Lorenz-Kurve

Lorenz-Kurve
Anwendung der Lorenz-Kurve zur Veranschaulichung der Einkommensverteilung: Beispielsweise verfügen die ärmsten 50 % der Haushalte über zirka 25 % des gesamten Einkommens; die ärmsten 80 % verfügen hier dementsprechend über etwa 60 % des Einkommens. Natürlich lässt sich daraus auch ablesen, dass die restlichen 40 % des Einkommens auf die reichsten 20 % der Haushalte entfallen.

Die Lorenz-Kurve (auch: Lorenzkurve) wurde 1905 vom US-amerikanischen Statistiker und Ökonom Max Otto Lorenz (1876–1959) entwickelt. Sie stellt statistische Verteilungen grafisch dar und veranschaulicht dabei als Ungleichverteilungsmaß das Ausmaß an Disparität (Ungleichheit) respektive relativer Konzentration innerhalb der Verteilung; deshalb wird sie auch als Disparitätskurve betitelt. Amtliche Statistiken nutzen die Lorenz-Kurve, um die Einkommensverteilung in einem Land zu verdeutlichen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Aufbau und Erläuterung

Die Lorenz-Kurve ist eine Funktion im Einheitsquadrat des 1. Quadranten. Sie stellt dar, welche Anteile der gesamten Merkmalssumme auf welche Anteile der Grundmenge mit n Merkmalsträgern entfallen. So werden auf der x-Achse (Abszisse) die Anteile an der Gesamtheit der Merkmalsträger (zum Beispiel: Bevölkerung), auf der y-Achse (Ordinate) die Anteile an der gesamten Merkmalssumme (beispielsweise: Einkommen) abgetragen. Zunächst werden die Daten dafür aufsteigend sortiert – beginnend mit dem geringsten Anteil an der Merkmalssumme – und dann kumuliert („aufsummiert“). Dadurch entsteht der charakteristische „Bauch“ der Lorenz-Kurve unterhalb der Diagonalen, welcher das Maß der Ungleichverteilung wiedergibt. Jeder Punkt auf der Lorenz-Kurve steht für eine Aussage wie „die unteren 20 % aller Haushalte beziehen 10 % des Gesamteinkommens“ (siehe: Paretoprinzip!). Eine perfekte Einkommensgleichverteilung wäre eine Einkommensverteilung, bei der alle Personen das gleiche Einkommen besitzen. In diesem Falle würden stets die unteren N\, \% der Gesellschaft N\, \% des Einkommens haben. Dies lässt sich anschaulich durch eine Gerade y = x darstellen; man nennt sie perfekte Gleichverteilungsgerade (line of perfect equality). Dagegen wäre die perfekte Ungleichverteilung eine Verteilung, bei der eine Person über das gesamte Einkommen verfügt und alle anderen Personen kein Einkommen beziehen. In diesem Fall wäre die Kurve y = 0\, \% für alle x < 100\, \% und y = 100\, \% bei x = 100\, \%\, . Diese Kurve wird als perfekte Ungleichverteilungsgerade (line of perfect inequality) bezeichnet.

Der Gini-Koeffizient ist die Fläche zwischen der perfekten Gleichverteilungsgerade und der beobachteten Lorenz-Kurve als ein Anteil der Fläche zwischen der Gleichverteilungsgerade und der Ungleichverteilungsgerade. Der Gini-Koeffizient ist damit eine Zahl zwischen 0 und 1, je höher er ist, desto ungleicher ist die Verteilung.

Berechnung

Diskreter Fall

Die Lorenz-Kurve ist als abschnittsweise definierte lineare Kurve (d.h. als Polygonzug) durch die Punkte (0 \vert 0), \left(u_{1} \vert v_{1}\right), \left(u_{2} \vert v_{2}\right), \ldots, \left(u_{n} \vert v_{n}\right) = (1 \vert 1) definiert. Sind die xj Anteile an der Gesamtheit der Merkmalsträger und die yj Anteile an der gesamten Merkmalssumme (zu diesen Begrifflichkeiten s.o. "Aufbau und Erläuterung"), so sind die Koordinaten der Punkte für i = 1, \ldots, n definiert mit:

u_i = \sum\limits_{j = 1}^i x_j .

und

v_i = \sum\limits_{j = 1}^i y_j .

