencharakter von Kulturprodukten

Adorno bezieht sich bei der Analyse von Kulturprodukten im Wesentlichen auf zwei grundsätzliche Methoden der Warenbetrachtung:

  1. Der Warencharakterdefinition nach Marx, mit der Unterscheidung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert
  2. Andererseits stellt er Kulturware authentischen Kunstwerken gegenüber

Zum ersten Punkt sei folgendes erläutert: In der Nützlichkeit eines Gegenstands, ein menschliches Bedürfnis zu stillen, ist laut Marx der Gebrauchswert bestimmt: „Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert“. Der Gebrauchswert ist also dem Gegenstand immanent, während der Tauschwert erst durch den Austausch des Produkts unter den Personen entsteht: In diesem Moment ist das Produkt zur Ware geworden. Marx sagt auch, der Austausch – und so der Tauschwert – sind konstitutiv dafür, dass ein Gegenstand eine „Ware“ ist. Der Kapitalismus, nach Marx, legt es im Wesentlichen auf „Tauschwertproduktion“ an, werden seine Produkte doch von vornherein dazu produziert, getauscht zu werden. Das „authentische Kunstwerk“, das im zweiten Punkt benannt wurde, gilt der Kulturware als Kontrast. Mit diesen zwei Methoden unterzieht Adorno die Kulturindustrie einer kritischen Analyse. Adorno teilt die Analyse in zwei Abschnitte, um den Unterschied der Kultur vor und während der einsetzenden Kulturindustrie darzustellen. Adorno tat dies wie folgt:

  • bürgerlich-liberales Zeitalter
    • Kunst und Kultur stehen für Emanzipation
    • Von Kunst und Kultur ging ein kritischer Impuls aus
      • Kunst und Kultur waren widerständig in ihren Haltungen gegenüber machtvollen Gegnern
    • Kunst und Kultur waren relativ autonom
    • Kunst und Kultur vermochten es sich über die gesellschaftliche Realität hinaus zu entwickeln und so Veränderungsideen zu entwickeln
  • Spätkapitalismus
    • Durch die Kulturindustrie hat sich der Gehalt von Kultur verändert
    • Der autonome Charakter der Kultur hat sich großenteils aufgelöst
    • Die Kulturwelt teilt sich in 2 Teile:
      • Großer Bereich kulturindustrieller Waren
      • Kleiner Bereich authentischer, verbliebener bürgerlicher Kunst
    • Kulturindustrielle Werke treten daher als Erben der bürgerlichen Kultur an die Stelle dieser als nunmehr „wahrhaftige“ Kunst

Im bürgerlich-liberalen Zeitalter musste laut Adorno Kunst als eine zwar stets elitäre angesehen werden – in der Dialektik der Aufklärung spricht Adorno von der bürgerlichen Kunst, die von Anbeginn mit dem Ausschluss der Unterklasse erkauft wurde. Sie orientierte sich jedoch immer am kollektiven Gemeinwohl, und war diesem zuträglich. Ihre Impulse waren es, die eine Fortentwicklung der Gesellschaft ermöglicht haben. Ab dem Zeitalter des Spätkapitalismus veränderte sich diese Aufgabe als Motor der Gesellschaft. Von einer Kunst, die laut Adorno ihren Wert vor allem in sich – einen Gebrauchswert in der Hinsicht, dass das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Gerechtigkeit erfüllt wird – hin zu einem Produkt des Marktes, dessen Wert daraus sich ergibt, wie häufig es getauscht wird. Diese Kunst hat ihren autonomen Charakter verloren, indem sie sich als Mittel zum Zweck (der Generierung von Kapital) hat abstempeln lassen. Für das Erreichen eben dieses Zwecks hat die Kulturindustrie, an welche die Autonomie der Kunst verloren ging, ein mittlerweile globales Netzwerk geschaffen. Dieses besteht in seiner Grundstruktur aus der Kulturproduktion, welche Kulturwaren produziert: eben den Kulturwaren, die überall auf der Welt verteilt werden. Zweitens schafft sie den Kulturmarkt, der als Bindeglied zwischen den Waren und den Konsumenten agiert, welche schließlich das vierte Bindeglied dieses Strukturnetzwerks darstellen:

