Kurbrandenburgische Marine

Kurbrandenburgische Marine
Kurbrandenburgische Flotte in offener See, 1684

Die Kurbrandenburgische Marine war die Marine Brandenburg-Preußens. Ihre Anfänge liegen im Jahre 1657. Mit der Erhebung Brandenburg-Preußens zum Königreich Preußen im Jahre 1701 wurde die Kurbrandenburgische Marine zur Königlich Preußischen Marine.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Frühe Seestreitkräfte (1618–1657)

Brandenburg-Preußen verfügte bereits ab 1618 über eigene Seestreitkräfte in der Ostsee. Die Markgrafschaft Brandenburg selbst hatte zu Beginn des 17. Jahrhunderts zwar keinen Zugang zum Meer, allerdings übten die Brandenburger Hohenzollern seit 1605 an Stelle des einer anderen Linie ihres Hauses angehörenden geisteskranken Herzogs Albrecht II. Friedrich die Regentschaft über das Herzogtum Preußen aus, das nach dem Tode des letzten kinderlos gebliebenen Herzogs ab 1618 auch formal Besitztum der Brandenburger Hohenzollern wurde. Die Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches und Markgrafen von Brandenburg wurden damit auch Lehnsmannen des polnischen Königs und mussten diesem in mehreren Kriegen Schiffe zur Verfügung stellen.

Nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges 1648 hatte der Doppelstaat Brandenburg-Preußen durch den Westfälischen Frieden die Anwartschaft auf das Bistum Magdeburg (Anfall 1680) und damit unmittelbaren Zugang zum schiffbaren Teil der Elbe bekommen. Zwar hatte Brandenburg-Preußen auch Hinterpommern und damit eine breite Ostseeküste gewonnen, einziger bedeutender Hafen war dort jedoch Kolberg, das erst 1653 von Schweden geräumt wurde. Da Schweden weiterhin die Odermündung bei Stettin und Cammin und damit auch den wichtigsten sonstigen Seezugang zum brandenburgischen Gebiet unter seiner Kontrolle hatte, öffnete der Zugang zur Elbe neue potenzielle Möglichkeiten für die wirtschaftliche Entwicklung Brandenburgs.

Grundlagen ab 1657

Maat (rechts) und Matrose der Kurbrandenburgischen Marine um 1675

Der Zweite Nordische Krieg von 1655 bis 1660 führte Kurfürst Friedrich Wilhelm die Bedeutung einer eigenen Seestreitmacht vor Augen, als er 1656 mangels einer eigenen Kriegsflotte die Häfen von Pillau und Memel den Schweden öffnen musste. Mit diplomatischem Geschick und Wechsel der kriegsführenden Seiten konnte der Kurfürst bei Friedensschluss die volle Souveränität über das Herzogtum Preußen erringen. Damit standen ihm erstmals frei von fremden Herrschaftsrechten eigene größere Häfen zur Verfügung. Zuerst versuchte er über Handelsschiffe Gewinne und Kontakte zu gewinnen. Dazu ließ er in Holland zwei Schiffe bauen: die "Herzogtum Cleve" und die "Grafschaft Mark", die jedoch von England beschlagnahmt wurden.[1][2]

Nach dem erneuten Einfall der Schweden in Brandenburg gab der Sieg über das schwedische Heer in der Schlacht von Fehrbellin im Juni 1675 den letzten Anstoß zum Aufbau einer eigenen Flotte. Seit 1675 erfolgte der Bau von hochseetüchtigen Orlogschiffen (Kriegsschiffe). Im Zentrum des kurbrandenburgischen Schiffbauprojekts stand der niederländische Reeder, Unternehmer und Kaufmann Benjamin Raule (1634–1707). Der Große Kurfürst trat 1675 an den Reeder heran und bot ihm an, Kaperbriefe für den Seekrieg gegen Schweden auszustellen. Raule, der in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, stimmte zu und vermietete für die nächsten Jahre zwischen vier und sechs Schiffe an die Brandenburger, die erfolgreich Kaperkrieg gegen die schwedische Handelsschiffahrt führten. So gelang es den Kaperern, in nur vier Wochen auf der Ostsee 21 schwedische Handelsschiffe aufzubringen. Raule wurde daraufhin von seinen eigenen Landsleuten wegen der Seeräuberei verfolgt und musste nach Berlin fliehen. Am 14. Mai 1675 wurde er dort zum „Marinerath“ ernannt, am 20. Februar 1676 „Schiffsdirecteur“ und „Oberdirecteur unserer Seesachen“ am 17. August 1677. Am 20. Februar 1681 wurde Raule schließlich noch zum „Generaldirecteur de Marine“ im Range eines Obristen ernannt.

