Living Radical Polymerization

Living Radical Polymerization

Die Controlled Free Radical Polymerization (CFRP) oder Living Free Radical Polymerization (LFRP) (kontrollierte freie radikalische Polymerisation bzw. lebende freie radikalische Polymerisation) ist ein Polymerisations-Verfahren, bei dem durch gezielte Wahl der Reaktionsbedingungen die Vorteile der freien radikalischen Polymerisation mit den Vorteilen einer lebenden Polymerisation verknüpft werden.

Dadurch sind Polymerisationen und Copolymerisationen möglich,

  • die wenig empfindlich gegen Verschmutzungen sind,
  • in denen eine hohe Auswahl an Monomeren eingesetzt werden kann,
  • die bei relativ milden Reaktionsbedingungen stattfinden,
  • die sehr einheitliche Polymere mit enger Molmassenverteilung liefern,
  • und die steuerbare Polymerarchitekturen ermöglichen.


Inhaltsverzeichnis

Lebende Polymerisationen

Nach Szwarc ist eine lebende Polymerisation definiert als eine Kettenreaktion ohne Übertragungsreaktionen oder Abbruchreaktionen.

Dazu müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Der Geschwindigkeitskoeffizient der Initiation ist wesentlich höher als der Geschwindigkeitskoeffizient des Kettenwachstums.
  2. Die Zahl der aktiven Zentren bleibt während der Polymerisation konstant.
  3. Die Kinetik des Kettenwachstums ist erster Ordnung jeweils bzgl. der Konzentrationen von Monomer und aktiven Spezies.
  4. Die Molmassenverteilung entspricht einer Poisson-Verteilung, d. h. die Schwankungsbreite der Polymermolekül-Größen ist wie gewünscht gering.

Diese Reaktionsbedingungen ermöglichen den gezielten Aufbau von Blockcopolymeren:

  1. Zunächst werden homopolymere Gerüste erzeugt, die zwei oder mehr aktive Enden tragen.
  2. Dann kann ein weiteres Monomer zugegeben werden, das blockweise an den aktiven Enden bindet. Ist diese Reaktion abgeschlossen, liegen neue heteropolymere Gerüste vor mit zwei oder mehr aktiven Enden.
  3. An dieser Stelle kann die Polymerisation durch spezielle Reagenzien abgebrochen werden, oder weitere Monomere können zugegeben werden usw.

Das Verfahren der lebenden Polymerisation war lange Zeit nur bei manchen anionischen Polymerisationen und kationischen Gruppentransfer-Polymerisationen möglich. Und das nur mit einer geringen Anzahl von Monomeren und mit einem enormen Aufwand bzgl. Präparation und Reaktionsbedingungen, vor allem wegen der hohen Empfindlichkeit gegenüber Verschmutzungen, Wasser, Luft etc.

Freie radikalische Polymerisation

Die freie radikalische Polymerisation erfüllt die Bedingungen einer lebenden Polymerisation nur bedingt:

  1. Die Initiation ist wesentlich schneller als das Kettenwachstum.
  2. Die Zahl der aktiven Zentren, in diesem Fall: der Radikale, bleibt nur bei niedrigen Umsätzen konstant, bei höheren Umsätzen treten Abbruchreaktionen ein.
  3. Die Kinetik des Kettenwachstums ist erster Ordnung bzgl. der Konzentrationen von Monomere und der Makroradikale P*.
  4. Die Molmassenverteilung entspricht nicht der Poisson-Verteilung, sondern der Schulz-Flory-Verteilung, d.h. die Schwankungsbreite der Molmassen ist unerwünscht hoch.

Durch geeignete Anpassung der Reaktionsbedingungen gelingt es, aus der Free Radical Polymerisation eine "Living" Controlled Free Radical Polymerisation zu erzeugen.

LFRP

Dazu wird die Kettenabbruchreaktion der freien radikalischen Polymerisation so weit wie möglich reduziert. Diese Abbruchreaktionen sind es, die erstens die Anzahl der aktiven Spezies senken und zweitens zu der Verbreiterung der Molmassenverteilung führen.

