Leuga

Leuga

Die Leuga (auch Leuge) ist eine ehemalige, in Europa und Lateinamerika verwendete Längenmaßeinheit. Das Wort stammt von Lateinisch leuca, einem Lehnwort aus dem Gallischen (Keltisch lieska). Ursprünglich bezeichnet eine Leuga die Entfernung, welche ein Mensch in einer Stunde zurücklegen kann, daher das Synonym Wegstunde.

Inhaltsverzeichnis

Die Leuge in der Antike

Ursprung und Quellen

Der vielfach angenommene keltische Ursprung der Leuge ist bei genauerer Überprüfung der Quellen nicht haltbar. Schriftliche Erwähnungen der Leuga liegen frühestens ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. vor[1]. Als einzige Quelle dienen Funde von Meilensteinen.[2] Von den 677 im Corpus Inscriptionum Latinarum erfassten Nummern sind 472 noch heute erhalten, im relevanten Gebiet der gallischen und germanischen Provinzen 100. Unter diesen fanden sich nur 13 in der Nähe der zugehörigen Römerstraße, der größte Teil wurde verschleppt, zweitverwendet oder die Herkunft ist ungewiss.[3]

Eine Überlieferung der festen Größe eines gallischen Wegemaßes aus der Zeit vor der Eroberung Galliens durch Caesar erscheint wenig glaubhaft.[4] Dies wäre nur bei weiterer Verwendung im Straßenbau möglich, da sie entsprechende Vermessung benötigte. Auch liegen keine Schriftquellen über den vorrömischen Straßenbau vor. Für das Straßenbauprogramm des Agrippa und Claudius wurden in Gallien ausschließlich Miliaria mit Meilenzählung verwendet. Gegen den keltischen Ursprung spricht auch der Verbleib der Gallia Narbonensis und der britannischen Provinzen bei der Meilenzählung.

Leugenstein aus Friedberg, heute im Wetterau-Museum. Er befand sich 10 Leugen (22 km) von Nida entfernt.[5]

Einführung der Leuge

Die Leuge begegnet erstmals auf einem Meilenstein aus trajanischer Zeit in Aquitanien.[6] Die Einführung verlief zunächst sowohl zeitlich als auch geographisch uneinheitlich. Der Vorgang ist bisher nur teilweise geklärt, was auf den Mangel an Quellen zurückgeht, und steht offensichtlich in Verbindung mit der Verwaltung der Reichsstraßen. Hierbei ist zu beachten, dass die Inschriften zwar üblicherweise dem Kaiser gewidmet waren, die Steine jedoch von den lokalen civitas-Verwaltungen gesetzt wurden, die auch für die cura viarum zuständig waren.

Während die Funde von Meilensteinen mit Leugenzählung unter den Kaisern Trajan, Hadrian und Antoninus Pius Einzelfunde blieben, erfolgte anscheinend unter Septimius Severus eine flächendeckende Einführung in den Tres Galliae und den germanischen Provinzen. Eine Erklärung als Zugeständnis an die gallischen Gemeinden ist unverständlich, da der Kaiser den Provinzen, die den Gegenkaiser Clodius Albinus unterstützt hatten, nicht freundlich gesinnt war. Von Walser und Rathmann ist überzeugend dargelegt worden, dass die Einführung wohl wirtschaftlichen Interessen gedient haben könnte. Das würde auch erklären, warum einige Gemeinden an der Grenze zur Narbonensis wie die Colonia Iulia Equestris (Nyon) in Obergermanien, die civitas der Haeduer in der Gallia Lugdunensis oder einige südliche civitates der Aquitania bei der Meilenzählung blieben.[7] Dafür schlossen sich mit Germania Superior und inferior Provinzen der Leugenzählung an, die nicht zum keltischen Kerngebiet gehörten, was möglicherweise auf eine Nähe zum pes Drusianus, der auch Fuß der Tungrer genannt wurde,[8] hindeutet.

Ebenfalls gegen eine zentrale Steuerung sprechen die aus der Einführung resultierenden Schwierigkeiten. Auf der Route Massilia-Augustodunum-Lutetia wurde zunächst nach Meilen, ab dem Gebiet der Segusavii nach Leugen, um Augustodunum nach Meilen und nördlich des Haeduergebiets schließlich wieder nach Leugen gezählt. Die Verwirrung wird noch vergrößert dadurch, dass die alten Meilensteine neben den neuen stehen blieben.[9]

Umrechnung

Die geringe Einheitlichkeit bei der Einführung und die Unkenntnis über das Maß der keltischen Leuge in der römischen Kaiserzeit wird weiterhin durch erhebliche Abweichungen in einigen Regionen deutlich. So fand der Luftbildarchäologe Jacques Dassié in Aquitanien Belege für eine Leuge von 2.450 m,[10] die gleiche Länge ermittelte Eric Weijters für Römerstraßen des 2. Jahrhunderts in den südlichen Niederlanden.[11] Die Abweichung könnte möglicherweise auf Verwendung des in einigen Teilen der Nordwestprovinzen gebräuchlichen pes Drusianus zurückgehen, da sie genau 7500 Drusianischen Fuß entspricht.[12] Begriffe wie leuga drusiana oder Leuga gallica haben sich aber in der deutschsprachigen Forschung bislang nicht durchgesetzt.

