Antideutsch

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Antideutsche sind eine aus verschiedenen Teilen der radikalen antifaschistischen Linken hervorgegangene Strömung. Antideutsche wenden sich nach eigener Überzeugung gegen einen besonderen deutschen Nationalismus, der im Zuge der Wiedervereinigung erstarkt sei. Die Antideutschen sind innerhalb des linksradikalen Lagers Gegenstand heftiger Kontroversen. Die antideutsche Bewegung wird im Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz erwähnt. Die von Antideutschen geäußerte Kritik richtet sich in großen Teilen an das linke Lager und hier besonders an die sogenannten Antiimperialisten. Diese wiederum werfen der antideutschen Strömung vor, dass sie ausgehend von einer linken Gesellschaftskritik teilweise zu traditionell bürgerlich-konservativen Positionen gelangt sei, diese jedoch weiterhin in formal und rhetorisch linker Gewandung vertrete.

Besonders radikale Vertreter der Antideutschen gruppieren sich um die Berliner Zeitschrift Bahamas und die Freiburger Initiative Sozialistisches Forum. Gemäßigtere antideutsche Positionen, die aus Debatten in der antinationalen Bewegung und Teilen der undogmatischen Linken hervorgehen, orientieren sich unter anderem lose an Zeitschriften wie der Phase 2. Die Wochenzeitung Jungle World und die Monatszeitung konkret dienen beiden Seiten als Plattform und lassen auch Kritiker der antideutschen Bewegung zu Wort kommen.

Inhaltsverzeichnis

Positionen

Folgende Positionen werden zwar nicht von allen antideutschen Gruppen in gleichem Maße geteilt, haben aber durch bekanntere antideutsche Gruppen wie Bahamas oder ISF einen starken Bekanntheitsgrad erlangt und werden oft allgemein mit „antideutschen Positionen“ gleichgesetzt.

Antisemitismus, Israel und Deutschland

Antideutsche sehen das Dasein von Juden in aller Welt und insbesondere im Staat Israel von verschiedenen Seiten bedroht - sowohl durch das Fortbestehen einer Ideologie der Volksgemeinschaft in den westlichen Ländern und insbesondere in Deutschland („Postfaschismus“), als auch durch die Ignoranz der europäischen Regierungen gegenüber dem erstarkenden Antisemitismus in der EU und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Besonders der virulente Antisemitismus in vielen islamischen Ländern sei ein nicht zu unterschätzender Angriff auf das Existenzrecht Israels und Bestandteil einer „Antisemitischen Internationale“.

Der deutsche Faschismus sei dabei das ideologische Vorbild dieser „islamfaschistischen“ Bewegungen, die, in angeblicher Ähnlichkeit zu den Nationalsozialisten, von dem Gedanken einer weltweiten jüdisch-amerikanischen Verschwörung wie auch von einer völkisch-nationalen Blut-und-Boden-Ideologie geprägt seien. Der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 und zahlreiche Anschläge auf Synagogen und jüdische Menschen weltweit seien Alarmzeichen für den unverändert starken antisemitischen Vernichtungswillen in allen Teilen der Welt.

Aus dieser Analyse folgt für Antideutsche die Forderung nach bedingungsloser Solidarität mit Israel, welches als Staat der Holocaust-Überlebenden eine notwendige Zuflucht für verfolgte Juden aller Länder bilde. Diese grundsätzliche „Israel-Solidarität“ beinhaltet bei vielen Antideutschen auch die volle Unterstützung für die konkreten politischen und militärischen Maßnahmen der jeweiligen israelischen Regierungen. Israel habe als Opfer beständiger Aggression durch palästinensische Organisationen das Recht, sich mit Maßnahmen wie Kontrollen, Sicherungsanlagen und gezielten Tötungen zu verteidigen. Insbesondere an dieser kontroversen Position vollzieht sich der Bruch und die Feindschaft zwischen traditionell eher pro-palästinensisch eingestellten Antiimperialisten und pro-israelischen Antideutschen.

