Lorentzkontraktion

Lorentzkontraktion

Die Lorentzkontraktion oder relativistische Längenkontraktion ist ein Phänomen der speziellen Relativitätstheorie. Je schneller sich Objekte relativ zu einem Beobachter bewegen, umso kürzer sind sie in der Bewegungsrichtung für ihn.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Längenkontraktion wurde in qualitativer Form von George Francis FitzGerald (1889) und in quantitativer Form von Hendrik Antoon Lorentz (1892) postuliert, um den negativen Ausgang des Michelson-Morley-Experiments zu erklären und dabei die Idee eines ruhenden Äthers zu retten (Fitzgerald-Lorentzsche Kontraktionshypothese). Als Analogie diente die bereits 1888 durch Oliver Heaviside festgestellte Tatsache, dass bewegte elektrostatische Felder deformiert werden ("Heaviside-Ellipsoid"). Da zum damaligen Zeitpunkt jedoch kein Grund vorhanden war anzunehmen, dass sich die intermolekularen Kräfte genauso verhalten wie elektromagnetische Kräfte (oder elektromagnetischer Natur seien), wurde die Lorentzkontraktion als Ad-hoc-Hypothese eingestuft. Deshalb entwickelte Joseph Larmor (1897) eine Theorie, in der die Materie selbst elektromagnetischen Ursprung ist, sodass die Kontraktionshypothese nicht mehr als reine Ad-hoc-Hypothese anzusehen, sondern eine Folge der elektromagnetischen Konstitution der Materie wäre. Doch eine rein elektromagnetische Erklärung der Materie stellte sich bald als undurchführbar heraus, denn wie Henri Poincaré (1905) zeigte, mussten nicht-elektrische Kräfte eingeführt werden, um die Stabilität der Elektronen zu gewährleisten, und um die Kontraktion dynamisch zu erklären. So blieb das Problem bestehen, dass die Lorentzkontraktion eine von mehreren ad hoc eingeführten Hilfshypothesen war, welche ausschließlich dazu dienten, die Entdeckung des Äthers zu verhindern. Diese Problematik wurde gelöst, als Albert Einstein (1905) durch Reformulierung der Begriffe von Raum und Zeit und ohne einen Äther annehmen zu müssen, im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie eine einfache Herleitung gelang. Diese Erklärung, die auf dem Relativitätsprinzip und dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit beruhte, nahm dem Effekt endgültig seinen Ad-hoc-Charakter und bildet die Grundlage der modernen Auffassung der Lorentzkontraktion. Dies wurde u.a. von Hermann Minkowski weitergeführt, der eine anschauliche geometrische Darstellung der relativistischen Effekte in der Raumzeit entwickelte.

Erläuterung

Für das Verständnis der Lorentzkontraktion ist die sorgfältige Berücksichtigung der Methoden zur Längenmessung von ruhenden und bewegten Objekten von grundlegender Bedeutung, wobei mit „Objekt“ einfach eine Strecke gemeint ist, deren Endpunkte immer zueinander ruhen bzw. sich immer mit derselben Geschwindigkeit bewegen. Ist die Relativgeschwindigkeit zwischen Beobachter (bzw. dessen Messinstrumenten) und beobachtetem Objekt gleich Null (Beobachter und Objekt ruhen also im selben Inertialsystem), dann kann die „Ruhe- bzw. Eigenlänge“ L0 des Objekts einfach durch direktes Anlegen eines Maßstabs ermittelt werden. Liegt jedoch eine Relativgeschwindigkeit > 0 vor, kann folgendermaßen vorgegangen werden: Der Beobachter stellt eine Reihe von Uhren auf, welche alle synchronisiert werden, und zwar entweder a) durch den Austausch von Lichtsignalen gemäß der Poincaré-Einstein-Synchronisation, oder b) durch "langsamen Uhrentransport" (d.h. eine Uhr wird möglichst langsam zu jeder einzelnen Uhr der Reihe transportiert, und überträgt auf diese ihre Zeitanzeige). Nach erfolgter Synchronisation soll sich das zu vermessende Objekt an dieser Uhrenreihe entlang bewegen, wobei jede Uhr den Zeitpunkt verzeichnet, an dem das rechte und das linke Ende des Objekts die jeweilige Uhr passiert. Man notiert sich nun anhand der in den Uhren gespeicherten Werte einfach den Zeitpunkt und den Ort einer Uhr A, wo sich das linke Ende befunden hat, und den Ort einer Uhr B, wo sich gleichzeitig das rechte Ende befunden hat. Es ist klar, dass der Uhrenabstand A-B identisch ist mit der Länge L des bewegten Objekts.

