Leopold Marx

Leopold Marx
Leopold Marx, 1960er Jahre, in Schavei Zion

Leopold Marx (* 8. Dezember 1889 in Cannstatt, Württemberg; † 25. Januar 1983 in Shavei Zion, Israel) war ein schwäbischer Schriftsteller, Dichter und Fabrikant, der 1939 aus dem nationalsozialistischen Deutschland in das britische Protektorat Palästina emigrierte, dort in einem Moschaw siedelte, und zeitlebens in deutscher Sprache schrieb.

Inhaltsverzeichnis

Leben

In einer Fabrikanten-Familie Cannstatts (bei Stuttgart) am 8. Dezember 1889 geboren, besuchte Leopold Marx bis 1904 das dortige Gymnasium. Seine Eltern waren Eduard Marx und Babette geborene Rothschild, die in der Seelbergstraße 1 (heute Waiblinger Straße 12) in Cannstatt wohnten. Sie besaßen zusammen mit Bernhard Gutmann die Mechanische Bandweberei Gutmann und Marx auf dem Gelände der früheren Heilanstalt von Dr. Ebner (Ecke Seelbergstraße/Waiblinger Straße) in Cannstatt mit einer Filiale in Neuffen. Das Familienhaus und die Firma in Cannstatt stand am Wilhelmsplatz (Cannstatt). Die Filiale in Neuffen befand sich in der Nähe des Lindenplatzes am Oberen Graben.

Als sein Vater 1904 starb, musste der Fünfzehnjährige seine gymnasiale Karriere aufgeben und sich auf die Übernahme der Firma vorbereiten. 1904 bis 1908 absolvierte er eine kaufmännische und technische Ausbildung (Lehre, Textilschule in Barmen, Aufenthalt in London und Paris).

1909 übernahm der noch nicht Volljährige den Betrieb. 1914, in der Zeit des Ersten Weltkriegs, wurde er als Leiter eines kriegswichtigen Betriebs zurückgestellt, im Jahr 1916 ließ er sich im Tausch gegen seinen Bruder Julius einberufen.

Vorher heiratete er Ida (Judith) geborene Hartog aus Mannheim, die ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammte. Im Mai trat er seinen Kriegsdienst in Nordfrankreich an, im Oktober 1916 geriet er an der Somme in französische Gefangenschaft. Dort überwand er allgemeine Vorurteile gegen Franzosen, klärte sein Verhältnis zum Judentum nach einer Begebenheit mit algerischen Juden, die als Soldaten in Frankreich dienten. In der Gefangenschaft lernte er etwas Hebräisch und machte sich mit den Schriften Martin Bubers vertraut. Er kam in Kontakt mit Hermann Hesse, der für die deutsche Kriegsgefangenen-Fürsorge in Bern arbeitete und Bücher für Gefangene zur Verfügung stellte. Leopold Marx verfasste erste Lyrik (Sonette u.a.), von denen Hermann Hesse einige veröffentlichte.

1919 gelang ihm die Flucht. Im Dezember kehrte er heim. Von da an leitete er zusammen mit seinem Bruder Julius die familieneigene Fabrik, bis diese 1938 in Neuffen „arisiert“ wurde. Bei dieser „Arisierung“ spielte der damalige Neuffener Bürgermeister August Pfänder eine Rolle.

Neben der unternehmerischen Tätigkeit veröffentlichte er in Zeitschriften und Zeitungen wie der Jüdischen Rundschau, Jugend und Berliner Tagblatt, hauptsächlich Gedichte und Artikel, später auch im Aufbau.