Stetiger/Kontinuierlicher Fall

Generell

Die Lorenz-Kurve kann häufig durch eine Funktion L(F) dargestellt werden, wobei F auf der Abszisse und L auf der Ordinate abgetragen wird.

Für eine Population der Größe n mit einer Folge von Werten yi, i = 1, 2, \ldots, n, die nach aufsteigender Reihenfolge indiziert werden \left(y_{i} \leq y_{i + 1}\right)\, , ist die Lorenz-Kurve die stetige/kontinuierliche, stückweise definierte, lineare Funktion, die die Punkte (Fi, Li), i = 0, 1, \ldots, n verbindet, wobei F0 = 0, L0 = 0 ist und für i = 1, 2, \ldots, n. Man erhält daher folgende Daten, wobei Si auch Lorenz-Asymmetrie-Koeffizient genannt wird:

F_{i} = \frac{i}{n}\, ,
S_{i} = \sum\limits_{j = 1}^{i} y_j\, ,
L_{i} = \frac{S_{i}}{S_{n}}\, .

Für eine diskrete Wahrscheinlichkeitsfunktion f(y) seien yi, i = 1, 2, \ldots, n, die Punkte mit Non-/Nicht-Null-Wahrscheinlichkeiten nach steigender Reihenfolge indiziert \left(y_{i} < y_{i + 1}\right). Die Lorenz-Kurve ist die stetige, abschnittsweise definierte, lineare Funktion, welche die Punkte (Fi, Li), i = 0, 1, \ldots, n, miteinander verbindet, wobei F0 = 0, L0 = 0 ist und für i = 1, 2, \ldots, n gilt:

F_{i} = \sum\limits_{j = 1}^{i} f (y_{j})\, ,
S_{i} = \sum\limits_{j = 1}^{i} f (y_{j})\, y_{j}\, ,
L_{i} = \frac{S_{i}}{S_{n}}\, .

Für die Laplace-Verteilung, das heißt f(y_i) = \frac{1}{n} für alle i=1\ldots,n, erhält man genau die oben genannten Formeln für Fi und Li.

Für eine Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion f(x) mit der kumulierten Wahrscheinlichkeitsverteilungsfunktion F(x) ist die Lorenz-Kurve L[F(x)] definiert durch:

L [F(x)] = \frac{\int\limits_{- \infty}^{x} t\, f (t)\, \mathrm{d}t}{\int\limits_{- \infty}^{\infty} t\, f (t)\, \mathrm{d}t}\, .

Für eine kumulierte Verteilungsfunktion F(x) mit der Umkehrfunktion x(F) ist die Lorenz-Kurve L(F) gegeben durch:

L (F) = \frac{\int\limits_{0}^{F} x (F_{1})\, \mathrm{d}F_{1}}{\int\limits_{0}^{1} x (F_{1}) \, \mathrm{d}F_{1}}\, .

Die Umkehrfunktion x(F) könnte nicht existieren, da die kumulierte Verteilungsfunktion Sprungstellen (Unstetigkeitsstellen) oder Intervalle konstanter Werte aufweist. Die vorherige Gleichung behält ihre Gültigkeit, wenn man allgemeiner x(F1) durch folgende Formel definiert: x (F_{1}) = \inf \left\{y\colon F (y) \geq F_{1}\right\}\, .[2]

Gastwirths Definition

Betrachtet werde eine nichtnegative Zufallsvariable X mit der dazugehörigen normierter Quantilsfunktion Q * . Nach Joseph Lewis Gastwirth wird die Abbildung

\begin{align}L\colon [0, 1] \rightarrow & [0, 1]\\ \alpha \mapsto & L (\alpha) = \int\limits_{0}^{\alpha} Q^{*} (\tilde{\alpha}) \mathrm{d}\tilde{\alpha}\end{align}

als (stetige) Lorenz-Kurve von X oder zur Verteilung von X bezeichnet.[3][2]

Eigenschaften

Die Lorenz-Kurve hat folgende Eigenschaften:[4]

  • Sie beginnt stets im Koordinatenursprung (0 \vert 0) und endet im Punkt (1 \vert 1).
  • Die Kurve ist konvex, das heißt die Ableitung ist monoton steigend. Daher liegt sie unterhalb der Diagonalen.
  • Die Lorenzkurve ist stetig auf dem offenen Intervall (0,1), im diskreten Fall sogar stückweise linear.

