Anhalter Güterbahnhof

Anhalter Güterbahnhof
Anhalter Bahnhof mit Askanischem Platz um 1910
Realisierter Entwurf von Franz Schwechten für die Südfassade mit den drei prägenden Rundbogen
Bau der Hallenkonstruktion um 1878
Innenansicht des in Betrieb genommenen Anhalter Bahnhofs 1881
Ruine des Anhalter Bahnhofs, 1951
Fragment des Bahnhofsportikus im Jahr 2005

Der Anhalter Bahnhof ist ein ehemaliger Fernbahnhof in Berlin. Er liegt am Askanischen Platz, an der Stresemannstraße in Kreuzberg in der Nähe des Potsdamer Platzes. Er wurde als Kopfbahnhof direkt vor den Toren der Berliner Zollmauer angelegt. Heute erinnert nur noch die Portalruine und der unterirdische S-Bahnhof an den einst weithin berühmten Bahnhof. Im Volksmund wurde er kurz „Anhalter“ oder „Das Tor zum Süden“ genannt. Der Name des Bahnhofs bezieht sich auf die Region Anhalt, heute Teil des Bundeslandes Sachsen-Anhalt.

Inhaltsverzeichnis

Der Anhalter Fernbahnhof und seine Strecken

Der Anhalter Bahnhof bildete den nördlichen Endpunkt der 1841 eröffneten Berlin-Anhaltischen Eisenbahn und war damals vor der Berliner Zollmauer, am Anhalter Tor, erbaut worden. Die Stammstrecke führte über Jüterbog, Lutherstadt Wittenberg, Roßlau und Dessau nach Köthen, wo sie auf die bereits existierende Magdeburg-Leipziger Eisenbahn traf. Ab Jüterbog zweigte eine Strecke nach Röderau (an der Elbe, nördlich von Riesa) ab, die teilweise auch von den Zügen nach Dresden benutzt wurde.

Geschichte

Der erste Anhalter Bahnhof wurde am 1. Juli 1841 eingeweiht. Aufgrund des stetig zunehmenden Bahnverkehrs konnte er bald seine Aufgaben nicht mehr erfüllen und musste nach mehreren Erweiterungen abgerissen werden, um dem 1880 eröffneten heute noch bekannten Neubau Platz zu machen.

Nach ersten Entwürfen erhielt der Berliner Architekt Franz Schwechten den Auftrag zum Neubau des Bahnhofsgebäudes. Er plante eine imposante Bahnhofshalle mit quer davor angeordnetem Empfangsgebäude über einem ca. sechs Meter hohen Sockelgeschoss. Das war notwendig, weil die Bahntrasse von Süden her über die Hochflächen des Teltow in die Stadt hereinlief und wenige Meter vor dem Bahnhof den Landwehrkanal und die Uferstraßen auf Brücken überquerte. Als Material verwendete Schwechten den Greppiner Klinker und eine Vielzahl unterschiedlicher Terrakotta-Formsteine. Legendär war die architektonische Gliederung der platzseitigen Hallenwand. Die korbbogenförmige Giebelwand wurde durch eine zweischalige Rundbogenreihe auf schmalen Pfeilern getragen. Die Hallenkonstruktion aus Fachwerk-Eisenbindern realisierte der als Schriftsteller bekannte Heinrich Seidel. Mit einer Höhe von 34 Metern und einer Binderlänge von 62 Metern besaß die Halle damals die größte Spannweite auf dem Kontinent. Die Bauzeit des technisch aufwändigen und komplizierten Bauwerks betrug sechs Jahre, von 1874 bis 1880. Der Neubau wurde als Berlin-Anhaltischer Eisenbahnhof am 15. Juni 1880 von Kaiser Wilhelm I. und Otto von Bismarck feierlich eingeweiht.

Ab 1882 fuhren vom Anhalter Bahnhof auch die Züge der Dresdner Bahn ab, weil sich der Betriebsablauf bei wachsendem Verkehr durch die Kreuzung der beiden Bahntrassen zunehmend erschwerte.