Solidarität mit Israel – auch bedingungslose – lässt weder direkt noch indirekt auf eine antideutsche Gesinnung schließen. Die Pro-Israel-Haltung der Antideutschen muss einerseits in Abgrenzung zu faschistisch-nationalistischen Kreisen sowie der anti-imperialistischen und anti-zionistischem Linken gesehen werden. Andererseits steht sie im Gegensatz zu Pro-Israel-Haltungen, die das Existenzrecht Israels wie das aller souveränen Staaten verteidigen und Deutschlands besondere Verantwortung gegenüber Juden und dem Staat Israel anerkennen.

Friedensbewegung

Einige traditionell eher dem linken Spektrum zugeordnete, vor allem moralisch orientierte Argumentationsmuster des grundsätzlichen Antimilitarismus und Pazifismus werden von den Antideutschen abgelehnt. Sie argumentieren, die bürgerliche Gesellschaftsordnung sei ein wesentlicher Fortschritt gegenüber religiös-fundamentalistischen oder völkisch-nationalistischen Regimes. Deshalb seien die Kriege der USA gegen sogenannte „rückständige“ Regime politisch zu begrüßen. Als Beispiele werden dafür der Zweite und Dritte Golfkrieg sowie der Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan 2001 genannt.

Der Friedensbewegung wird zudem eine Doppelmoral vorgeworfen. Sie habe die Zustände der Baath-Diktatur im Irak oder die Alltäglichkeit des antizionistischen und antisemitisch motivierten Terrors in und gegen Israel (beispielsweise durch islamistische Selbstmordattentate) hingenommen, ohne brauchbare Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Friedensbewegung verwende außerdem höchst bedenkliche Symbole, Karikaturen und Feindbilder wie die des „hinterlistigen Strippenziehers“ oder des „Volksschädlings und Vampirs“, mit denen die Politik der USA und Israels kritisiert wird. Radikalere antideutsche Gruppen wie die Bielefelder Gruppierung Gruppe 8. Mai werfen der Friedensbewegung „Appeasement gegenüber dem antisemitischen Vernichtungswillen“ vor und bezeichnen das Ideal des Friedens in einem Flugblatt zum 8. Mai 2005 als „leer und verlogen“. Solange es Antisemitismus gebe, so die antideutsche Argumentation, könne es keinen Frieden geben, der letztlich die Antisemiten schütze und ihnen Handlungsmöglichkeiten gewähre.

Kapitalismus

Obwohl sich Antideutsche selbst als Gegner des Kapitalismus und meist als Kommunisten verstehen, kritisieren sie einige Formen des Antikapitalismus als Ausdruck eines versteckten strukturellen Antisemitismus. Damit wird insbesondere gegen die globalisierungskritische Bewegung, darunter Attac, Stellung bezogen. Die von dieser Bewegung vertretene Forderung nach einer Regulierung der Finanzmärkte (z.B. durch die Tobin-Steuer) argumentiert nach Meinung vieler Antideutscher mit einer problematischen Unterscheidung zwischen „schaffendem“ und „raffendem“ Kapital, die wesentlich von den Nationalsozialisten geprägt wurde und implizit - auch dort, wo sie nicht entsprechend ausformuliert werde - auf das Stereotyp des „Geldjuden“ verweise. (Siehe auch Antijudaismus.)

Seit den späten 90ern gibt es eine Positionsverschiebung insbesondere bei der antideutschen Zeitschrift Bahamas. Es werden Sympathien für das neoliberale Gesellschaftsmodell bekundet, insbesondere wird gelobt, dass es dort (laut Sicht der Bahamas) keine Befürwortung des Gemeinnutzes vor dem Eigennutz gebe. Der deutsch-französische „rheinische Kapitalismus“ wird hingegen als, aus Bahamas-Sicht, "kollektivistisch" abgelehnt.[1]

Islam

Während linksradikale Gruppen traditionell eher die Diskriminierung von Migranten in Deutschland als ein zentrales Problem der Migrationspolitik ansehen, äußern sich antideutsche Publikationen wie die Zeitschrift Bahamas zunehmend negativ über die Rolle mancher Migranten in der europäischen Gesellschaft. Analog zu bürgerlichen und rechten Parteien behaupten sie, dass das Ideal der Multikulturalität Freiräume für gewalttätige und kriminelle Islamisten schaffe, in denen die eingeforderten Toleranzräume für Minderheiten nicht mehr gelten.

