Londoner Ultimatum

Londoner Ultimatum

Auf Grund des „Kriegsschuldartikels“ 231 des Versailler Vertrages musste Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg Reparationen zahlen. Die endgültige Höhe und Dauer der Reparationen war im Versailler Vertrag nicht festgelegt, sondern sollte von einer mit weitreichenden Kontrollfunktionen ausgestatteten Reparationskommission ohne deutsche Beteiligung festgesetzt werden, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands überwachen sollte.

Die Verringerung, Verschiebung und endgültige Beendigung der Reparationszahlungen war das vorrangige Ziel der deutschen Außenpolitik. Vor allem Gustav Stresemann und Heinrich Brüning brachten Deutschland dem Ziel näher, Stresemann war aber bei Erreichen des Ziels schon tot und Brüning wurde kurz zuvor entlassen.

In der modernen Geschichtsschreibung dominiert die Auffassung, dass die tatsächlichen deutschen Reparationsleistungen selbst in den schwersten Jahren der Weimarer Republik kein wirkliches Hindernis für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg dargestellt hätten.[1][2] Da die Reparationen jedoch im Zusammenhang mit der deutschen Kriegsschulddebatte standen und gleichzeitig die deutsche Wirtschaft von Krediten der USA abhängig machten, versuchten die Regierungen der Weimarer Republik die Forderungen zu mindern beziehungsweise zu beseitigen. So wurden sie zu einer fortwährenden politischen Belastung, weil sowohl die Parteien und Verbände der extremen politischen Rechten als auch die KPD sie zur Agitation gegen die Weimarer Republik einsetzten. Dies legt den Schluss nahe, dass die Reparationen eher politisch als ökonomisch zur Instabilität der ersten deutschen Demokratie beigetragen haben.

Inhaltsverzeichnis

Positionen der Siegermächte

Die USA unter Präsident Thomas Woodrow Wilson wollten Deutschland als Bollwerk gegen den Kommunismus und eine stabile Situation in Europa (siehe: 14-Punkte-Programm), sie waren aber auch an einer Rückzahlung der Kriegskredite, die sie den Europäern (England, Frankreich, Italien) gewährt hatten, interessiert. In den USA wurde der Vertrag von Versailles kritisiert. Da der Großteil der Reparationen als Rückzahlung von Kriegskrediten letztendlich in die USA floss, hatten sie den größten Einfluss auf die Entwicklung der Zahlungen. Die USA zogen sich aus Europa zurück und traten auch nicht dem von Wilson initiierten Völkerbund bei. 1923 beendeteten die Vereinigten Staaten ihre freiwillige Isolation und gaben im Rahmen des Dawes-Plans, an dem sie maßgeblich beteiligt waren, Kredite an Deutschland. 1931 ging vom amerikanischen Präsidenten Herbert C. Hoover das Hoover-Moratorium aus. Die Position der USA und der Versailler Vertrag wurden (zum Beispiel von John Maynard Keynes) kritisiert, da es keine Regelungen zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas gab. Großbritannien unter Premierminister David Lloyd George hatte eine ähnliche Position. Es wollte Deutschland als Schutz gegen den Kommunismus, ein europäisches Mächtegleichgewicht und brauchte die Reparationen, um die Kredite an die USA zurückzahlen zu können. Der Versailler Vertrag wurde in Großbritannien abgelehnt. Es beteiligte sich nicht an der Ruhrbesetzung, sondern verurteilte sie als Vertragsbruch.

Frankreich unter Ministerpräsident Raymond Poincaré war primär an einer Schwächung Deutschlands, gegen das es viele Kriege geführt hatte, und einer Stärkung der eigenen Position in Europa interessiert, so dass es hohe Forderungen erhob und hartes Durchgreifen anmahnte. Frankreich wollte auch die Kontrolle über die Industriegebiete im Westen Deutschlands. In Frankreich standen sich Poincaré mit einer kompromisslosen Haltung und Aristide Briand, der sich für eine Verständigung mit Deutschland einsetzte, gegenüber. Bei der Ruhrbesetzung war Frankreich unter Poincaré die treibende Kraft.

