Laienbewegung (Römisch-katholische Kirche)

Laienbewegung (Römisch-katholische Kirche)

Als Laienbewegung wird die engagierte Organisation von Laien verstanden. Im Christentum gibt es Laienbewegungen im Wesentlichen in der römisch-katholischen Kirche, da dort der Gegensatz von Geistlichen und Laien am ausgeprägtesten ist.

Inhaltsverzeichnis

Laien im kirchlichen Verständnis

Es gibt zwei Arten von Christen - Kleriker und Laien, lautet ein Zitat aus dem mittelalterlichen Decretum Gratiani. Diese Einteilung der Christen in Kleriker und Laien hat in der katholischen Kirche zu einer Unterscheidung von zwei Personenständen, den Amtsträgern (Klerikern) und den übrigen Gläubigen (Laien) geführt. Auch das kirchliche Gesetzbuch (Codex Iuris Canonici) von 1917 zieht noch eine deutliche Trennungslinie zwischen Laien und Klerikern (Priestern).

Es wird betont, dass die Kleriker kraft göttlichen Rechts von den Laien unterschieden sind und durch das Weihesakrament zur Leitung der Gläubigen und zum Vollzug des Gottesdienstes bestimmt werden. Dabei wird eine übergreifende Einheit nicht sichtbar. Das neue kirchliche Gesetzbuch von 1983 hat diese einseitige Sichtweise unter Rückgriff auf das Zweite Vatikanische Konzil abgeändert. Dies geschieht zunächst durch die Einführung der Kategorie des christifidelis (Christusgläubigen), die die Begriffe des Klerikers und des Laien überschreitet. Gegenüber dem Gesetzbuch von 1917 wird nicht mehr das Trennende, sondern das Verbindende in den Vordergrund gestellt.

Unterstrichen wird die Teilhabe aller Gläubigen am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi und an der der Kirche anvertrauten Sendung in der Welt. Das aktuelle Gesetzbuch betont ebenfalls, dass unter allen Gläubigen eine wahre Gleichheit in der Würde und Tätigkeit [besteht], in der alle gemäß der eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken (can. 208 CIC/1983). Diese wahre Gleichheit schließt allerdings sendungsspezifische Unterschiede nicht aus. Es ist also weiterhin zu unterscheiden zwischen dem Klerus (gr. kleros, durch Loswurf bestimmt) und den Laien (gr. laikos, dem Volk zugehörig), die sich dem Wesen, nicht nur dem Grade nach unterscheiden.

Das Zweite Vatikanische Konzil charakterisiert die Laien in der Kirchenkonstitution (LG 31) folgendermaßen: Der Laie hat teil am dreifachen Amt Christi und an der Sendung des gesamtes Gottesvolkes in Kirche und Welt; es handelt sich hierbei um eine Teilhabe als Nicht-Kleriker und Nicht-Ordensangehörige, näherhin um eine Teilhabe, die sich durch den Weltcharakter (indoles saecularis) auszeichnet. Die Laien sind dazu berufen, Salz der Erde zu sein, vor allem an denjenigen weltlichen Orten, zu denen sie eventuell leichter Zugang haben als Kleriker. Im kirchlichen Gesetzbuch tritt dieser Weltcharakter, als das den Laien qualifizierende Element, nicht sehr deutlich in Erscheinung. Es wird dort vor allem ein negativer Laienbegriff verwendet: Der Laie ist ein Nicht-Kleriker, ein Gläubiger, der nicht das Sakrament der Weihe empfangen hat und auch nicht einer Gemeinschaft der evangelischen Räte angehört. Man spricht auch von Laienbruderschaft.

Kleriker sind nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil jedoch nicht die besseren Christen. Die katholische Theologie weist in ihren Antworten auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Kleriker und Laien auf die Unterscheidung zwischen dem allgemeinen (gemeinsamen) Priestertum und dem besonderen (amtlichen) Priestertum hin. Auf jeden Fall ist zu unterstreichen, dass das gemeinsame Priestertum, in der Taufe und der Firmung gründend, in der Kirche dem amtlichen Priestertum gegenüber primär ist; ohne die Hinordnung auf das gemeinsame Priestertum des gesamten Gottesvolkes hätte das amtliche Priestertum, das nicht vom allgemeinen Priestertum ableitbar ist, jedoch ganz in dessen Dienst stehen soll (nicht umgekehrt), keine Daseinsberechtigung.