Die Lorenz-Kurve ist für einen Mittelwert der Wahrscheinlichkeitsverteilung von null oder unendlich nicht definiert.

Die Lorenz-Kurve für eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ist eine stetige Funktion. Aber Lorenz-Kurven unstetiger Funktionen können als Grenzwert (Limes) der Lorenz-Kurven der Wahrscheinlichkeitsverteilungen formuliert werden – wie beispielsweise die perfekte UnGleichheitsgerade (line of perfect inequality).

Die Daten einer Lorenz-Kurve können durch den Gini-Koeffizienten und den Lorenz-Asymmetrie-Koeffizienten zusammengefasst werden.[5]

Falls die zu messende Variable keine negativen Werte annehmen kann, gilt für die Lorenz-Kurve:

  • sie kann nicht über die perfekte Gleichheitsgerade hinaus ansteigen;
  • diese kann nicht unter die perfekte Ungleichheitsgerade absinken;
  • sie ist monoton steigend und konvex.

Die Lorenz-Kurve ist invariant unter positiver Skalierung. Falls X eine Zufallsvariable ist, so besitzt die Zufallsvariable cX für jede positive Zahl c die gleiche Lorenz-Kurve wie X, wobei man unter der Lorenzkurve einer Zufallsvariablen natürlich diejenige der zugehörigen Verteilung versteht.

Die Lorenz-Kurve ist nicht invariant unter Translationen, das heißt unter einer konstanten Verschiebung der Werte. Ist X eine Zufallsvariable mit einer Lorenz-Kurve LX(F) und dem Mittel μX ist, dann erhält man für die Lorenz-Kurve LX + c(F) der verschobenen Zufallsvariablen X + c, wobei c \ne - \mu_{X} eine feste Konstante sei, folgende Formel:

F - L_{X + c} (F) = \frac{\mu_{X}}{\mu_{X} + c} [F - L_{X} (F)]

Für eine kumulierte Verteilungsfunktion F(x) mit dem Mittelwert μ und der (verallgemeinerten) Umkehrfunktion x(F) gilt für jedes F mit 0 < F < 1:

  • Falls die Lorenz-Kurve differenzierbar ist, gilt:
\frac{\mathrm{d} L (F)}{\mathrm{d} F} = \frac{x (F)}{\mu}\, ;
  • Wenn die Lorenz-Kurve zweifach differenzierbar ist, dann existiert die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion f(x) in diesem Punkt und:
\frac{\mathrm{d}^2 L (F)}{\mathrm{d} F^2} = \frac{1}{\mu f [x (F)]}\, ;
  • Falls L(F) stetig-differenzierbar ist, so ist die Tangente von L(F) parallel zur perfekten Gleichheitsgerade im Punkt F(μ). Dies ist auch der Punkt, in welchem die Gleichheitsdiskrepanz FL(F), der vertikale Abstand zwischen der Lorenz-Kurve und der perfekten Gleichheitsgerade, am größten ist. Die Größe der Diskrepanz ist gleich der Hälfte der relativen mittleren Abweichung:
F (\mu) - L [F (\mu)] = \frac{\text{mittlere Abweichung}}{2 \mu}\, .

Die Lorenz-Kurve einer Zufallsvariablen X wird am Punkt (0,5\vert 0,5) gespiegelt, wenn man von X zu X übergeht, das heißt mit oben eingeführten Bezeichnungen:

L_{- X}(F) = 1 - L_{X} (1 - F)\, .

Extremfälle

Je gleichmäßiger die Merkmalssumme unter den Trägern verteilt ist, desto stärker nähert sich die Lorenz-Kurve der Diagonalen an. Im Extremfall der Gleichverteilung fällt sie mit ihr zusammen.