Von 1925 bis 1929 arbeitete Briand als Außenminister eng mit Gustav Stresemann zusammen und es entstand der Vertrag von Locarno. Die Bevölkerung war für einen harten Kurs gegenüber Deutschland, so dass Briand keine großen Zugeständnisse machen konnte, die Stresemann den Rücken gegenüber den radikalen Parteien gestärkt hätten. 1931 war Frankreich als einziges Land gegen das Hoover-Moratorium und wurde damit isoliert.

Erste Forderungen

Bereits im Versailler Vertrag wurde festgelegt, dass Deutschland 20 Milliarden Goldmark – das entspricht über 7 Millionen Kilogramm Gold – bis April 1921 zahlen musste, außerdem musste auch der größte Teil der Handelsflotte übergeben werden. Der Verlust der Handelsflotte führte zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Exportgeschäfte, einer wichtigen Grundlage seiner Wirtschaftskraft. Im April 1920 stellte der Oberste Alliierte Rat fest, dass Deutschland mit den Kohlelieferungen und mit den Zahlungen in Rückstand war. Im Juni 1920 forderten die Alliierten auf der Konferenz von Boulogne 269 Milliarden Goldmark in 42 Jahresraten.

Sachlieferungen auf Reparationskonto an Frankreich (1920)

1920 kam es zu mehreren Konferenzen (San Remo im April, Hythe und Boulogne-sur-Mer im Juli), bei denen auch die Reparationsfrage besprochen wurde. Auf der Konferenz von Spa im Juli 1920 durften erstmals Vertreter aus Deutschland teilnehmen. Auf dieser Konferenz wurde ein Verteilerschlüssel festgelegt, um zu klären, welchen Anteil die verschiedenen Länder von den Reparationszahlungen erhalten sollten. Demnach sollte Frankreich 52 %, England 22 %, Italien 10 % und Belgien 8 % bekommen. Die Alliierten drohten weiterhin mit der Besetzung des Ruhrgebiets, falls die Forderungen nicht erfüllt würden. Im Dezember trafen sich Sachverständige zur Diskussion über die Reparationen in Brüssel.

1921 verlangten die Siegermächte auch, dass die beiden neuen DELAG-Verkehrsluftschiffe LZ 120 und LZ 121 ausgeliefert werden. Teils auf ausdrückliches Verbot der Alliierten hin kam so die deutsche Zeppelin-Luftfahrt vorübergehend zum Stillstand. 1924 lieferte Deutschland das Amerikaluftschiff an die USA – ebenfalls als Reparation.

Am 29. Januar 1921 forderten die Alliierten in Paris 269 Mrd. Goldmark in 42 Jahresraten, davon 226 Mrd. als unveränderliche Hauptsumme, außerdem musste Deutschland 12 % des Wertes seiner jährlichen Ausfuhren abgeben. Am 27. April 1921 folgte der Londoner Zahlungsplan. Der Reichstag lehnte diese Forderungen ab und die Alliierten besetzten, nachdem sie in London einen Vorschlag Deutschlands von 50 Mrd. abgelehnt hatten, am 8. März Ruhrort, Duisburg und Düsseldorf.

Es kam zu einer schweren Regierungskrise, die am 4. Mai im Rücktritt der Regierung Fehrenbach gipfelte. Fehrenbach hatte den Londoner Zahlungsplan als inakzeptabel abgelehnt und machte den Weg für eine Nachfolgeregierung frei, welche das Abkommen unterzeichnen konnte. David Lloyd George übergab am 5. Mai 1921 dem deutschen Botschafter in London die neuen Forderungen der Alliierten von 132 Mrd. Goldmark (ungefähr 47.000 Tonnen Gold mit einem derzeitigen Wert von grob 700 Milliarden Euro) in 66 Jahresraten. Die Raten dazu betrugen 2 Mrd. Goldmark. Deutschland musste außerdem 26 % des Wertes seiner Ausfuhr an die Alliierten abgeben. Die Forderungen waren begleitet vom Londoner Ultimatum der Alliierten. Bei Nichtannahme der Forderungen innerhalb von sechs Tagen drohten die Alliierten darin, das Ruhrgebiet zu besetzen. Im Ultimatum wurde außerdem die im Versailler Vertrag festgeschriebene Auslieferung von Kriegsverbrechern und Demilitarisierung gefordert.