Diese angemietete Flotte (zusammen 502 Geschütze) nahm unter Kommando des Kurfürsten an vielen Unternehmungen teil, so etwa bei der Belagerung von Stettin (27. Dezember 1677), der Belagerung von Stralsund (25. Oktober 1678), der Eroberung Rügens (26. September 1678) und der Einnahme Greifswalds (16. November 1678) teil.

1676 erfolgte die Gründung eines Seegerichtes in Kolberg, das über die Rechtmäßigkeit der aufgebrachten Prisen zu urteilen hatte.

Am 16. Januar 1679 verpflichtete sich Raule vertraglich, für sechs Jahre fünf Fregatten und sechs Schaluppen gegen eine feste Heuer an Brandenburg-Preußen zu vermieten. Schon im Juli 1679 gewann er einen Kaperkrieg gegen Hamburg, um ausstehende Zahlungen einzutreiben. 1680 war die kurbrandenburgische Flotte bereits auf 28 Kriegsschiffe angewachsen. Im selben Jahr kam es im Brandenburgischen Kaperkrieg zu einem gegen Spanien gerichteten Einsatz der Marine mit dem Ziel, rückständige spanische Subsidienzahlungen aus dem kurz zuvor beendeten Nordischen Krieg einzutreiben. Dabei lief ein kleiner Verband von acht Schiffen mit 172 Kanonen von Pillau in den westlichen Atlantik und kaperte zwei spanische Silberschiffe, die auf Jamaika profitabel verkauft wurden. Auf dem Rückweg wurde zudem das spanische Schiff „Carolus Secundus“ als Prise aufgebracht, das als „Markgraf von Brandenburg“ das Flaggschiff der Marine wurde.[1]

Landung des Großen Kurfürsten auf Rügen, 1678

Raule rüstete aus eigenen Mitteln 1680 eine Afrikaexpedition aus, die Stützpunkte im heutigen Ghana erwerben konnte. Dort wurde das Fort Groß Friedrichsburg mit mehreren Außenstellen an der Goldküste errichtet, das sich bis 1721 gegen konkurrierende Mächte, vor allem gegen die Niederlande, halten konnte. 1681 erfolgte in Berlin die Umbenennung des „General-Kommerz-Kollegiums“ in Admiralität.

Mit Raules Hilfe plante der Große Kurfürst die Gründung einer Handelskompanie nach holländischem Vorbild. Dazu wurde ab 1680 der Hafen Pillau zum Stützpunkt mit Werft ausgebaut. Am 1. Januar 1682 wurde offiziell die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie mit Sitz in Pillau gegründet. Von den genannten Stützpunkten übernahmen die Schiffe der kurbrandenburgischen Marine Sklaven und transportierten sie nach Westindien zur Insel Saint Thomas (Jungferninseln), die damals zu Dänemark gehörte. Ab 1682 wurde auch in Berlin (in der heutigen Dorotheenstraße) eine Werft für Schiffs-Rohbauten ohne Masten errichtet, die erst elbabwärts in Hamburg seetüchtig vollendet wurden. Als Basis für ihre Unternehmungen benötigte die Kurbrandenburgische Marine jedoch einen geeigneten Hafen an der Nordsee. Friedrich Wilhelm gelang es 1682, in Ostfriesland Fuß zu fassen und sich zunächst in Greetsiel einen Stützpunkt zu sichern. Auf Grundlage eines am 2. Mai 1683 mit den Ständen der Stadt Emden geschlossenen Vertrages wurde Emden der neue Stammhafen der Marine. Außerdem wurde dort die brandenburgische Admiralität eingerichtet. Gleichzeitig wurde der Sitz der Handelskompanie von Pillau nach Emden verlegt.

Kompanie-Schiffe brachten für den Tauschhandel ausgemusterte Handfeuerwaffen mit Munition, einfache Eisengeräte und Rubinglas. Sie hatten den Auftrag von Guinea Elfenbein, Gold und auch Sklaven mitzubringen. Die Sklaven wurden später auf die dänische Insel St.Thomas in die Karibik gebracht (Stützpunktvertrag 24. November 1685).

Offizielle Gründung der Marine 1684

Offiziell wurde die brandenburgisch-preußische Marine erst am 1. Oktober 1684 vom Großen Kurfürsten gegründet, als der Kurfürst zu den eigenen Schiffen auch noch Raules Flotte aufkaufte (neun Schiffe mit 176 Kanonen). Dies kostete Brandenburg-Preußen 109.340 Taler und führte zur endgültigen Etablierung der brandenburgischen Staatsmarine. Fünf Jahre später erließ sein Sohn und Nachfolger, Kurfürst Friedrich III. (der spätere König Friedrich I.), organisatorische Vorschriften und richtete Admiralitätsämter in Berlin, Emden, und Pillau ein. Noch 1687 wurde auch in Havelberg (Havel) eine Werft errichtet. Außer Schiffen, Offizieren und Matrosen umfasste die Marine auch ein eigenes Marinekorps.

