Logisches Schließen

Logisches Schließen

Allgemein ist ein Beweis die gültige Herleitung der Richtigkeit (Verifikation) oder Unrichtigkeit (Falsifikation) einer Aussage aus wahren Prämissen, das heißt ein förmlicher, sich nur auf als wahr anerkannte Prämissen stützender und zumindest vom Anspruch her über jeden Zweifel erhabener Nachweis dafür, dass die zu beweisende Aussage zutrifft.

Modern wird Logik überwiegend als formale Logik betrieben. Hier ist ein Beweis eine nach festgelegten Regeln durchgeführte Ableitung (Herleitung), in der eine zu beweisende Behauptung mit Hilfe von Schlussregeln – gegebenenfalls aus Axiomen – gewonnen wird (im Sinn der obigen allgemeinen Definition sind die Axiome zusätzliche als wahr anerkannte Prämissen). Eine auf diese Weise bewiesene Aussage wird auch Satz oder Theorem genannt, man sagt: Die Aussage ist syntaktisch gültig. Axiome und Schlussregeln werden üblicherweise formal durch einen Kalkül festgelegt.

Technisch ist es zulässig, in einer logischen Herleitung auch Annahmen zu verwenden. Der hergeleitete Satz ist dann kein Theorem, sondern folgt aus den verwendeten Annahmen. Man nennt die Annahmen in einer solchen Herleitung Prämissen, die hergeleitete Aussage Konklusion. Eine Ableitung, bei der ein Satz aus Annahmen hergeleitet wird, wird oftmals im strengen Sinn zwar nicht Beweis, sondern einfach nur Herleitung genannt; es hat sich aber eingebürgert, die Begriffe Beweis und Herleitung austauschbar zu verwenden. Man sagt dann, man habe bewiesen, dass aus den Prämissen die Konklusion folgt.

In der traditionellen Logik und in der Wissenschaftstheorie kennt man zur Beweisführung drei Schlussfolgerungsweisen: Deduktion, Induktion und Abduktion. Die Schlussfolgerungsweisen unterliegen bestimmten Regeln. Werden sie nicht eingehalten, können Fehlschlüsse entstehen.

Inhaltsverzeichnis

Induktiver oder empirischer Beweis

Der induktive Beweis wird anhand von Beobachtungen und Erfahrungen geführt und kann daher grundsätzlich keine absolute Gewissheit über den Wahrheitsgehalt einer Aussage über eine unbestimmte oder unendlich große Menge verschaffen.

Für endliche Mengen ist unter bestimmten Umständen eine Untersuchung jedes einzelnen Elements möglich. So ist zum Beispiel für die Aussage „Die drei Schwäne im Zoo sind weiß“ ein einfaches Nachsehen ausreichend. Lange Zeit wurde auch die Aussage „Alle Schwäne sind weiß“ durch Beobachtung ausnahmslos bestätigt, konnte also als bewiesen gelten. Infolge der Entdeckung Australiens wurde diese Aussage jedoch widerlegt - dort fand man schwarze Schwäne (Trauerschwan).

Der induktive Beweis wird vor allem in der Rechtsprechung (siehe Beweis im Rechtswesen) und den Naturwissenschaften angewendet.

Beweis in der formalen Logik

Der deduktive Beweis ist die Ableitung eines Urteils aus als wahr geltenden Voraussetzungen (Prämissen), Axiomen oder Definitionen nach festen logischen Schlussregeln. Er führt innerhalb des ihm zugrundeliegenden Systems, beispielsweise dem formalen System der Mathematik oder Logik, zu einer endgültigen Entscheidung über die Richtigkeit einer Aussage. Der deduktive Beweis wird daher auch vor allem in der Logik und der Mathematik (siehe Beweis in der Mathematik) angewendet. Ein Beispiel ist der Satz des Pythagoras, der innerhalb der euklidischen Geometrie wahr und unwiderlegbar ist.

Der indirekte Beweis („Reductio ad absurdum“) ist eine Form des deduktiven Beweises im Rahmen der zweiwertigen Logik. Er besteht im Nachweis eines logischen Widerspruchs, der aus der Annahme des Gegenteils der zu beweisenden Aussage folgt. Ein Beispiel ist die Folgerung aus der Annahme, die Quadratwurzel von zwei wäre als Bruch darstellbar, also rational. Aus ihr folgt ein Widerspruch zum Fundamentalsatz der Arithmetik, daher muss sie irrational sein. Als Alibi kommt der indirekte Beweis auch in den Rechtswissenschaften vor.

Ein Paradoxon liegt vor, wenn man eine Aussage und gleichzeitig auch die Negation dieser Aussage beweisen kann, was – zumindest in der zweiwertigen Logik – ein Widerspruch ist. Ein Beispiel ist das „Barbier-Paradoxon“: In Sevilla wird ein Mann genau dann vom Barbier von Sevilla rasiert, wenn er sich nicht selbst rasiert. Rasiert sich der Barbier selbst? Paradoxien zeigen, dass das ihnen zugrundeliegende logische System unvollständig ist und präzisiert werden muss.