Vom Anhalter Bahnhof aus verliefen die Eisenbahnstrecken nach Halle (Saale), Leipzig, Frankfurt/Main und München über die Anhalter Bahn sowie nach Dresden über die Dresdner Bahn. Der Anhalter Bahnhof verband Berlin mit Wien, Rom und Athen. Sogar eine Direktverbindung nach Neapel existierte. Neben D-Zügen und Eilzügen der Deutschen Reichsbahn verkehrten hier auch die Luxuszüge der ISG.

Seit 1928 war der Bahnhof durch den „längsten Hoteltunnel der Welt“ auf direktem Weg mit dem Hotel Excelsior verbunden. Unter der Königgrätzer Straße, der heutigen Stresemannstraße, befanden sich fünf Verkaufsräume.

Stele zum Gedenken an die Judendeportationen

Ab Juni 1942 erfolgten Judendeportationen auch vom Anhalter Personenbahnhof. Es handelte sich hierbei um sogenannte „Alterstransporte“, mit denen Berliner Juden in das Konzentrationslager Theresienstadt gebracht wurden. Die Transporte fanden in der Regel morgens mit planmäßigen Zügen statt, an die ein bis zwei Personenwagen dritter Klasse angehängt wurden. Insgesamt wurden vom Anhalter Personenbahnhof in 116 Zügen über 9600 Menschen deportiert. Weitere Deportationen erfolgten vom Bahnhof Grunewald und vom Güterbahnhof Moabit. Insgesamt wurden über 50.000 Juden aus Berlin verschleppt. Seit dem 27. Januar 2008 erinnert eine Stele hinter der Portalruine an die Judendeportationen vom Anhalter Bahnhof.[1]

Nachdem das Bahnhofsgebäude am 3. Februar 1945 durch Bombenangriffe schwer beschädigt worden und ausgebrannt war, wurde es nur enttrümmert und notdürftig betriebsfähig gemacht. Die vier Hallenwände standen noch und wurden in einer Schadenskarte als wiederaufbaufähig eingestuft. Die eingestürzte Stahlkonstruktion des Hallendaches wurde zerschnitten und entfernt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich der Anhalter Bahnhof durch die nun erfolgte Sektorenbildung im Westteil Berlins. Der Zugverkehr beschränkte sich aus betrieblichen, aber vor allem aus politischen Gründen auf wenige Fern- und Personenzüge in die Sowjetische Besatzungszone. Ab 1951 verkehrten hier nur noch wenige Nahverkehrszüge nach Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Im gleichen Jahr wurde die S-Bahn von Lichterfelde Süd zum neuen Endbahnhof Teltow/Anhalter Bahn verlängert, der gleichzeitig neuer Endpunkt für die meisten weiterführenden Nahverkehrszüge auf der Anhalter Bahn wurde. Der Vorortverkehr zwischen Anhalter Bahnhof und Teltow wurde eingestellt. Die verkehrliche Bedeutung des Anhalter Bahnhofs nahm stetig ab.

Im Vorfeld von Absperrmaßnahmen der DDR zur Isolierung des Westteils Berlins und nach dem Neubau des südlichen Außenrings um West-Berlin herum wurde der Zugverkehr zum Anhalter Fernbahnhof ab dem 18. Mai 1952 endgültig eingestellt. Die Anlagen waren nun dem Verfall preisgegeben.

Trotz starken Widerstandes der Fachwelt und der Architekten- und Baukammern sollte das seit den 1930er-Jahren unter Denkmalschutz stehende Bahnhofsgebäude auf Betreiben das damaligen Baustadtrates Rolf Schwedler zum Abbruch freigegeben werden. Begründet wurde der Abriss teilweise mit der Notwendigkeit zum Neubau eines größeren Bahnhofes an gleicher Stelle, für den es bereits Architektenentwürfe gab, und mit der Einsturzgefahr der freistehenden Hallenwände. Der Abriss erwies sich aufgrund des sehr stabilen und harten Mauerwerksverbandes jedoch als derart schwieriges Unterfangen, dass mehrere Abrissfirmen sich wirtschaftlich verkalkulierten und in der Folge Konkurs anmelden mussten. Die Terrakotta-Formteile des Kaiserportals wurden gesichert und später im Eingangsbereich der Eisenbahnabteilung des Deutschen Technikmuseums Berlin wieder aufgebaut.