Der Kurfürst Friedrich Wilhelm I. starb 1688. Sein Nachfolger wurde der spätere König Friedrich I., der die Flotte und die Handelskompagnie aus Pietät vor dem verstorbenen Vater fortführte, jedoch kein echtes Interesse dafür aufzubringen vermochte. Entsprechend verfiel die Flotte schnell, und 1701 segelten nur noch elf Kriegsschiffe unter brandenburgischer Flagge (von einstmals 34 Schiffen 1684).

Auflösung der Marine

Die Werft zu Havelberg, Schiffbau für die Marine

Nachdem es nicht gelungen war, die ab 1701 nunmehr Preußische Marine durch Außenhandelsgewinne zu finanzieren, und nachdem immer wieder Schiffe verloren gegangen waren (z.B. infolge Kaperung durch Freibeuter oder Piraten, Beschlagnahme durch andere Seefahrernationen etc.), wurde sie 1711 durch König Friedrich I. zusammen mit der Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie aufgelöst. Der verbliebene Kolonialbesitz in Afrika (Kolonie Groß Friedrichsburg) wurde 1717 für 7200 Dukaten (in heutigen Wert umgerechnet etwa 125.000 €) und zwölf junge Afrikaner an die Niederlande verkauft.

Mit dem Verkauf der brandenburgischen Besitzungen in Afrika waren die Seemachtsbestrebungen des Königreichs Preußen vorerst beendet. Unter der Regierung des Soldatenkönigs (1713 bis 1740) wurden sämtliche verfügbaren Ressourcen in den Aufbau der Landstreitkräfte investiert, und für die folgenden hundert Jahre blieb Preußen eine reine Landmacht.

Schiffe der Kurbrandenburgischen Marine

  • Fregatte Friedrich Wilhelm zu Pferde (50 Kanonen)
  • Fregatte Goldener Löwe, ex "Dorothea (1)"
  • Fregatte Dorothea (2) (40 Kanonen)
  • Fregatte Rother Löwe (22 Kanonen)
  • Fregatte „Markgraf von Brandenburg” (vormals „Carolus Secundus”; 50 Kanonen)
  • Fregatte „Chur Prinz” (36 Kanonen)
  • Fregatte „Moriaen” (32 Kanonen)
  • Fregatte „Wappen von Brandenburg”
  • „Churprinz von Brandenburg” (12 Kanonen)
  • Yacht „Bracke”
  • Yacht Große Jacht (10 Kanonen)
  • „Wasserhund”
  • Fregatte „Berlin“ (15 Kanonen)
  • „Fuchs” (20 Kanonen)
  • „Einhorn” (12 Kanonen)
  • „Printz Ludwig” (10 Kanonen)
  • „Falke” (Schnau, 4 Kanonen)
  • „Jean Baptista” (4 Kanonen)
  • „Marie” (4 Kanonen)
  • „Spandau” (4 Kanonen)
  • „Stern” (6 Kanonen)
  • „Princesse Maria” (12 Kanonen)

Verweise

Interne Verweise

Weblinks

  • Das Gemälde von Lieve Verschuier wird auf einer privaten Homepage im Detail betrachtet und für jedes Fahrzeug Informationen aus den archivalischen Quellen angegeben: [2]
  • Zum Gemälde gehört auch ein Lobgedicht auf den Großen Kurfürsten: [3]
  • Louis Erhardt: "Eine kurfürstlich-brandenburgische Flottendemonstration vor Königsberg im Jahre 1605", in: Hohenzollern-Jahrbuch 1898: [4]
  • Hans Bohrdt: "Lustjachten der Hohenzollern", in: Hohenzollern-Jahrbuch 1899: [5]

Literatur

  • Ulrich van der Heyden: Rote Adler an Afrikas Küste. Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfriedrichsburg in Westafrika. Berlin: Selignow-Verlag 2001, ISBN 3-933889-04-9
  • Werner Rahn: Deutsche Marinen im Wandel: Vom Symbol nationaler Einheit zum Instrument internationaler Sicherheit, R. Oldenbourg Verlag, München 2005, ISBN 3-486-57674-7
  • Hans Szymanski: Brandenburg-Preußen zur See 1605-1815. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der deutschen Marine, Leipzig 1939.
  • Kurt Petsch: Seefahrt für Brandenburg-Preußen, 1650-1815. Geschichte der Seegefechte, überseeischen Niederlassungen und staatlichen Handelskompanien, Osnabrück 1986.

Einzelnachweise

  1. Gemäldegalerie Berlin (Depot): O. de Vrij, dat. 1665: Dreimaster auf leicht bewegtem Wasser
  2. Erdmannsdörffer, Bernhard [Hrsg.]: Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg Bd.4. Politische Verhandlungen Teil 2. 1867; V Brandenburg und England 1664-1669, S. 614ff

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