Symmetrie der Lorentzkontraktion: Es seien jeweils drei baugleiche Stäbe gegeben, welche sich aneinander vorbei bewegen, wobei die blauen im Inertialsystem S, und die roten in S' ruhen. Wenn die linken Enden von A und D dieselbe Position auf der x-Achse einnehmen, ergibt sich nun in S, dass das gleichzeitige Position des linken Endes von A und des rechten Endes von C deutlich weiter auseinander liegt, als die gleichzeitige Position des linken Endes von D und des rechten Endes von F, somit sind in S die blauen Stäbe länger als die roten. Hingegen in S' ist die gleichzeitige Position des linken Endes von D und des rechten Endes von F deutlich weiter auseinander, als die gleichzeitige Position des linken Endes von A und des rechten Endes von C, somit sind hier die roten Stäbe länger als die blauen.

Die Definition der Gleichzeitigkeit von Ereignissen ist also von entscheidender Bedeutung für die Längenmessung bewegter Objekte. In der klassischen Physik ist die Gleichzeitigkeit absolut, und folglich werden L und L0 immer übereinstimmen. Jedoch in der Relativitätstheorie macht die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen und die damit zusammenhängende Relativität der Gleichzeitigkeit diese Übereinstimmung zunichte. D. h. wenn Beobachter in einem Inertialsystem behaupten, die beiden Endpunkte des Objekts gleichzeitig gemessen zu haben, werden Beobachter in allen anderen Inertialsystemen behaupten, dass diese Messungen nicht gleichzeitig erfolgten, und zwar um einen aus der Lorentz-Transformation zu berechnenden Wert – siehe dazu den Abschnitt Herleitung. Als Folge davon ergibt sich: Während die Ruhelänge unverändert bleibt und immer die größte gemessene Länge des Körpers ist, wird bei einer relativen Bewegung zwischen Objekt und Messinstrument eine – bezüglich der Ruhelänge – kontrahierte Länge gemessen. Diese nur in Bewegungsrichtung auftretende Kontraktion wird durch folgende Beziehung dargestellt (wobei v die Relativgeschwindigkeit, und c die Lichtgeschwindigkeit ist):

L = L_0 \cdot \sqrt{1-\frac{v^2}{c^2}}.

Man betrachte zum Beispiel einen Zug und einen Bahnhof, die sich relativ zueinander mit einer konstanten Geschwindigkeit v = 0,8c bewegen. Der Bahnhof ruht im Inertialsystem S, der Zug ruht in S'. Im Zugsystem S' soll sich nun ein Ball befinden, der dort eine Ruhelänge von L_0^{'}=30\ \mathrm{cm} besitzt. Aus Sicht des Bahnhofsystems S hingegen ist der Ball bewegt, und es wird gemäß folgender Formel die kontrahierte Länge L gemessen:

L = L_0^{'} \cdot \sqrt{1-\frac{v^2}{c^2}} = 18\ \mathrm{cm}.

Der Ball wird nun aus dem Zug geworfen und kommt auf dem Bahnhof zum Stillstand, sodass die Beobachter unter Berücksichtigung obiger Messvorschriften von neuem die Länge des Balles bestimmen müssen. Jetzt ist es das Bahnhofsystem S, in dem die Ruhelänge des Balles von L_0 = 30\ \mathrm{cm} gemessen wird (d. h. der Ball ist in S größer geworden), wohingegen der Ball aus Sicht des Zugsystems S' bewegt ist und gemäß folgender Formel kontrahiert gemessen wird:

L' = L_0 \cdot \sqrt{1-\frac{v^2}{c^2}} = 18\ \mathrm{cm}.

