Käfigturm

Käfigturm
Käfigturm

Der Käfigturm ist ein Stadttor in Form eines Turmes am oberen Ende der Marktgasse in der Altstadt von Bern und war Teil der alten Befestigungsanlage. Der von 1641 bis 1644 gebaute Turm ersetzte einen baufälligen Vorgänger aus dem Jahre 1256. Das Bauwerk diente im Laufe der Jahrhunderte erst als Wehrturm, Hochwacht, später als Gefängnisturm, Staatsarchiv und Informationszentrum. Gegenwärtig dient es als Ort für Ausstellungen und Veranstaltungen zu politischen Themen.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Der Käfigturm steht im westlichen Teil der Berner Altstadt. Vom Tor in östliche Richtung gelangt man über die Marktgasse und am Anna-Seiler-Brunnen vorbei zum anderen Stadttor, der Zytglogge (Zeitglocke). Im Westen des Käfigturms führt die als Fussgängerzone genutzte Spitalgasse in Richtung Hauptbahnhof. Am Kreuzungspunkt befindet sich auf der Westseite des Tores der stark frequentierte Bärenplatz. Busse und Strassenbahnen von West nach Ost fahren durch den Bogen des Käfigturms; in der umgekehrten Richtung fahren sie auf der nördlichen Stirnseite am Tor vorbei. Für den Fussgängerverkehr in der Ost-West-Achse führen seitlich des Stadttors Wege. Die Adresse des Stadttores lautet Marktgasse 67.

Geschichte

Der Vorgängerbau des heutigen Turmes wurde 1256 im Zuge der zweiten Stadtbefestigung auf Befehl von Peter II. als westlicher Wehrturm errichtet und hiess ursprünglich nach einer bürgerlichen Familie benannt Gloggnerstor, wie der Chronist Konrad Justinger berichtete. Seine Funktion als Wehrbau verlor er mit der Erweiterung der Stadt bis zur heutigen Heiliggeistkirche im Jahr 1345. Nach dem Brand des Zeitglockenturm 1405 wurden die Gefangenen aus dem Kerker des zerstörten Bauwerks in den Käfigturm verlegt. Zur Unterscheidung vom Frauenturm beim Zeughaus erhielt der Turm den Namen Mannenkefi.[1] Neben seiner Funktion als Gefängnis diente er auch als Hochwacht. Eine Grabenbrücke aus dem Jahr 1286 wurde 1578 wieder entfernt.

Darstellung der Berner Altstadt 1638 nach Merian: der Käfigturm war das mittlere der drei Stadttore

Im Jahr 1640 wurde das erste Tor wegen Baufälligkeit abgerissen, und von Januar 1641 bis Frühjahr 1644 durch einen Neubau nach Plänen von Joseph Plepp ersetzt. Im Vorfeld gab es diverse Kontroversen über den Standort und die Turmform. Der Rat, der sich bereits am 19. Mai 1638 für den Neubau des Stadttors aussprach, bestätigte am 29. Mai 1641 seine Entscheidung und hielt am alten Platz fest. Das neue Tor befindet sich lediglich 4 m weiter westlich als das ursprüngliche Tor.[2] Die Zweckbindung des Tors war bereits zum Zeitpunkt seiner Erbauung sekundär. Man wollte ein architektonisches Monument im Stadtgefüge des markanten Platzes schaffen. Der Umbau war ebenfalls mit grossen Kosten verbunden. Im Ratsprotokoll vom 2. September 1639 wurde daher die Frage aufgeworfen:[3]

„ob diß Fortifikation Werck nochmalen nützlich, notwendig und dienstlich (sei), oder aber dem vermeinen nach vergebenlich, und deß vielen Costens und der Untertanen großer beschwerdt wegen zeunderlaßen seye.“

Nach dem Tod von Plepp im April 1642 übernahm Antoni Graber die Leitung des Neubaus. Im Rahmen dieser Arbeiten wurde auch das Nebenhaus dazugekauft und neu gebaut, denn der neue Turm bot nicht genügend Platz zur Unterbringung aller Gefangenen.[4]