Viele katholische Theologen sind - im kirchlichen Sinn - Laien, auch wenn sie professionelle Theologinnen und Theologen und in diesem Sinne Fachleute sind. Solche so genannte "Laientheologen" sind z. B. Pastoralreferenten.

Zu den Laien zählen auch Mitglieder von Ordensgemeinschaften, die keine Weihe haben - also z.B. Nonnen und Ordensbrüder.

Wirkungsgeschichte

Besonders starken Zulauf erhielten christliche Laienbewegungen im Mittelalter. Zahlreiche Menschen waren mit dem kirchlichen Heilsangebot unzufrieden. Als Gründe dafür sind u.a. zu nennen: die allgemein gestiegene Bildung, priesterliche Misswirtschaft bei religiösen Dienstleistungen, der Ruf nach kirchlichen Reformen und das Bedürfnis, als religiöser Laie aktiv den eigenen Heilsprozess mitzugestalten. An der Wende zum 13. Jahrhundert organisierte sich deshalb eine große Anzahl von Laien in eigenen Gemeinschaften. Ihre Kennzeichen waren: freiwillige Armut, Bibelstudium und (Laien-)Predigt. Die bedeutendsten frühen Gemeinschaften waren: die Katharer, die Waldenser, die Humiliaten, die Beginen und Begarden. Da diese Laienbewegungen vor allem vom Ideal der Armut getragen wurden, werden sie deshalb auch als Armutsbewegungen bezeichnet. Die freiwillig gewählte Armut (Tragen einfacher Kleider, Leben von Spenden…) symbolisierte für diese Laien ihre Bereitschaft, den Aposteln nachzufolgen. Das private Bibelstudium hatte zur Folge, dass innerhalb der Laienbewegungen neue Deutungen auftauchten, die sie in den Konflikt mit der Lehre der Kirche brachten. Zudem stieß die Predigt durch Laien auf kirchlichen Widerstand, weil sie das Recht auf Predigt nur dem eigenen Klerus vorbehalten sah. Die Freigabe des Predigtrechts an Laien hätte die Kirche in ihrer Existenzberechtigung grundlegend in Frage gestellt. Aus diesem Grund wurden diese Laienbewegungen kirchlicherseits als ketzerisch gebranntmarkt, ab dem Dritten Laterankonzil 1179, als Häresien verurteilt und später durch die Inquisition verfolgt. Manchen Laienbewegungen gelang es im 13. Jahrhundert, von der Kirche anerkannt zu werden und den Rang eines Ordens zu erlangen, so etwa die Humiliaten als auch wenig später die Dominikaner und Franziskaner.

In der jüngeren Geschichte ist die lateinamerikanische Befreiungstheologie stark von Laien mitgestaltet worden. Spirituelle Laienbewegungen im engeren Sinne sind manche der als Geistliche Gemeinschaft charakterisierten Movimenti.

Die vermehrte Beteiligung von Laien an kirchlichen Aufgaben begann im 20. Jahrhundert mit den Erneuerungsbewegungen in den 1920er, z. B. bei der katholischen Liturgie. Seit etwa 1960 haben in den christlichen Kirchen die Laienbewegungen besonders starken Zulauf.

Siehe auch

Waldenser, Interreligiöser Dialog, Pietismus, Niwano-Friedenspreis, action 365, Gemeinschaft Sant’Egidio

Literatur

  • Herbert Grundmann: Neue Beiträge zur Geschichte der religiösen Bewegungen im Mittelalter. In: Herbert Grundmann: Ausgewählte Aufsätze, Band 1. Stuttgart 1976 (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 25/1).
  • Herbert Grundmann: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Wiss. Buchges., Darmstadt 1970 (Erstauflage 1936), ISBN 3487000970 (Nachdruck von 1972)
  • Adolf Martin Ritter, Hans-Martin Barth, Friedrich Wintzer: Art. Laie I. Kirchengeschichtlich II. Systematisch-theologisch III. Praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 20 (1990), 378-399 (mit weiterer Lit.)
  • Rolf Zerfaß: Der Streit um die Laienpredigt. Eine pastoralgeschichtliche Untersuchung zum Verständnis des Predigtamtes und zu seiner Entwicklung im 12. und 13. Jahrhundert. Freiburg (u.a.) 1974 (Untersuchungen zur praktischen Theologie der Seelsorge 2).

Weblinks


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