Lustlager von Zeithain

Lustlager von Zeithain
Lager bei Zeithain
von Alexander Thiele

Das Zeithainer Lustlager, auch Lustlager von Zeithain oder Großes Campement bei Mühlberg genannt, war eine Truppenschau Augusts des Starken, verbunden mit der Darstellung königlicher Pracht, die vom 31. Mai bis zum 28. Juni 1730 unweit der Städte Riesa und Großenhain zwischen den Gemeinden Zeithain, Glaubitz und Streumen in der Nähe der sächsisch-brandenburgischen Landesgrenze stattfand.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung und Verlauf

Kurfürstlich Sächsischer Oberst der Prunk-Kürassiere beim Lager von Zeithain
Datei:Zeithainer Riesenstollen.jpg
Zeithainer Riesenstollen mit
Backofen

Das „Zeithainer Lustlager“ war eine organisatorische Meisterleistung, die europaweit für Aufsehen sorgte. Es war nicht nur die größte Truppenschau Europas, es galt vor allem als das gigantischste Barockfest seiner Zeit, das „Spektakel des Jahrhunderts“, welches wegen seiner Pracht und Üppigkeit bis heute Inbegriff barocker Lebensart ist. Vor 48 geladenen europäischen Fürsten und deren Militärs präsentierte August seine 30.000 Mann umfassende sächsische Armee im Manöver, dem großartige Festlichkeiten folgten, abgeschlossen mit einem Feuerwerk bei Riesa. Das Zelthainer Lustlager stellte nicht nur die militärische Leistungsfähigkeit, sondern auch den hohen Stand der sächsischen Kunst und Kultur zur Schau. Der anwesende Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. in Preußen, notierte hierzu anerkennend: „Die drei Regimenter Kronprinz gut, Weissenfeld gut, sehr gut. Pflugk sehr miserabel, schlecht. Befehlsgebung gut. Von der Kavallerie habe ich Kommandos gesehen, die finde ich sehr propre.“

Ein besonderer Höhepunkt des Festes war ein von Bäckermeister Zacharias und sechzig Bäckerknechten gebackener Riesenstollen. Er war 1.8 Tonnen schwer, 18 Ellen lang (ca. 7 Meter), 8 Ellen (ca. 3 Meter) breit und 30 Zentimeter dick. Er war in einem eigens dafür von Matthäus Daniel Pöppelmann gebauten Ofen gebacken und vom Backhaus Mühlberg aus auf einem von acht Pferden gezogenen Wagen in Augusts Lager gebracht worden. Dort wurde das Backwerk mit dem berühmten „Großen Stollenmesser“ angeschnitten, in 24.000 Portionen aufgeteilt und an die Gäste ausgegeben.

Bei Streumen, in der Gemeinde Wülknitz, wurde ein prächtiges Opernhaus speziell für das Lustlager errichtet. Komödien wurden aufgeführt, Opern gezeigt.

Ein fünfstündiges Feuerwerk am 24. Juni tauchte den Fluss und die Stadt Riesa in bunte Farben. Mehrere Monate zuvor hatten 200 Zimmerleute begonnen, aus 18.000 Holzstämmen und ebenso vielen Brettern ein „80 Ellen hohes und 200 Ellen breites“ Gerüst auf der Riesaer Flussseite aufzubauen, das mit 6000 Ellen Leinwand bespannt und bemalt wurde, um einen Feen-Palast darzustellen. Die Illumination erfolgte durch 400 Zimmerleute. Neben dem Palast befanden sich unter anderem 60 Kanonen zum Böllern, 48 Mörser zum Leuchtkugel-Werfen, 80 Raketenkästen und 24 große Feuerräder. Zu gleicher Zeit segelte eine bis an die Mastbaumspitzen illuminierte Flotte, von feuerspeienden Walfischen und Delphinen angeführt, an den in einem Pavillon versammelten hohen Gästen vorbei, deren Ruhm und Glanz von der königlichen Kapelle auf dem Hauptschiff mit Lobgesängen gepriesen wurde.[1]