Mit dem Aufkommen der Industrialisierung, dem Erweitern der Kommunikationsmöglichkeiten und dem Auftreten von ersten überregionalen Zeitungen war die Situation des Kulturbetriebs eine neue. Ohne diese Situation wäre eine Kulturindustrie nicht möglich gewesen. Jedes Kulturprodukt, darunter die Massenmedien im besonderen, ist laut Adorno der Kulturindustrie ausgeliefert – und umgekehrt. Industrie und Produkt sind immer in einem derartigen Maße miteinander verknüpft, sodass sie als Eines gesehen werden können. Medien, wie alle Kulturprodukte, sind auch ein Produkt der Kulturindustrie. Kulturprodukte der Kulturindustrie richten sich also, so Adorno, nicht nach dem eigenen Gehalt und nach stimmiger Gestaltung, sondern vielmehr nach der Verwertung. Die gesamte Praxis der Kulturindustrie überträgt das Profitmotiv blank auf das geistige Gebilde. [...] Geistige Gebilde kulturindustriellen Stils seien, so Adorno resümierend, nicht länger auch Waren, sondern sie seien es durch und durch.

Das Publikum

Aus dem im vorangegangen Kapitel beschriebenen Warendasein ergibt es sich, dass die Ware Kultur auch als solche ihre Konsumenten finden muss. Waren finden dann ihren Konsumenten, wenn dieser in ihnen einen Nutzen sieht – oder glaubt, in ihnen einen Nutzen zu sehen. Das Streben aus der Situation des Künstlers oder des Apparates, der ihn umgibt, heraus, einen Abnehmer zu erreichen, führt zu einer Anpassung an diesen Abnehmer. Dadurch wiederum verliert die Kultur die Funktion des kritischen Moments der Gesellschaft und wird zu einem Integrativen. Das Publikum agiert aber in diesem Austauschprozess nicht fordernd, sondern lässt sich sozusagen bedienen von der Kultur. Kultur, so Adorno, fällt in den Lebensbereich der Freizeit. Freizeit aber ist nur die regenerative Phase, die der Arbeitsphase untertan ist. Als regenerative Phase soll sie also möglichst wenig Energie in Anspruch nehmen. Dafür versucht die Kultur schon sich selbst anzuleiten.

Wechselwirkung zwischen Subjekt und Massenkonsumgüter

Wie Adorno beschreibt, manipuliert die Kulturindustrie die Menschen. Diese Manipulation ist weder immer beabsichtigt und kontrolliert, noch strebt sie in eine Richtung. Trotzdem höhlt dieses tropfende Wasser auf den Stein der Gesellschaft diesen notwendig aus. Den manipulativen Effekt konstatiert Adorno an zwei Momenten:

  1. Das Individuum wird von der Kulturindustrie auf die Konsumentenrolle reduziert
  2. Die Kulturindustrie speist die Konsumenten mit trivialen, oberflächlichen Nichtigkeiten

Damit wird aber auch klar: Es handelt sich bei der Kulturindustrie um eine von Eliten geführte Kulturprägung und nicht um das, was der Vorgängerbegriff Massenkultur aussagen kann, es handelt sich nicht um eine Kultur der Massen, nicht um eine Volkskultur. Adorno schreibt dies auch in „Kulturkritik und Gesellschaft“:

„Wir [er bezieht sich auf sich selbst und Horkheimer, NSM] ersetzen den Ausdruck [Massenkultur, NSM] durch „Kulturindustrie“, um von vornherein die Deutung auszuschalten, die den Anwälten der Sache genehm ist: dass es sich um etwas wie spontan aus den Massen selbst aufsteigende Kultur handele, um die gegenwärtige Gestalt von Volkskunst.“

Theodor Adorno: Kulturkritik und Gesellschaft

Die „Eliten“ im Sinne Adorno sind jedoch keine Akteure einer Verschwörung. Sie seien nicht dahingehend gesinnt, die Kultur, ihres kritischen Einflusses wegen, zu beherrschen und sie in die Trivialität zu treiben, sondern sie sind Akteure des Kapitalismus, der durch die Struktur seiner selbst „versucht“, alles zur Ware zu machen.