Wie vom Relativitätsprinzip gefordert, wonach in allen Inertialsystemen dieselben Naturgesetze gelten müssen, fällt die Längenkontraktion also symmetrisch aus: Ruht der Ball im Zug, hat er im Zugsystem S' seine Ruhelänge und wird im Bahnhofsystem S kontrahiert gemessen. Wird er hingegen auf den Bahnhof transportiert, dann wird im Bahnhofsystem S seine Ruhelänge und im Zugsystem S' seine kontrahierte Länge gemessen.

Herleitung

Die Lorentzkontraktion lässt sich auf einfache Weise aus der Lorentz-Transformation ableiten, wie dies z. B. von Born[1] und Einstein[2] demonstriert wurde.

Im Inertialsystem S' bezeichnen x_{1}^{'} und x_{2}^{'} die Endpunkte für ein dort ruhendes Objekt der Länge L_{0}^{'}. Die Koordinaten in S' sind mit jenen in S durch die Lorentz-Transformation auf folgende Weise verknüpft:

x_{1}^{'}=\frac{x_{1}-vt_{1}}{\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}}    und    x_{2}^{'}=\frac{x_{2}-vt_{2}}{\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}}.

Da das Objekt aus Sicht von S bewegt ist, muss gemäß obiger Messvorschrift dessen Länge L durch gleichzeitige Bestimmung der Endpunkte ermittelt werden, d. h. man muss t_{1}=t_{2}\ setzen. Und da L=x_{2}-x_{1}\ bzw. L_{0}^{'}=x_{2}^{'}-x_{1}^{'} ist, erhält man:

(1) L_{0}^{'}=\frac{L}{\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}}.

Also ergibt sich die in S gemessene kontrahierte Länge mit:

(2) L=L_{0}^{'}\cdot\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}.

Gemäß Relativitätsprinzip müssen umgekehrt auch in S ruhende Objekte aus Sicht von S' einer Kontraktion unterworfen sein. Die Lorentz-Transformation lautet in diesem Fall nun:

x_{1}=\frac{x_{1}^{'}+vt_{1}^{'}}{\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}}     und    x_{2}=\frac{x_{2}^{'}+vt_{2}^{'}}{\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}}.

Mit der Gleichzeitigkeitsbedingung t_{1}^{'}=t_{2}^{'}\ und durch Setzen von L_{0}=x_{2}-x_{1}\ bzw. L^{'}=x_{2}^{'}-x_{1}^{'} erhält man tatsächlich:

(3) L_{0}=\frac{L^{'}}{\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}}.

Also ergibt sich die in S' gemessene kontrahierte Länge mit:

(4) L^{'}=L_{0}\cdot\sqrt{1-\frac{v^{2}}{c^{2}}}.

Aus (1), (3) erhält man also die Ruhelänge, wenn die kontrahierte Länge bekannt ist; aus (2), (4) erhält man die kontrahierte Länge, wenn die Ruhelänge bekannt ist.

Minkowski-Diagramm

Hauptartikel: Minkowski-Diagramm
Minkowski-Diagramm und Längenkontraktion. In S sind alle Ereignisse parallel zur x-Achse gleichzeitig, und in S' sind alle Ereignisse parallel zur x'-Achse gleichzeitig.

Nun entspricht die Lorentz-Transformation geometrisch einer Drehung in einer vierdimensionalen Raumzeit, und die aus ihr folgenden Effekte, wie die Lorentz-Kontraktion, können demzufolge mit Hilfe eines Minkowski-Diagramms anschaulich dargestellt werden.

Ist ein ruhender Stab in S' gegeben, so befinden sich seine Endpunkte auf der ct'-Achse und der Achse parallel dazu. In S' ergeben sich die (zur x'-Achse parallelen) gleichzeitigen Positionen der Endpunkte mit O und B, also eine Ruhelänge von OB. Hingegen in S sind die (zur x-Achse parallelen) gleichzeitigen Positionen der Endpunkte mit O und A gegeben, also eine kontrahierte Länge von OA.