Im Falle größerer Disparität bewegt sich die Kurve nach unten in Richtung der Abszisse. Für den Extremfall der maximalen Ungleichverteilung (ein Merkmalsträger vereinigt die gesamte Merkmalssumme auf sich) verläuft die Lorenz-Kurve als Streckenzug auf der Abszisse bis 1 - \tfrac{1}{n} und führt von dort zum Punkt (1 \vert 1).

Stetig und diskret klassierte Daten

Welche Form die Lorenz-Kurve genau annimmt, hängt davon ab, welcher Art die Daten des Merkmals sind. Grundsätzlich sind stetige Daten (siehe Beispielbild oben) von diskreten Daten zu unterscheiden. Im zweiten Fall ist die Lorenzkurve ein Streckenzug durch die Punkte \left(F_{j} \vert L_{j}\right).

Messung der relativen Konzentration (Disparität)

Die Lorenz-Kurve bietet eine grafische Möglichkeit, das Ausmaß an Disparität innerhalb einer Verteilung zu betrachten. Je stärker sich die Kurve nach unten wölbt, desto größer die Disparität (siehe Abschnitt Extremfälle). Für den Fall, dass sich zwei Lorenz-Kurven schneiden, lässt sich anhand der Grafik jedoch nicht mehr eindeutig bestimmen, welche die größere Disparität aufweist. Auch ist die Messung mittels Grafik zu ungenau. Präzise Werte liefern dafür die Maßzahlen Gini-Koeffizient und Variationskoeffizient. Der Gini-Koeffizient steht dabei in einem direkten Zusammenhang mit der Lorenz-Kurve: Er ist das Zweifache der Fläche zwischen Lorenz-Kurve und Diagonale im Einheitsquadrat.

Beispieltabelle für diskret klassierte Daten

Eine Datenerhebung habe für 5 Klassen, die mit einem Index j=1,\ldots, n benannt seien, die relativen Häufigkeiten (Anteil der Merkmalsträger der Klasse j an der Gesamtheit der Merkmalsträger) fj und die Anteile hj der Merkmalssumme, die auf die Klasse j entfallen, der unten stehenden Tabelle ergeben. Daraus ermitteln wir

  • Fj: kumulierte (relative Häufigkeit),
  • Lj: kumulierte (Disparität) hj.
Index j Relative Häufigkeit fj Kumulierte relative Häufigkeit Fj Disparität hj Kumulierte Disparität Lj
1 0,2 0,2 0,00 0,00
2 0,4 0,6 0,05 0,05
3 0,1 0,7 0,15 0,20
4 0,1 0,8 0,30 0,50
5 0,2 1,0 0,50 1,00

Erläuterung:

Die Lorenz-Kurve entsteht, indem man Fj auf der Abszisse, Lj auf der Ordinate aufträgt und die Punkte durch einen Streckenzug verbindet.

Der Artikel zur Paretoverteilung enthält ein weiteres Beispiel für eine Lorenz-Kurve.

Satz von Rothschild und Stiglitz

Gegeben seien zwei Verteilungen \left(x_{1}, \ldots, x_{n}\right) und \left(x^{*}_{1}, \ldots, x^{*}_{n}\right) mit \sum x_{v} = \sum x^{*}_{v}\, . Die Lorenz-Kurve von \left(x_{1}, \ldots, x_{n}\right) liegt oberhalb der Lorenz-Kurve von \left(x^{*}_{1}, \ldots, x^{*}_{n}\right)\, . Dann und nur dann gilt für jede symmetrische und quasikonvexe Funktion F:

F \left(x_{1}, \ldots, x_{n}\right) \leq F \left(x^{*}_{1}, \ldots, x^{*}_{n}\right)\, .

Folgerung: Wenn sich zwei Lorenz-Kurven schneiden, hängt es von der Wahl der jeweiligen symmetrischen und quasikonvexen Funktion F ab, welche der beiden Kurven als die mit der größeren Ungleichheit zu bezeichnen ist.