Damit, dass Kultur zur Ware degeneriert wurde, muss der, welcher in seiner Freizeit die Kultur in Anspruch nehmen will, also der Konsument, rechnen. Der Konsument wiederum muss von der Industrie mit dem bedient werden, was er will, was er versteht, was ihn nicht verwirrt, mit eingängigen Melodien, einfach gestrickten Krimis und Filmen, bei denen man von Anfang an weiß, wer am Ende lachen wird. Genau dies ist nun die Wechselwirkung zwischen dem Subjekt und der Kulturindustrie. Dieser Kreislauf, oben schon häufig und immer wieder beschrieben, ist der Teufelskreis, aus dem der Ausweg nicht gefunden wurde, und aus dem ein Ausweg möglicherweise gar nicht existiert.

Einfluss der Ideologie, die Kulturindustrie affirmiert, auf die Gesellschaft

Die Folgen der Kulturindustrie auf die geistige Haltung der Gesellschaft sind nicht nur die geistige Stagnation, es sind vielfältige andere. Man kann diese unterteilen in:

  1. Einfluss auf das Subjekt: Kulturindustrie wirkt hier als Vermittler zwischen Industrie und Publikum. In dieser Vermittlerposition hat sie auch einen Einfluss auf die Bewusstseinsbildung der Menschen, denn was durch Kulturobjekte nicht verbreitet wird, die, wie schon konstatiert wurde, teilhaben an dem Wesen der Kulturindustrie, geschieht heutzutage nicht.
  2. Die Wirkung im Subjekt: Kulturindustrie verhindert die Ausbildung der Fähigkeit zu kritischem Denken. Dadurch wird auch verhindert, dass der Mensch dieser Kulturindustrie mit Widerspruch entgegentritt.

Kulturindustrie ist also auch herrschaftsstabilisierend. Diese Herrschaftsstabilisierung ist nicht ein Mitläufer der Wirkungen von Kulturindustrie, sondern Wesen der Kulturindustrie. Sie suggeriert ihre Gedanken dem Publikum. Kulturindustrie erreicht mit dieser Suggestivkraft, dass sie selbst den Menschen die Maßstäbe definiert, nach denen diese die Kulturindustrie bemessen sollen. Adorno bringt dazu in der Minima Moralia ein treffendes Beispiel:

„Es gehört zum Mechanismus der Herrschaft, die Erkenntnis des Leidens, das sie produziert, zu verbieten, und ein gerader Weg führt vom Evangelium der Lebensfreude zur Errichtung von Menschenschlachthäusern so weit hinten in Polen, dass jeder der eigenen Volksgenossen sich einreden kann, er höre die Schmerzensschreie nicht mehr.“

Dies ist der Verblendungszusammenhang, den Adorno immer wieder konstatiert, und der im höchsten Sinne undemokratisch ist. Wer würde erlauben, dass der, welcher ein Gesetz bricht, sich selbst das Gesetz schafft, das zur Bemessung seiner Schuld heranzuziehen ist? Neben dem herrschaftsstabilisierenden Moment ist der Kulturindustrie auch noch etwas anderes immanent: Die Ablenkung der Menschen vom Wesentlichen (dem Kulturobjekt) hin zum Sekundären. Adorno konstatiert, dass „anstelle des Genusses ein Dabeisein und Bescheidwissen“ tritt. Thomas Gebur gibt dazu folgendes Beispiel:

„Der Opernbesuch verkommt zum gesellschaftlichen Ereignis; der Tauschwert einer Premiere besteht in Sehen und Gesehen werden. […] Es [das Werk, die Oper] ist nur noch Anlass eines Events.“

Nicht also der Inhalt der Oper zählt, sondern die Präsenz und das Geschwätz nebenbei. Gedacht wird nicht mehr, was der Künstler mit der Oper zeigen wollte; gedacht wird, wie dieses Stück auf die Öffentlichkeit wirkt, wie das Wissen um dieses Stück die subjektive gesellschaftliche Stellung beeinflusst; gedacht wird, was das Auftreten, das Teilnehmen an diesem Event einem nützen könnte; gedacht wird, was der andere denkt. Auch dieses ist ein Zeichen dafür, dass Autonomie verloren ging. Adorno spitzt dies zu, indem er schreibt, einst durfte man nicht wagen, frei zu denken; jetzt wäre dies möglich, aber man könne nicht mehr, weil man nur noch denken wolle, was man wollen solle, und eben das würde als Freiheit empfunden.