Ist hingegen ein ruhender Stab in S gegeben, so befinden sich seine Endpunkte auf der ct-Achse und der Achse parallel dazu. In S ergeben sich die (zur x-Achse parallelen) gleichzeitigen Positionen der Endpunkte mit O und D, also eine Ruhelänge von OD. Hingegen in S' sind die (zur x'-Achse parallelen) gleichzeitigen Positionen der Endpunkte mit O und C gegeben, also eine kontrahierte Länge von OC.

Experimentelle Bestätigungen

Nun ist eine direkte experimentelle Bestätigung der Lorentzkontraktion naturgemäß schwierig, da der Effekt nur bei annähernd lichtschnellen Teilchen nachweisbar wäre, deren räumliche Dimension von vornherein verschwindend gering ist. Darüber hinaus kann sie nur von einem Beobachter, der sich nicht im selben Inertialsystem wie das beobachtete Objekt befindet, nachgewiesen werden. Denn ein mitbewegter Beobachter ist derselben Kontraktion unterworfen wie das zu beobachtende Objekt, und somit können sich beide aufgrund des Relativitätsprinzips als im selben Inertialsystem ruhend betrachten (siehe z. B. das Trouton-Rankine-Experiment). Nun war es der negative Ausgang eines Experiments, das die Einführung der Lorentzkontraktion notwendig machte, nämlich das Michelson-Morley-Experiment. Im Rahmen der SRT sieht dessen Erklärung folgendermaßen aus: Für einen mitbewegten Beobachter ist das Interferometer in Ruhe und das Ergebnis ist aufgrund des Relativitätsprinzips negativ. Doch aus Sicht eines nicht mitbewegten Beobachters (das entspricht in der klassischen Physik der Sicht eines im Äther ruhenden Beobachters) muss das Interferometer in Bewegungsrichtung kontrahiert sein, um das negative Ergebnis mit den Maxwellschen Gleichungen bzw. dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in Übereinstimmung zu bringen.

Trotz der Schwierigkeit eines experimentellen Nachweises gibt es (neben dem Michelson-Morley-Experiment) durchaus eine Reihe von indirekten Bestätigungen. So folgt aus der Lorentzkontraktion, dass im Ruhezustand sphärische Schwerionen bei relativistischen Geschwindigkeiten in Bewegungsrichtung die Form flacher Scheiben bzw. Pfannkuchen ("pancakes") annehmen müssen. Und tatsächlich ergibt sich, dass die bei Teilchenkollisionen erhaltenen Ergebnisse nur unter Berücksichtigung der durch die Lorentzkontraktion verursachten hohen Nukleonendichte bzw. der hohen Frequenzen in den elektromagnetischen Feldern erklärt werden können. Dieser Umstand führt dazu, dass die Effekte der Lorentzkontraktion bereits im Design der Experimente berücksichtigt werden müssen.[3][4][5][6] Eine weitere Bestätigung ist die Zunahme des Ionisierungsvermögens elektrisch geladener Teilchen bei steigender Geschwindigkeit. Gemäß der klassischen Physik müsste dieses Vermögen abnehmen, jedoch die Lorentzkontraktion des Coulomb-Feldes führt bei steigender Geschwindigkeit zu einer Verstärkung der elektrischen Feldstärke senkrecht zur Bewegungsrichtung, was zu der tatsächlich beobachteten Zunahme des Ionisierungsvermögens führt.[7] Ebenso ist die Längenkontraktion zusammen mit dem rel. Dopplereffekt in Übereinstimmung mit der extrem geringen Wellenlänge der Undulatorstrahlung eines Freie-Elektronen-Lasers. Hier werden relativistische Elektronen in einen Undulator injiziert und dadurch Synchrotronstrahlung erzeugt. Im Ruhesystem der Teilchens bewegt sich der Undulator annähernd mit Lichtgeschwindigkeit und ist kontrahiert, was zu einer erhöhten Frequenz führt. Auf diese Frequenz muss nun, zur Ermittlung der Frequenz im Laborsystem, der relativistische Dopplereffekt angewendet werden. [8][9] Ein weiteres Beispiel sind die Myonen in der Erdatmosphäre, welche in einer Entfernung von ca. 10 km von der Erdoberfläche entstehen. Würde die Halbwertszeit von ruhenden und bewegten Myonen übereinstimmen, könnten sie selbst bei fast Lichtgeschwindigkeit nur ca. 600 m zurücklegen – trotzdem erreichen sie die Erdoberfläche. Im Ruhesystem der Atmosphäre erklärt sich dieses Phänomen mit der Zeitdilatation, wodurch sich die Lebensdauer und somit die Reichweite der Myonen entsprechend verlängert. Hingegen im Ruhesystems der Myonen ist zwar die Reichweite unverändert bei 600 m, jedoch die Atmosphäre ist hier bewegt und folglich kontrahiert, sodass selbst die geringe Reichweite ausreicht, um die Oberfläche zur erreichen.[7]

