Kulturschatz Artland

Kulturschatz Artland

Das Artland liegt im Landkreis Osnabrück (Niedersachsen) und umfasst als Landschaft bei einer Größe von rund 180 km² die heutige Samtgemeinde Artland, die aus den Gemeinden Quakenbrück, Badbergen, Menslage und Nortrup besteht sowie zusätzlich die Gemeinde Gehrde. Vor allem wirtschaftliche, kulturelle und verwandtschaftliche Bindungen führten zum Artland als einer geschlossenen Einheit. Die Bezeichnung Artland ist erstmals für das Jahr 1309 belegt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nach Ende der Eiszeit war das Gebiet des heutigen Artlandes ein großes Schmelzwasserbecken, das von dem örtlichen Fluss, der Hase bzw. ihrem Vorläufer, langsam mit Schwemmsand verfüllt wurde. Die so entstandenen Flächen ermöglichen eine ertragreiche Landwirtschaft, die über Jahrhunderte hinweg die heutige bäuerlich geprägte Landschaft formte. Die dünn besiedelte Region ist heute geprägt von Wiesen, Äckern, Wallhecken, Feldgehölzen und kleinen Wäldchen.

Es ist unklar, in welchem Umfang man die im Jahre 1309 erstmals auftauchenden Bezeichnung "Artland" für die Region verwenden kann. Die 1972 gegründete Samtgemeinde Artland umfasst mit Quakenbrück, Menslage und Badbergen einen großen Teil des Kernlandes. Zum Artland zählt auch Gehrde, das wie Menslage, Quakenbrück und Badbergen von der fruchtbaren Haseniederung profitierte. Nortrup gehört nicht zum Artländer Kernland. Es löste sich erst Anfang des 20. Jahrhunderts politisch und kirchlich von Ankum (Gründung der kath. Pfarrei 1908). Der Begriff Artland wird auch gerne von Ankum verwendet (Artländer Dom), Ankum war jedoch Jahrhunderte lang Mittelpunkt des Farngaues, zu dem auch Nortrup gehörte.

Kulturschatz Artland

Kulturschatz Artland, Bauernhof in Badbergen-Grönloh

Der Kulturschatz Artland ist die allgemeine Bezeichnung für die historische Bauernhofkultur im Artland. Diese Kultur ist geprägt durch eine große Zahl prächtiger, Jahrhunderte alter Fachwerkhöfe und deren Innenausstattung. Mehr als hundert dieser malerischen Eindachhöfe (Niedersachsenhäuser) stehen unter Denkmalschutz, und die Gesamtzahl der denkmalgeschützten Gebäude liegt bei über 6000.

Türen und Tore der Gebäude werden häufig von prächtigen Halbrosetten gekrönt. Rosetten finden sich auch auf den reich verzierten Artländer Möbeln. Auffällig sind die reich gestalteten Schauseiten von Eichenholzmöbeln – mehrheitlich Braut-Truhen – deren kunstreiche handwerkliche Produktion zwischen 1721 und 1856 ihren Höhepunkt hat: Denn ab 1720 breitete sich relativ plötzlich ein charakteristischer „Löninger Zierstil“ heraus, das für die Landschaft charakteristische Motiv des Artländer Drachens. Das sog. "Drachenkopfwellenrankenornament" verknüpft Wellenranken mit Drachenkopfabschluß und Weinreben-Motive – letztere waren eine Anspielung auf das Gleichnis vom wahren Weinstock im Johannes-Evangelium. Um 1770 verschwand der religiöse Rekurs ebenso rasch und wich einem neuen Dekor, in dem Wellenranken mit floralen Ornamenten vorherrschten. Nach dieser Säkularisierung der Formensprache vollzog sich um 1860 ein weiterer Umbruch, der die Löninger Eigenheiten zugunsten großregional orientierter Schmucktechniken abschliff.

