Lohse-Wächtler

Lohse-Wächtler
Portrait-Aufnahme vor dem Kachelofen (um 1928)
Elfriede Lohse-Wächtler: Selbstportrait (um 1930); Öl auf Karton 43,0 x 45,0 cm

Elfriede Lohse-Wächtler (* 4. Dezember 1899 in Dresden-Löbtau; † 31. Juli 1940 in Pirna) war eine Dresdner Malerin der Avantgarde. Sie wurde im Rahmen der nationalsozialistischen Euthanasie-Aktion T4 in der Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein getötet. In der Gedenkstätte Pirna Sonnenstein wird seit 2000 in einer ständigen Ausstellung zur Dokumentation der Verbrechen an ihr Leben und Werk erinnert.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Elfriede Lohse-Wächtler wuchs in einem gutbürgerlichen Elternhaus auf, verließ dieses jedoch bereits mit 16 Jahren und besuchte von 1915 bis 1918 die Königliche Kunstgewerbeschule Dresden (zunächst Fachklasse Mode, ab 1916 dann Fachklasse Angewandte Graphik). Von 1916 bis 1919 belegte sie zudem Mal- und Zeichenkurse an der Dresdner Kunstakademie. Sie fand Anschluss an die Dresdner Sezession Gruppe 1919 und Aufnahme in den Freundeskreis um Otto Dix, Otto Griebel und Conrad Felixmüller. Im Atelier des letzteren nahe dem Dresdner Stadtzentrum mietete sie sich ein und erwarb sich mit Batiken, Postkarten- und Illustrationsarbeiten ihren Lebensunterhalt.

Im Juni 1921 heiratete sie den Maler und Opernsänger Kurt Lohse, mit dem sie 1925 nach Hamburg zog. Diese Zeit war geprägt von ehelichen Krisen. Später trennte sich das Ehepaar. 1929 erlitt Elfriede Lohse-Wächtler einen Nervenzusammenbruch infolge von materiellen und partnerschaftlichen Schwierigkeiten und wurde in die Staatskrankenanstalt Hamburg-Friedrichsberg eingewiesen, wo sie die „Friedrichsberger Köpfe“ malte.

Mitte des Jahres 1931 kehrte sie wegen materieller und psychischer Probleme in das Elternhaus nach Dresden zurück. Nach Verschlechterung ihres seelischen Zustandes ließ ihr Vater sie 1932 in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt Arnsdorf einweisen. Es wurde Schizophrenie diagnostiziert. Anfänglich hatte sie noch die Möglichkeit, kreativ zu arbeiten. Doch mit der Scheidung, Entmündigung und Zwangssterilisation 1935 schwand ihre Schaffenskraft. 1937 wurden ihre Arnsdorfer Bilder als Entartete Kunst zerstört. 1940 wurde sie in die Landes-Heil-und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein deportiert und dort im Rahmen der nationalsozialistischen Euthanasie-Aktion T4 getötet.

Werke

Elfriede Lohse-Wächtler: Blick über den Hafen (um 1929); Aquarell 51,0 x 72,8 cm
Elfriede Lohse-Wächtler: Blumenflasche (1931); Aquarell über Bleistift 71,0 x 46,0 cm
Elfriede Lohse-Wächtler: Die Blumenalte (1930); Aquarell und Bleistift 57,5 x 46,0 cm

Ihre kreativste Schaffenszeit fällt in die Zeit des Hamburger Aufenthalts. Von 1927 bis 1931 entstanden einige ihrer Hauptwerke. Außerdem entwickelte sie eine Vielzahl von Kopf- und Körperstudien psychisch Kranker, die sie während ihres Aufenthaltes in der Staatskrankenanstalt Hamburg-Friedrichsberg 1929 erlebte. Sie war Mitglied im Bund Hamburgischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen.

Nachwirkung

1989 erfolgt die Rehabilitation ihrer Werke bei einer Präsentation in Reinbek bei Hamburg. 1994 wurde der Förderkreis Elfriede Lohse-Wächtler e.V. gegründet. Mit der Herausgabe der Monographie Im Malstrom des Lebens versunken ... - Elfriede Lohse-Wächtler. 1899-1940. Leben und Werk von Georg Reinhardt im Jahre 1996 und Ausstellungen u.a. in Dresden, Hamburg-Altona und Aschaffenburg begann eine breitere Rezeption des künstlerischen Werks und Schicksals der lange vergessenen Malerin. 1999 wurde ihr zum Gedenken im Sächsischen Krankenhaus in Arnsdorf eine Stele errichtet und ein Stationshaus nach ihr benannt. In Pirna-Sonnenstein wurde der Malerin Elfriede Lohse-Wächtler 2005 eine Straße gewidmet. Seit Februar 2008 trägt auch in Arnsdorf sowie auf dem ehemaligen Krankenhausgelände Friedrichsberg in Hamburg-Barmbek-Süd eine Straße ihren Namen.