Optische Wahrnehmung

Wie oben erklärt, ist es für die Messung der Längenkontraktion bewegter Objekte erforderlich, dass sich Uhren oder Messinstrumente jeweils vor Ort des zu messenden Objekts bzw. an dessen Endpunkten befinden. Eine völlig andere Situation entsteht, wenn man sich die Frage stellt, wie ein solches Objekt aus einer größeren Entfernung betrachtet aussieht – z. B. auf einer Photographie oder dem Film einer Kamera. Hier ergibt sich, dass auf einem Photo die Lorentzkontraktion als solche nicht erkennbar ist, da zum relativistischen Kontraktionseffekt noch rein optische Effekte hinzutreten, die zu einer Verzerrung des Bildinhaltes führen. Statt eines gestauchten Objektes sieht der Beobachter das ursprüngliche Objekt gedreht, wobei der scheinbare Drehwinkel von der Geschwindigkeit des Körpers abhängig ist.[10] [11]

Lorentzkontraktion: optische Wahrnehmung als Drehung

Der Grund für diesen Effekt lässt sich leicht an der nebenstehenden Grafik erläutern: Der betrachtete Körper ist hier vereinfacht als Würfel in der Aufsicht dargestellt, der ruhende Beobachter ist durch ein Auge symbolisiert. Die blaue Seite des Würfels befindet sich der Einfachheit wegen genau senkrecht zur Sichtlinie des Beobachters. Befindet sich nun der Körper in Ruhe, so sieht der Beobachter nur die Seite, die zu ihm zeigt (im Bild blau dargestellt). Befindet sich der Körper allerdings in Bewegung (der Einfachheit wegen genau senkrecht zur Sichtlinie des Beobachters), so können auch die Lichtstrahlen, die von der roten Seite ausgehen, das Auge des Beobachters erreichen. Während die rote Seite bei einem ruhenden Körper unsichtbar ist, wird bei einem bewegten Körper mit zunehmender Geschwindigkeit immer mehr davon sichtbar. Das sichtbare Bild eines Körpers wird durch die Lichtstrahlen bestimmt, die das Auge gleichzeitig erreichen. Während der Lichtstrahl vom hintersten Punkt der roten Seite auf dem Weg zum Beobachter an den weiter vorne liegenden Punkten vorbeikommt, hat sich der Körper schon ein Stück weiterbewegt. Somit kommen alle Lichtstrahlen von weiter vorne liegenden Punkten, die zur gleichen Zeit beim Auge eintreffen, in Bewegungsrichtung des Körpers versetzt beim Beobachter an – der Beobachter sieht also auch die rote Seite, allerdings gestaucht. Zugleich erscheint auch die blaue Seite gestaucht, da sie ja eine Lorentzkontraktion erfährt. Insgesamt ergibt sich für den Beobachter der gleiche optische Eindruck, den auch ein gedrehter Körper hervorruft. Der scheinbare Drehwinkel φ ist hierbei nur von der relativen Geschwindigkeit v des Körpers senkrecht zur Sichtlinie des Beobachters abhängig:

\sin{\varphi} = \frac{v}{c}.

