Antoninuswall

Antoninuswall
Die Kastelle am Antoninuswall
Büste des Antoninus Pius
Der Antoninuswall beim Barr Hill zwischen Twechar und Croy, von Westen her gesehen
Reste der Hypokaustanlage der Therme von Bar Hill

Der Antoninuswall (von lateinisch Vallum Antonini „Wall des Antoninus“) ist eine Befestigungsanlage aus Stein, Holz und Grassoden, die von den Römern an der schmalsten Stelle Schottlands quer durch die Central Lowlands errichtet wurde. Der Wall war ca. 60 km lang (das entspricht ein wenig mehr als der Hälfte des Hadrianswalls) und erstreckte sich von Old Kilpatrick am Firth of Clyde bis nach Carriden am Firth of Forth.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Die Römer nannten das Land nördlich des Walls Caledonia, doch man nimmt an, dass auch das moderne gälische Wort für Schottland (Alba) aus dem Lateinischen stammt. Der Bau des Walls dauerte von 142 bis 144 n. Chr., nachdem in den ersten Jahren der Herrschaft des Antoninus Pius der Statthalter Quintus Lollius Urbicus das Gebiet nördlich des Hadrianswalls besetzt hatte.[1] Sein Bau stellt eine beeindruckende Leistung dar, besonders wenn man dabei berücksichtigt, dass der Wall in nur zwei Jahren in einem den Römern äußerst feindlich gesinnten Umfeld hochgezogen wurde.

Sein primärer Zweck war es, die Funktionen des 160 km südlich gelegenen Hadrianswall zu übernehmen. Aber auch das fast vollständige Fehlen von Annäherungshindernissen wie z.B. Palisaden o.ä. wirft ein besonderes Licht auf dieses Bauwerk und letztendlich auf die Gesamtkonzeption der Eroberungsplitik eines Kaisers, der während seiner gesamten Regierungszeit Italien niemals verlassen hat. Offenbar sah sich der neue Kaiser kurz nach seinem Herrschaftsantritt gezwungen, einen größeren Landstrich zu erobern und durch einen Limes dauerhaft absichern, um eventuelle Zweifel an seiner militärischen Kompetenz zu zerstreuen. So konnte Antoninus Pius im Jahr 142, wie es der Tradition seiner militärisch erfolgreichen Vorgänger entsprach, einen Triumphzug feiern und sich zum siegreichen Imperator ausrufen lassen.[2]

Trotz der von den Römern zusätzlich auch in den Lowlands entlang der Hauptverbindungsstraßen zahlreich errichteten temporären Lagern, konnten sie die dort ansässigen Pikten- und Kelten-Stämme aber nie vollständig und auf Dauer unterwerfen. Schließlich wurde der Antoninuswall um 180 wieder vollständig aufgegeben und die Grenze des Imperiums an die alte Tyne-Solway Firth-Linie zurückverlegt. Danach gelangten römische Soldaten erst im Jahre 208 unter Kaiser Septimius Severus wieder in die ehemalige Grenzregion; möglicherweise wurden der Antoninuswall und seine Kastelle im Zuge dieses Feldzuges auch vorübergehend wieder besetzt. Darauf könnte die Erwähnung einer „Mauer des Severus“ bei späteren Historikern zurückzuführen sein, mit der wohl in Wirklichkeit der Antoninuswall gemeint war. Der Wall wird auch noch in der Spätantike bei den Chronisten Eutropius und Orosius erwähnt, im frühen Mittelalter bei Beda Venerabilis. Im Mittelalter wurden die Reste des Walls und seines Grabens als Graham’s Dyke oder auch Grim’s Dyke bezeichnet.

Der größte Teil des Antoninuswalls wurde im Laufe der Zeit entweder zerstört oder durch natürliche Erosion abgetragen, doch einzelne seiner Abschnitte sind bei Bearsden, Kirkintilloch, Twechar, Croy, Falkirk und Polmont nördlich von Glasgow noch gut im Gelände zu erkennen.

Das Wallsystem

Der Antoninuswall war im Vergleich zum Hadrianswall viel niedriger und weniger massiv befestigt, aber dafür wesentlich kürzer und durch sein dichteres Kastellnetz besser zu überwachen und zu verteidigen. Er bestand im Wesentlichen aus einem auf einem Steinfundament mit Rasenziegeln errichteten, ca. vier Meter hohen Erddamm mit Wehrgang und hölzener Brustwehr. An seiner Nordseite wurde er durch einen breiten Graben als Annäherungshindernis geschützt, an der Südseite verlief eine gut ausgebaute Straße, die im Ernstfall rasche Truppenbewegungen in beide Richtungen entlang des Walles erlaubte. Wie beim Hadrianswall war auch der Antoninuswall mit einer Serie kleinerer, rechteckiger Kastelle mit abgerundeten Ecken zur Überwachung versehen, die mit Auxiliarsoldaten belegt wurden. Diese Kleinkastelle lagen direkt am Wall. Später wurden sie teilweise zu einfachen umwehrten Wachtürmen zurückgebaut. Im Abstand von jeweils zwei römischen Meilen (etwa 3 km) wurden insgesamt 27 Holz-Erde-Kastelle und Wachtürme errichtet. Der Graben lag ca. 6-9 Meter nördlich vor dem Wall, er war durchschnittlich 12,2 Meter breit und 3,7 Meter tief. Das Aushubmaterial wurde an seiner Nordseite zu einem Damm aufgeschüttet. Die Anmarschwege im Hinterland (Central Lowlands) wurden ebenfalls durch Kastellketten gesichert.