Seit 1924 hatte er freundschaftliche Beziehungen zu dem bekannten jüdischen Religionsphilosoph Martin Buber, auf dessen Anregung Leopold Marx in Gemeinschaft mit seinem Schwager Karl Adler und Otto Hirsch in Stuttgart ein jüdisches Lehrhaus (Bet Hamidrasch) gründete, nach dem Vorbild eines im Frankfurt am Main bestehenden Lehrhauses. Nach seiner Deportation in das KZ Dachau und seiner dortigen Entlassung (1938) ließ er seine zwei Söhne Erich Josua (Jehoschua) und Eder/Eduard (Ephrajim) nach Palästina ausreisen. Im Mai 1939 wurde er von der Gestapo inhaftiert, kam dann wieder frei. Im zweiten Kriegsmonat des Jahres 1939 emigrierte er mit seiner Frau nach Palästina, das er – Zionist der er war – Erez Jisrael nannte.

Dort wurde er 1939 in das landwirtschaftliche Kollektiv (Moschaw Shitufi) Schavei Zion aufgenommen, im Deutschen auch „Shavey Zion“ oder „Shavej Zion“ („Rückkehr nach Zion“). Dieser Moschaw ist von eine Gruppe von Juden aus Rexingen gegründet worden, die sich 1938 unter dem Druck der Verfolgung in Nazi-Deutschland im „Land der Väter“ eine neue Heimat gesucht hatten. Zwölf Jahre arbeitete er in den landwirtschaftlichen Pflanzungen. Danach war er als Gärtner tätig und hatte großen Einfluss auf die dortige landschaftspflegerische Gestaltung und auf kulturelle Gemeinschafts-Einrichtungen.

In Israel entfaltete er eine vermehrte literarische Tätigkeit, trotz seiner stark beeinträchtigten Sehleistung. Im Februar 1972 starb seine Frau Judith. Am 25. Januar 1983 starb er selbst. Postum erschien sein Werk Franz und Elisabeth im Bleicher-Verlag Gerlingen, wie er es gewünscht hatte, und zwar am 8. Dezember 1989, zu seinem 100. Geburtstag.

Der literarische Nachlass von Leopold Marx ist teilweise im Deutschen Literaturarchiv Marbach aufbewahrt. Auch sein Sohn Ephrajim Marx (Kibbuz Evron) bewahrt Teile des Nachlasses.

Leistungen

Seine Gedichte und seine Prosa stellen ein bewegendes Zeugnis der Gefühle eines Juden dar, der das Kaiserreich, die Weimarer Republik, die traumatische NS-Zeit und das Werden Israel miterlebte. Er gilt als bedeutender deutsch-jüdischer Schriftsteller, auch im Kontext der deutsch-israelischen Literatur. Er bereicherte das kulturelle jüdische Leben im Stuttgart der 1920er und 1930er Jahre durch selbst geschriebene Stücke (z.B. Purim in Schwabylon, eine Revue), Artikel, Vorträge, Ansprachen.

Nachdem die Synagoge in Stuttgart-Bad Cannstatt während der Novemberpogrome 1938 abgebrannt worden war, stellte er der Gemeinde Räume in seinem Familienhaus für gottesdienstliche Zwecke zur Verfügung. In Shavey Zion gehörte er zu denen, die die Gestaltung des Moschaw und das kulturelle Leben, z.B. als Gärtner, Landschaftsgestalter, Chronist, Gründer des Hauses „Beth Jehoshua“ (Haus zur Erinnerung an Jehoshua Marx) wesentlich prägten.

Werke

  • Hachscharah, Gedichtsammlung, Jerusalem 1941/1942
  • Über Schawej Zion, Schavej Zion 1960
  • Otto Hirsch - ein Lebensbild", 1963
  • Lied der Lieder, 1964
  • Es führt eine lange Straße, Gedichtband, Berlin 1976
  • Beiträge zur Anthologie Stimmen aus Israel, 1976
  • Jehoshua, mein Sohn, Gerlingen 1979 (2., veränderte Auflage 1996 unter dem Titel Mein Sohn Erich Jehoshua - Lebensbild eines früh Gereiften)
  • Die Lobgesänge. Das Buch der Psalmen, Gerlingen 1987
  • Franz und Elisabeth, Erzählung, Gerlingen 1989