Die Regierung unter Reichskanzler Joseph Wirth sah sich gezwungen die Forderungen einen Tag nach Amtsübernahme am 11. Mai zu akzeptieren. Diese „Erfüllungspolitik“ wurde von den Rechten heftig kritisiert. Wirth knüpfte damit an die Bemühungen Matthias Erzbergers an, der als Finanzminister Ende 1919/Anfang 1920 eine Finanzreform zur Bewältigung der antizipierten Zahllast durchgeführte hatte, dessen Unitarisierung die fiskalische Stellung des Reiches gegenüber den Ländern maßgeblich gestärkt hatte. Erzberger wurde 1921 von Mitgliedern der Organisation Consul als Erfüllungspolitiker ermordet, 1922 wurde der Außenminister Walther Rathenau getötet.

Die USA ratifizierten den Versailler Vertrag nicht und erhoben keinen einseitigen Anspruch auf Reparationen. Aufgrund des Berliner Vertrages von 1921 wurde eine German American Mixed Claims Commission bestehend aus je einem Schiedsrichter benannt von den USA und einem vom Deutschen Reich eingesetzt, die Schadenersatzansprüche feststellten.

Einigung mit der Sowjetunion

Die Grundsatzentscheidung unter Reichskanzler Joseph Wirth, den Forderungen nachzukommen, um dadurch ihre Unerfüllbarkeit zu zeigen, löste aber nicht die Reparationsfrage. Ende 1921 konnte Rathenau ein Abkommen mit Frankreich erreichen, so dass Frankreich mehr Sachlieferungen statt finanzieller Leistungen erhielt. 1922 erreichte Deutschland mit britischer Unterstützung einen Zahlungsaufschub, da Großbritannien die deutsche Kaufkraft und industrielle Produktion schützen wollte, um weiterhin einerseits britische Waren kaufen zu können und andererseits Reparationen zahlen zu können. Dies war ein erster Erfolg bei dem Bemühen, dem Ausland die Grenzen der deutschen Zahlungsfähigkeit zu zeigen. Die Briten wollten ihr Ziel eines Ausgleichs in Europa durch die Konferenz von Genua über Finanz- und Weltwirtschaftsfragen voranbringen, es wurden aber keine nennenswerten Ergebnisse erreicht.

Am Rande der Wirtschaftskonferenz aber schlossen Deutschland und die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik den Vertrag von Rapallo. In ihm verzichteten Deutschland und die Sowjetunion darauf, von der anderen Seite Entschädigungen zu fordern, und er brachte eine Annäherung der beiden ansonsten isolierten Staaten. Der Vertrag verärgerte die Westmächte und war damit auch ein Grund für die Ruhrbesetzung.

Ruhrbesetzung

Die Reparationsfrage war weiterhin ungelöst, und während nach der Meinung der deutschen Regierung die starke Inflation die rechtzeitige Zahlung verhinderte, warfen die Westmächte nicht unbegründet Deutschland vor, es lasse die Inflation bewusst auf hohem Niveau. Die Westmächte waren nur zu einzelnen, kurzen Zahlungsaufschüben bereit, eine längere Aussetzung lehnten sie ab. Da die Erfüllungspolitik keine nennenswerten Erfolge vorweisen konnte, wurde sie in Deutschland zunehmend abgelehnt, die Regierung unter Wilhelm Cuno beendete sie im November 1922.

Szene aus dem Ruhrkampf: Konfrontation zwischen einem französischen Soldaten und einem deutschen Arbeiter 1923

Nach der Konferenz von Genua hatte Frankreich wieder die Initiative in der Deutschlandpolitik der Westmächte ergriffen und forderte den produktiven Pfänder. 1922 wurde die Übergabe deutscher Industrieanteile an die Reparationskommission durch Großbritannien verhindert. Als Deutschland mit den Reparationszahlungen wieder in einen vergleichsweise kleinen Rückstand kam, besetzten französische und belgische Truppen Anfang 1923 das Ruhrgebiet. Die deutsche Regierung und Bevölkerung reagierte mit passivem Widerstand, das heißt, Befehle der Besatzungstruppen wurden ignoriert, ein Generalstreik wurde ausgerufen, und vor allem die Transportzüge mit der Kohle, die Franzosen und Belgier als Reparationen abtransportieren wollten, wurden umgelenkt und blockiert. Daraufhin entließen die Besatzer alle deutschen Bahnarbeiter, die wie die Streikenden von der Reichsregierung finanziell unterstützt wurden.