Gödel hat mit seinem Unvollständigkeitssatz allerdings bewiesen, dass bei formalen Systemen, deren Leistungsfähigkeit ausreichend groß ist, um alle wahren arithmetischen Formeln herzuleiten, Vollständigkeit prinzipiell nicht erreichbar ist und dass die Widerspruchsfreiheit eines solchen Systems innerhalb seiner selbst unbeweisbar ist. Ersteres bedeutet, dass es für jedes solche formale System Aussagen gibt, sodass sich weder diese Aussage selbst noch ihre Verneinung herleiten lässt. (Aussagen- und Prädikatenlogik erster Stufe sind von diesem Ergebnis nicht betroffen.) Sehr wohl aber kann man solche Sätze u.U. mit Hilfe von Sätzen beweisen, die außerhalb des Systems selbst liegen. In einem derart erweitertem System kann es dann aber wieder (andere) Sätze geben, die sich nicht ohne ein erweitertes System beweisen lassen. Es baut sich so eine unendliche Kaskade von Systemen auf. Die Vollständigkeit der Arithmetik hat Gentzen 1938 mit Hilfe einer transfiniten Induktion bewiesen.

Beweis in der traditionellen Logik

Charles Sanders Peirce spricht nur der Induktion und der Abduktion die Fähigkeit zu, zu neuem Wissen führen zu können. Peirce verwendet zur Illustration das berühmte Beispiel von einem Sack Bohnen auf einem Tisch und einer Handvoll Bohnen, die daneben ausgestreut liegen. Peirce schlägt für die Deduktion folgenden Syllogismus vor: Die Schlussfolgerungsweise verläuft über eine bekannte Regel und einen bekannten Fall auf ein Resultat.

Prämisse (Regel) - Alle Bohnen aus diesem Sack sind weiß.
Prämisse (Fall) - Diese Bohnen sind aus diesem Sack.
Schluss (Resultat) - Diese Bohnen sind weiß.

Die Induktion schlussfolgert von einem bekannten Fall und einem bekannten Resultat auf eine Regel:

Prämisse (Fall) - Diese Bohnen sind aus diesem Sack.
Prämisse (Resultat) - Diese Bohnen sind weiß.
Schluss (Regel) - Alle Bohnen aus diesem Sack sind weiß.

Die Abduktion (Hypothese), die Peirce als logische Schlussfolgerungsweise einführt, schließt von einem vorliegenden Resultat und einer möglichen oder spontan gebildeten Regel auf einen Fall. Um ein überraschendes Resultat erklärbar zu machen, wird eine Regel hypothetisch eingeführt, damit das Resultat als sinnvoller Fall dieser Regel betrachtet werden kann:

Prämisse (Resultat) - Diese Bohnen sind weiß.
Prämisse (Regel) - Alle Bohnen in diesem Sack sind weiß.
Schluss (Fall) - Diese Bohnen sind aus diesem Sack.

Der Bayesianismus schließt ähnlich zurück, mit welcher Wahrscheinlichkeit die weißen Bohnen aus dem Sack X kommen, wenn dieser verschiedene Farben enthält und noch weitere Säcke mit bekannter Farbmischung vorhanden sind.

Analogieschluss

Der Analogieschluss (Analogismus) ist streng genommen kein Beweis – er besteht im Schluss auf die ungewissen Teile eines nicht vollständig bekannten Systems aus der Kenntnis eines ähnlichen, aber vollständig bekannten. Er ist daher vor allem ein Instrument zur Hypothesenbildung. Ein Beispiel ist das Periodensystem der Elemente, das auf Analogieschlüssen beruht, aber erst durch die Quantenphysik als richtig bestätigt wurde.

Der Analogieschluss ist auch strenggenommen ein Beweis, wenn die beiden Systeme, also das abbildende und das abgebildete System, einander isomorph sind, zumindest in dem entsprechenden Teilbereich, für den der Beweis geführt wird und solange die entsprechenden Transformationsregeln beachtet werden.

Siehe auch: Analogiebeweis, Analogismus

Geschichte

Die Methode des Beweises wurde zuerst in der Geometrie durch Euklid und in der Philosophie durch Platon angewendet. Die erste Beweistheorie stammt von Aristoteles.

Der deutsche, ursprünglich aus der Rechtsprechung kommende Begriff „Beweis“ ist seit dem 17. Jahrhundert auch im philosophischen und mathematischen Zusammenhang zu finden.

Beweis in den Wissenschaften

Zu dem, was in einzelnen Disziplinen als Beweis anerkannt wird, siehe

Siehe auch

Literatur

  • Charles Sanders Peirce: Collected Papers Bd. 2: Elements of Logic. hrsg. v. Charles Hartshorne/Paul Weiss, Cambridge, Mass., Harvard University Press, 2. Aufl., The Belknap Press, Cambridge, Mass. 1960. (CP), S. 2.622 ff
  • Antoine Arnauld und Pierre Nicole: Die Logik oder die Kunst des Denkens, 2., durchgesehene und um eine Einleitung erweiterte Auflage, Darmstadt 1994 ISBN 3-534-03710-3

Weblinks


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