Ideologie

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Die Antideutschen rücken weniger Klassenkampf und Arbeiterbewegung in den Vordergrund ihrer Programmatik, sondern wollen das internationale System und dessen Entwicklungsdynamik aus einem kritischen geschichtsphilosophischen Blickwinkel insbesondere der Kritischen Theorie betrachten. Demzufolge ist die europäische Aufklärung ein in weiten Teilen unvollendetes Projekt. Die Antideutschen gehen davon aus, dass ein Übergang zum Kommunismus nur mit und nicht gegen die real existierenden Kräfte der Aufklärung erfolgen kann. Als Kräfte der Aufklärung werden dabei alle kapitalistischen Industrienationen mit Ausnahme gerade Deutschlands gesehen. Sie lehnen den gegenwärtig von ihnen als Leitkultur innerhalb der Linken wahrgenommenen Antiimperialismus ab, er weise vielmehr ideologische Schnittmengen zu nationalsozialistischen Positionen auf (siehe auch Querfront).

Im Zusammenhang mit dem „Krieg gegen den Terrorismus“ stellen sich die Antideutschen auf den Standpunkt, dass der Marxismus durch seine Geschichtsphilosophie immer der schärfste politische Gegner der Theokratie gewesen sei und knüpfen an die Solidarität Karl Marx’ mit dem amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln an. Generell betrachten sie die gegenwärtige weltpolitsche Lage als Auseinandersetzung zwischen (westlicher) Demokratie und (islamischer) Theokratie, wobei den westlichen Staaten die unbedingte Stellungnahme auch der Linken zustehe.

Hintergrund war der Zusammenbruch des Realsozialismus Ende der 80er Jahre und die darauf folgende deutsche Wiedervereinigung. Die Befürchtung eines Wiedererstarkens des deutschen Nationalismus sahen nicht nur die Antideutschen und traditionellen Antiimperialisten in den frühen 90er Jahren durch zahlreiche Fälle von Gewalt gegen Nichtdeutsche bestätigt, so u.a. durch das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen und den Mordanschlag auf die Solinger Familie Genç. Zu diesen Ausbrüchen xenophob und nationalistisch motivierter Gewalt kam die Zunahme staatlicher Repression gegen Migranten, so etwa die drastische Einschränkung des Asylrechts durch eine große Koalition aus CDU, FDP und SPD im Jahre 1994.

Die sich herausbildende antideutsche Strömung konzentrierte ihre Aufmerksamkeit ursprünglich stark auf die mögliche Gefährdung Polens und Frankreichs durch deutsches Großmachtstreben. Deutschland, so wurde befürchtet, könne Polen gegenüber territoriale Ansprüche erheben und in Frankreich Volksgruppenpolitik betreiben, die auf eine Abspaltung der Bretonen, Elsässer und anderer regionaler Sprachgruppen ziele.

Während solche Befürchtungen von weiten Teilen der antiimperialistischen und autonomen Linken geteilt wurden, sorgte die Befürwortung des zweiten Golfkriegs von 1991 gegen den Irak erstmals für massive Zerwürfnisse. Eine Hauptrolle spielte hierbei die Hamburger Zeitschrift konkret, deren Herausgeber Hermann L. Gremliza sich aus Gründen der Israelsolidarität vehement für den von der Regierung Kohl finanziell massiv unterstützten Krieg aussprach. Noch weiter ging der antideutsche Vordenker Wolfgang Pohrt, der in Ausgabe 03/91 von Gremlizas Zeitschrift gar den Einsatz der israelischen Atombombe gegen Bagdad forderte.

Den Krieg gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999 lehnten die Antideutschen mehrheitlich ebenso ab wie der größte Teil der Linken. Die Antideutschen beurteilten ihn als Wiederholung der Konstellation des Zweiten Weltkrieges, in dem Jugoslawien Opfer deutscher Aggression geworden war. Daraus leiteten sie die Forderung nach „bedingungsloser“ Solidarität mit dem Regime von Slobodan Milošević ab, während viele andere linke und pazifistische Strömungen auch die Taten der serbischen Seite kritisierten. Dies führte zum Bruch zwischen Antideutschen und den sogenannten Antinationalen.