Figuren auf dem Portikus: Nacht und Tag, jetzt im Deutschen Technikmuseum Berlin

Nach der Sprengung der Halle 1959 blieb nur noch der Portikus mit einem Teil der überdachten gemauerten Vorfahrt stehen. Bürgerproteste verhinderten den Abbruch des übriggebliebenen Torsos. Er blieb als Erinnerung an den bekannten Berliner Bahnhofsbau stehen. Die beiden Figuren von Ludwig Brunow zu beiden Seiten der ehemaligen Uhr oberhalb des Eingangsportals symbolisieren den Tag (in die Ferne schauend) und die Nacht (die Augen geschlossen). Von 2003 bis 2005 wurde die Portikusruine saniert und gesichert. Die verrostete eiserne Tragstruktur im Inneren der Figuren Tag und Nacht war nicht mehr restaurierbar, weshalb die beiden Plastiken 2004 durch Kopien aus Bronzeguss ersetzt wurden. Die Originale befinden sich seitdem im Deutschen Technikmuseum Berlin.

Überreste der Bahnsteige

Die Seitenwände der ehemaligen Bahnhofshalle wurden durch die Anpflanzung langstieliger Eichen markiert, in deren Mittelteil Ballspielfelder eingerichtet wurden. Nach der Entwidmung des Bahngeländes wurde 2002 unmittelbar neben den Fundamenten des ehemaligen Südportals die Veranstaltungsstätte Tempodrom nach Plänen des Architekturbüros Gerkan, Marg und Partner als „festes Zelt“ errichtet. Im Untergeschoss befindet sich der Wellnesstempel Liquidrom.

Den Gleisfächer der Bahnhofseinfahrt auf dem Hochplateau hat seit der Stilllegung des Bahnbetriebes die Natur zurückerobert. Teilweise waren noch die alten Bahnsteige zwischen den Bäumen auszumachen. Die Spontanvegetation wird derzeit zu einer innerstädtischen Parkanlage mit Anbindung an das Technikmuseum über den Anhalter Steg umgebaut. Dabei werden die Bahnsteigkanten zum Teil wieder aufgemauert.

Brücken der Hochbahn und der Anhalter Bahn über den Landwehrkanal um 1900

Die Brücken über den Landwehrkanal wurden oft als besondere technische Meisterleistung auf Postkarten abgebildet. An dieser Stelle kreuzten sich auf sechs Ebenen die Verkehrswege: unten der Tunnel der Nord-Süd-S-Bahn (ab 1939), oben der Landwehrkanal, die begleitenden Kanaluferstraßen, die Fernbahnbrücke, die Brücke der Hochbahn (ab 1902) und schließlich der Luftverkehr, der oft mit einem Luftschiff dargestellt wurde. Genau an dieser Stelle ereignete sich Anfang Mai 1945 die Sprengung der Decke des Nord-Süd-Tunnels, die den gesamten Tunnel überflutete.

Modell des Anhalter Bahnhofs und Güterbahnhofs (im Hintergrund) im DTMB

Die vier Bahnbrücken der Anhalter Bahn wurden in den 1960er-Jahren abgebrochen, die Brückenwiderlager standen noch einige Jahre. Im Jahr 2001 wurde an dieser Stelle mit dem Anhalter Steg eine Fußgängerbrücke errichtet, die die Parkanlage mit dem Gelände des Deutschen Technikmuseum Berlin (DTMB) verbindet. An den Brückenwiderlagern sind mit großen Steinbuchstaben die Worte „BERLIN“ und „ANHALT“ angebracht.

Das Deutsche Technikmuseum Berlin, das sich zu großen Teilen auf dem Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerks des Anhalter Bahnhofs befindet, zeigt ein umfangreiches Modell des Anhalter Bahnhofs im Zustand von 1939, einschließlich des Güterbahnhofs und des Bahnbetriebswerks sowie einiger umliegender Gebäude. Das Modell im Maßstab 1:87 (H0) lässt das Ausmaß der ehemaligen Gleisanlagen erahnen.