Inflation und Ende des Ruhrkampfs

Die Reparationen trugen zur Inflation in Deutschland insofern bei, als mehr Geld gedruckt wurde, um zum Beispiel den Ruhrkampf zu unterstützen. 1923 war die Stabilisierung der Reichsmark eine Vorbedingung für die Neuverhandlung der Reparationsforderungen.

Das Ende des Kampfes gegen die Besetzung des Ruhrgebiets und der Beginn des Kampfes gegen die Inflation kamen mit dem neuen Reichskanzler Gustav Stresemann im Sommer 1923, der den Widerstand anfangs mitgetragen hatte, aber jetzt Wege zur Beseitigung der Krise vermisste. Deutschland hatte mehrere Kompromissvorschläge gemacht, Großbritannien war aber nur nach Abbruch des passiven Widerstandes zu einer Neuregelung bereit. Stresemann hoffte auf einen Abzug der ausländischen Truppen nach dem Ende des Widerstands, Frankreich war aber zu keinen Kompromissen bereit, da es um die Ausweglosigkeit Deutschlands wusste. Das Ende des Widerstands am 26. September brachte anfangs keine Besserung der Lage, es kam zu separatistischen Bewegungen, die von Frankreich unterstützt wurden. Am 28. September wurde gemäß MICUM-Abkommen die Ableistung der Reparationen wieder aufgenommen.

Dawes-Plan

Erst auf Druck Großbritanniens, das auch durch die französische Unterstützung der Separatisten seine Position geändert hatte, und der USA lenkte Frankreich im Herbst 1923 nach der Währungsreform und Beendung der Inflation ein und es entstand 1924 der Dawes-Plan. In ihm wurde unter anderem die Höhe der Forderungen (anfangs 1 Mrd. pro Jahr, später 2,5 Mrd. pro Jahr) gesenkt, die wirtschaftlichen Faktoren traten gegenüber den politischen mehr in den Vordergrund. Ein Ende der Zahlungen wurde noch nicht festgesetzt. Zur Regelung der Reparationen wurde ein „Reparationsagent“ mit Sitz in Berlin eingesetzt. Es flossen Kredite aus den USA nach Deutschland. Bereits im Brief von Stresemann an Kronprinz Wilhelm vom 7. September 1925 schreibt er, dass Deutschland ab 1927 nicht mehr in der Lage sein wird, die Reparationsforderungen zu erfüllen.

Young-Plan

Der Namensgeber des Young-Plans Owen D. Young (rechts) 1924 in Berlin

1926 diskutierten der französische Außenminister Aristide Briand und sein deutscher Kollege Gustav Stresemann in Thoiry unter anderem über die Räumung des Rheinlandes und eine vorzeitige Zahlung von Reparationen, die Frankreich die Möglichkeit gab seine Finanzkrise zu bekämpfen. Vor allem Briand konnte seine Vorstellungen zu Hause nicht durchsetzen.

1929 wurde im Young-Plan die Dauer der Reparationszahlungen auf 59 Jahre (also bis 1988) festgesetzt. Insgesamt sollte Deutschland nach diesem Plan 112 Mrd. Goldmark bis 1988 zahlen. Die Rechte versuchte den Young-Plan mit einem Volksentscheid zu verhindern. Der Volksentscheid half Adolf Hitler in die Politik zurückzukehren und in der Bevölkerung an Popularität zu gewinnen, ohne dass der Volksentscheid selbst letztendlich von Erfolg gekrönt war. Bei der Feier zur Räumung des Rheinlandes (die vorzeitige Räumung war Teil des Young-Plans) wurde Gustav Stresemann nicht erwähnt.

