Ludwig Büchner

Ludwig Büchner

Ludwig Büchner (* 29. März 1824 in Darmstadt; † 1. Mai 1899[1] ebenda), eigentlich Friedrich Karl Christian Ludwig Büchner war Arzt, Naturwissenschaftler und Philosoph. Im Materialismusstreit war Büchner neben Carl Vogt und Jakob Moleschott einer der fruchtbarsten und erfolgreichsten Vertreter des naturwissenschaftlichen Materialismus.

Nach seinem Rufnamen wurde Ludwig Büchner Louis genannt, was gelegentlich zu Verwechslungen führt, denn sowohl sein älterer Bruder Wilhelm wie auch sein jüngerer Bruder Alexander Büchner, der nach 1855 in Frankreich lebte, trugen den Namen Ludwig, den ständigen Vornamen der hessischen Landgrafen und Großherzöge, als zweite Vornamen.

Ludwig Büchner

Inhaltsverzeichnis

Leben

Louis Büchner war Sohn des Chirurgen Dr. Ernst (Karl) Büchner (1786-1861) und seiner Frau Louise Caroline geborene Reuß (1781-1858). Er war ein jüngerer Bruder von Georg Büchner, dessen Nachgelassene Schriften er als Erster anonym herausgab, außerdem Bruder von Mathilde, Luise, Wilhelm und Alexander Büchner.

Ludwig Büchner studierte in Gießen Medizin, praktizierte als Arzt in Tübingen und veröffentlichte zahlreiche naturwissenschaftlich-philosophische Schriften. Noch während seiner Promotionszeit nahm er an der 1848er-Revolution teil. 1855 wurde ihm nach der Publikation von Kraft und Stoff die Lehrbefugnis in Tübingen entzogen, so dass er nach Darmstadt zurückkehren musste, um dort als praktischer Arzt seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

1860 heiratete Louis Büchner seine Frau (Karoline Georgine) Sophie, geborene Thomas (1836-1920), die Tochter des Schriftstellers und Juristen Dr. Georg Christian Thomas und seiner Frau Caroline geborene Henkelmann.

1881 gründete Büchner den Deutschen Freidenkerbund und war Mitinitiator des noch heute bestehenden Freien deutschen Hochstifts in Frankfurt am Main.

Werk

Geistesgeschichtlich bedeutete der büchnersche Materialismus die Ablösung der Philosophie durch einen weltanschaulichen Überbau, der nach dem Vergessen der spekulativen Systeme in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den sich entfaltenden Naturwissenschaften errichtet wurde. Büchner popularisierte naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse. So propagierte er die Evolutionstheorie von Charles Darwin und eine mechanistische Vererbungslehre. Zugleich versuchte er sich immer wieder an systematischen Darstellungen seiner Theorie einer „natürlichen“, d.h. mechanistisch-materialistischen Weltordnung.

Für Büchner sind „Denken und Sein ebenso unzertrennlich wie Kraft und Stoff oder Geist und Materie“; deshalb sei „nichts klarer, als dass, so hoch differenziert und eigentümlich auch die Charaktere des Lebens sein mögen, dieselben doch nichts mehr und nichts weniger sind, als Bewegungen der unter eigentümliche und hochspezialisierte Bedingungen gebrachten gewöhnlichen Materie“. Das „große Welträtsel“ zu lösen, ist Büchner zufolge der eigene Materialismus außerstande: „Auch wird dieses Welträtsel von dem menschlichen Verstande niemals gelöst werden, da dieser die ihm von Natur und Erfahrung gesteckten Grenzen von Zeit, Raum und Kausalität, die das Weltall als solches nicht kennt, nicht zu überspringen vermag.“ Von Büchners späteren Schriften, in denen als Kern seines Materialismus ein vulgärer, moralisch pointierter Idealismus sich erweist, sind denn auch mehrere dem Verhältnis der Naturwissenschaften zu religiösen Fragen gewidmet.

Rezeption

Kraft und Stoff war mit 21 deutschen Auflagen innerhalb von nur fünfzig Jahren und zahlreichen Übersetzungen in andere Sprachen ein für seine Zeit ungewöhnlich erfolgreicher Bestseller.

Die marxistische Haltung zum Werk Büchners ist uneinheitlich. Während Friedrich Engels ihn als Vertreter des „Reiseprediger-Materialismus“ abkanzelte, bezeichnete Franz Mehring sein Wirken als einen „frischen Windstoß“ in der sich nach 1848 formierenden Reaktion.

