Lübeck Hauptbahnhof

Lübeck Hauptbahnhof
Lübeck Hauptbahnhof
HL – Neuer Hauptbahnhof.jpg
Daten
Kategorie 2
Betriebsart Reiterbahnhof
Bahnsteiggleise 8
Reisende rund 31.000
Abkürzung AL
Eröffnung 1. Mai 1908
Profil auf Bahnhof.de Nr. 3807
Architektonische Daten
Architekt Fritz Klingholz

Grunderneuerung 2001-2007: Gössler Kinz Kreienbaum Architekten BDA

Lage
Stadt Hansestadt Lübeck
Land Schleswig-Holstein
Staat Deutschland
Koordinaten 53° 52′ 2″ N, 10° 40′ 9″ O53.86722222222210.669166666667Koordinaten: 53° 52′ 2″ N, 10° 40′ 9″ O
Eisenbahnstrecken
HL Bahnhof – Situationsplan 1908.jpg
Bahnhöfe in Schleswig-Holstein

i1i3i7i10i11i12i14i16i16i16i18

Die Empfangshalle im Eröffnungsjahr

Der Lübecker Hauptbahnhof ist der größte und wichtigste Personenbahnhof der Hansestadt Lübeck. Die vierschiffige Bahnsteighalle ist 130 m lang, 85 m breit und überspannt zehn Gleise. Mit rund 31.000 Reisenden und Besuchern pro Tag ist Lübeck Hauptbahnhof der frequenzstärkste Bahnhof Schleswig-Holsteins. Von der Einstufung her ist er der Bahnhofskategorie 2 zugeordnet. Der Bahnhof wurde 1908 nach Entwurf von Fritz Klingholz von der Lübeck-Büchener Eisenbahn (LBE) erbaut, die damals den größten Teil der Eisenbahnverbindungen rund um Lübeck einschließlich der Schnellzugverbindungen betrieb, um das bisherige, veraltete Gebäude zu ersetzen.

Der Lübecker Hauptbahnhof ist ein Reiterbahnhof, dessen Personensteg über insgesamt zehn Gleise mit vier Bahnsteigen führt. Eine Besonderheit sind die breiten Holztreppen, die zu den Bahnsteigen führen. Nach der Modernisierung des Bahnhofs wurde er komplett elektrifiziert und ist nunmehr an das elektrische Bahnnetz angeschlossen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der alte Hauptbahnhof
Lageplan der Neubau-Anlagen der Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft

Der alte Hauptbahnhof

Der Vorläufer des heutigen Hauptbahnhofes wurde 1851 auf der Wallhalbinsel in der Nähe des Holstentores von der Lübeck-Büchener Eisenbahn (LBE) errichtet. Zu dem Zweck wurde das barocke äußere Holstentor abgerissen. Das gotische Innere Holstentor, heute Wahrzeichen Lübecks, sollte zunächst auch verschwinden, konnte aber durch Proteste prominenter Personen aus dem ganzen Deutschen Bund gerettet werden. Der Bahnhof hatte anfangs nur einen Bahnsteig, wurde aber mit den Jahren Schritt für Schritt auf zuletzt vier Bahnsteige erweitert. Der Betrieb war insofern mit wachsendem Verkehr problematisch, als die Züge den Bahnhof direkt über eine Hauptstraße verließen und die ersten Kilometer des Schienenstrangs mehrere Gewässer auf Brücken überquerten (Heute verläuft hier die Possehlstr.), was der Anlage eines leistungsfähigen Vorbahnhofs im Wege stand. Mit Inbetriebnahme des neuen Hauptbahnhofes 1908 verloren der alte Bahnhof und sein Empfangsgebäude ihre Funktion.

Nach verschiedenen anderen Nutzungen (unter anderem der Hafenbahnverwaltung) wurde es 1934 Jahren im Zuge der Umgestaltung des Holstentorplatzes abgerissen.

Entstehung des heutigen Hauptbahnhofs

Als um die Jahrhundertwende offensichtlich wurde, dass das alte Bahnhofsgebäude zu klein geworden war, wurde nach einem neuen Standort gesucht. Die problematische Lage der Lübecker Innenstadt, welche auf einer Insel liegt, hatte schon bei dem ersten Bahnhofsbau und -betrieb für große Schwierigkeiten gesorgt, so dass der neue Standort für die Lösung dieser Probleme nur außerhalb der Innenstadt liegen konnte. Der Standort wurde schließlich in den Rethteich-Wiesen einige hundert Meter westlich der Innenstadt bei der St. Lorenzkirche gefunden. Der neue Hauptbahnhof, erbaut nach einem Entwurf von Fritz Klingholz, wurde schließlich 1908 eröffnet, die Gleisanlagen an den neuen Standort verschwenkt.

Der Güter- und Rangierbahnhof wurde bereits 1907 von der Insel hierher verlegt.