S-Bahnhof

Eröffnung des Tunnelbahnhofs der S-Bahn

Nach der Fertigstellung des Nord-Süd-Tunnels wurde am 9. Oktober 1939 der unterirdische S-Bahnhof Anhalter Bahnhof, der nach Plänen des Reichsbahnarchitekten Richard Brademann entstand, eröffnet. Er nimmt die aus Richtung Süden (Südkreuz und Schöneberg) fahrenden Züge am östlichen Bahnsteig, die aus dem Nord-Süd-Tunnel kommenden Züge am westlichen Bahnsteig auf. Mit der Bahnhofsanlage wurde am nördlichen Bahnhofskopf auch ein Überführungsbauwerk für die damals geplante Ost-West-S-Bahn zum Görlitzer Bahnhof errichtet. Die hierfür vorgesehene Bahnsteigkante 1 (geplant vom Görlitzer Bahnhof kommend) erhielt erst 1986 von der BVG ein Stumpfgleis, um Baufahrzeuge oder andere Fahrzeuge abstellen zu können.

Die Inbetriebnahme der Streckenäste am unterirdischen S-Bahnhof Anhalter Bahnhof:

  • 09. Oktober 1939: Die Strecke nach Wannsee wird in Betrieb genommen.
  • 06. November 1939: Die Strecke nach Papestraße (Südkreuz) wird in Betrieb genommen.
  • 19. Dezember 1940: Ein Übergang zwischen Untergrundbahnhof und Anhalter Fernbahnhof wird in Betrieb genommen.

Der Entwurf Richard Brademanns weist trotz der Entstehungszeit in den 1930er-Jahren moderne Züge auf. Der unterirdische Bahnhof ist als eine vierschiffige Halle mit flacher Decke ausgeführt. Die quadratischen Stahlstützen sind in drei Reihen, jeweils an den Bahnsteigsmittelachsen sowie zwischen den inneren Gleisen angeordnet. Die Seitenwände wurden mit weißem Opakglas bekleidet (Plattenformat 53 × 32 cm), die Stützen mit grünen Glasplatten. Insgesamt wurde in der Halle etwa 4000 m² Glasfläche eingebaut.

Nachkriegszeit

Durch die Sprengung der Tunneldecke in Höhe des Landwehrkanals im Mai 1945 war der Nord-Süd-Tunnel überflutet und der S-Bahn-Betrieb musste bis zum 2. Juni 1946 eingestellt werden. Die S-Bahn-Züge endeten vorübergehend am Potsdamer Ringbahnhof. Nach der Reparatur mehrerer Schadstellen im S-Bahn-Tunnel fuhren die Züge aus Richtung Friedrichstraße wieder in den unterirdischen Anhalter Bahnhof ein.

Zeitfolge der Wiederinbetriebnahme des unterirdischen S-Bahnhofs Anhalter Bahnhof nach Kriegsende:

  • 27. Juli: Die Züge nach Wannsee fahren wieder
  • 15. August: Die Züge nach Lichterfelde Süd fahren wieder
  • 21. September: Die Züge nach Rangsdorf fahren wieder
  • 15. November 1947: Der durchgehende Betrieb im Nord-Süd-Tunnel wird wieder aufgenommen.

Übernahme des S-Bahn-Betriebs durch die BVG

Als am 9. Januar 1984 die BVG die Betriebsrechte der S-Bahn für West-Berlin von der Reichsbahn übernommen hatte, wurde der S-Bahnhof für die Züge aus Lichtenrade wieder zur Endstation. Nach heftigen Bürgerprotesten, die die Wiederaufnahme des S-Bahn-Betriebes in Berlin forderten und vom Berliner Fahrgastverband IGEB unterstützt worden waren, wurde der Betrieb ab dem 1. Mai über Friedrichstraße bis Gesundbrunnen wieder aufgenommen.

Am 1. Februar 1985 wurde der S-Bahnverkehr von Anhalter Bahnhof nach Wannsee wiedereröffnet. Für Überführungsfahrten zum Betriebswerk Wannsee war die Wannseebahn noch benutzt worden, als diese Strecke nach dem Berliner S-Bahnstreik 1980 stillgelegt war.

Seit dem 28. Mai 1995 verkehrt die S-Bahn wieder zwischen Lichterfelde Ost und Anhalter Bahnhof. 2005 ist die Strecke über Lichterfelde Süd nach Teltow Stadt verlängert worden.