Ostseite im Jahr 1902

Seit 1690/91 ist der Käfigturm mit einem mechanischen Uhrwerk versehen. Im Jahr 1803 fielen der Käfigturm und das Nebenhaus dem Kanton zu. In den Jahren 1794 bis 1805 wurde das Nebenhaus um zwei Etagen aufgestockt. Wegen des ansteigenden Verkehrsaufkommens in der Stadt wurde 1823 der Nordanbau abgebrochen und so die seither bestehende Durchfahrt ermöglicht. 1886 sah eine Petition „im Interesse der Verkehrserleichterung“ vor, den Käfigturm ganz abzureissen. Dieses Vorhaben wurde allerdings von der Kantonsregierung abgelehnt. Am 19. Juni 1893 wurde der Käfigturm Schauplatz von Krawallen, bei denen Fensterscheiben des Stadttors zerschlagen wurden.[5] 1897 hatte der Käfigturm als Gefängnis ausgedient; die rund siebzig Gefangenen wurden in das neue Bezirksgefängnis überführt.[6] 1902/1903 wurde im Nebenhaus ein Durchbruch als Fussgängerpassage geschaffen. Aus diesem Grund musste der Treppenturm auf der Ostseite abgebrochen werden. In den Jahren von 1903 bis 1977 wurde das Tor als Staatsarchiv des Kantons Bern für Archivalien des Bezirks- und Obergerichts genutzt. 1906 wurde die Ostfassade renoviert, 1933 die Westfassade.

Der Käfigturm wurde 1980 vollständig renoviert und wird seither als Informations- und Ausstellungszentrum des Kantons genutzt. Im Zuge dieser Renovation wurde auch das ursprünglich im Estrich befindliche Uhrwerk in den Ausstellungsraum versetzt. 1995 wurde das Informationszentrum geschlossen und nur noch sporadisch als Gewerbebibliothek, für Ausstellungen oder private Anlässe genutzt. Im Herbst 1999 wurde von der Schweizerischen Bundeskanzlei und den eidgenössischen Parlamentsdiensten im Käfigturm das Polit-Forum des Bundes eingerichtet. Seither finden dort regelmässig Ausstellungen und Anlässe zu politischen Themen statt.

Beschreibung

Architektur

Käfigturm am Bärenplatz

Das monumentale Stadttor hat einen quadratischen Grundriss von 9,8 Metern Länge und fünf Stockwerke sowie einen Estrich. Bis zum Dachvorscherm (untere Dachkante) misst das Stadttor 23,2 Meter Höhe, bis zum Knauf der Wetterfahne an seiner Spitze 49 m, und hat insgesamt 106 Treppenstufen. Die gesamte Nutzfläche beträgt 475 Quadratmeter,[7] die Sockelstärke 2,5 und die Weite des Torbogens 5 Meter. Die Mauern sind in den Geschossen 0,85 bis 0,90 m dick. Der Unterbau und die Wölbung der Durchfahrt besteht aus Hartstein, der Rest des Baus aus Sandstein.[8] Der Käfigturm steht eingebettet in einem Ensemble von mehrstöckigen historischen Zunfthäusern. Zur Nordseite ist eine schmale Durchfahrt, die Südseite des Tors schliesst nahtlos an ein Wohnhaus an, welches ebenfalls eine Tordurchfahrt besitzt. Über der Tordurchfahrt des Stadttors befindet sich ein Medaillon, das drei Wappendarstellungen in sich trägt. Zwei davon zeigen das Berner Wappen, eines den Doppelkopfadler des Habsburger Wappens. Es soll an die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Schlacht bei der Schosshalde erinnern. Das Medaillon mit dem Waffenrelief wird von einem an der Fassade angebrachten kleinen Dächlein geschützt. Es wurde im Mai 1643 vom Pfälzer Bildhauer Johannes Hülscher in Sandstein gehauen. Die gesamte Wappentafel wurde 1933 restauriert.[9] Als Ankunftsseite ist die Westseite des Käfigturms durch klassische Gliederungsformen aufgewertet. Acht schlitzförmige, vergitterte Fenster unterschiedlicher Grösse sind auf den Stockwerken verteilt. Unterhalb der Dachlinie befinden sich sechs kleine Fensterschlitze. Das Quadermauerwerk besteht aus hellen Steinen. Der Turmfuss ist mit markanten Fugenbildern profiliert. Die Ostfassade ist auf die Hauptglieder reduziert und damit gegenüber der Westfassade deutlich schmuckloser. Verzichtet wurde dort auf Triumphbogenblende, Eckquaderung, Triglyphen und Hermenpilaster.[10]

Uhr und Glocken

Das Stadttor hat auf seiner West- und Ostseite jeweils eine Uhr mit dunkelrotem Zifferblatt. Die Uhren zeigen jeweils nur die Stunden an und verfügen über keinen Minutenzeiger. Auf dem Hauptbaukörper des Stadttors befindet sich ein abgestumpftes Zeltdach mit roten Ziegeln, dessen Kanten barock geschwungen sind. Das Dach wird von einer spitzbehelmten Glockenhaube abgeschlossen. Der untere Teil der Glockenhaube ist würfelförmig mit Schalllöchern der Glocken, an deren Oberseite die Jahreszahl des Baujahrs 1643 in goldener Schrift zu lesen ist. Die Glocke diente ursprünglich als Warnsignal für kriegerische Angriffe und stammt ihrer Inschrift nach aus der Gegend von Vesoul. Ihr Weihespruch lautet „Meine Stimme sei ein Schrecken aller bösen Geister“.[11] Die sehr spitz zulaufende Form der Glockenhaube verjüngt sich antennenartig und wird von einem Knauf und einer Wetterfahne abgeschlossen. An allen vier Seiten das Daches befinden sich mittig kleine Dachgauben, die von kleineren Hauben, in ähnlicher Ausführung wie die Spitze des Tores, abgeschlossen werden.