Ende der Reparationszahlungen

Heinrich Brüning, Reichskanzler 1930 - 1932

Nach Verabschiedung des Young-Plans versuchte das erste Präsidialkabinett unter Heinrich Brüning, den deutschen Export anzukurbeln, um genug Devisen zur Zahlung der Reparationen zu bekommen. Kredite, die man in den Jahren 1924 bis 1929 zu diesem Zweck hereingenommen hatte, gab es nach dem New Yorker Börsenkrach nicht mehr. Brüning hoffte, dass diese Ausweitung des deutschen Exports den Gläubigerländern so unangenehm werden würde, dass sie innerhalb einiger Jahre von sich aus eine Revision des Young-Plans vorschlagen würden. Die deutsche Exportoffensive schlug aber fehl, weil in der beginnenden Weltwirtschaftskrise alle Länder ähnliche Maßnahmen ergriffen und die Zölle erhöhten.

Herbert Hoover, amerikanischer Präsident 1928 - 1932

Das Ende der Reparationen kam von einer ganz anderen Seite, mit der Brüning gar nicht gerechnet hatte. Der Versuch einer Zollunion mit Österreich und Brünings nationalistische Propaganda, mit der er versuchte, den Nazis innenpolitisch das Wasser abzugraben, verunsicherten die ausländischen Gläubiger, bei denen sich die deutsche Wirtschaft und der deutsche Staat in den zwanziger Jahren verschuldet hatten. Im Frühjahr 1931 wurden immer mehr noch verbliebene kurzfristige Kredite abgezogen, sodass Deutschland am Rande der Zahlungsunfähigkeit stand. In dieser Situation machte der amerikanische Präsident Herbert C. Hoover den Vorschlag, alle zwischenstaatlichen Schulden für ein Jahr ruhen zu lassen, um das Vertrauen der Kreditmärkte in die deutsche Wirtschaft zu beruhigen. Dies misslang, weil die Franzosen das Inkrafttreten dieses Hoover-Moratoriums durch wochenlange Verhandlungen verzögerten. Am 13. Juli 1931 mussten alle deutschen Banken für mehrere Tage schließen, Devisentransfer ins Ausland wurde verboten, Deutschland war zahlungsunfähig.

In dieser Situation erkannten die ausländischen Privatgläubiger, allen voran die Amerikaner und die Briten, dass die einzige Chance, ihre nach Deutschland geliehenen Milliarden je wiederzusehen, die Streichung der Reparationen war. Denn selbst wenn die deutsche Wirtschaft sich wieder erholte, würden nach Ablauf des Hoover-Moratoriums nicht genug Devisen vorhanden sein, um Reparationen und private Schulden zahlen zu können.

In zwei Gutachten vom Herbst 1931, dem Layton-Bericht und dem Beneduce-Bericht, wurde die Zahlungsunfähigkeit Deutschlands nach dem Ende des Hoover-Moratoriums von internationalen Finanzexperten bescheinigt. Diese Berichte waren die Grundlage für die Konferenz von Lausanne im Sommer 1932, die die deutschen Reparationsverpflichtungen gegen eine Restzahlung von drei Milliarden Goldmark (in Devisen) aufhob. Das Deutsche Reich übergab der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel Schuldverschreibungen in dieser Höhe, die innerhalb von 15 Jahren als Anleihe auf den Markt gebracht werden oder, falls das nicht gelinge, vernichtet werden sollten.

Kanzler Brüning, der auf die vollständige Streichung der Reparationen gesetzt hatte, um damit seine innenpolitische Stellung zu verbessern, war zu diesem Zeitpunkt schon durch Franz von Papen abgelöst worden. Der Vertrag von Lausanne wurde von den beteiligten Staaten nie ratifiziert, weswegen die deutschen Schuldverschreibungen 1948 in Basel feierlich verbrannt wurden.[3]