Inschriften

Bei den Ausgrabungen wurden auch eine große Anzahl Inschriften (sog. distance slabs) geborgen, die bei Vollendung eines Wallabschnittes als Bauinschrift zurückgelassen wurden. Sie ermöglichten die Identifizierung fast aller beim Bau des Walles beteiligten Armeeeinheiten. Aus ihrer Analyse geht hervor, dass der Wall zum überwiegenden Teil von Angehörigen der drei in Britannien stationierten Legionen erbaut wurde (Legio II Augusta, Legio VI Victrix, und Legio XX Valeria Victrix).

Ein besonders schönes Exemplar aus Bridgeness befindet sich heute im schottischen Nationalmuseum. Die darauf eingemeißelte Inschrift ist eine Weihung an den Kaiser Antoninus Pius und berichtet in weiterer Folge von der Vollendung des Abschnittes von Bridgeness bis zum östlichen Ende des Walles durch eine Vexillation der Legio II Augusta. Das Inschriftenfeld wird von sogenannten peltae, kleinen Infanterieschilden, flankiert. Das Relief an der linken Seite zeigt einen römischen Kavalleristen, der über eine Gruppe feindlicher Briten reitet. Das Relief an der rechten Seite stellt eine rituelle Opferszene dar, eine sogenannte suovetaurilia, in der auf einem Altar ein Bulle und ein Schaf dem Kriegsgott Mars als Opfergabe dargebracht werden.[3]

Weltkulturerbe

Reste des Walles bei Bar Hill

Seit 2008 sind die Überreste als Teil des europäischen Limes in der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO eingetragen. Zu dem Eintrag gehören auch andere Abschnitte der römischen Grenzbefestigung, der Hadrianswall und der Obergermanisch-rätische Limes; weitere Abschnitte in Südosteuropa sollen folgen.

Die Kastelle am Wall

Aufzählung von West nach Ost

  • Kastell Bishopton
  • Kastell Old Killpatrick
  • Kastell Duntocher
  • Kleinkastell Cleddans
  • Kastell Castlehill
  • Kastell Bearsden
  • Kleinkastell Summerston
  • Kastell Balmuildy
  • Kleinkastell Wilderness Plantation
  • Kastell Cadder
  • Kleinkastell Glasgow Bridge
  • Kastell Kirkintilloch
  • Kastell Auchendavy
  • Kastell Bar Hill
  • Kastell Croy Hill
  • Kastell Westerwood
  • Kastell Castlecary
  • Kleinkastell Seabegs
  • Kastell Rough Castle
  • Kleinkastell Watling Lodge
  • Kastell Camelon
  • Kastell Falkirk
  • Kastell Mumrills
  • Kastell Inveravon
  • Kleinkastell Kinneil
  • Kastell Carriden
  • Kastell Cramond (Versorgungslager)

Literatur

  • David J. Breeze: Edge of Empire. Rome’s Scottish Frontier, the Antonine Wall. Birlinn, Edinburgh 2008, ISBN 978-1-84158-737-0 (Rezension [englisch)]).
  • William S. Hanson, Gordon S. Maxwell: Rome's north west frontier. The Antonine Wall. Edinburgh University Press, Edinburgh 1983, ISBN 0-85224-416-9.
  • Wolfgang Moschek: Der Limes, Grenze des Imperium Romanum. Primus Verlag, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-86678-833-7 (Reihe Geschichte erzählt).
  • Anne S. Robertson: The Antonine wall. A handbook to the Roman wall between Forth and Clyde and a guide to its surviving remains. Revised edition. Glasgow Archaeological Society, Glasgow 1973, ISBN 0-902018-01-9,
  • Nic Fields: Romes Northern Frontier, AD 70-235, Beyond Hadrians Wall. Osprey Publishing, 2005, ISBN 1841768324, S. 38 (Fortress 31).

Elektronische Medien

  • Historic Scotland, English Heritage, The Countryside Agency, University of Glasgow: DVD Roms nördliche Grenzen, Hadrianswall/Antoninuswall, Deutsch und Englisch, Theiss, LZ 45 Min, ISBN 3-8062-2055-7

Weblinks

 Commons: Antoninuswall – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Historia Augusta, Antoninus Pius 5: nam et Britannos per Lollium Urbicum vicit legatum alio muro caespiticio summotis barbaris ducto.
  2. Wolfgang Moschek: 2010, S. 86.
  3. CIL 7, 1088 = Roman Inscriptions in Britain 2139: Imp(eratori) Caes(ari) Tito Aelio / Hadri(ano) Antonino / Aug(usto) Pio p(atri) p(atriae) leg(io) II / Aug(usta) per m(ilia) p(assuum) IIIIDCLII / fec(it) („Für den Imperator Caesar Titus Aelius Hadrianus Antoninus Augustus Pius, Vater des Vaterlandes, die zweite Legion Augusta hat dies auf einer Distanz von 4,652 Schritten erbaut“).

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