Gleichzeitig passte die massive Kriegsbeteiligung der früheren Westalliierten nicht zu dem von den Antideutschen gezeichneten Bild. Diese erklärten das Verhalten der USA damit, diese hätten sich nicht aus freien Stücken für den Krieg entschieden, sondern seien von Deutschland in diesen hineingetrieben worden. Zu dieser Argumentation gehörte auch eine entsprechend hoch angesetzte Einschätzung der weltpolitischen Machtstellung Deutschlands. So schrieb die Jungle World, die USA seien die einzig verbliebene Macht, die in der Lage sei, „Deutschland die Stirn zu bieten“.

Nach der Al-Aqsa-Intifada

Nach Beginn der zweiten Intifada in Israel/Palästina kam es zu einer schroffen Polarisierung zwischen den eher traditionellen Linken auf der einen und den nunmehr als eigenständige Strömung erkennbaren Antideutschen auf der anderen Seite. Seitdem steht die vorbehaltlose Solidarität mit dem Staat Israel und die scharfe Kritik an antizionistischen Haltungen im Vordergrund des antideutschen Selbstverständnisses. Die Anschläge vom 11. September 2001 führten darüber hinaus zu einer vehementen Zurückweisung von einzelnen Theorie-Elementen des Antiimperialismus sowie antiamerikanischer Tendenzen innerhalb der Linken.

Während Frankreich aufgrund seines vorgeblich staatsbürgerlich und nicht völkisch definierten Nationenbegriffs ursprünglich das positive Gegenbild zu Deutschland darstellte, kühlte die antideutsche "Frankreichliebe" im Verlauf der Kriege gegen Afghanistan und Irak deutlich ab. Hauptgrund war die Haltung Frankreichs in Bezug auf den Irak und den israelisch-palästinensischen Konflikt. Von nun an wurden die USA neben Israel zum wichtigsten Bezugspunkt antideutscher Identität erhoben. Das Tragen der US-amerikanischen Nationalflagge gehört seit dieser Zeit zum Standard antideutscher Kundgebungen.

Die negative Bewertung Deutschlands wurde zudem auf das gesamte Old Europe ausgeweitet. Diese abwertend gemeinte Benennung der europäischen kriegskritischen Staaten durch US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ging bald in den festen Sprachgebrauch antideutscher Publikationen über und erscheint dort stets als ein zu bekämpfendes Modell. Der US-Armee bescheinigen Antideutsche dagegen, dass ihre Kriegseinsätze in Afghanistan und dem Irak Akte „tätigen Antifaschismus’“ darstellten. Von der Redaktion der Zeitschrift Bahamas wird der amerikanische Präsident George W. Bush als „A Man of Peace“ tituliert.[2]

Die Unterstützung des Afghanistan-Kriegs und der von den USA geführten Irak-Kriege seit 1991 durch zahlreiche antideutsche Aktivisten, mehr noch aber der Vorwurf, dass die Kritik am Islamismus sich bei manchen Vertretern dieser Strömung in einem rassistischen Register abspiele, führte nach und nach zu einer Spaltung in zwei Lager, polemisch manchmal als Softcore- und als Hardcore-Antideutsche bezeichnet. Erstere sehen letztere wiederum häufig als „Postantideutsche“ an, weil sie die Kritik an den Deutschen durch rassistische Positionen gegenüber Muslimen (Antiislamismus) eingetauscht hätten. Viele Antideutsche sehen im Islam starke Tendenzen eines „Islamfaschismus“, der durch Muslime weder erkannt noch bekämpft werde.

Zunächst trug der eskalierende Streit zwischen Antideutschen und Antiimperialisten zu einer deutlichen Schwächung der autonomen Linken bei. Allerdings erhielten die Antideutschen in den letzten Jahren regen Zulauf von Seiten junger Antifa-Aktivisten, so dass sie sich bundesweit als eigene Bewegung etablieren konnten. In vielen Orten hat sich die anfängliche Hysterie im Streit zwischen den verfeindeten Fraktionen der Linken wieder gelegt, so dass vielerorts beide Seiten in Zweckbündnissen zusammenarbeiten oder gar das Grundverständnis einer Solidarität mit Israel und einer Absage an völkischen Widerstand als politische Positionen übernommen haben.