Stadtmuseum in Quakenbrück

Dazu muss man wissen, dass die Artländer Bauern in Deutschland Jahrhunderte lang die einzig freien Bauern waren - zwischen Ostfriesland und dem Alpenraum. Infolgedessen hatten die Bewohner dieses außerordentlich ertragreichen Landstrichs weitaus mehr Chancen auf eine breit gefächerte und geradezu weltmännische Bildung. Auch Töchter bekamen eine gute Ausbildung, meist wurden sie Lehrerinnen. Gleichzeitig gelang es den Artländern - im Gegensatz zu anderen Regionen Deutschlands - die Geburtenzahl gering zu halten. Anders als in den benachbarten kinderreichen Regionen gab es daher keine Anerben-Regelung und infolgedessen im Erbfall auch keine Teilung von Hof und Ackerland: Der ungeteilte Besitz einer Familie konnte geschlossen weiter vererbt werden. Aus diesen besonderen, günstigen Bedingungen heraus erschloss sich ein ausgeprägtes Bewusstsein für Kunst und Kultur, das in der lokalen Gestaltung des Besitzes seinen Ausdruck fand und dessen Gestaltungsfreude heute noch vor Ort, aber auch im nahe gelegenen Freilichtmuseum in Cloppenburg besichtigt werden kann - insbesondere an den historischen Artländer Gebäuden und Möbeln.

Laut dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff hat „mit einer einzigartigen ländlichen Baukultur […] die Region UNESCO-Weltkulturerbe-Niveau und gilt aus dem Blickwinkel des Denkmalschutzes als Aushängeschild für ganz Niedersachsen.“[2] Allerdings stellten 2006 Harald Plachter, Alexandra Kruse und Helmut Kruckenberg in einem Gutachten für das Bundesamt für Naturschutz fest[3]:

„Es fehlen [in der UNESCO-Liste der Welterbestätten] zum Beispiel Stätten oder Landschaften, die die bäuerliche Kultur oder traditionelle Handwerkskulturen widerspiegeln. […] Wie jeder weiß, leistet die Landwirtschaft seit langem auch außergewöhnliche kulturelle Beiträge für die Menschheit. Diese Leistungen werden aber nicht immer angemessen im öffentlichen Bewusstsein honoriert. So scheiterte der vor Jahren unternommene Versuch, die Osnabrücker Bauernhaus-Kulturlandschaft Artland als Weltkulturerbe einzustufen. Dabei gilt das Artland, das über 600 komplette Bauernhof-Fachwerkanlagen des 16. bis 19. Jahrhunderts umfasst, als einmaliges Zeugnis der ländlichen Baukultur in Nordwesteuropa. Wie einer der Fürsprecher des Artlandes, der ehemalige Cloppenburger Museumsdirektor, Professor Dr. Helmut Ottenjann, vermutet, fehlte es offensichtlich an einer unterstützenden Lobby.“

Im Rahmen des Programms „PROLAND“ hat das Land Niedersachsen in den Jahren 2000-2006 das Projekt „Zukunftsmodell Historisches Erbe – Dorferneuerungsverbundplanung Artland“ gefördert. Da der Strukturwandel in der Landwirtschaft die bäuerliche Kulturlandschaft Artland bedroht, hat sich in den vier Gemeinden des Artlands eine Bürgerinitiative gebildet, die sich dem Problem der leer stehenden Bausubstanz in den Hofanlagen stellt. Ein Erhalt des kulturhistorischen Erbes ist nur über eine nachhaltige wirtschaftliche Nutzung der ländlichen Hofimmobilien möglich. Neben der Sicherung bisheriger landwirtschaftlicher Nutzung sollen im Rahmen der Dorferneuerungsverbundplanung Artland „Neue Wege für alte Höfe“ gesucht, gefunden und aufgezeigt werden.[4]

Tourismus

Erst seit den 1990er Jahren setzte Werbung für die Eigenheiten von Landschaft und Kultur des Artlandes langsam ein. Zur Förderung von Wirtschaft und Tourismus der Region wurden die Wirtschaftsagentur Artland (WAAL)[5] und darüber hinaus die ARTour (Artland Touristik) gegründet. Alljährlich können am „Tag des offenen Denkmals“ (zweites Wochenende im September) viele Höfe und andere Bauwerke im Artland besichtigt werden.

