Lugau-Oelsnitzer Revier

Lugau-Oelsnitzer Revier
Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgeb., der ehemalige "Karl Liebknecht Schacht"

Das Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenrevier ist ein heute erschöpftes Steinkohle-Bergbaugebiet in Westsachsen. Es gilt als zweitgrößtes Steinkohlenrevier in Sachsen und lieferte zwischen 1844 und 1971 etwa 140 Millionen Tonnen Steinkohle. In manchen Publikationen wird es auch mit dem benachbarten Zwickauer Revier zum Zwickau-Oelsnitzer Steinkohlenrevier zusammengefasst, beide unterscheiden sich aber sowohl in der Geologie als auch in der geschichtlichen Entwicklung.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Revier befindet sich zwischen Zwickau und Chemnitz. Es erstreckt sich über rund 25 km² auf den Fluren der Städte Lugau und Oelsnitz/Erzgeb. und der Gemeinden Niederwürschnitz und Hohndorf im Erzgebirgskreis sowie der Gemeinde Gersdorf im Landkreis Zwickau. Im Westen grenzt es an die Zwickauer Steinkohlenlagerstätte, jedoch sind sie nicht miteinander verbunden, eine etwa 3 km breite flözleere Zone trennt die beiden Reviere.

Geologie

Die Steinkohlenlagerstätte liegt im westlichen Teil des Erzgebirgischen Beckens. Die Steinkohlenlagerstätten von Lugau-Oelsnitz und Zwickau bildeten sich zeitgleich im Westfal D, einem Abschnitt des Siles/Oberkarbon, in einem Becken am Rand des variszischen Orogens. Es handelt sich um eine limnische Steinkohlenlagerstätte, das heißt ohne marinen Einfluss. Dieses Becken wurde vermutlich durch einen Schwemmfächer geteilt, so das die Entwicklung im Zwickauer und Lugau-Oelsnitzer Teil unterschiedlich ablief. Die Kohleflöze beider Reviere lassen sich auch nicht miteinander korrelieren. Die Schichten des Oberkarbon überlagern diskordant paläozoische Phyllite des Erzgebirges. Sie haben im Lugau-Oelsnitzer Revier eine Mächtigkeit von etwa 183 m mit 12 Steinkohlenflözen. Vorherrschende Kohlenarten sind Pech- und Rußkohle. Typische Gesteine für das Karbon sind Tonschiefer und Sandsteine, welche reich an Pflanzenabdrücken sind. Das Karbon streicht in einem schmalen Streifen an der Grenze zwischen Niederwürschnitz und Lugau im Osten des Revieres aus und fällt in Richtung Nordwesten ein. Am Westrand des Revieres liegen die tiefsten Flöze bei etwa 1.200 m Teufe. In Richtung Zwickau "versteinen" sie und fallen schließlich ganz aus. Das Revier beinhaltet folgende Flöze:

  • Neuflöze 1 - 3 (Obere Flözzone)
  • Oberflöz (Obere Flözzone)
  • Hoffnungflöz (Untere Flözzone)
  • Glückaufflöz (Untere Flözzone)
  • Vertrauenflöz (Untere Flözzone)
  • Hauptflöz (Untere Flözzone)
  • Zwischenflöz (Untere Flözzone)
  • Grundflöz (Untere Flözzone)
  • Kneiselflöz (Untere Flözzone)
  • Unbenanntes Flöz (Untere Flözzone)

Überlagert wird das Karbon von vulkano-sedimentären Schichten des Rotliegend, welches bis zur Oberfläche ansteht und den Böden in der Region eine typische rote Färbung verleiht. Durch das während und nach der Bildung des Steinkohlenbeckens immer noch aktive variszische Orogen ist die Lagerstätte stark tektonisch beansprucht. Es gibt mehrere große Störungen, von denen die NE-SW verlaufende Sprunghöhen von über 100 m erreichen können.

Entwicklung des Bergbaus

Vor Auffinden der Steinkohle wurde das Revier landwirtschaftlich genutzt. Lugau und Oelsnitz waren kleine Gemeinden. 1831 wurde im Bereich des Ausstreichens der karbonen Schichten zwischen Lugau, Neuoelsnitz und Niederwürschnitz die erste Steinkohle gefunden, erste Bergbauversuche blieben aber ohne Erfolg. Im Jahr 1844 förderte der Zwickauer Maschinenaufseher Karl Gottlob Wolf aus 9 m Teufe die erste Steinkohle. Die Stelle des ersten Bergbaus befindet sich an der Äußeren Stollberger Straße nahe der Ortsgrenze zwischen Oelsnitz, Ortsteil Neuoelsnitz, und Niederwürschnitz. Daraufhin folgte eine rasche Entwicklung von kleinen Betrieben, vor allem durch Bauern, die auf ihren Feldern nach Kohle suchten. Diese kleinen Betriebe gingen aber bald wieder ein, es folgten größere Unternehmen, welche ihre Kohlenfelder mit entsprechender Technik schnell erschließen konnten.