Kritik und Kontroverse

Aufgrund ihrer Positionen, die teilweise in diametralem Gegensatz zur traditionellen Linken stehen, sind die Antideutschen Gegenstand beständiger heftiger Kontroversen. Zudem sind auch innerhalb der Strömung Zerwürfnisse und Spaltungen keine Seltenheit, wobei diese i. d. R. unter häufigem Einsatz von Antisemitismusvorwürfen[3] ausgetragen werden.

Die im Folgenden referierte oder zitierte Kritik stammt überwiegend von Vertretern der radikalen Linken. Dies liegt in erster Linie daran, dass es sich bei der Kontroverse um antideutsche Positionen ganz überwiegend um eine innerlinke Auseinandersetzung handelt. Einige der genannten Autoren waren für die Entstehung einzelner antideutscher Politikkonzepte selbst prägend. Die meisten Stellungnahmen entstammen dem von Gerhard Hanloser herausgegebenen Sammelband Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken (siehe Literatur).

Kern der Kritik ist, dass man eine Wendung der Antideutschen nach rechts bzw. eine „Rückkehr in die bürgerliche Wertegemeinschaft“ unter Aufgabe aller linker Essentials feststellt.

Israel als Projektionsfläche

Scharfe Kritik an „solidarisierungswütigen Israel-Freunden“ übt der israelische Soziologe Moshe Zuckermann. In einem Beitrag Was heißt: Solidarität mit Israel? kritisiert er den ideologischen Blick auf Israel seitens der Antideutschen. Diese missbrauchten Israel als „pure Projektionsfläche für eigene Befindlichkeiten“. Ihre „bedingungslose Solidarität“ sei eine Farce, „die die reale Tragödie in eine Narrenposse verwandelt“.

Stattdessen fordert er, die israelische Gesellschaft in ihrer geschichtlichen, politischen, sozialen und gesellschaftlichen Komplexität und Heterogenität wahrzunehmen. „Ideologisch durchwirkte Abstraktionen“ seien kontraproduktiv. „Besonders unappetitlich“ seien sie, so Zuckermann über das Israel-Bild der Antideutschen, wenn sie aus Deutschland kämen und die Juden beträfen.

Relativierung der Geschichte

Wolf Wetzel und Ulrich Enderwitz kritisieren die Gleichsetzung der geschichtlichen Konstellation von 1945 mit der heutigen internationalen Situation. Die Befreier von 1945 könnten heute nicht die gleichen antifaschistische Positionen geltend machen. Antideutschen wird vorgeworfen, mit dieser Relativierung der Geschichte einen „imperialistischen“ Krieg gegen den Irak einerseits zu legitimieren und andererseits Widersprüche des postfaschistischen deutschen Subjekts auf ein Ersatzobjekt zu projizieren.

Das Konzept des Islamfaschismus stößt auch bei Antirassisten auf Unmut, nicht zuletzt weil sich manche antideutsche Islamkritik inhaltlich den Positionen populistischer oder xenophober Bewegungen wie der Liste Pim Fortuyn oder des Vlaams Blok annähere. Die Redaktion der Bahamas hat der holländischen Gesellschaft vorgeworfen, den später ermordeten Pim Fortuyn aus einer multikulturellen Haltung heraus stigmatisiert zu haben, anstatt mit ihm zu diskutieren. Fortuyns „in vieler Hinsicht sehr unangenehm(e)“ Ansichten hat die Redaktion gegen Vorwürfe, faschistisch oder rassistisch zu sein, in Schutz genommen.[4] Allgemein wird am Begriff des „Islamfaschismus“ kritisiert, dass er problematisch sei, weil er zu einer unscharfen Definition des Faschismus führe. Auch wird das Fehlen von Kritik an anderen Religionen kritisiert.