Aktuelle Ausstellungen

Eine umfangreiche Ausstellung zu Leben und Werk der Malerin Elfriede Lohse-Wächtler. 1899-1940 mit rund einhundert ihrer Werke aus allen Schaffensphasen war vom 7. November 2008 bis 8. Februar 2009 im Zeppelin Museum, Friedrichshafen/Bodensee zu sehen und wird im Anschluss vom 1. März bis 3. Mai 2009 im Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen gezeigt. Ein umfangreicher Katalog gleichen Titels mit farbigen Abbildungen aller ausgestellten Werke begleitet die Ausstellung.

Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen

Einzelausstellungen:

  • 1991 Schloß Reinbek bei Hamburg
  • 1997 Galerie Finckenstein, Dresden
  • 1999 Stadtmuseum Dresden, Altonaer Museum in Hamburg und Städtische Galerie der Stadt Aschaffenburg
  • 2002 Galerie Kunsthandel & Edition Fischer, Berlin
  • 2003 Stadtmuseum Pirna
  • 2004 Sammlung Prinzhorn, Heidelberg
  • 2005 Vertretung des Freistaats Sachsen beim Bund, Berlin

Ausstellungsbeteiligungen:

  • 1993/94 Städtische Galerie der Stadt Aschaffenburg: Der weibliche Blick; 1994 Hamburger Deichtorhallen: Fritz Schumacher und seine Zeit;
  • 1994 Kunsthalle Mannheim: Neue Sachlichkeit. Bilder auf der Suche nach der Wirklichkeit. Figurative Malerei der zwanziger Jahre;
  • 1995 Pallazo della Permanente Milano, Mailand: Germania e Italia 1920 - 1930;
  • 1995/96 Kallmann Museum Ismaning, Kunsthalle Wilhelmshaven, Kunsthalle Worpswede, Universitätsmuseum für Bildende Künste Marburg, Städtische Galerie der Stadt Aschaffenburg: Malerinnen des XX. Jahrhunderts;
  • 1996 Liljevalchs Konsthall Stockholm: Konst Som Notstand - Tysk Konst Fran Mellankristiden. Ausstellung der Sammlung Marvin an Janet Fishman, Milwaukee;
  • 1996/97 Städtische Galerie Albstadt, Städtische Galerie Moers: Drei Dresdner Künstlerinnen;
  • 1997 Städtische Galerie Überlingen: Sinn-Bilder. Ausstellung der Sammlung Frank Brabant, Wiesbaden;
  • 2003 Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloß Gottorf: Expressionismus und Wahnsinn;
  • 2004/05 August Macke Haus Bonn, Paula Modersohn-Becker Museum Bremen: FEMME FLANEUR. Erkundungen zwischen Boulevard und Sperrbezirk.

In der Hamburger Kunsthalle waren im Rahmen der Ausstellung Künstlerinnen der Avantgarde (II) in Hamburg 1890 bis 1933 (2006) auch einige Werke von Elfriede Lohse-Wächtler zu sehen. Unter anderem wurde in der Ausstellung mit der "Lissy" aus dem Jahre 1931 eines der berühmtesten Gemälde Elfriede Lohse-Wächtlers gezeigt. Seit langem war auch "Die Blumenalte" wieder zu sehen. Die Ausstellung widmete sich der Bedeutung von Frauen in der neueren Kunstgeschichte Hamburgs.