Im August 1686 wollte man zunächst eine ausrangierte Uhr aus dem Zeitglockenturm am Käfigturm verwenden. Diese erwies sich als unbrauchbar, so dass man die zwei Uhrmacher Jacob Hogg und Jakob Kuntz aus Zofingen beauftragte, eine neue Uhr für den Käfigturm herzustellen.[12] Das Uhrwerk des Käfigturms wurde zusammen mit den zwei Zifferblättern auf der West- und Ostseite 1691 installiert. Das Triebwerk trägt am vorderen Rahmenband die Majuskelinschrift Jacob Hogg 1691. Die Gangdauer des Uhrwerks beträgt maximal 36 Stunden, es muss täglich manuell nachgezogen werden. Zwei Gewichte von 45 und 85 kg bilden dabei die Antriebsvorrichtung.[13]

Käfigturm in der Kunst

Gemälde von Georges Stein

Der Käfigturm war in der bildenden Kunst das Sujet einiger namhafter Künstler. Zu den ältesten bekannten Darstellungen des heutigen Käfigturms zählt eine lavierte Federzeichnung in einem Vedutenalbum. Die Zeichnung Spitalgasse zu Bern entstand um 1680 von Wilhelm Stettler (1643–1708).

Von Johann Ludwig Nöthiger (1719–1782) sind zwei undatierte Kupferstiche erhalten, die das Tor von Nordwesten und Westen her zeigen. Beide Darstellungen befinden sich im Kunstmuseum Basel.

Der französische Impressionist Georges Stein (1818–1890), der vor allem für seine Pariser Strassenszenen bekannt ist, fertigte zwei Ölgemälde (Spitalgasse mit Käfigturm und Marktgasse mit Käfigturm) mit dem Käfigturm als Motiv an.[14]

Der Schweizer Künstler Adolphe Tièche (1877–1957) fertigte 1914 einen Bildband mit 24 Bleistiftzeichnungen von Stadtansichten Berns an. Darunter befindet sich eine Darstellung des Käfigturms mit dem Bärenplatz.

Literatur

  • Paul Hofer: Die Stadt Bern. Gesellschaft für Schweizer Kunstgeschichte, Verlag Birkhäuser, Basel 1952. ISBN 978-3-906131-13-9. [=Band 1 von Kunstdenkmäler des Kantons Bern. 5 Bände, 1952–1998]. S. 129 ff. Digitalisat
  • Johanna Strübin Rindisbacher: Zwischen Perspektive und Mörtelrezept, Zum Bildungshintergrund von Joseph Plepp (1595 bis 1642, dem bernischen Werkmeister, Maler und Kartenverfasser in: Im Schatten des Goldenen Zeitalters, Künstler und Auftraggeber im bernischen 17.Jahrhundert, Ausstellungskatalog Kunstmuseum Bern 1995, Bd. 2, Seiten 141–164.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hofer: Kunstdenkmäler des Kantons Bern. Band 1, 1952–1998, S. 129
  2. Brigitt Sigel: Stadt- und Landmauern, vdf Hochschulverlag AG, 1996, ISBN 9783728121509, Seite 66
  3. Berner Käfigturm: Schon damals als Denkmal gebaut
  4. Hofer: Kunstdenkmäler des Kantons Bern. Band 1, 1952–1998, S. 131
  5. Historischer Verein des Kantons Bern: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, 1993, Seite 203
  6. Hofer: Kunstdenkmäler des Kantons Bern. Band 1, 1952–1998, S. 132
  7. Historische Beschreibung des Käfigturms
  8. Hofer: Kunstdenkmäler des Kantons Bern. Band 1, 1952–1998, S. 133
  9. Hofer: Kunstdenkmäler des Kantons Bern. Band 1, 1952–1998, S. 137
  10. Hofer: Kunstdenkmäler des Kantons Bern. Band 1, 1952–1998, S. 134
  11. Geschichte des Käfigturms, Seite 2 (pdf)
  12. Hofer: Kunstdenkmäler des Kantons Bern. Band 1, 1952–1998, S. 138
  13. Geschichte des Käfigturms, Seite 4 (pdf)
  14. Fotografien und Bilder der Stadt Bern
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