Kulturindustrie und Pop

Der Kulturindustrie-These wird häufig Kulturpessimismus unterstellt, da sie scheinbar „Massenmedien“ und ihre Konsumenten verurteilt. Kulturindustrie ist jedoch keine Massenkultur als Kultur der Massen, von ihnen hervorgebracht und sie repräsentierend, sondern die scheinbar demokratische Teilnahmen der Massen an Kultur ist „Massenbetrug“. Horkheimer und Adorno wählten den Begriff der Kulturindustrie im Unterschied zu Massenkultur oder -medien.[1]Immerwährend betrügt die Kulturindustrie ihre Konsumenten um das, was sie immerwährend verspricht[2] Selbst die Zerstreuung am Feierabend gewährt die Kulturindustrie nicht: „Amusement ist die Verlängerung der Arbeit unterm Spätkapitalismus[3] Horkheimer und Adorno ging es in ihrer Kritik vor allem um die Verfransung der Künste und die Entkunstung der Kunst, eine Entschärfung der Kunst durch die Kulturindustrie. Kunstwerke werden zu Waren: Beethoven, Mozart und Wagner werden als Versatzstücke aus der Reklame gekannt, ihre Werke auf CD werden nach denselben Mechanismen angeboten wie Modern Talking. Beckett und Goethe sind als Taschenbuch genauso verfügbar, wie Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken können. Für die Kritische Theorie ist das Entscheidende nicht der Ausverkauf der Kunst, sondern die Art und Weise, wie sich Kunst und Kultur als warenförmige Produkte verändern und wie sich dadurch auch die Umgangsweisen mit Kultur verändern.[4]

Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit[5] – Subversion scheint nicht mehr möglich. Auch wenn Adorno und Horkheimer Möglichkeiten der Subversion sowie das emanzipative Moment gegenüber dem autonomen Kunstwerk ansprechen, ist von Seiten manche Pop-TheoretikerInnen und vor allem von Seiten der Cultural Studies der Vorwurf an die Kulturindustrie-These, das subversive Moment von Populärkultur zu vernachlässigen. Während teilweise noch Walter Benjamins Überlegungen zur Möglichkeit der Massenmedien stark gemacht werden, zeichnen sich vor allem einige Theoretiker der Cultural Studies durch mangelnde Lektüre und Kenntnisse der Kritischen Theorie aus.[6] John Fiske sieht etwa schon im Shoppen eine Widerstandspraxis von Frauen gegenüber dem patriarchal dominierten Kapitalismus, indem sie durch ihr Konsumverhalten aus vorgeschriebene Rollen – beispielsweise der „sparsamen Hausfrau“ – ausbrechen. [7]

Die Kritik geht meist in die Richtung, dass Subkulturen, die sich innerhalb der Popkultur gebildet haben, wie Rock‘n‘Roll, Beatmusik, Punk, Post-Punk/New-Wave, Techno und Hip-Hop, durchaus subversives Potential besitzen und Widerständigkeit hervorrufen. Auch Adornos Abneigung gegen Jazz steht häufig zur Debatte: so wird die Rolle des Jazz in und für die afro-amerikanische Bewegung angeführt, die Adorno übersehen habe.

Auch wenn die genannten Phänomene durchaus zeitweise subversiv und widerständig waren, so wurden sie letztlich doch in den Kapitalismus integriert und konnten ihm oft genug neue Impulse geben. Dass Kulturindustrie jede Nische bedient, hat sich also auf lange Sicht bewahrheitet. Die Zeit der Subkulturen scheint mittlerweile endgültig vorbei zu sein und die Pop-Theorie diskutiert über die „Pop-Splitter“.[8] Trotzdem gibt es immer wieder zeitgenössische Künstler die stellenweise subversives Potential entfalten können.