Scheinbare Paradoxien

Bei oberflächlicher Anwendung der Kontraktionsformel kann es zu scheinbaren Paradoxien der Lorentzkontraktion kommen. Beispiele sind diverse Paradoxien der Längenkontraktion, welche sich bei genauer Berücksichtigung der Messvorschriften und damit zusammenhängend der Relativität der Gleichzeitigkeit leicht auflösen lassen. Etwas komplizierter sind die Zusammenhänge, wenn Beschleunigungen wie beim Bellschen Raumschiffparadoxon im Spiel sind. Der dabei erfolgte Wechsel des Inertialsystems führt zu einer Veränderung der Beurteilung der Gleichzeitigkeit von Ereignissen, und ebenso müssen die entstehenden Spannungen in den verwendeten Materialien berücksichtigt werden. Ähnliches gilt bei der Rotation von Körpern, wo anhand des Ehrenfestschen Paradoxons demonstriert werden kann, dass in der SRT keine starren Körper existieren können. Für Einstein war dieser Zusammenhang auch ein wichtiger Schritt zur Entwicklung der Allgemeinen Relativitätstheorie, da für einen mitrotierenden Beobachter der Raum u. a. wegen der Lorentzkontraktion eine nichteuklidische Geometrie annimmt.

Realität der Längenkontraktion

Ein häufig auftretendes Verständnisproblem betrifft die Frage, ob die Längenkontraktion "real" oder "scheinbar" ist. Dies wird dadurch erschwert, dass bereits in der gewöhnlichen Sprache jedem dieser Ausdrücke mehrere verschiedene Bedeutungen beigemessen werden.

a) So wird das Wort "real" einerseits für Dinge benutzt, die man ohne nennenswerte Störeinflüsse messen kann. Und folglich wäre "scheinbar" die Bezeichnung für optische oder durch Messfehler entstandene Täuschungen oder Verzerrungen, wie eine Fata Morgana oder Verzerrungen auf einer Photographie. In diesem Zusammenhang ist die Längenkontraktion natürlich "real" und nicht "scheinbar", da sie gemäß SRT durch gleichzeitige Messung der Endpositionen durch vor Ort befindliche, fehlerfreie Messinstrumente prinzipiell nachweisbar ist (siehe Erläuterung, wobei man die auf diese Weise gemessene Länge klar unterscheiden muss von dem verzerrten Bild, das aus größerer Entfernung aufgenommen wird, siehe Optische Wahrnehmung).

b) Jedoch wird das Wort "real" auch im Sinne von "absolut" (für alle Beobachter verbindlich), und "scheinbar" im Sinne von "relativ" aufgefasst. Dies steht im Zusammenhang mit dem Relativitätsprinzip, wonach von zwei relativ zueinander bewegten Beobachtern jeder von sich behaupten kann, in einem Inertialsystem zu ruhen, und dass folglich der jeweils andere bewegt ist. Da nun in der SRT die Länge eines Objekts abhängig von der Geschwindigkeit ist, wären nach dieser Terminologie sowohl die Bewegung als auch die Längenkontraktion nicht "real", sondern "scheinbar".[12]