Sanierung des S-Bahnhofs

Der S-Bahnhof 2008 nach der Sanierung

Mitte der 1950er-Jahre erfolgte eine Grundreparatur des S-Bahnhofs. Die Wände wurden neu gefliest, die Decke gestrichen und die Beleuchtung erneuert. Am 18. August 1991 wurde der Bahnhof erneut zum Endbahnhof, weil der Nord-Süd-Tunnel substanziell und durchgreifend saniert werden musste. Die Wiederinbetriebnahme des S-Bahn-Tunnels erfolgte am 1. März 1992.

Am 10. August 2004 brannte ein Triebwagen der Baureihe 480 der Berliner S-Bahn im Gleis 2 des Anhalter Bahnhofs völlig aus. Durch das Eingreifen des Triebwagenführers, des Bahnhofspersonals und eines mitreisenden freiwilligen Feuerwehrmanns konnten alle Fahrgäste in Sicherheit gebracht und eine Katastrophe verhindert werden.

Als Konsequenz aus diesem Vorfall verlängerte die Deutsche Bahn die bereits bestehenden Treppenanlagen am Südende der Bahnsteige durch eine Treppenanlage ins freie Gelände vor dem Bau des Tempodroms. Der Bahnhof wurde bis zum 23. Dezember 2004 für Aufräumarbeiten geschlossen, die S-Bahnen fuhren ohne Halt durch. Nach dem Einbau von Brandschutzverkleidungen wurde der Richtungsbahnsteig nach Norden wieder für den Verkehr geöffnet. Die Arbeiten auf dem südlichen Richtungsbahnsteig zogen sich weitere zwölf Monate hin.

Der Bahnhof konnte 16 Monate nach dem Brand am 20. Dezember 2005 wieder komplett in Betrieb genommen werden. Die ursprünglichen Pläne, die Sanierung bis zum Juli 2005 abzuschließen, waren wegen der Insolvenz des federführenden Planungsbüros ins Stocken geraten.

Ab Frühjahr 2007 soll die Deckenverkleidung eingebaut und der Eingangsbereich instand gesetzt werden. Nach Angaben der Bahn belaufen sich die Kosten für die Brandschutztechnik auf 2,5 Mio. Euro; 1,5 Mio. Euro entfallen auf die etwa 5000 m² große Decke, sowie 510.000 Euro für den neuen Ausgang zum Tempodrom.[2]

Güterbahnhofsgelände

Aufriss des Güterbahnhofs von Franz Schwechten
Östlicher Kopfbau des Güterbahnhofs heute

Lage im Stadtgebiet

Das Gelände des Anhalter Güterbahnhofs befand sich südlich des Fernbahnhofs auf einem Areal, das im Westen vom Potsdamer Güterbahnhof, im Norden vom Gleisdreieck und dem Landwehrkanal, im Osten von der Möckernstraße und im Süden von der Yorckstraße begrenzt wird.

Zusammen mit dem Potsdamer Güterbahnhof bildet dieses große Gebiet eine innerstädtische Zäsur, ähnlich wie der Flughafen Tempelhof. Das Gebiet hat eine maximale Ausdehnung von 800 Metern in Ost-West-Richtung sowie 800 bis 1200 Meter in Nord-Süd-Richtung. Ursprünglich hatte James Hobrecht mit seinem Bebauungsplan 1862 zwischen Kreuzberg und Charlottenburg einen geradlinigen Boulevard, den sogenannten „Generalszug“ nach Pariser Vorbild im Verlauf der Bülow- und Gneisenaustraße anlegen wollen. Die rasante Ausdehnung der Bahnanlagen südlich des Landwehrkanals in den 1870er- und 1880er-Jahren erforderten eine Änderung dieser Pläne. Die Bahnanlagen mussten durch die Anlage der Yorckstraße rund 400 Meter weiter südlich umfahren werden. Auch hier war es noch notwendig, rund 45 stählerne Eisenbahnbrücken auf einer Länge von rund 500 Metern zu bauen, die auf den bekannten gusseisernen Hartungschen Säulen mit ihren typischen Kapitellen abgestützt waren. Noch heute spricht man von den „Yorckbrücken“, wenn man diesen Abschnitt der Yorckstraße beschreiben will. Die „Hochlegung“ der Anhalter Bahn und die Errichtung der Yorckbrücken erfolgte parallel zum Bau des neuen Anhalter Bahnhofs, der 1880 eröffnet wurde.