Im Jahr 1856 wurde der Steinkohlenbauverein "Gottes Segen" gegründet, der noch im selben Jahr den gleichnamigen Schacht in Lugau abteufte. 1858 wurde das Revier mit der Bahnstrecke Neuoelsnitz–Wüstenbrand der Chemnitz-Würschnitzer Eisenbahngesellschaft in Richtung Chemnitz an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Später folgte die Bahnstrecke Stollberg–St. Egidien in Zwickauer Richtung.

1867 kam es auf der Neuen Fundgrube des Zwickau-Lugauer Steinkohlenbauvereins in Lugau zu einem Schachtbruch, durch den 101 Bergleute starben. Der Schacht wurde wieder aufgewältigt und unter dem Namen Vertrauen-Schacht wieder in Betrieb genommen. Auf Oelsnitzer Flur entwickelte sich durch die größere Teufe der steinkohleführenden Schichten der Bergbau langsamer. Die 1856 gegründete Oelsnitzer Bergbaugesellschaft mit dem Hedwig-Schacht war längere Zeit der einzige Bergbaubetreiber in der Gemeinde.

Um 1870 erfolgte ein großer Aufschwung mit der Gründung vieler neuer Bergbauunternehmen in Oelsnitz, Hohndorf und Gersdorf mit vielen neuen Schächten. Bedeutend waren die Vereinsglück- und Deutschland-Schächte in Oelsnitz oder die Kaisergrube in Gersdorf. Nach Zusammenlegungen und Stilllegungen blieben 1921 nur noch drei Unternehmen übrig: die Gewerkschaft Gottes Segen, die Gewerkschaft Deutschland und der Gersdorfer Steinkohlenbauverein. In den 1920er Jahren wurde nach umfangreichen Modernisierungen die Förderung auf wenige Schachtanlagen konzentriert. Für die Gewerkschaft Gottes Segen wurde der Kaiserin-Augusta-Schacht in Neuoelsnitz zur Zentralanlage ausgebaut und die Gewerkschaft Deutschland baute die beiden Deutschland-Schächte zu ihrer Zentralanlage um. Die weiteren Schächte des Reviers wurden entweder abgeworfen oder dienten als Nebenschächte der Wetterführung, dem Materialtransport oder zur Seilfahrt. Nach Erschöpfung des Grubenfeldes stellte der Gersdorfer Steinkohlenbauverein 1944 die Förderung ein.

Das Fördermaschinenhaus des Schachtes Deutschland I vor dessen Umbau in ein Wohn- und Geschäftshaus 2007

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Bergbau in Folge der sozialistischen Wirtschaftspolitik in der Sowjetischen Besatzungszone und der folgenden DDR umorganisiert. Nach kurzzeitiger Zusammenlegung bestanden die beiden großen Bergbauunternehmen in Form des VEB Steinkohlenwerk Karl Liebknecht und des VEB Steinkohlenwerk Deutschland fort. 1960 wurden die beiden Bergbauunternehmen zum VEB Steinkohlenwerk Oelsnitz/Erzgeb. zusammengelegt. Im Jahr 1971 wurde die Förderung von Steinkohle im Revier eingestellt. Bis 1975 wurden untertägige Stillegungsarbeiten durchgeführt und die letzten Schachtanlagen verfüllt.

Folgenutzung des Reviers

Um den Verlust an Arbeitsplätzen im Bergbau auszugleichen, wurden mehrere Betriebe im Revier angesiedelt. Auf dem Gelände des "Karl-Liebknecht-Schachtes" wurde ein Buchungsmaschinenwerk für Robotron gebaut, ebenso ein Sinterwerk, welches Haldenmaterial zu Baustoff verarbeitete. In Niederwürschnitz wurde ein Textilwerk der Textima angesiedelt. Einige Bergwerksgebäude wurden auch als Wohnhäuser oder für gewerbliche Zwecke genutzt.

Ein Teil des "Karl-Liebknecht-Schachtes" wurde zum Bergbaumuseum Oelsnitz umgebaut, einem der größten technischen Museen in der ehemaligen DDR. Der 50 m hohe Förderturm ist weithin sichtbares Wahrzeichen von Oelsnitz. Die Halde des "Gottes-Segen-Schachtes" in Lugau wird als Motocross-Strecke genutzt, hier finden auch Läufe zur Deutschen Meisterschaft statt. Auf der Halde der Deutschlandschächte wurde 2000 der Glückaufturm errichtet, heute ein beliebtes Ausflugsziel. Durch die anhaltend schwelende Halde war die Errichtung des Fundamentes für den Turm schwierig.