Doch steht diese "Scheinbarkeit" der Längenkontraktion (gemäß b) keineswegs im Widerspruch zu der Tatsache, dass die Kontraktion durch vor Ort befindliche Instrumente in einem Inertialsystem "real" (gemäß a) gemessen werden kann. Dazu ein Beispiel, das auch in der newtonschen Mechanik gültig ist: Wenn ein in einem Zug reisender Beobachter einen Stein auf einen vorbeifahrenden Zug wirft, und dabei ein bestimmtes Fenster treffen möchte, muss er die "scheinbare" Bewegung des vorbeifahrenden Zuges berücksichtigen, da er ansonsten nicht das richtige Fenster trifft. Nun kann zwar die Bewegung jedes einzelnen Objekts gemäß dem Relativätsprinzip durch die Wahl eines geeigneten Inertialsystems zum Verschwinden gebracht werden, trotzdem führt nur die Berücksichtigung dieser "scheinbaren" Bewegung des jeweils anderen zu einer sinnvollen physikalischen Aktion (in diesem Fall der Wahl der richtigen Steinwurfbahn). Denn das Vorhandensein der Differenz zwischen den Geschwindigkeiten der Züge kann nicht wegtransformiert werden, d.h. es gibt kein Inertialsystem, in dem die Relativgeschwindigkeit zwischen den Zügen gleich 0 ist, und diese Differenz muss folglich (wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln) aus der Sicht aller Inertialsysteme berücksichtigt werden.

Dasselbe gilt für die SRT, wo zusätzlich die Länge von Objekten untrennbar verknüpft ist mit der Angabe der Geschwindigkeit: Neben der "scheinbaren" Bewegung tritt hier auch noch die "scheinbare" Längenkontraktion auf. Und genauso wie der Steinwerfer die Bewegung des anderen Zuges berücksichtigen muss, genauso muss er zusätzlich berücksichtigen, dass die Fenster des anderen Zuges aufgrund der Längenkontraktion etwas schmaler sind, ansonsten würde er nicht treffen. Analog zur Bewegung, kann auch die Kontraktion eines bestimmten Objekts durch geeignete Wahl des Inertialsystems zum Verschwinden gebracht werden, jedoch da (wie oben erklärt) das Vorhandensein einer Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den beiden Zügen nicht wegtransformiert werden kann, muss folglich auch in allen Inertialsystemen eine Differenz zwischen den Ruhlängen und den bewegt-kontrahierten Längen bestehen bleiben. D.h. es lässt sich kein Inertialsystem finden, in dem beide Züge ruhen und keiner Längenkontraktion unterworfen wären, und dies muss folglich (wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln) in allen Inertialsystemen berücksichtigt werden.

Einzelnachweise

  1. Born, Max: Bewegte Maßstäbe und Uhren. In: Die Relativitätstheorie Einsteins, S. 212-214, Berlin-Heidelberg-New York: Springer 2003, ISBN 3-540-00470-x
  2. Einstein, Albert: Das Verhalten von Maßstäben und Uhren. In: Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie, S. 23-24, Berlin-Heidelberg-New York: Springer 2001, ISBN 3-540-42542-0
  3. The Physics of RHIC
  4. Relativistic heavy ion collisions
  5. Simon Hands, The Phase Diagram of QCD, Contemp. Phys. 42:209-225, 2001, arXiv:physics/0105022
  6. GSI: Heavy-ion induced electromagnetic interactions
  7. a b Sexl, Roman & Schmidt, Herbert K.: Raum-Zeit-Relativität. Braunschweig: Vieweg 1979, ISBN 3528172363
  8. http://hasylab.desy.de/science/studentsteaching/primers/synchrotron_radiation/index_eng.html
  9. FLASH The Free-Electron Laser in Hamburg (PDF 7,8 MB)
  10. Beiträge zur Visualisierung der Längenkontraktion von der Universität Tübingen
  11. Norbert Dragon und Nicolai Mokros: Relativistischer Flug durch Stonehenge
  12. Siehe z.B. Physics FAQ: "People sometimes argue over whether the Lorentz-Fitzgerald contraction is "real" or not... here's a short answer: the contraction can be measured, but the measurement is frame dependent. Whether that makes it "real" or not has more to do with your choice of words than the physics." Übersetzung: "Einige diskutieren manchmal darüber, ob die Lorentz-Fitzgerald-Kontraktion "real" ist oder nicht...hier ist die kurze Antwort: die Kontraktion kann gemessen werden, aber die Messung ist abhängig vom Bezugssystem. Ob dies dazu führt, dass sie "real" ist oder nicht hat mehr mit unserer Wortwahl zu tun als mit Physik."

Literatur

Weblinks


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Synonyme:

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