Lilli Henoch

Lilli Henoch
Stolperstein vor dem Haus, Treuchtlinger Straße 5, in Berlin-Schöneberg

Lilli Henoch (* 26. Oktober 1899 in Königsberg i. Pr.; † 8. September 1942 in Riga, Reichskommissariat Ostland) war eine deutsche Leichtathletin und Turnlehrerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Lilli Henoch wuchs in einer jüdischen Familie in Königsberg (Ostpreußen) auf und besuchte dort das Gymnasium. Mit 19 Jahren zog sie nach Berlin und setzte hier ihr Sporttraining fort. Nach ihrem Studium als Turnlehrerin und Orthopädin an der Preußischen Hochschule für Leibesübungen arbeitete sie als Turnlehrerin. An der jüdischen Schule in der Rykestraße in Prenzlauer Berg fand sie dann als Turnlehrerin nochmals eine Anstellung. Am 10. November 1938 - nach der sog. Reichskristallnacht - musste sie auch diese Arbeit aufgeben. Der Pogrom bedeutete dann das Ende des jüdischen Sports in Deutschland. Viele versuchten dem drohenden Unheil durch Auswanderung zu entkommen. Lilli Henoch blieb mit ihrer Mutter in Berlin, obwohl sie Angebote aus den USA und den Niederlanden hatte, als Trainerin zu arbeiten. Sie unterrichtete bis 1942 an einer jüdischen Schule in der Choriner Straße. 1942 wurden von den NS-Behörden entsprechend dem Beschluss zur „Endlösung der Judenfrage“ alle jüdischen Einrichtungen geschlossen.

Henoch war ab 1919 Mitglied der Leichtathletiksparte des Berliner Sport-Clubs (BSC) und wurde zwischen 1922 und 1926 in den Disziplinen Kugelstoßen, Diskuswurf, Weitsprung sowie mit der 4-mal-100-Meter-Staffel des BSC elffache Deutsche Meisterin. In dieser Zeit stellte sie auch vier Weltrekorde auf. Daneben zählte sie auch im Hockey und Handball zur Elite. Innerhalb des Sportklubs übte sie bis 1933 auch leitende Funktionen aus. Im Januar 1933 vertraute man ihr die Leitung der Damenabteilung an. Nach der Errichtung der NS-Diktatur wurde die jüdischstämmige Sportlerin im Herbst 1933 aus dem Berliner SC ausgeschlossen. Sie trat dem „Jüdischen Turn- und Sportclub 1905“ bei. Zu dieser Zeit in der Leichtathletik nur noch sporadisch aktiv, formte Lilli Henoch im Jüdischen Turn- und Sportclub 1905 eine Handball-Mannschaft, die zu den besten Deutschlands im jüdischen Sportbereich gehörte.

Mit dem 19. „Judentransport“ am 5. September 1942 wurde sie zusammen mit ihrer Mutter in das Ghetto von Riga deportiert, wo sie drei Tage später ermordet wurde.

Erfolge

Deutsche Meisterin

  • 1922: Kugelstoßen
  • 1923: Kugelstoßen, Diskuswurf
  • 1924: 4 x 100 m-Staffel, Weitsprung, Kugelstoßen, Diskuswurf
  • 1925: 4 x 100 m-Staffel, Kugelstoßen
  • 1926: 4 x 100 m-Staffel, Kugelstoßen

Weltrekorde

  • Diskuswurf: 24,90 m (Berlin, 1. Oktober 1922)
  • Diskuswurf: 26,62 m (Berlin, 7. August 1923)
  • Kugelstoßen: 11,57 m (Leipzig, 16. August 1925)
  • 4 x 100 m-Staffel: 50,4 sec. (Köln, 11. Juli 1926. mit der Staffel des Berliner SC)

Gedenken

Im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg (Bezirk Pankow) trägt seit 1993 die Lilli-Henoch-Straße (Nähe S-Bahnhof Greifswalder Straße) ihren Namen. Die Aktion „Stolpersteine“ des Kölner Künstler Gunter Demnig hat im Sommer 2008 eine Gedenktafel aus Messing vor der ehemaligen Wohnung der Sportlerin in der Teuchtlinger Straße 5 in Berlin-Schöneberg verlegt. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat die Patenschaft für diese Aktion übernommen, die von der Berliner Koordinierungsstelle der Aktion „Stolpersteine“ zusammen mit dem Kreuzbergmuseum organisiert wurde. In einer Feierstunde im Kreuzbergmuseum am 8. August 2008, dem Eröffnungstag der Olympischen Spiele in Peking, zeichneten der Ehrenpräsident des DLV, Theo Rous, und der Kölner Sporthistoriker Dr. Thomas Schnitzler das Schicksal der Athletin nach.

Ihr zu Ehren trägt eine Leichtathletikhalle am Olympiastützpunkt-Berlin im Sportforum in Berlin-Hohenschönhausen ihren Namen. In Berlin-Kreuzberg wurde am 24. August 2002 der Lilli-Henoch-Sportplatz eröffnet. Auch in Quickborn wurde 2011 eine Sporthalle nach ihrem Namen benannt, die Lilli-Henoch-Halle.

Lilli Henoch wurde 1990 in die International Jewish Sports Hall of Fame aufgenommen.[1]

Einzelnachweise

  1. Profil in der IJSHOF

Literatur

  • Klaus Amrhein: Biographisches Handbuch zur Geschichte der Deutschen Leichtathletik 1898–2005. 2 Bände. Darmstadt 2005 publiziert über Deutsche Leichtathletik Promotion- und Projektgesellschaft
  • Berno Bahro/Jutta Braun/Hans Joachim Teichler (Hg.): Vergessene Rekorde - Jüdische Leichtathletinnen vor und nach 1933. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin, 2009, ISBN 9783-86650-0389

Weblinks


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