Diese Unterdrückung der Abbruchreaktionen erreicht man durch kinetische Kontrolle der Polymerisation:

Verdünnung

Die Geschwindigkeit der Kettenabbruchreaktionen ist gegeben durch:

 v_{stop} = k_{stop} \cdot [P*]^2

Darin ist kstop der Geschwindigkeitskoeffizient und [P*] die Konzentration der Polymerradikale.

Die Konzentration der Radikale P* fließt quadratisch in die Geschwindigkeit der Abbruchreaktionen ein. Je weiter man die Konzentration dieser Radikale senkt, umso unwahrscheinlicher werden Kettenabbrüche.

Durch Verdünnung mit viel Lösemittel kann man diesen Effekt erreichen, jedoch sinkt dadurch auch die Reaktionsrate der gewünschten Reaktionen. Außerdem fällt dabei viel verschmutztes Lösemittel an. Dementsprechend darf die Verdünnung nicht zu groß sein.

„Radikal-Puffer“

Eine weitere Möglichkeit zur Senkung von [P*] ist der Einsatz spezieller Reagenzien, die in der Lage sind, Radikale zu bilden und Radikale wieder aufzufangen.

Diese Reagenzien werden als schlafende Spezies in nicht-radikalischer Form dem Polymerisationsgemisch zugegeben. Ein Teil der schlafenden Spezies zerfällt direkt und bildet eine radikalische aktive Spezies.

Die aktive Spezies kann unter Aufnahme von Polymerradikalen wieder in die schlafende Spezies überführt werden, so dass sich ein Gleichgewicht mehrerer Reaktionen ausbildet, bei denen Radikale freigesetzt oder aufgenommen werden.

Das hat zur Folge, dass sich eine konstante Konzentration [P*] einstellt:

  • Werden bei der Polymerisation zu viele Radikale P* produziert, werden diese von der aktiven Spezies des Spezialreagenzes aufgefangen.
  • Bildet sich bei der Polymerisation zu viel schlafende Spezies, zerfällt wieder ein Teil davon, so dass [P*] mehr oder weniger konstant ist.

Diese Gleichgewichtskonzentration von P* kann durch die Menge der zugegebenen Spezialreagens gezielt gesteuert werden.

Wichtigste Verfahren

Die Spezialreagenzien können sehr unterschiedlich sein, die wirksamsten und damit häufigsten sind:

  • Atom Transfer Radical Polymerization (ATRP)
Initiator: Organohalogenid RX
Radikal-Puffer: Übergangsmetall-Komplexverbindung MXnLx
  • Stable Free Radical Polymerization (SFRP)
Radikal-Puffer: stabile Radikale auf Basis von linearen oder cyclischen Nitroxiden, z.B. TEMPO
  • Reversible Addition Fragmentation Chain Transfer Polymerization (RAFT)
Initiator: Peroxo- oder Azo-Verbindung, seltener auch Photoinitiatoren oder Gammastrahlung
Kontrollierende Spezies: substituierter Dithioester,Xanthate oder Trithiocarbonate
Hinweis: Der RAFT Prozess unterscheidet sich von den übrigen Methoden dadurch, dass die Kontrolle nicht übere eine Herabsetzung von [P*] erreicht wird, sondern über einen degenerativen Kettentransfer-Mechanismus

Anwendungen

Die LFRP ist erst seit wenigen Jahren erforscht, aber sie findet zunehmend Einsatz im großtechnischen/industriellen Gebiet - vor allem, weil dafür keine umfangreichen maschinellen Umstellungen erfolgen müssen.

Sie ermöglicht:

  • gezielte Herstellung von Katalysatoren und Katalysator-Trägeroberflächen
  • gezielte Steuerung und Funktionalisierung von Polymer-Eigenschaften für Medizin, Technik und Kunststoffe im Hausgebrauch.

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