Güterbahnhof

Die Berlin-Anhaltische Eisenbahn-Gesellschaft ließ die Gebäude des Anhalter Güterbahnhofs in den Jahren von 1871 bis 1874 ebenfalls nach den Plänen des Architekten Franz Schwechten errichten, der auch den Fernbahnhof entworfen hatte. Die beiden dreigeschossigen Kopfbauten nördlich vor den beiden ungefähr 210 Meter langen Lager- und Versandspeichern waren durch einen brückenartigen Verbindungsbau auf drei großen gemauerten Bögen mit Verbindungsgang verbunden. Formsteine und Terrakotten gestalteten wie beim Fernbahnhof die Klinkerfassade – der geringeren Bedeutung des Güterbahnhofs entsprechend weniger zahlreich und weniger aufwändig.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Anlagen erheblich beschädigt. Die Ruine des westlichen Kopfbaus war bis 1959 bereits abgebrochen und der Verbindungsbau verschwand 1963 bei der Verlängerung der U-Bahnlinie 7 zwischen den U-Bahnhöfen Möckernbrücke und Yorckstraße. Als Torso der ehemals symmetrischen Anlage ist der östliche Kopfbau erhalten.

Noch bis Anfang der 1980er-Jahre wurde der Güterbahnhof genutzt, danach lag das Gelände brach und verwilderte. Noch heute erinnern unter anderem die zahlreichen Yorckbrücken über der Yorckstraße an die Zeit des vielgenutzten Güterbahnhofs.

Nachdem das Technikmuseum das Kopfgebäude zum Spektrum umbauen ließ, und die Laderampen und Schuppen zukünftig für die Automobilsammlung genutzt werden sollen, wurde auch der Wiederaufbau bzw. Neubau eines zweiten Kopfgebäudes an der Stelle des ehemaligen Zwillingsbauwerks mit Verbindungsbrücke zum Spektrum erwogen.

Zwischen 2001 und 2007 gastierte das Erlebnisrestaurant Pomp, Duck & Circumstance auf einem Teil im Zentrum des Geländes.

Nachdem 2006 ein landschaftsplanerischer Wettbewerb für das so genannte Südgelände ausgeschrieben und entschieden worden war, wird das Gelände des ehemaligen Anhalter sowie des Potsdamer Güterbahnhofs seit dem 26. August 2006 in die 35 Hektar große Parkanlage Park auf dem Gleisdreieck umgestaltet. Dabei wird auch eine fußläufige Querverbindung zwischen Hornstraße und Bülowstraße im Verlauf des ursprünglich geplanten Generalszuges hergestellt. Das Ende der Bauarbeiten soll voraussichtlich im Jahr 2011 sein.

Bahnbetriebswerk „Bw Berlin Ahb“

Auf dem Gelände des Güterbahnhofes, unmittelbar südlich der Landwehrkanals westlich der Ferngleise, befand sich das Bahnbetriebswerk Bw Berlin Ahb. Es war für die Bespannung der Fernzüge der Anhalter und der Dresdner Bahn zuständig. Die Anlage bestand aus zwei Drehscheiben mit Ringlokschuppen und Nebengebäuden und wurde bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs ständig erweitert, um die immer größer werdenden Lokomotiven unterbringen und versorgen zu können. So mussten die Schuppenstände mehrfach verlängert und die Drehscheiben vergrößert werden.

Im Bw Berlin Ahb waren immer relativ leistungsfähige und moderne Lokomotiven zu sehen. Zahlreiche Lokomotiven der bekannten Schnellzuglokbaureihen BR 17 und BR 01 sowie der schweren vierfach gekuppelten Personenzuglokomotive BR 39 waren hier stationiert. Andere Schnellzuglokomotiven aus anderen Heimat-Bahnbetriebswerken und Bahndirektionen (z. B. die sächsische BR 18.0 oder die BR 03) kamen hier regelmäßig an und wurden auf ihre Rückfahrt vorbereitet. Ab 1936 verkehrten hier auch die stromlinienverkleideten Dampflokomotiven der BR 61 mit dem Henschel-Wegmann-Zug, der zwischen Berlin und Dresden mit einer Fahrzeit von 100 Minuten verkehrte.