Die Skulptur zeigt das Niveau der Erdoberfläche vor dem Bergbau im Bereich Waldesruh an

Bergbaufolgen

Vor allem in Oelsnitz kam es zu erheblichen Bodensenkungen mit der Folge starker Gebäudeschäden. Die höchsten Senkungen gab es im Oelsnitzer Stadtteil Waldesruh mit bis zu 17 m. Das Grubengebäude ist bis heute noch nicht vollständig geflutet, da im Gegensatz zu Zwickau das Oelsnitzer Revier relativ trocken ist. 2004 wurde eine 700 m tiefe Bohrung in Oelsnitz abgeteuft, um Informationen über den Wasserstand der Grube sowie den Zustand des Gebirges zu erhalten. Pumpwerke wie in anderen Bergbauregionen sind nicht nötig. Hinzu kommen Bodenbelastungen wie zum Beispiel am Standort des Kohlenmahlwerkes in Hohndorf. Das Gelände musste vor der Folgenutzung saniert werden.

Literatur

  • Ludwig Baumann, Ewald Kuschka, Thomas Seifert: Lagerstätten des Erzgebirges. Enke Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-13-118281-4
  • Andreas Erb, Mona Harring: Aus der Tiefe ans Licht. Mitteldeutscher Verlag 2006, ISBN 978-3898124034
  • H. Krug: Das Lugau-Ölsnitzer Steinkohlenrevier. in: Jahrbuch für das Berg- und Hüttenwesen Sachsen Jahrgang 1920, Freiberg 1920, S. A3-A53 Digitalisat des gesamten Jahrbuches (pdf, 23.0MB), Digitalisat der zum Artikel gehörigen Karten, Tafeln und Profile (pdf, 36.8MB)
  • Helmut Müller: Zur Geschichte der Steinkohlenaufbereitung im Lugau-Oelsnitzer Revier. Schriftenreihe Akten und Berichte vom sächsischen Bergbau Bd. 50, Kleinvoigtsberg 2008
  • Heino Neuber: Das erste große Steinkohlenwerk im Lugau-Oelsnitzer Revier: aus der Geschichte des Carl-Schachtes in Lugau. in: Erzgebirgische Heimatblätter Heft 5/2008, S. 2-5
  • Otfried Wagenbreth, Walter Steiner: Geologische Streifzüge. Spektrum Akademischer Verlag 1990, ISBN 978-3827412157

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenrevier — Das Bergbaumuseum Oelsnitz/Erzgeb., der ehemalige „Karl Liebknecht Schacht“ ( Kaiserin Augusta Schacht ) Das Lugau Oelsnitzer Steinkohlenrevier ist ein heute erschöpftes Steinkohle Bergbaugebiet in Südwestsachsen. Es war das zweitgrößte… …   Deutsch Wikipedia

  • Lugau/Erzgeb. — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Lugau/Erzgebirge — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Bergwerke in Deutschland — Die Liste von Bergwerken in Deutschland erfasst fördernde und stillgelegte Bergbau Betriebe in Deutschland. Inhaltsverzeichnis 1 Baden Württemberg 2 Bayern 2.1 Kohle 2.2 Eisenerz 2.3 Weitere Mineralien …   Deutsch Wikipedia

  • Zechen in Bochum — Die Liste von Bergwerken in Deutschland erfasst fördernde und stillgelegte Bergbau Betriebe in Deutschland. Inhaltsverzeichnis 1 Baden Württemberg 2 Bayern 2.1 Kohle 2.2 Eisenerz 2.3 Weitere Mineralien …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Unglücken im Bergbau — Verbrannte Uhr, zerstörte Lampe. Zeche Radbod, 1908 Unglücke im Bergbau ereignen sich weltweit regelmäßig. Zu den Ursachen zählen Schlagwetter , Kohlenstaub und Sprengstoffexplosionen, Wassereinbrüche und Einstürze (s. Pinge). Spätschä …   Deutsch Wikipedia

  • Bahnstrecke Neuoelsnitz–Wüstenbrand — Abzw Neuoelsnitz–Wüstenbrand Ausschnitt der Streckenkarte Sachsen von 1902 Kursbuchstrecke: 419 (1990) Streckennummer (DB): 6640; sä …   Deutsch Wikipedia

  • Neuoelsnitz — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Oelsnitz/Erzgebirge — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Oelsnitz/Erzgeb. — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”