Bemerkenswertes

Der Anlass für die Flucht Friedrichs des Großen

Historische Bedeutung erlangte des Lustlager auch durch einen, während der Manövertage ausgetragenen, heftigen Streit zwischen dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. und seinem Sohn, dem damaligen Kronprinzen Friedrich, der Zeithain daraufhin fluchtartig verließ. Während des Lagers offenbarte Friedrich seinem Freund Hans Hermann von Katte den Plan, nach Frankreich zu fliehen, um sich der Erziehungsgewalt seines strengen Vaters zu entziehen. Katte versuchte ihn zwar davon abzuhalten, begleitete ihn aber schließlich doch und wurde dafür später hingerichtet.

Ein „FIFAT“ von nie gesehener Größe

Joachim Daniel von Jauch
um 1730

Eines der großen Ereignisse war das abschließende mehrstündige Feuerwerk auf der Elbe bei Riesa, „wobei Menschenleben so wenig als Geld geschont ward; denn in einem Wallfische und vier Delphinen, welche Flammen spien und die Elbe gleichsam in ein Feuermeer verwandelten, steckten Baugefangene, die das Leben verwirkt hatten, und wenn sie das Feueramt im Bauche jener Ungeheuer glücklich verwalteten - was jedoch nicht immer der Fall war, denn mehrere verbrannten - die Freiheit erhielten. Eins der glänzendsten Stücke jenes Feuerwerkes sollte nächst eben erwähntem Feuerspeien ein Vivat von nie gesehener Größe sein. August ließ selbst deshalb den commandirenden Oberstlieutenant Jauch kommen und schärfte ihm die kolossale Darstellung jenes Vivats nachdrücklichst ein. - Jauch that, wie ihm befohlen. Auch war an des Vivats Größe nichts, desto mehr aber an der Schreibart auszusetzen, denn es brannte FIFAT - in Brillantfeuer.“ Allgemeines Gelächter war die Folge, nur nicht bei August dem Starken, der Jauch befahl, „irgend einen gescheuten Mann aufzugattern, welcher dem dummen Streiche ein kluges Mäntelchen umzugeben vermöchte.“ Aus dem schändlichen FIFAT wurde ein ehrenvolles FAUSTA IUBILA FECERUNT TEMPORA filtriert und „August ermangelte nicht, seinen hohen Gästen damit das Verständnis zu eröffnen“, während Jauch bis an sein Lebensende den Scherznamen Fifat erhielt.[2]

Nachfolgeveranstaltungen

  • Die AG Militärhistorik Zeithain e.V. veranstaltet seit 1998 ein „Zeithainer Lustlager“ für Liebhaber und Sammler historischer Militärfahrzeuge.

Siehe auch

Literatur

  • Hans Beschorner: Beschreibungen und bildliche Darstellungen des Zeithainer Lagers von 1730“, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde 27 (1906), S. 103-151
  • Hans Beschorner: Das Zeithainer Lager von 1730, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde 28 (1907), S. 50-113 und S. 200-252
  • Umbständtliche und exacte Beschreibung alles dessen, was sich in dem Königl. Polln. Fäldläger bey Radiwitz und Mühlberg alltäglichen zugegtragen. Vom 31. Meyen bis den 28ten Juni 1730. Deutsche Handschrift auf Papier, 122 Seiten mit 7 Tafeln (mit Gesamtplan der Anlage, Aufmarschplan, Details der Bauwerke, Darstellung des Feuerwerks)
  • Huth, Wolfgang; Heimatverein Elsterwerda und Umgebung e.V., Heimatverein zur Erforschung der sächsischen Stahlwerke, Gröditzer Stahlwerke GmbH (Hrsg.): „Das Lustlager bei Zeithain“ in „250 Jahre Floßkanal Grödel-Elsterwerda 1748-1998“. Lampertswalde 1997, S. 94 bis 97. 

Weblinks

Quellen

  1. Karl Preusker: Blicke in die vaterländische Vorzeit, 1841, S. 118 (Online-Version)
  2. Das große deutsche Anekdoten-Lexikon, Erfurt 1843/44, Reprint Leipzig 1985, S. 302


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