Länge

Als Disparitätsmaß (Maß der relativen Konzentration) lässt sich auch die Lorenz-Kurven-Länge LL anführen. Der Wertebereich ist \mathbb{W}_{L_{L}} = \left\{ L \in \mathbb{R} \bigg\vert \sqrt{2} \leq L \leq 2\right\}\, ; für den Definitionsbereich gilt \mathbb{D}_{L_{L}} = \left\{x \in \mathbb{R} \vert 0 \leq x \leq 1 \right\} .

Diskreter Fall

Diese lässt sich – wie der Name bereits vermuten lässt – von der diskreten Lorenz-Kurve ableiten, indem die Längen der Streckenabschnitte kumuliert werden. Für die Länge der diskreten Lorenz-Kurve gilt:

\begin{align}
L_{L} & = \sqrt{{F \left(x_{1}\right)}^2 + {g \left(x_{1}\right)}^2} + \sqrt{{\left[F \left(x_{2}\right) - F \left(x_{1}\right)\right]}^2 + {\left[g \left(x_{2}\right) - g \left(x_{1}\right)\right]}^2} + \ldots + \sqrt{{\left[F \left(x_{n}\right)\right] - F \left(x_{n - 1}\right)}^2 + {\left[g \left(x_{n}\right) - g \left(x_{n - 1}\right)\right]}^2}\\
& = \sum\limits_{j = 1}^{n - 1} \sqrt{{\left[F \left(x_{j + 1}\right) - F \left(x_{j}\right)\right]}^2 + {\left[g \left(x_{j + 1}\right) - g \left(x_{j}\right)\right]}^2}\, .
\end{align}

Bei Gleichverteilung ist L_{L} = \sqrt{1^2 + 1^2} = \sqrt{2}\, . Bei absoluter Konzentration auf lediglich einen einzigen Merkmalswert ist L_{L} = 1^2 + 1^2 = 2\, .

Stetiger/Kontinuierlicher Fall

Die Länge der stetigen/kontinuierlichen, differenzierbaren Lorenz-Kurve [zwischen den Punkten A (0 \vert 0) sowie B (1 \vert 1)] berechnet sich aus ersten Ableitung der Lorenz-Kurven-Funktion L(F), wie folgt:

L_{L} (a) = \int\limits_{0}^{a} \sqrt{1 + \left[L' (F)\right]^2} \cdot \mathrm{d}F

mit a \in [0, 1].

Anwendungen

Wirtschaftswissenschaften

In der Ökonomie wird die Lorenz-Kurve zur grafischen Darstellung der kumulierten Verteilungsfunktion der empirischen Wahrscheinlichkeitsverteilung des Vermögens benutzt; sie ist ein Graf, der das Maß der Verteilung zeigt, die für die unteren y\, \% der Werte angenommen wird. Häufig wird sie dazu verwendet, um eine Einkommensverteilung darzustellen, wobei für die unteren x\, \% der Haushalte illustriert wird, wie groß der Anteil des Gesamteinkommens in y\, \% sie besitzen.[6] Der Anteil der Haushalte wird auf der Abszisse abgetragen, der Anteil des Einkommens auf der Ordinate. Sie kann ebenfalls zur Darstellung der Einkommensverteilung verwandt werden. In diesem Sinne betrachten viele Ökonomen die Lorenz-Kurve als Maß sozialer Ungleichheit (soziales Ungleichheitsmaß). Sie wurde im Jahre 1905 von Max O. Lorenz zur Darstellung der Ungleichheit der Einkommensverteilung entwickelt.

Neben der Illustration der Einkommensverteilung wird die Lorenz-Kurve auch zur Darstellung von Marktmacht oder räumlichen Verteilungen verwendet (vergleiche: Segregation!).

Eine weitere Anwendung findet die Lorenz-Kurve in der logistischen ABC-Analyse, bei der die Lorenz-Kurve die Verteilung der Güter verdeutlicht, geordnet nach Klassifizierungseigenschaft (beispielsweise Wert) und Verbrauchsmenge.

Die Lorenz-Kurve lässt sich auch für Geschäftsmodelle verwenden – beispielsweise in den Konsumentenfinanzen, um die reale Nichtzahlung bei Fälligkeit (Delinquenz) Y\, \% von X\, \% der Konsumenten mit den schlechtesten vorhergesagten Risiko-/Kreditscores.