Bejahung des Kapitalismus

Für Gerhard Hanloser entwickelte sich die antideutsche Bewegung aus einer „fehlgeschlagenen Selbstkritik“ von „oftmals nationalistischen und populistischen Linken“ – insbesondere der K-Gruppen - zu einem „affirmative turn“, der die „herrschenden Verhältnisse“ nicht mehr einer „radikalen Kritik“ unterziehe.[5] Er umschreibt diese Haltung mit einem ironischen Motto „Vereinzelt euch, seid stark, individualistisch und konsumistisch, damit auch ihr euch nicht zum deutschen Volksgenossen eignet“. Bahamas-Initiator Bernhard Schmid behauptet vor diesem Hintergrund einen neoliberalen Rechtsruck bei der Bahamas.[6][7]

Der Antisemitismusforscher Enderwitz sieht in aktuellen antideutschen Politikkonzepten den „unternommenen Versuch, unter dem Eindruck des weltweiten Bedrohungsszenariums Gesellschaftskritik durch die obsessive Bornierung auf Faschismus und Antisemitismus in eine Affirmation des Kapitalismus und seiner globalen, alias imperialistischen, Entfaltung umzufunktionieren“.

Robert Kurz sieht die Grundlage der Bejahung der kapitalistischen Gesellschaft vor allem in der Verurteilung jeglicher sozialer Bewegungen insbesondere in Deutschland durch Abstempelung dieser Bewegungen als „Volksbewegungen“, was in antideutschen Kreisen oft als Synonym für Völkische Bewegungen gebraucht wird. Auch würden Antideutsche, so Kurz, eine unrealistische Forderung nach „vermittlungsloser Feindschaft“ zum Kapitalverhältnis vertreten.

Kritikbegriff

Ilse Bindseil[8] kritisiert, dass die Antideutschen sich letztlich nicht mit den Konsequenzen von Auschwitz für die deutsche Gesellschaft und für die eigene Biographie beschäftigten. Sie sieht im moralischen Sektierertum der Antideutschen die „Suche nach Flucht in die Unschuld“ der Nach-68er, die erkennen mussten, dass der Bruch mit der Generation sie nicht vor den Zuständen der „Postfaschistischen Gesellschaft“ schütze. Statt der Komplexität von Themen wie Auschwitz gerecht zu werden, bestehe in diesem Teil der Gesellschaft der Hang zu unterkomplexen Reflexions- und Handlungsschemata, die letztlich vom Ausgangsproblem ablenkten und dieses nicht mehr transparent erscheinen ließen. „Das Böse musste her, damit der Riss in der Biographie gekittet werden konnte“ (Ilse Bindseil).

Gerhard Hanloser bemängelt, hieran anknüpfend, eine „Kritische Kritik“, wie Karl Marx sie in Bezug auf Bruno Bauer als bloß theoretisierende, nicht aber praktische Kritik bekämpfte. Diese „Kritische Kritik“ sei letztlich, so Hanloser, nur eine „Selbstbespiegelung vermeintlich kritischer Geister“. Kritik verkomme so als „Habitus“ und setze sich mit „Denunziation“ und „Polemik“ gleich, wie sich auch im oft unsachlichen Stil antideutscher Publikationen widerspiegele.

Denkmuster

Der Wertkritiker Robert Kurz kritisiert in seinem Buch Die antideutsche Ideologie sowie in mehreren seiner Aufsätze, dass die binäre Weltsicht, mit der Antideutsche nach seiner Auffassung die Welt erklären (meist nach dem Muster „barbarisch“ vs. „aufklärerisch“), vom binären Gut-Böse-Schema des von ihnen bekämpften Antiimperialismus strukturell kaum zu unterscheiden sei. So würde das Modell beispielsweise für die Erklärung des „Dritten Reiches“ versagen, da es übersehe, dass die „barbarische“ Bewegung des Nationalsozialismus in der Form der industriellen Massenvernichtung von Menschen ohne die Grundlage der Zivilisation und der technischen Rationalität nicht denkbar gewesen sei.

Gleichzeitig würden, so Kurz, Antideutsche sich selbst strukturell in jenen Denkstrukturen bewegen, die sie selbst bei anderen als „deutsch“ bezeichneten. Statt sich tatsächlich an das Individuum zu wenden und den Massenansatz folgerichtig abzulehnen, würde gerade von Antideutschen bevorzugt in Kategorien von Nationen, Rassen und Volksgemeinschaften gedacht.

