Lockstedter Lager

Lockstedter Lager
Der Hohenlockstedter Wasserturm mit aufgezogenem Warnballon. Außerhalb des Ortes wurde scharf geschossen, es bestand Gefahr.

Das Lockstedter Lager war ein als Truppenübungsplatz genutzter Gutsbezirk in Holstein, aus dem 1927 dann eine gleichnamige Gemeinde gebildet wurde. In der Zeit der Weimarer Republik war das Lager eine Sammelpunkt rechtsextremer Gruppierungen. Der Ort galt als Wiege der Schleswig-Holsteinischen SA. Wegen des schlechten Rufes änderte die Gemeinde 1956 ihren Namen in Hohenlockstedt.

Der Truppenübungsplatz erreichte seine größte Ausdehnung gegen Beginn des Ersten Weltkriegs, als er eine Fläche von etwa 60 km² umfasste, auf der bis zu 18.000 Soldaten stationiert waren.

Inhaltsverzeichnis

Gelände

Es gab das Dorf Ridders das gestürmt wurde. Von allen Richtungen der Windrose des Kirchturms Ridders wurde dieser als Marschziel bestimmt. Am Peißner Pohl, auf der Walderseehöhe und am Holsteiner Wald wurde geschossen. Am Lesczinski-Stein auf dem Bückener Felde, am Schierenwald und der Springhöh wurde marschiert.

Neben dem Fußartillerie-Regiment Nr. 20 war ab 1912 auch das neue III. Bataillon des Schleswig-Holsteinischen Infanterie-Regiments Nr. 163, das wegen der Nochnichtfertigstellung ihrer Kaserne an der ihnen zugewiesenen Garnisonsort (Heide) hier vagabundierte, dort garsoniert.[1]

Die Geschichte bis zum Ende des Ersten Weltkriegs

Das Lockstedter Lager wurde 1872 als Übungsplatz für das IX. Armee-Korps errichtet. Das deutsche Truppenkontingent gegen den Boxeraufstand in China wurde 1900 hier aufgestellt. Ein kleiner bewaldeter Geestrücken trägt in Erinnerung hieran den Namen Waldersee-Höhe.

Ab 1915 wurden im Lockstedter Lager die Finnischen Jäger, finnische Kriegsfreiwillige ausgebildet, die später den Kern der finnischen Armee bildeten. Damit sollte sollten finnische Autonomiebestrebungen unterstützt werden und Russland geschwächt werden. Finnland war als Großfürstentum Finnland damals Teil des Russischen Reiches. 1917 konnte Finnland dann unter anderem mit Hilfe dieser Kriegsfreiwilligen die Selbstständigkeit erlangen.

Nutzung ab 1920

1920 - der Truppenübungsplatz sollte eigentlich den Bestimmungen des Versailler Vertrages entsprechend aufgelöst werden - wurden im Gutsbezirk Lockstedter Lager Teile der Brigade Ehrhardt stationiert, die noch kurz zuvor beim Kapp-Putsch gegen die reguläre Regierung geputscht hatte. Die Einheit sollte friedlich aufgelöst werden und in Siedlungsprojekten neue Arbeit und Unterkunft finden. Die angestrebte Entwaffnung und Entpolitisierung der antirepublikanischen und antisemitischen Rechtsverbände gelang aber nicht vollständig. So wurden immer wieder Waffen bei den rechtsradikalen Siedlern gefunden. Das erregte großes öffentliches Aufsehen und führte dazu, dass der Ministerpräsident von Preußen Otto Braun im August 1920 das Lager besuchte. Er stellte dem Lager aber ein gutes Zeugnis aus. Doch die rechtsextremen Aktivitäten gingen weiter. Kurz nach dem Besuch Brauns weigerten sich die Siedler im Oktober, freiwillig Waffen an die Behörden herauszugeben. Als für die Abgabe von Waffen eine Belohnung gezahlt wurde, lieferten die ehemaligen Angehörigen der Brigade Ehrhardt aus ihren Beständen große Mengen. Aber das waren nur Teile ihrer Vorräte. Noch 1923 wurden bei Siedlern des ehemaligen Freikorpsverbandes große Bestände an Militärwaffen gefunden.[2]. Zudem war viele der ehemaligen Soldaten nicht besonders geeignet für das entbehrungsreiche Siedlerleben.. In der Folge war der Gutsbezirk immer wieder ein Stützpunkt und Zufluchtsort antirepublikanischer Rechtsverbände in Steinburg und auch ganz Schleswig-Holstein. Dazu zählten unter anderem die Reitervereine Holsteinische Elbmarsch, die Schwarze Reichswehr , der Stahlhelm später auch die SA. In der folgenden Zeit übten Verbände der Reichswehr - im Rahmen der illegalen Schwarzen Reichswehr - auf einem kleineren Teil des Truppenübungsplatzes.

