Lipman-Regal

Lipman-Regal
Lipman-Regal im Magazin der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek Mainz
Magazin der Staatsbibliothek Unter den Linden mit Lipman-Regalen und zugehörigem Bücherwagen (1949)
Ein Stockwerk des Magazins der Staatsbibliothek Unter den Linden kurz nach Abschluss der Restaurierung, noch ohne Regalböden (2008)

Das Lipman-Regal ist ein Regalsystem aus Metall mit versetzbaren Böden. Es wird vor allem in Bibliotheken und Archiven verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden alle Bibliotheken mit festen Regalen aus Holz versehen. Das hatte mehrere Nachteile: 1. es bestand eine hohe Brandgefährdung (Holz brennt besser als Papier); 2. die Regalböden, einmal installiert, konnten nicht mehr versetzt werden. Wegen der unterschiedlichen Buchformate musste eine erhebliche Platzreserve eingeplant werden, zumal damals noch bevorzugt systematisch aufgestellt wurde.

Ein erster Versuch, die Regale flexibler zu gestalten, war die Erfindung des Panizzi-Stiftes. Dessen technische Eigenschaften machten ihn aber für schwere Bücherlasten ungeeignet, da sich die Regalböden durchbiegen und herausfallen konnten.

Robert Lipman

Robert Lipman war ein deutscher Kunstschlosser. Er entwickelte ein Regalsystem aus Metall, bei dem die Böden eine normierte Länge (gewöhnlich 1 Meter) hatten und hinten in zwei gezähnte Leisten eingehängt werden konnten. Das hatte den Vorteil, dass die Regalbretter leicht in der Höhe variiert werden konnten und die Bücher beim Versetzen nicht ausgeräumt werden mussten. Dieses System kam erstmals 1889 in der Bibliothek der Universität Straßburg zum Einsatz.

Weiterentwicklung

Die Zahnleisten konnten als Doppelleisten ausgeführt und mit der Decke verspannt werden, so dass sich Regalbretter auf beiden Seiten einhängen ließen. In Fortführung dieses Gedankens wurden die Leisten als tragende Stützpfeiler in die Statik des Bibliotheksgebäudes einbezogen. Damit musste die Bücherlast nicht mehr von den einzelnen Stockwerken getragen werden. So wurde das Regal vom bloßen Ausstattungsgegenstand zu einem Bestandteil der statischen Konstruktion. In dieser Form ist das Lipman-Regal erstmals 1897 beim Neubau der Bibliothek der Universität Marburg eingebaut worden. Das erste Archiv mit selbsttragendem Regalsystem war vermutlich das Generallandesarchiv Karlsruhe.

Vorteile

  • Raumgewinn durch optimale Anpassung der Böden an die Buchhöhen
  • Raumgewinn durch Verringerung der Stärke der einzelnen Stockwerke
  • gute Belüftung und Belichtung der Regale
  • geringere Brandgefährdung

Nachteile

  • Wenn das Regalsystem statische Funktion hat, kann das Magazin praktisch nicht mehr verändert werden.

Anbieter

Der exklusive Anbieter von Lipman-Regalen war die Strassburger Patent-Büchergestell-Fabrik System Lipman. Wolf Netter & Jacobi, die nach 1918 das Elsass verlassen musste. Mit diesem System wurde unter anderem bis 1914 der Neubau der Staatsbibliothek zu Berlin (Haus Unter den Linden) ausgestattet. Für 3 Millionen Bände ausgelegt, umfasst das Regalssystem sechs Stockwerke und 18.000 Quadratmeter. 1926 erhielt der Neubau der Stadtbibliothek Lübeck ein freitragendes Magazin über fünf Stockwerke.

Auf der ersten Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Grafik (Bugra) in Leipzig 1914 zeigte Wolf Netter & Jacobi eine dreistöckige freistehende Regalanlage, die im In- und Ausland große Beachtung fand.[1] Neben den Regalen produzierte das Unternehmen ein komplettes Ausstattungsprogramm für Archive und Bibliotheken mit Artikeln wie Bücherstützen, Signaturrahmen, Bücherwagen, Abstelltische, Schreibtische, Karteikästen in Holz und Stahl, Kapseln für Karten und Archivalien und die dazugehörigen Schränke, Garderoben etc.[2]

Lipman-Regale im modernen Bibliotheksbau

Lipman-Regale waren bis in 50er-Jahre des 20. Jahrhunderts in Bibliotheksneubauten weit verbreitet. Da sie den neu aufkommenden Forderungen nach mehr Flexibilität und optimaler Raumausnutzung nicht mehr entsprachen (vgl. die „Zehn Gebote des Bibliotheksbaus“ von Harry Faulkner-Brown), wurden sie durch nicht mit dem Gebäude verbundene Systeme und Rollregale (Compactus®-Regale) abgelöst.

Denkmalschutz und Restaurierung

Zumindest das sechsstöckige, bei einer Höhe von 28 m und einer Länge von 180 m insgesamt 18.000 Quadratmeter umfassende Lipman-Regalsystem der Staatsbibliothek Unter den Linden steht unter Denkmalschutz. Es wurde von 2006 bis 2007 umfassend restauriert.[3]

Literatur

  • Wolf Netter & Jacobi: Archivanlagen und Bibliotheksbauten; System Lipman. Berlin: Elsner 1930

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe etwa den Bericht der amerikanischen Delegation im Library Journal 39 (1914), S. 592
  2. Siehe die Kataloge in der Wolf Netter & Jacobi Collection und die Werbeschrift Der moderne Bibliotheksbau. aus Anlass des 20. Bibliothekartages 1924
  3. Informationen und Bilder zur Restaurierung

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