Einzelnachweise

  1. http://www.trend.infopartisan.net/trd1205/t251205.html
  2. http://www.redaktion-bahamas.org/aktuell/Bagdad.htm
  3. Beispiel: http://www.graswurzel.net/266/jungle.shtml
  4. Redaktion Bahamas (12.11.2004): In memoriam Theo van Gogh
  5. Gerhard Hanloser (Hrsg.): „Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik. Unrast, Münster 2004
  6. Bernhard Schmidt In: Gerhard Hanloser (Hrsg.): „Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik. Unrast, Münster 2004
  7. Vgl. auch Bernhard Schmidt: Der Krieg und die Kritiker. Die Realität im Nahen Osten als Projektionsfläche für Antideutsche, Antiimperialisten, Antisemiten und andere. ISBN 978-3-89771-029-0. Unrast Verlag , Münster 2006
  8. Ilse Bindseil: Sektiererische Reflexion und korrektes Denken

Literatur

Antideutsche Texte (Auswahl)

  • Assoziation Antideutscher Kommunisten (Hg.): Antideutscher Katechismus. ça ira, Freiburg 2003, ISBN 3-924627-18-5
  • Joachim Bruhn: Was deutsch ist: Zur kritischen Theorie der Nation. ça ira, Freiburg 1994, ISBN 3-924627-38-X
  • Ulrich Enderwitz: Antisemitismus und Volksstaat. Zur Pathologie kapitalistischer Krisenbewältigung. ça ira, Freiburg 1998, ISBN 3-924627-28-2
  • Willy Huhn: Der Etatismus der Sozialdemokratie. Zur Vorgeschichte des Nazifaschismus. Mit einem Vorwort von Clemens Nachtmann. ça ira, Freiburg 2003, ISBN 3-924627-05-3
  • Initiative Sozialistisches Forum: Flugschriften. Gegen Deutschland und andere Scheußlichkeiten, ça ira, Freiburg 2001, ISBN 3-924627-77-0
  • Initiative Sozialistisches Forum: Furchtbare Antisemiten, ehrbare Antizionisten. Über Israel und die linksdeutsche Ideologie. ça ira, Freiburg 2002, ISBN 3-924627-08-8
  • Matthias Küntzel: Djihad und Judenhaß. Über den neuen antijüdischen Krieg. ça ira, Freiburg 2002, ISBN 3-924627-06-1
  • Wolfgang Pohrt, sämtliche Schriften
  • Gerhard Scheit: Jargon der Demokratie. Über den neuen Behemoth. ça ira, Freiburg 2006, ISBN 3-924627-95-9
  • Gerhard Scheit: Verborgener Staat, lebendiges Geld. Zur Dramaturgie des Antisemitismus. ça ira, Freiburg, ISBN 3-924627-63-0
  • Gerhard Scheit: Die Meister der Krise. Über den Zusammenhang von Menschenvernichtung und Volkswohlstand. ça ira, Freiburg 2001, ISBN 3-924627-70-3
  • Gerhard Scheit: Suicide Attack. Zur Kritik der politischen Gewalt, ça ira, Freiburg 2004, ISBN 3-924627-87-8

Texte über die Antideutschen

  • Ulrich Enderwitz: Konsum, Terror und Gesellschaftskritik. Eine Tour d’horizon. Unrast, Münster 2005, ISBN 3-89771-437-X
  • Patrick Hagen: Die Antideutschen und deren Rezeption. Ein Blick auf die Debatte der Linken über Israel., Magisterarbeit an der Universität Köln 2004
  • Gerhard Hanloser (Hrsg.): „Sie warn die Antideutschesten der deutschen Linken“. Zu Geschichte, Kritik und Zukunft antideutscher Politik. Unrast, Münster 2004, ISBN 3-89771-432-9
  • Robert Kurz: Die antideutsche Ideologie. Vom Antifaschismus zum Krisenimperialismus: Kritik des neuesten linksdeutschen Sektenwesens in seinen theoretischen Propheten. Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-426-4
  • Wolf Wetzel: Antideutsche Kriegsführung. Ein Lehrgang für AnfängerInnen und Fortgeschrittene In: Krieg ist Frieden. Über Bagdad, Srebrenica, Genua, Kabul nach ... Unrast, Münster 2002, ISBN 3-89771-419-1, Online-Fassung

Weblinks


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