Besondere Bedeutung hat Ludwig Büchner für die Geistesgeschichte des Nahen Ostens, da dort der Darwinismus wie auch der Materialismus durch die französischen Übersetzungen seiner Werke bekannt wurde. Stark von ihm beeinflusst waren zum Beispiel der kurdischsstämmige osmanische Publizist Abdullah Cevdet und Schiblī Schumayyil, ein in Ägypten wirkender, aus Syrien stammender Autor christlicher Herkunft.[2]

Politik

1884 bis 1890 war Ludwig Büchner für die Freisinnige Partei Mitglied der zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen. Er wurde für den Wahlbezirk Rheinhessen 9/Ober-Ingelheim gewählt.

Einzelnachweise

  1. Ruppel/Groß geben als Todesdatum den 30. April 1899 an.
  2. Şükrü Hanioğlu: "Blueprints for a future society: late Ottoman materialists on science, religion, and art" in Elizabeth Özdalga (ed.): Late Ottoman society, London: 2005, S. 28-116

Werke

  • Kraft und Stoff (PDF), 1855 (527 kB)
  • Physiologische Bilder. 2 Bde., 1861/75
  • Die Darwinsche Theorie von der Verwandlung der Arten und die erste Entstehung der Organismenwelt. 1868
  • Die Macht der Vererbung und ihr Einfluß auf den moralischen und geistigen Fortschritt der Menschheit. 1882
  • Die Stellung des Menschen in der Natur. 1868
  • Über religiöse und wissenschaftliche Weltanschauung. 1887
  • Der neue Hamlet. Poesie und Prosa aus den Papieren eines verstorbenen Pessimisten. 1885 (pseudonym), 2. Aufl. 1901
  • Das Buch vom langen Leben oder die Lehre von der Dauer und Erhaltung des Lebens. (Makrobiotik), 1892
  • Darwinismus und Sozialismus. 1894, ISBN 3837059502
  • Im Dienste der Wahrheit. 1900

Literatur

  • Franz Staudinger: Büchner, Ludwig. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 55, Duncker & Humblot, Leipzig 1910, S. 459–461.
  • Peter Berglar: Der neue Hamlet. Ludwig Büchner in seiner Zeit. Gesellschaft Hessischer Literaturfreunde, Darmstadt 1978, (Hessische Beiträge zur deutschen Literatur, ISSN 0440-7512).
  • Heiner Boehncke, Peter Brunner, Hans Sarkowicz: Die Büchners oder der Wunsch, die Welt zu verändern. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-7973-1045-3.
  • Julius Frauenstädt: Der Materialismus und sein Irrthum. Eine Erwiderung auf Ludwig Büchner's „Kraft und Stoff“. Brockhaus, Leipzig 1856.
  • Fredrick Gregory: Scientific Materialism in Nineteenth Century Germany. Reidel, Dordrecht u. a. 1977, ISBN 90-277-0760-X, (Studies in the history of modern science 1).
  • Şükrü Hanioğlu: Blueprints for a future society. Late Ottoman materialists on science, religion, and art. In: Elizabeth Özdalga (Hrsg.): Late Ottoman society. The intellectual legacy. RoutledgeCurzon, London u. a. 2005, ISBN 0-415-34164-7, (SOAS RoutledgeCurzon studies on the Middle East 3), S. 28–116.
  • Paul Janet: Der Materialismus unserer Zeit in Deutschland. Prüfung des Dr. Büchner'schen Systems. Übersetzt, mit einer Einleitung und Anmerkungen von K. A. von Reichlin-Meldegg. Herausgegeben mit einem Vorwort von I. H. Fichte. Jung-Treuttel, Paris u. a. 1866.
  • Friedrich Albert Lange: Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. Herausgegeben und eingeleitet von Alfred Schmidt. Band 2: Geschichte des Materialismus seit Kant. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-518-07670-1, (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 70), passim.
  • Hans Georg Ruppel, Birgit Groß: Hessische Abgeordnete 1820-1930. Verlag des Historischen Vereins für Hessen, Darmstadt 1980, ISBN 3-922316-14-X, (Darmstädter Archivschriften 5), S. 77.
  • Dieter Wittich: Zur Geschichte und Deutung des Materialismus von Vogt, Moleschott und Ludwig Büchner. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe 12, 1963, ISSN 0522-9855, 389 ff.
  • Volker Mueller (Hg.): Ludwig Büchner: Über wissenschaftliche Weltanschauung. Ein historisch-kritischer Versuch. Neustadt am Rübenberge 1999. ISBN 3-933037-12-3

Weblinks


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