Hermann Ehrhardt gründete 1923 als Nachfolgeorganisation für die mittlerweile verbotene Mordorganisation Organisation Consul den Bund Wiking, der die Republik mit gewaltsamen Mittel beseitigen sollte. In nahen Itzehoe unterhielt der Bund Wiking eine aus Lockstedter Lager gesteuerte Jugendgruppe, die Wiking-Pfadfinderschaft, unterhielt. Diese Pfadfinderschaft in Itzehoe nannte sich nach dem Verbot des Wikingbundes durch die republikanischen Behörden in Freischar Schill um und trat 1927 unter ihrem Führer Walter Bilkau in die Hitlerjugend der NSDAP ein.

Lockstedter Lager galt als Wiege der schleswigholsteinischen SA. [3]. Ab 1929 arbeitete für die SA und andere rechtsextreme Verbände eine sogenannte Volkssportschule, die mit Unterstützung des von General Kurt von Schleicher gegründeten Reichskuratoriums für Wehrertüchtigung als Wehrsportschule fungierte und im großen Umfang paramilitärische Ausbildung vermittelte. Diese Ausbildung gehörte zu den Aktivitäten der Schwarzen Reichswehr . Der Leiter dieser Wehrsportschule, die Kurse für rechtsextreme Verbände und vor allem auch für die SA abhielt, war der Offizier der Schwarzen Reichswehr und gleichzeitiges SA-Mitglied Herbert Selle, der schon 1920 in die NSDAP eingetreten war. In den 1930er Jahren ging die Schule offen in den Besitz der NSDAP über. Zuerst fungierte sie als Geländesportschule, ab 1935 nannte sie sich SA-Sportschule. Später kam eine Umschulungseinrichtung der SA dazu, das SA-Hilfswerklager Nordmark, später SA-Berufsschule. Viele Funktionäre der schleswigholsteinischen Nationalsozialisten absolvierten paramilitärische Kurse in Locksteder Lager.

Ab 1936 wurde auf dem Teilgelände "Hungriger Wolf" offiziell ein Flugplatz für die neu entstehende Luftwaffe eingerichtet. Schon 1934 war auf dem Gelände des Lockstedter Lagers die Heeresmunitionsanstalt ( Muna) eingerichtet worden. Dieser Betrieb dehnte sich ständig aus und beschäftigte 1944 4000 Menschen darunter auch Zwangsarbeiter.

Literatur

  • Reimer Möller, Eine Küstenregion im politisch-sozialen Umbruch (1860-1933): die Folgen der Industrialisierung im Landkreis Steinburg (Elbe). Hamburg , Münster 2007, ISBN: 978-3-8258-9194-7

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ritter, Holger: Geschichte des Schleswig-Holsteinischen Infanterie-Regiments Nr. 163; Leuchtfeuer Verlag, Hamburg 1926, 418 Seiten, Band 184 des preuß. Anteils der Erinnerungsblätter
  2. Reimer Möller, Eine Küstenregion im politisch-sozialen Umbruch (1860-1933): die Folgen der Industrialisierung im Landkreis Steinburg (Elbe). Hamburg , Münster 2007, ISBN: 978-3-8258-9194-7, Seite 360 -364
  3. Reimer Möller, Eine Küstenregion im politisch-sozialen Umbruch (1860 - 1933) : die Folgen der Industrialisierung im Landkreis Steinburg (Elbe). Hamburg , Münster 2007, ISBN: 978-3-8258-9194-7, Seite 461 ff
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