Ludwig-Soret-Effekt

Ludwig-Soret-Effekt

Thermophorese (auch: Thermodiffusion, Ludwig-Soret-Effekt) beschreibt die Bewegung von Aerosolteilchen entlang eines Temperaturgradienten, typischerweise von heiß nach kalt in Gasen und Flüssigkeiten.

Deutlich tritt dieser Effekt bei Aerosolen und Staubteilchen in Luft auf. Er existiert auch bei Teilchen und Molekülen in Lösungen, ist aber theoretisch und praktisch noch unerforscht.

Erklärt wird der Effekt in Gasen folgendermaßen: Auf ein Staubteilchen prasseln von allen Seiten im Mittel gleichmäßig Luftmoleküle ein - statistische Fluktuationen führen zur Brown'schen Bewegung, jedoch ist die Bewegung statistisch und ungerichtet. Falls sich das Teilchen jedoch in einem Temperaturgradienten befindet, treffen auf der heißen Seite schnellere Moleküle auf als auf der kalten - das Teilchen erfährt also einen Nettoimpuls in Richtung der kalten Seite. Die Bewegung ist immer noch statistisch, jedoch bewegt sich das Teilchen über lange Zeiten in Richtung kalt.

In Flüssigkeiten ist das Ganze schwieriger, denn die Theorie für Gase kann die Wanderung mancher großen Moleküle auf die Wärmequelle zu nicht erklären. Es existieren bereits Erklärungsversuche durch Strömungen an der Oberfläche der Moleküle oder durch Änderung der Oberflächenenergie in verschiedenen Temperaturzuständen, jedoch ist die Sache Gegenstand aktueller Forschung (2005). Theoretische Ansätze basieren auf den Arbeiten von Onsager und Ruckenstein und natürlich auch auf aktuellen experimentellen Forschungsergebnissen.

Anwendungen

Thermophorese ist verantwortlich für ein Phänomen namens Schwarzstaub oder magic dust. In der Nähe von Heizkörpern lagern sich kleine Staubpartikel an Wänden an - oft so stark, dass Zimmerbrände vermutet wurden. Die häufig nach oben fließenden Formen dieser Ablagerungen heißen auch fogging oder ghosting - als wäre ein Gespenst an der Wand abgebildet. Die Staubablagerung erfolgt bevorzugt im Winter, weil dann die Heizungen wärmer und die Wände kälter sind als zu anderen Jahreszeiten. Die Ablagerungen bei Bränden entstehen zum großen Teil auf die gleiche Weise.

Speziell am Ende des Winters lässt sich auf der Innenseite von Autoscheiben eine deutliche Schmutzschicht beobachten. Dabei handelt es sich um Aerosolteilchen aus dem warmen Innenraum, die sich auf der kalten Scheibe abscheiden. In Häusern tritt der Effekt nicht so deutlich auf, weil die Fenster besser isoliert sind.

Verschiedene Staubprobensammler verwenden die Thermophorese. Ein Aerosolstrom streicht über einen Objektträger für ein Mikroskop, über dem ein geheizter Draht angebracht ist. Die Thermophorese scheidet die Staubteilchen aus dem Luftstrom quantitativ auf dem Objekträger ab. Ein derartiges Gerät heißt Thermalpräzipitator.

Ansammlung (Bioakkumulation) von DNA-Molekülen in Lösungen: Durch geschicktes Design einer geheizten Flüssigkeitskammer ist es möglich, durch Zusammenspiel von Konvektion und Thermophorese DNA auf einem Fleck bis zu 1000fach anzureichern.

Klärung der Frage nach dem Ursprung des Lebens: Möglicherweise entstanden die ersten Biomoleküle in der Nähe hydrothermaler Quellen in der Tiefsee. Durch konvektive Durchmischung in Hohlräumen porösen Gesteins und Anreicherung durch Thermophorese lässt sich die erdgeschichtlich kurze Zeitspanne, die das Leben zum Entstehen brauchte, möglicherweise erklären.


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