Literatur und Film

  • Winfried Reichert (Hrsg.): "Wider die Erwartung". Elfriede Lohse-Wächtler 1899-1940. Privatdruck. Rothenburg bei Aschaffenburg 1994, ISBN 3-98038-000-9
  • Georg Reinhardt (Hrsg.): Im Malstrom des Lebens versunken ... Elfriede Lohse-Wächtler. 1899-1940. Leben und Werk. Mit Beiträgen von Georg Reinhardt, Boris Böhm, Hildegard Reinhardt und Maike Bruhns. Köln: Wienand 1996. Monographie, ISBN 3-87909-471-3
  • Heide Blum: Video "... es wird schon alles wieder gut ...". Porträt der Malerin Elfriede Lohse-Wächtler (1899-1940). Medienbüro Sachsen, Dresden 1997
  • Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft (Hrsg.): "... das oft aufsteigende Gefühl des Verlassenseins". Arbeiten der Malerin Elfriede Lohse-Wächtler in den Psychiatrien Hamburg-Friedrichsberg (1929) und Arnsdorf (1932–1940). Mit einem Beitrag von Hildegard Reinhardt und einem Vorwort von Norbert Haase. Dresden: Verlag der Kunst 2000, ISBN 90-5705-152-4 bzw. ISBN 3-86572-477-9 (Philo & Philo)
  • Boris Böhm: "Ich allein weiß, wer ich bin". Elfriede Lohse-Wächtler (1899 - 1940). Ein biografisches Porträt. Hrsg. vom Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein e.V., Pirna 2003. Begleitband zur Gemeinschaftsausstellung des Stadtmuseums Pirna und der Stiftung Sächsische Gedenkstätten/Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein e.V.
  • Regine Sondermann: Kunst ohne Kompromiss. Die Malerin Elfriede Lohse-Wächtler. 1899 - 1940. 2. überarb. Auflage, Berlin: Weißensee Verlag 2008, ISBN 978-3-89998-994-6
  • Dirk Blübaum, Rainer Stamm, Ursula Zeller (Hrsg.): Elfriede Lohse-Wächtler. 1899 - 1940. Tübingen, Berlin: Wasmuth 2008. 176 S., überw. Ill. (Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung vom 7. November 2008 bis 8. Februar 2009 im Zeppelin Museum Friedrichshafen - Technik und Kunst und vom 1. März bis 3. Mai 2009 im Paula-Modersohn-Becker-Museum, Bremen), ISBN 978-3-8030-3328-4
  • Anne Peters, Adolf Smitmans: Paula Lauenstein, Elfriede Lohse-Wächtler, Alice Sommer. Drei Dresdner Künstlerinnen in den zwanziger Jahren. Städtische Galerie Albstadt, 24. November 1996 bis 19. Januar 1997. Albstadt 1996. (Gesamttitel: Veröffentlichung der Städtischen Galerie Albstadt; Nr. 108). Katalog, ISBN 3-923644-74-4
  • Norbert Haase, Bert Pampel (Hrsg.): Doppelte Last – doppelte Herausforderung. Gedenkstättenarbeit und Diktaturenvergleich an Orten mit doppelter Vergangenheit. Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 1997, ISBN 3-631-32807-9
  • Landeshauptstadt Dresden, Gleichstellungsbeauftragte für Frau und Mann (Hrsg.): Straßennamen in Dresden – reine Männersache? Redaktion von Nicole Schönherr. Dresden 2003
  • Hamburger Kunsthalle (Hrsg.): Künstlerinnen der Avantgarde in Hamburg zwischen 1890 und 1933. Bd. 2. Bremen: Hachmannedition 2006. Ausstellungsband, ISBN 3-939429-104 bzw. ISBN 978-3-939429-10-4

Beiträge in Veröffentlichungen (chronologisch):

  • Ulrike Evers: Deutsche Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Malerei - Bildhauerei - Tapisserie. Hannover: Ludwig Schultheis Verlag 1983. S. 209;
  • Otto Griebel: Ich war ein Mann der Straße. Halle: Mitteldeutscher Verlag 1986. S. 50, 53f., 58, 65, 70, 106 (2. veränd. Aufl. Altenburg: DZA Verlag für Kultur und Wissenschaft 1995);
  • Rita Täuber: Der hässliche Eros. Darstellungen zur Prostitution in der Malerei und Grafik 1855-1930. Berlin: Gebr. Mann Verlag 1997. S. 194-201;
  • Elfriede Lohse-Wächtler. Das seltsame Rätselbild des Menschen begreifen. In: Sibylle Duda (Hrsg.): Wahnsinns Frauen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp-Verlag 1999. S. 139-171;
  • Ingrid von der Dollen: Malerinnen des 20. Jahrhunderts. Bildkunst der "verschollenen Generation". München: Hirmer Verlag 2000. S. 62, 137-140, 142, 187, 190, 197, 332, 387, 390;
  • Maike Bruhns: Kunst in der Krise. Hamburg: Dölling und Galitz Verlag 2001. Bd. 1: Hamburger Kunst im Dritten Reich. S. 46, 55, 68, 177, 194, 197, 225, 291, 301, 414, 494, 510. Bd. 2: Künstlerlexikon. S. 267ff.;
  • Jessewitsch, Schneider, Wendelberger: Expressive Gegenständlichkeit. Schicksale figurativer Malerei im 20. Jahrhundert. Bönen/Westfalen: Druck Verlag Kettler Kunst 2002. S. 332, 567;
  • Luise F. Punsch, Susanne Gretter: Berühmte Frauen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp-Verlag 2002. S. 180;
  • Kay Rump (Hrsg.): Der neue Rump. Lexikon der bildenden Künstler Hamburgs, Altona und der näheren Umgebung. Überarb. Neuaufl. des Lexikons von Ernst Rump (1912). Neumünster: Wachholtz Verlag 2005. S. 267f.;
  • Wulf Kirsten, Hans-Peter Lühr: Künstler in Dresden im 20. Jahrhundert. Literarische Portraits. Dresden: Verlag der Kunst 2005. S. 59;
  • Jürgen Schreiber: Ein Maler aus Deutschland. Gerhard Richter: Das Drama einer Familie. München, Zürich: Pendo Verlag 2005;
  • Verein August Macke Haus e.V. (Hrsg.), Rita Täuber: Femme Flaneur. Erkundungen zwischen Boulevard und Sperrbezirk. Ausstellungskatalog. Bonn: In puncto Druck + Medien 2006.
  • Wolfgang Hädicke: Dresden. Die Geschichte von Glanz, Katastrophe und Aufbruch. München: Carl Hanser Verlag 2006. S. 242, 250ff.

Weblinks


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