Lotte Toberentz

Lotte Toberentz

Lotte Maria Charlotte Toberentz (* 27. Mai 1900 in Zerbst/Anhalt; † nach Januar 1964) war deutsche Kriminalrätin im nationalsozialistischen Deutschen Reich, Mitarbeiterin in der „Reichszentrale zur Bekämpfung der Jugendkriminalität“ und Leiterin des (einzigen) SS-Mädchenkonzentrationslagers Uckermark.

Leben

Lotte Toberentz, von Beruf Polizeibeamtin, trat der NSDAP (Mitgliedsnr. 3.917.135) Anfang Mai 1937 bei. Von Anfang April 1930 bis zum August 1940 wurde sie bei der weiblichen Kriminalpolizei in der Berliner Dienststelle Polizeidirektion Alexanderplatz eingesetzt. Anschließend arbeitete sie in der der „Reichszentrale zur Bekämpfung der Jugendkriminalität“ unter Friederike Wieking. Zusammen mit Johanna Braach besuchte Toberentz zur Information 1941 diverse Konzentrationslager. Von Mai 1942 bis zur Auflösung im April 1945 fungierte Toberentz als Leiterin des KZ Mädchenlager Uckermark. Johanna Braach war in diesem Zeitraum ihre Stellvertreterin. Toberentz war als Frau zwar formal dem Lagerkommandanten des KZ Ravensbrück unterstellt, übte aber faktisch die Lagerleitung aus. Im Juni 1942 kamen die ersten 70 Mädchen, begleitet von Toberentz, im Lager an. Etwa 1000 Mädchen und junge Frauen sollen Anfang 1945 im KZ Uckermark interniert gewesen sein.

Im dritten Ravensbrück-Prozess, auch Uckermark-Prozess genannt (14. bis 27. April 1948), wurden Toberentz und Braach gemeinsam mit drei weiteren weiblichen Angehörigen des SS-Gefolges unter britischer Militärgerichtsbarkeit im Hamburger Curiohaus angeklagt. Den Angeklagten wurde folgendes zur Last gelegt:

  1. Misshandlung weiblicher alliierter Häftlinge im Zeitraum von Mai 1942 bis April 1945 im Mädchenlager Uckermark
  2. Teilnahme an Selektionen von weiblichen alliierten Häftlingen für die Gaskammer im Zeitraum von Mai 1942 bis April 1945 im Mädchenlager Uckermark
  3. Misshandlung weiblicher alliierter Häftlinge im Zeitraum von 1944 bis April 1945 im KZ Ravensbrück
  4. Teilnahme an Selektionen von weiblichen alliierten Häftlingen für die Gaskammer im Zeitraum von Mai 1942 bis April 1945 im KZ Ravensbrück

Toberentz' Anklage umfasste die Punkte eins und drei. Aus Mangel an Beweisen wurde sie, ebenso wie Braach, am 26. April 1948 freigesprochen. Da die Anklage nur Straftaten gegen alliierte Staatsangehörige umfasste und Toberentz im Mädchenlager deutsche "unangepasste Mädchen und junge Frauen" unterstanden, deren Schicksal nicht Prozessgegenstand war, erfolgte letztlich der Freispruch.

Anschließend war Toberentz wieder in leitender Funktion bei der westdeutschen Kriminalpolizei tätig. Weitere Ermittlungen und Vernehmungen in den 1950er und 1960er Jahren verliefen ohne Ergebnis. So wurde Toberentz am 13. Januar 1964 von Beamten des Hessischen Landeskriminalamtes in Wiesbaden vernommen und leugnete, dass auch Kinder in Uckermark interniert gewesen seien. Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt.

Literatur

  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich: Wer war was vor und nach 1945. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
  • Silke Schäfer: Zum Selbstverständnis von Frauen im Konzentrationslager. Das Lager Ravensbrück. Berlin 2002 (Dissertation als pdf)
  • Angelika Ebbinghaus: Opfer und Täterinnen. Frauenbiographien im Nationalsozialismus. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-596-13094-8
  • Katja Limbächer, Maike Merten, Bettina Pfefferle: Das Mädchenkonzentrationslager Uckermark. Unrast, 2000 bzw. 2005 - 2. Auflage. 294 Seiten. ISBN 3-89771-202-4

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Lotte Toberentz — Lotte Toberentz, born Maria Charlotte Toberentz (May 27, 1900 – January 1964) was the head overseer of the Uckermark concentration camp for girls in its early years. From December 1944 to April 1945 she was Lagerführerin (camp leader) of the… …   Wikipedia

  • Lotte (Vorname) — Lotte ist ein weiblicher Vorname. Er ist eine Kurzform von Charlotte oder Lieselotte. Bekannte Namensträgerinnen Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V …   Deutsch Wikipedia

  • Toberentz — ist der Name folgender Personen: Lotte Toberentz (* 1900), Leiterin des Mädchenlagers Uckermark Robert Toberentz (1849–1895), deutscher Bildhauer Diese Seite ist eine Begriffsklärung zur Unterscheidung mehrerer mit demsel …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/To — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Johanna Braach — (* 16. Mai 1907 in Altenhundem; † unbekannt) war Kriminalobersekretärin in der Zeit des Nationalsozialismus, Mitarbeiterin in der „Reichszentrale zur Bekämpfung der Jugendkriminalität“ und stellvertretende Leiterin des Mädchenkonzentrationslagers …   Deutsch Wikipedia

  • Jugend-KZ — Jugendkonzentrationslager (mit einem nationalsozialistischen Euphemismus „Jugendschutzlager“ oder „Jugendverwahrlager“ genannt) waren im Nationalsozialismus Konzentrationslager zur Internierung widerständiger, schwer erziehbarer, arbeitsscheuer… …   Deutsch Wikipedia

  • Jugendschutzlager — Jugendkonzentrationslager (mit einem nationalsozialistischen Euphemismus „Jugendschutzlager“ oder „Jugendverwahrlager“ genannt) waren im Nationalsozialismus Konzentrationslager zur Internierung widerständiger, schwer erziehbarer, arbeitsscheuer… …   Deutsch Wikipedia

  • Jugendverwahrlager — Jugendkonzentrationslager (mit einem nationalsozialistischen Euphemismus „Jugendschutzlager“ oder „Jugendverwahrlager“ genannt) waren im Nationalsozialismus Konzentrationslager zur Internierung widerständiger, schwer erziehbarer, arbeitsscheuer… …   Deutsch Wikipedia

  • Konzentrationslager Uckermark — Das Konzentrationslager Uckermark – benannt nach der gleichnamigen, weitläufigen brandenburgischen Landschaft – befand sich in unmittelbarer Nähe zum KZ Ravensbrück bei der kleinen Stadt Fürstenberg/Havel rund 100 km nördlich von Berlin. Es war… …   Deutsch Wikipedia

  • Polenjugendverwahrlager — Jugendkonzentrationslager (mit einem nationalsozialistischen Euphemismus „Jugendschutzlager“ oder „Jugendverwahrlager“ genannt) waren im Nationalsozialismus Konzentrationslager zur Internierung widerständiger, schwer erziehbarer, arbeitsscheuer… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”