Literatur

  • Werner P. Heyd: Marx, Leopold. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 16, Duncker & Humblot, Berlin 1990, S. 347.
  • Werner Volke, Nachwort, in: Franz und Elisabeth. Erzählung. Bleicher-Verlag, Gerlingen 1989, ISBN 3-88350-446-7
  • Manuel Werner: Cannstatt - Neuffen - New York. Das Schicksal einer jüdischen Familie in Württemberg. - Mit den Lebenserinnerungen von Walter Marx. Verlag Sindlinger-Burcharz, Nürtingen/Frickenhausen 2005, ISBN 3-928812-38-6
  • Franz und Elisabeth. Erzählung. Bleicher-Verlag, Gerlingen 1989, ISBN 3-88350-446-7
  • Carsten Kohlmann, Landesarchiv Beden-Württemberg: Das Archiv der Gemeinde Shavei Zion in Israel. Archivgeschichte, Beständestruktur, Ausstellungsplanung. Marburg an der Lahn 2005.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Marx (Familienname) — Marx ist ein Familienname. Bekannte Namensträger Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z …   Deutsch Wikipedia

  • Leopold Schwarzschild — (* 8. Dezember 1891 in Frankfurt am Main; † 2. Oktober 1950 in Santa Margherita Ligure in Italien) war ein deutscher Publizist und Soziologe. Inhaltsverzeichnis 1 Werdegang 2 Politische Auseinandersetzung im Exil …   Deutsch Wikipedia

  • Léopold Sancke — Léopold Sancke, né à Bruxelles le 3 juin 1815 et décédé en sa ville natale le 23 octobre 1874, est un avocat, juriste et professeur de droit à l Université libre de Bruxelles. Il s était marié le 23 septembre 1868, à Schaerbeek, avec Caroline… …   Wikipédia en Français

  • MARX, KARL — (1897–1966), German editor and publisher. Born in Saarlouis, Marx served in the German army in World War I and then worked as a freelance writer for the Havas news agency. He was prominent in politics during the Weimar period, particularly… …   Encyclopedia of Judaism

  • Marx Löwenstein — (* 29. November 1824 in Walsdorf bei Idstein; † 23. April 1889 in Frankfurt am Main als Marks John Livingston) war ein deutsch US amerikanischer Multimillionär. Leben Anlässlich eines Viehmarktes in Hochheim soll er die Verkaufserlöse… …   Deutsch Wikipedia

  • Leopold Ernst — Leopold Ernst, Lithographie von Eduard Kaiser, 1855 Leopold Ernst (* 14. Oktober 1808 in Wien; † 17. Oktober 1862 ebenda) war ein österreichischer Architekt. Leopold Ernst war ein Schüler Peter von Nobiles. Ab 1853 war er Dombaumeis …   Deutsch Wikipedia

  • Leopold von Schrenck — (russisch Леопольд Иванович фон Шренк; * 24. Apriljul./ 6. Mai 1826greg. im Gouvernement Charkow; † 8. Januarjul./ 20. Januar  …   Deutsch Wikipedia

  • Leopold Stiefel — (* 19. Februar 1945 in Braunau am Inn, Österreich)[1] ist als federführender Gründer der Elektro Kette Media Markt ein deutscher Unternehmer und mit 3,58%[2] Minderheiteneigentümer der Media Saturn Holding.[3] Der Wert seiner Unternehmensanteile… …   Deutsch Wikipedia

  • Leopold Custodis — (* 1762[1]; † 1837[2]) war Oberbürgermeister von Düsseldorf. Leopold Wilhelm Custodis war jülich bergischer Rechnungskommissar. Er wurde zunächst Zweiter, dann Erster Beigeordneter der Stadt Düsseldorf. Im März des Jahres 1824 wurde er… …   Deutsch Wikipedia

  • Leopold Horacek — (* 23. September 1907 in Wien; † 25. Februar 1977) war ein österreichischer Politiker (SPÖ). Er war von 1946 bis 1959 Bezirksvorsteher des 22. Wiener Gemeindebezirks Donaustadt. Nachdem Horacek im Alter von 14 Jahren Mitglied der sozialistischen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”