In Quakenbrück beginnt und endet die 142 km lange Ferienstraße namens „Artland-Route“[6]. Die Sehenswürdigkeiten des Artlandes können auch auf speziellen Radwegen erkundet werden (auf der „Giebeltour“, der „Kunsttour“ und der „Gartentour“).

Sonstiges

Aus der charakteristischen - und nur die Artländer Region betreffenden - Tradition des Drachenkopf-Schnitzwerks auf dem Eichenholz von Hausbalken und repräsentativen alten Möbeln leitet sich heute der Name der Quakenbrücker Basketballmannschaft der Artland Dragons ab.

Literatur

  • Heinrich Böning, Heiko Bockstiegel: Das Artland im Bild. Badbergen, Menslage, Nortrup und Quakenbrück stellen sich vor. Herausgegeben vom Stadtmuseum Quakenbrück. Thoben, Quakenbrück 2006, 144 S., ISBN 3-921176-98-0 – Text Deutsch, Englisch und Französisch
  • Gudrun Kuhlmann: Das Artland und die Stadt Quakenbrück in ihrer historischen Entwicklung. Isensee, Oldenburg 2004, 430 S., ISBN 3-89995-009-7
  • Christoph Reinders-Düselder: Das Artland. Demographische, soziale und politisch-herrschaftliche Entwicklungen zwischen 1650 und 1850 in einer Region des Osnabrücker Nordlandes. Materialien und Studien zur Alltagsgeschichte und Volkskultur Niedersachsens (Heft 32). Museumsdorf Cloppenburg, Cloppenburg 2000, 238 S., ISBN 3-923675-82-8
  • Claudia und Christian Wüst: Das Artland. Kulturschatz im Nordwesten. Entdecken & erleben. Badbergen, Menslage, Nortrup, Stadt Quakenbrück. Reiseführer. Artland Atelier, Quakenbrück 2006, 130 S., ISBN 978-3-00-018542-7 oder ISBN 3-00-018542-9
  • Marie-Luise Hopf-Droste: Das bäuerliche Tagebuch. Fest und Alltag auf einem Artländer Bauernhof. 1873 - 1919. Materialien zur Volkskultur nordwestliches Niedersachsen (Heft 3). Zugleich Dissertationsschrift (Universität Münster). 2. Auflage. Schuster, Leer 1982, 203 S., ISBN 3-7963-0208-4
  • Hermann Dettmer: Volkstümliche Möbel aus dem Artland und den angrenzenden Gebieten. 4 Bönde (Textteile, farb. Abbildungen, Skizzen, Karten). Cloppenburg, Museumsdorf, 1982- 1998, Reihe: Materialien zur Volkskultur nordwestliches Niedersachsen, hrsg. von Helmut Ottenjann.

Filmdokumentationen

  • Artland. Aus der Reihe Landpartie - Im Norden unterwegs. Deutsche Fernsehdokumentation von Achim Tacke mit Heike Götz, NDR 2008, 90 Minuten

Einzelnachweise

  1. Kohnen: Die Herkunft des Namens Art-Land. In: Osnabrücker Land 1974, S. 49f.
  2. Niedersächsische Staatskanzlei: Wulff eröffnet Tag des offenen Denkmals. Kulturregion Artland steht im Mittelpunkt. 2004 http://www.stk.niedersachsen.de/master/C4687173_L20_D0_I484_h1.html
  3. Harald Plachter/Alexandra Kruse/Helmut Kruckenberg: Screening potenzieller deutscher Naturwerte für das UNESCO-Welterbeübereinkommen. 2006. S.38f.
  4. Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Integrierte ländliche Entwicklung in Niedersachsen. Der Erfolg der Förderung für den ländlichen Raum. Januar 2007. S.38f.
  5. Internetauftritt der Wirtschaftsagentur Artland
  6. http://www.osnabruecker-land.de/staticsite/staticsite.php?menuid=140&topmenu=22

Weblinks


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