Die Züge des Vorortverkehrs der Anhalter und Dresdner Bahn (nach Teltow und Ludwigsfelde sowie nach Zossen) begannen nicht im Anhalter Bahnhof, sondern im Potsdamer Ring- und Vorortbahnhof. Die Lokomotiven hierfür wurden vom Bw Berlin Pog (auf dem Potsdamer Güterbahnhof) bereitgestellt. Am Anhalter Bahnhof setzten jedoch auch beschleunigte Personenzüge und Eilzüge in Richtung Jüterbog, Lutherstadt Wittenberg, Halle, Leipzig und Dresden ein, die oft mit der preußischen P 8 (BR 38.10) bespannt waren.

In der Mitte der 1930er-Jahre wurden für die neuen Schnellverkehrstriebwagen (SVT) Hallen südlich der Yorckstraße bzw. an der Monumentensraße umgebaut oder neu gebaut. Die Hallen an der Monumentenstraße beherbergen heute die Nahverkehrssammlung des Deutschen Technik Museums.

Nutzung durch das Deutsche Technikmuseum Berlin

1982 eröffnete im nördlichen Teil des Geländes sowie auf dem angrenzenden Gelände des ehemaligen Bahnbetriebswerks des Anhalter Bahnhofs das Deutsche Technikmuseum Berlin. Die beiden Ringlokschuppen des Bw Ahb wurden – bis auf drei Segmente, die im verfallenen Zustand mit der Ruderalvegetation belassen wurden – wiederaufgebaut und beherbergen die öffentlich zugängliche Schienenfahrzeugsammlung des Museums. Weitere Schienenfahrzeuge und die Kommunalverkehrssammlung werden in der Monumentenhalle (der ehemaligen SVT-Halle) aufbewahrt und sind dort nur an den Septemberwochenenden zugänglich. An diesen Tagen findet ein Eisenbahnpendelverkehr zwischen dem alten Bahnbetriebswerk und der Monumentenhalle mit historischen Wagen statt.

Im Gebäude hinter den beiden Ringlokschuppen – dem ehemaligen Beamtenwohnhaus – sowie im alten Gebäude an der Trebbiner Straße sind andere Abteilungen des Museums untergebracht. An der Einmündung der Trebbiner Straße zur Kanaluferstraße, unweit des Anhalter Steges, wurde ein Museumsneubau für die Luftfahrzeuge errichtet. Hier ist als Blickfang ein „Rosinenbomber“ vom Typ C 47 (militärische Version der DC 3) über dem Gebäude aufgehängt. In den östlichen Kopfbau des Güterbahnhofs zog das Spectrum, das Science Center des Deutschen Technikmuseums Berlin, ein.

Im Freigelände östlich des alten Bahnbetriebswerkes wurde der Museumspark eingerichtet. Neben der Aufstellung einzelner Exponate, insbesondere einiger historischer Windmühlen wurden die Reste der Bahnanlagen und die Ruderalvegetation belassen.

Siehe auch

Literatur

  • Rainer Knothe: Anhalter Bahnhof – Entwicklung und Betrieb, 1997, EK-Verlag, ISBN 3882556811
  • Helmut Maier: Berlin Anhalter Bahnhof, 1984, Ästhetik und Kommunikation Verlag, ISBN 3882451084
  • Alfred Gottwaldt: Berlin – Anhalter Bahnhof, 1986, Alba Verlag, ISBN 3870942266
  • Peter Kliem, Klaus Noack: Berlin Anhalter Bahnhof, 1984, Ullstein Verlag, ISBN 3550079648

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung Nr. 08/2008 des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg vom 24. Januar 2008 Öffentliche Übergabe von zwei Gedenktafeln der Berliner Designerin Helga Lieser:»Gedenken an die Deportationen nach Theresienstadt« und »Wieland Herzfelde und der Malik-Verlag«
  2. „Dauerbaustelle Anhalter Bahnhof“ in DIE WELT vom 1. Dezember 2006

52.50305555555613.3819444444447Koordinaten: 52° 30′ 11″ N, 13° 22′ 55″ O


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