Generell kann festgehalten werden, dass es im Bereich der Pop-Theorie, weiterhin zwei unterschiedliche Positionen gibt, die versuchen Populärkultur zu erklären und zu analysieren: jene die sich an Kritischer Theorie und der Kulturindustrie-These orientieren und jene, die unter anderem mit Hilfe poststrukturalistischer Theorie versuchen, Subversion nachzuweisen.

Soziale Funktion der Kulturindustrie-These

Die These von der Kulturindustrie wird vom größten Teil der Bevölkerung nicht ernst genommen, hat aber viele Anhänger unter Kulturschaffenden. Viele Angehörige der 1968er-Generation fanden keine von ihnen erwünschte berufliche Betätigung im politischen Bereich aufgrund des Ausbleibens der sozialistischen Umgestaltung, sie mußten auf ihrem „Marsch durch die Institutionen“ somit auf berufliche Nischen aller Art ausweichen, u.a. in Verlage, Redaktionen, Universitäten und Theater. Adornos These der Kulturindustrie erfüllt nun eine dreifache Funktion für sie:

1. Der Widerstand gegen den Kapitalismus wird, nachdem weder Demonstrationen noch Anschläge den Kapitalismus zu Fall brachten, unter Verwendung von Adornos These schreibend fortgesetzt.

2. Adornos Thesen liefern eine Rechtfertigung für beliebige unproduktive Kulturbereiche, indem der Maßstab der Rentabilität desavouiert wird.

3. Die Kulturindustrie-These liefert eine Chiffre für die schnelle Identifizierung von Gleichgesinnten.

Einzelnachweise

  1. vgl. Behrens, Roger: Kritische Theorie. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 2002. S. 68.
  2. Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt a.M: Fischer Verlag 16. Auflage 2006. S. 148.
  3. Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt a.M: Fischer Verlag 16. Auflage 2006. S. 145.
  4. vgl. Behrens, Roger: Kritische Theorie. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 2002. S. 66.
  5. Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt a.M: Fischer Verlag 16. Auflage 2006. S. 129.
  6. vgl. Behrens, Roger: Shoppen und Tanzen. Gegen den Tecnoremix der Cultural Studies. In: ders.: Die Diktatur der Angepassten. Texte zur kritischen Theorie der Popkultur. Bielefeld: Transcript Verlag 2003. S. 199-212
  7. Fiske, John: Lesearten des Populären. Cultural Studies Bd. 1. Aus dem Engl. von Lutter, Christina; Reisenleitner, Markus; Erdei, Stefan. Wien: 2000. S. 26 ff.
  8. siehe den Sammelband: Bonz, Jochen (Hrsg.): Sound Signatures. Pop-Splitter. Frankfurt a.M: 2001.

Literatur

  • Roger Behrens: Die Diktatur der Angepassten. Texte zur kritischen Theorie der Popkultur. Bielefeld: Transcript Verlag, 2003.
  • Roger Behrens: Kulturindustrie. Bielefeld: Transcript Verlag, 2004.
  • Martin Büsser (Hrsg.), Johannes Ullmaier (Hrg.), Roger Behrens (Hrsg.): Testcard. Beiträge zur Popgeschichte Nr. 5. Kulturindustrie – Kompaktes Wissen für den Dancefloor. Mainz: Ventil Verlag, 1998.
  • Jörn Glasenapp: „Kulturindustrie als Status Quo-Industrie: Adorno und das Populäre“, in: Werner Faulstich und Karin Knop (Hrsg.): Unterhaltungskultur. München: Wilhelm Fink Verlag 2006, S. 167-178.
  • Heinz Steinert: Kulturindustrie. Münster : Westfälisches Dampfboot, 1998.
  • Heinz Steinert: Die Entdeckung der Kulturindustrie. Oder: Warum Professor Adorno Jazz-Musik nicht ausstehen konnte. Münster : Westfälisches Dampfboot, 2003.

Siehe auch


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