Ökologie

Das Konzept der Lorenz-Kurve ist hilfreich für die Beschreibung der Ungleichheit zwischen den Anzahlen an Individuen in der Ökologie[5] und in Forschungsstudien zur Biodiversität nutzt man es, indem man den kumulierten Anteilen an Tierarten die kumulierten Anteile an Individuen gegenüberstellt.[7]

Konzentration sowie Disparität

Die Disparität (Graf: Lorenz-Kurve) und (absolute) Konzentration (Graf: Konzentrationskurve) sind verwandte Maße, beschreiben aber unterschiedliche Dinge. Während die Lorenz-Kurve darstellt, welche Anteile der Merkmalssumme (Ordinate) auf welche Anteile an der Gruppe der Merkmalsträger (Abszisse) entfallen, stellt die Konzentrationskurve dar, welche Anteile der Merkmalssumme (Ordinate) auf welchen Merkmalsträger (Abszisse) entfallen. Das bedeutet, dass die Lorenz-Kurve Anteile mit Anteilen vergleicht, die Konzentrationskurve Anteile mit absoluten Zahlen (Abszisse). So können hohe Disparität und geringe Konzentration oder hohe Konzentration und geringe Disparität gleichzeitig auftreten. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Frage:

Angenommen x Unternehmen teilen sich einen Markt. In der Tabelle werden die Fälle von hoher und geringer Disparität bzw. Konzentration mit (fiktiven) absoluten Zahlen durchgespielt:

Disparität hoch Disparität gering
Konzentration hoch \!\ x_{1} = 90
\!\ x_{2} = x_{3} = 5
\!\ x_{1} = 34
\!\ x_{2} = x_{3} = 33
Konzentration gering \!\ x_1 = \ldots = x_{400} = 0{,}9
\!\ x_{401} = \ldots = x_{1000} = 0{,}01
\!\ x_{1} = \ldots = x_{400} = 0{,}9
\!\ x_{401} = \ldots = x_{1000} = 0{,}89

Literatur

  • Joseph Lewis Gastwirth: A General Definition of the Lorenz Curve. In: Econometrica, Bd. 39, Nr. 6, New York Nov. 1971. S. 1037–1039.
  • Josef Bleymüller, Günther Gehlert, Herbert Gülicher: Statistik für Wirtschaftswissenschaftler. WiSt-Studienkurs. 10. Aufl. Verlag Franz Vahlen, München 1996. ISBN 978-3-8006-2081-4 (3-8006-2081-2). 244 S.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Duden: Lorenz-Kurve. In: Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag. 4. Aufl. Bibliographisches Institut, Mannheim 2009 (Lizenzausgabe: Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn).
  2. a b Thomas Augustin, Sebastian Petry: Wirtschafts- und Sozialstatistik. (PDF-Datei; 216 kB), LMU, München 2010. S. 45 ff.
  3. Joseph Lewis Gastwirth: A General Definition of the Lorenz Curve. In: Econometrica, Bd. 39, Nr. 6, New York Nov. 1971. S. 1037–1039.
  4. Karl Mosler, Friedrich Schmid: Beschreibende Statistik und Wirtschaftsstatistik. Springer, Berlin/Heidelberg 2009, ISBN 978-3-642-01556-4.
  5. a b Christian Damgaard, Jacob Weiner: Describing inequality in plant size or fecundity. 4. Aufl. Ecology, 2000. Bd. 81. DOI 10.1890/0012-9658(2000)081[1139:DIIPSO]2.0.CO;2 S. 1139–1142.
  6. Arthur O’ Sullivan, Steven M. Sheffrin: Economics: Principles in action. Pearson Prentice Hall, Upper Saddle River (New Jersey 07458) 2003. ISBN 0-13-063085-3. S. 349 ff.
  7. Lieven Wittebolle et. al.: Initial community evenness favours functionality under selective stress. 7238. Ausg. Nature, 2009. Bd. 458. S. 623–626. DOI 10.1038/nature07840. PMID 19270679.

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