In jedem Fall dürften sowohl Abweichungen als auch das unter Severus flächendeckend verwendete Maß von 2.220 m oder 7500 pedes Kunstgriffe, das heißt Anpassungen an bestehende römische Maße sein, da sie rechentechnisch zu ausgewogen erscheinen.[13] Das Umrechnungsverhältnis Meile zu Leuge von 1:1,5 ist neben Schriftquellen[1] durch mehrere Meilensteinfunde gesichert und wird deshalb in einschlägigen Werken allseits mit 2.220 m angegeben.[14] Besonders bemerkenswert sind hier zwei Steine aus Mainz-Kastel, von denen der ältere die Entfernung nach Wiesbaden mit sechs Meilen[15], der jüngere die gleiche Entfernung mit vier Leugen angibt.[16] Ebenso nennt ein bei Bingen gefundener Stein aus hadrianischer Zeit die Entfernung von Augusta Treverorum mit 72 Meilen,[17], während der an der gleichen Stelle gefundene Stein für Septimius Severus und seine Söhne eine Entfernung von 48 Leugae angibt.[18]

Jüngere Leugen

  • Die allgemeine oder metrische Leuga entspricht exakt 4 km.
  • Die Landleuga entspricht 1/25 des Grads eines Längenkreises, also 4,4448 km.
  • Die Seeleuga entspricht 1/20 des Grads eines Längenkreises, also 3 Seemeile oder 5,556 km.
  • Die französische Postleuga entsprach 2.000 Körperlängen, also etwa 3,898 km.
  • Die englische Landleuga (land league) entspricht 3 Meilen, also 4,828 km.

Die Leuga ist verwandt mit der iberischen Längenmaßeinheit Legua.

Literatur

  • Michael Rathmann: Untersuchungen zu den Reichsstraßen in den westlichen Provinzen des Imperium Romanum. (Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, Beiheft 55) Zabern, Mainz 2003, ISBN 3-8053-3043-X bes. S. 104-122.
  • Gerold Walser: Meilen und Leugen. Epigraphica 31, 1969 S. 84-103
  • Gerold Walser: Bemerkungen zu den gallisch-germanischen Meilensteinen. Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 43, 1981 S. 385-402

Einzelnachweise

  1. a b u.a. Ammianus Marcellinus 16,12,8; Jordanes Get. 192; Isidor von Sevilla 15,16,1
  2. Rathmann 2003 S. 116; Die Inschriften der Meilensteine im relevanten Gebiet sind publiziert in CIL vol. XVII Miliaria imperii Romani. pars II Miliaria provinciarum Narbonensis Galliarum Germaniarum. Edidit Gerold Walser. 1986 ISBN 3-11-004592-3
  3. Zahlen nach Walser 1981 S. 385f.
  4. Rathmann 2003 S. 118; Walser 1981 S. 395
  5. CIL 13, 09123; Dietwulf Baatz in: D. Baatz/ F.-R. Herrmann (Hrsg.): Die Römer in Hessen S. 307.
  6. CIL 17-02, 00426
  7. Rathmann 2003 S. 116f. Anm. 693; Walser 1969 S. 84f.
  8. siehe dazu Hygini Gromatici: De Condicionibus Agrorum 11 -[1] Internet-Quelle.
  9. Rathmann 2003 S. 117
  10. [2], [3]
  11. Zusammen mit dem AHN und der niederländischen ARCHIS-Datenbank Archäologische Funde und Surveys) [4] und [5]).
  12. Siehe auch http://vormetrische-laengeneinheiten.de
  13. Rathmann 2003 S. 118
  14. Rathmann 2003 S. 118 bes. Anm. 95; Hans Ulrich Nuber: Zu Wasser und zu Lande. Das römische Verkehrsnetz. In: Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau. Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Esslingen 2005, ISBN 3-8062-1945-1, S. 416; Janine Fries-Knolauch: Die Kelten. 3000 Jahre europäische Kultur und Geschichte. Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-015921-6, S. 133; Thomas Lobüscher in Thomas Fischer: Die Römischen Provinzen. Theiss, Stuttgart 2001 S. 210; Helmut Bender: Römische Straßen und Straßenstationen. Kleine Schriften zur Kenntnis der römischen Besetzungsgeschichte Südwestdeutschlands 13 (Schriften des Limesmuseums Aalen), Stuttgart 1975, S. 12.
  15. CIL 17-02, 00626 (ab Aquis Mattiacorum milia passuum VI).
  16. CIL 17-02, 00627 (ab Aquis leugas IIII).
  17. AE 1979, 417
  18. AE 1979, 418

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