In der älteren Literatur findet man oft die These, dass das Ende der Reparationen auf Brünings Deflationspolitik zurückzuführen, ja deren eigentlicher Zweck gewesen sei. Dieser Meinung wird in der neueren Forschung widersprochen: Demnach glaubten Brüning und seine Mitarbeiter, dass die Deflationspolitik ein geeignetes Mittel wäre, Deutschland aus der Weltwirtschaftskrise herauszuhelfen. Zwar spielte Brünings Deflationspolitik beim Ende der Reparationen insofern eine Rolle, als sie in den erwähnten Expertenberichten ausdrücklich gelobt wurde (die privaten Gläubiger hofften nämlich, dass Deutschland dadurch wieder genug Devisen verdienen würde, um die Privatschulden zurückzahlen zu können); tiefere Ursache für das Ende der Reparationen war aber der Zusammenbruch der deutschen Banken, der durch Brünings ungeschickte Außenpolitik und die französische Weigerung ausgelöst wurde, dem zahlungsunfähigen Deutschland rasche und vertrauensstabilisierende Finanzhilfe zu gewähren.[4]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Londoner Schuldenabkommen die Rückzahlung der privaten deutschen Auslandsverschuldung geregelt. Dazu gehörte auch ein Teil der Reparationen, die 1930 auf Anleihenbasis vorfinanziert und damit in Privatschulden umgewandelt worden waren. Ihre Höhe wurde halbiert. Bis etwa 1983 zahlte die Bundesrepublik 14 Mrd. DM Schulden zurück. Allerdings wurden Zinsen in Höhe von 251 Millionen Mark aus den Jahren 1945 bis 1952 bis zur Wiedervereinigung Deutschlands ausgesetzt und schließlich im Jahre 1990 fällig. Die Bundesregierung gab darauf Fundierungsanleihen aus, die bis 2010[5] aus dem Bundeshaushalt getilgt werden. Tilgung und Zinsen betragen pro Jahr etwa fünf Millionen Euro.

Tabellen

Entwicklung der alliierten Reparationsforderungen
Jahr Konferenz Gesamthöhe in Goldmark Anzahl der Jahresraten
1919 Versailles nicht festgelegt 30
1920 Boulogne 269 Mrd. 42
1921 (Jan) Paris 226 Mrd. 42
1921 (Apr) London 132 Mrd. 66
1924 Paris (Dawes-Plan) 5,4 Mrd. bis 1928 nach 1928 sollte zeitlich begrenzt 2,5 Mrd. jährlich zuzüglich eines Wohlstandsindex gezahlt werden
1929 Den Haag (Young-Plan) 112 Mrd. 59 (2 Raten bezahlt)
1932 Lausanne (Schuldenmoratorium) 3 Mrd. 1 (nicht bezahlt)

Einzelnachweise

  1. Stephen Schuker, American "Reparations" to Germany, 1919-33: Implications for the Third-World Debt Crisis. Princeton Studies in International Finance, 1988
  2. Albrecht Ritschl, Deutschlands Krise und Konjunktur, 1924-1934: Binnenkonjuktur, Auslandsverschuldung und Reparationsproblem zwischen Dawes-Plan und Transfersperre. Berlin: Akademie Verlag, 2002
  3. Harold James, Deutschland in der Weltwirtschaftskrise 1924–1936, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1988, S. 382.
  4. Philipp Heyde, Das Ende der Reparationen, Paderborn: Schöningh 1998, 463–469.
  5. Bundeswertpapierverwaltung: 27. Februar 2003 – 50 Jahre Londoner Schuldenabkommen. In: Monatsbericht 02.2003 Bundesministerium der Finanzen. Bundesministerium der Finanzen, Februar 2003, S. 91, 94, 95. Abgerufen am 25. Juli 2008. (PDF)

Literatur

  • Robert E. Bunselmeyer: The cost of the war 1914–1919. British economic war aims and the origins of reparations. Archon Books, Hamden (Connecticut) 1975, ISBN 0-208-01551-5
  • Philipp Heyde: Das Ende der Reparationen. Deutschland, Frankreich und der Youngplan 1929–1932. Schöningh, Paderborn 1998, ISBN 3-506-77507-3
  • Bruce Kent: The Spoils of War. The Politics, Economics, and Diplomacy of Reparations 1918–1932. Clarendon, Oxford 1989, ISBN 0-19-822738-8
  • Peter Krüger: Deutschland und die Reparationen 1918/19. Die Genesis des Reparationsproblems in Deutschland zwischen Waffenstillstand und Versailler Friedensschluß. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1973, ISBN 3-421-01620-8
  • Albrecht Ritschl: Deutschlands Krise und Konjunktur 1924 - 1934. Binnenkonjunktur, Auslandsverschuldung und Reparationsproblem zwischen Dawes-Plan und Transfersperre, Akademie-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-050-03650-8
  • John Maynard Keynes “Krieg und Frieden – Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrages von Versailles” herausgegeben und mit einer Einleitung von Dorothea Hauser, Berenberg-Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-937834-12-5

Weblinks


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