Limes (Kategorientheorie)

Limes (Kategorientheorie)

In der Algebra oder allgemeiner der Kategorientheorie ist der projektive Limes (oder inverse Limes oder einfach Limes) eine Konstruktion, mit der man verschiedene in gewisser Weise zusammengehörende Strukturen verbinden kann. Das Ergebnis dieses Verbindungsvorgangs wird vor allem bestimmt von Abbildungen zwischen diesen Strukturen.

Inhaltsverzeichnis

Projektive Limites für Mengen und einfache algebraische Strukturen

Die folgende Konstruktion definiert den Limes für Mengen oder beliebige algebraische Strukturen, die mithilfe von Limites (Produkten, Endobjekten, Differenzkernen) definiert sind. Als Beispiel werden Gruppen behandelt.

Gegeben sei folgende Situation: Gegeben sind eine halbgeordnete Menge I, für jedes i\in I eine Gruppe Xi und für je zwei Indizes i,j\in I mit i > j ein Gruppenhomomorphismus

f_{ij}\colon X_i\to X_j.

Diese Homomorphismen sollen verträglich sein in dem Sinne, dass für i > j > k gilt:

f_{ik}=f_{jk}\circ f_{ij}

(„um von i nach k zu kommen, kann man auch einen Umweg über j machen“).

Der projektive Limes lim nXn ist die Menge aller Familien (x_i)_{i\in I} mit x_i\in X_i mit der Eigenschaft

f_{ij}(x_i)\,=\,x_j für i > j.

Mit komponentenweise definierter Multiplikation wird lim nXn zu einer Gruppe.

Die universelle Eigenschaft

Der projektive Limes lim nXn zusammen mit den Homomorphismen

\mathrm{pr}_i\colon\lim_nX_n\to X_i,\quad (x_j)_{j\in I}\mapsto x_i,

der kanonischen Projektionen, hat die folgende universelle Eigenschaft:

Für jede Gruppe T und Homomorphismen t_i\colon T\to X_i, für die t_j=f_{ij}\circ t_i für alle i > j gilt, existiert ein eindeutig bestimmter Homomorphismus c\colon T\to\lim_nX_n, so dass t_i=\mathrm{pr}_i\circ c gilt.
Kommutatives Diagramm zur Definition des Limes in der Kategorientheorie

Projektive Limites in beliebigen Kategorien

Mithilfe des Begriffs des projektiven Limes für Mengen kann man projektive Limites in beliebigen Kategorien definieren: Sind Objekte Xi einer Kategorie C und Übergangsmorphismen fi,j gegeben, so ist der Limes dieses projektiven Systems charakterisiert durch eine natürliche Äquivalenz

HomC(T, lim Xi) = lim HomC(T, Xi)

von Funktoren in T; dabei ist der Limes auf der rechten Seite der bereits definierte Limesbegriff für Mengen. Der derartig definierte Limes erfüllt die analoge universelle Eigenschaft.

Für "einfache" algebraische Strukturen wie Vektorräume, Gruppen oder Ringe stimmt dieser Limesbegriff mit dem oben definierten, mengenbasierten überein.

Es gibt jedoch Kategorien, in denen projektive Limites nicht existieren, beispielsweise die Kategorie der endlichen abelschen Gruppen: Es sei (Xi, fi,j) das projektive System

Z/2Z ← (Z/2Z)2 ← (Z/2Z)3 ← ...

mit der Projektion auf die ersten Faktoren als Übergangsabbildungen. Für T = Z/2Z ist

lim Hom(T, Xi)

unendlich, also nicht gleich

Hom(T,L)

für irgendeine endliche abelsche Gruppe L.

Beispiele

  • In der Kategorie der topologischen Räume gibt es Limites: Der mengenbasierte Limes war konstruiert als eine Teilmenge des kartesischen Produktes. Versieht man das Produkt mit der Produkttopologie und den Mengen-Limes mit der Teilraumtopologie, erhält man den kategoriellen Limes. Sind alle Ai kompakt und hausdorffsch, dann ist der projektive Limes A ebenfalls kompakt und hausdorffsch.
  • Jede kompakte topologische Gruppe ist projektiver Limes von kompakten Lie-Gruppen.
  • Der Ring Zp der p-adischen ganzen Zahlen ist der projektive Limes der Restklassenringe Ai=Z/pi, wobei die halbgeordnete Indexmenge I=N mit der natürlichen Ordnung versehen ist und die Morphismen die Restklassenabbildungen sind. Die natürliche Topologie auf Zp ist die von der diskreten Topologie auf den Ai induzierte Produkttopologie.
  • Für eine beliebige galoissche Körpererweiterung E/K ist die Galoisgruppe G(E/K) isomorph zum projektiven Limes der Galoisgruppen G(L/K), wobei L alle endlichen und galoisschen Zwischenerweiterungen von E/K durchläuft, die halbgeordnete Indexmenge die Menge dieser Zwischenkörper mit der Inklusionsordnung ist, und der Morphismus für M/L gegeben ist durch fM,L: G(M/K) G(L/K), s s|L (also die Einschränkung eines Automorphismus auf den kleineren Körper). Betrachtet man alle G(L/K) als diskrete topologische Gruppen, dann wird auf G(E/K) eine Produkttopologie induziert, die Krulltopologie genannt wird.

Limites mit Indexkategorien

In Verallgemeinerung des Limes für teilgeordnete Indexmengen kann man Limites für beliebige Indexkategorien betrachten:

Es sei I eine kleine Kategorie, C eine beliebige Kategorie und XI → C ein Funktor. Dann ist ein Limes von X ein darstellendes Objekt für den Funktor

C^{\mathrm{op}}\to\mathrm{(Mengen)},\quad T\mapsto\mathrm{Mor}_{\mathbf{Mor}(I,C)}(\mathrm{const}_T,X);

dabei bezeichne constT den konstanten Funktor I → C mit Wert T. Der Limes ist also ein Objekt L zusammen mit einer natürlichen Äquivalenz

\mathrm{Mor}_C(T,L)=\mathrm{Mor}_{\mathbf{Mor}(I,C)}(\mathrm{const}_T,X)

von Funktoren in T.

Aus dieser natürlichen Äquivalenz erhält man für T = L auch die kanonischen Projektionen L\to X(i) (als Entsprechung von idL auf der linken Seite).

Die natürliche Äquivalenz ist im Wesentlichen nur eine kompakte Schreibweise der universellen Eigenschaft: Morphismen in ein Limesobjekt entsprechen kompatiblen Systemen von Morphismen in die einzelnen Objekte, genau wie im Spezialfall von teilgeordneten Indexmengen.

Dieser Limesbegriff umfasst einige andere universelle Konstruktionen als Spezialfälle:

I universelle Konstruktion
Beliebig viele Objekte, nur Identitäten Produkt
\varnothing Endobjekt
Indexkategorie zum Differenzkern.png Differenzkern
Indexkategorie zum Faserprodukt.png Faserprodukt

Hat die Indexkategorie ein Anfangsobjekt A, so ist der Limes gleich X(A).

Siehe auch


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