Während des Zweiten Weltkriegs blieben das Hauptgebäude und die Zughalle des Bahnhof weitgehend intakt, dennoch beschädigten bei dem Bombenangriff vom 29. März 1942 einige Treffer den Personensteg, welcher teilweise ausbrannte, und den Bahnhofsflügel, welcher in vereinfachter Form wieder aufgebaut wurde.

Die Bundesbahnzeit

Von 1945 bis 1990 war Lübeck Grenzbahnhof zur Sowjetischen Besatzungszone und später zur DDR. Der Bundesgrenzschutz hatte auf dem östlichsten Bahnsteig eigene Grenzkontrollanlagen. Diese mussten von allen in Lübeck zusteigenden Reisenden passiert werden. Die Interzonenzüge verkehrten etwa ein bis zwei Mal täglich nach Rostock. Sie kamen üblicherweise aus Hamburg oder Köln.

Seine größte Bedeutung erlangte der Lübecker Hauptbahnhof als wichtiger Haltebahnhof der Vogelfluglinie von Hamburg nach Skandinavien seit dem 14. Mai 1963. Zahlreiche D-Züge mit langen Laufwegen bedienten den Bahnhof. Zu ihnen gehörten der Italia-Express und der Alpen-Express, die zwischen Rom und Kopenhagen verkehrten, und der TEE Merkur, der von Stuttgart nach Kopenhagen fuhr.

Die Kleinbahn nach Segeberg, die neben der Bahnhofshalle ihren Bahnsteig hatte, stellte am 26. September 1964 den Personenverkehr ein, am 31. Dezember 1967 wurde sie stillgelegt.

1967 wurde der Bahnhof anlässlich des Besuchs des Schahs Reza Pahlavi in der Stadt Lübeck restauriert. Die vorgenommenen Umbauten, welche dem damaligen Zeitgeist entsprachen und heute teilweise als von zweifelhaften ästhetischen Wert empfunden werden, hielten sich bis zu dem Umbau von 2003. Unter anderem wurde der Durchgang zum Bahnhofsflügel geschlossen, Fenster zugemauert und das Innere der Halle stark vereinfacht. Ebenfalls aus der Bundesbahnzeit stammte die metallene Gepäckbrücke, welche den Blick von der Bahnhofsbrücke auf den Bahnhof verstellte.

Entwicklungen nach der Wende

Empfangsgebäude

Nach Eröffnung der kombinierten Auto-/Eisenbahnbrücke Storebæltforbindelsen über den Großen Belt in Dänemark Ende der 1990er Jahre ließ die Bedeutung des Bahnhofes im internationalen Verkehr nach, da damit die längere Route über Flensburg attraktiver geworden war. Zugleich kam es zunehmend zu einem Verfall der Substanz durch die Zurückhaltung der Deutschen Bahn, in Lübeck zu investieren. So wurden in Lübeck Ende der 1990er Jahre noch immer alle Formsignale per Hand geschaltet, am Bahnhofsgebäude machte sich mangelnde Pflege bemerkbar, und Lübeck war die größte deutsche Stadt ohne elektrischen Bahnanschluss. Zudem verfiel der Bahnhofsflügel, nachdem das dort ansässige Restaurant schließen musste. Um 2000 war das gesamte Gebäude völlig veraltet und den Anforderungen eines modernen Bahnbetriebs nicht mehr gerecht.

Die Wende in der Politik der Deutschen Bahn für den Raum Lübeck kam 2003. In diesem Jahr wurden alle Formsignalanlagen durch zentral gesteuerte Ks-Signale ersetzt. Zugleich wurde der groß angelegte Umbau des Hauptbahnhofes gestartet, welcher diesen modernisieren und auf eine zukünftige Elektrifizierung vorbereiten sollte. Der Umbau wurde am 20. Juli 2007 in der Hauptarbeit abgeschlossen.

Die Elektrifizierung der Strecke Hamburg – Lübeck – Lübeck-Travemünde, und damit von Lübeck Hauptbahnhof, wurde Ende 2006 begonnen und ging im Dezember 2008 in Betrieb. Am 1. Oktober 2008 wurde der Strom eingeschaltet.

Betrieb

Lübeck Hauptbahnhof, Bahnhofshalle von 2007

Vom Lübecker Hauptbahnhof gab es Bahnstrecken in sechs Richtungen. Davon wurde lediglich die 1916 eröffnete Strecke der Lübeck-Segeberger Eisenbahn (LSE) nach Bad Segeberg 1964 stillgelegt. Die folgenden Strecken führen zum Lübecker Hauptbahnhof:

Der Lübecker Hauptbahnhof

Internationale Verbindungen bestehen heute mit Intercity-Express- und Eurocity-Zügen über die Vogelfluglinie nach Kopenhagen sowie mit Regional-Express-Zügen (RE) nach Stettin in Polen über Bad Kleinen, Neubrandenburg und Pasewalk. Diese RE-Züge haben dank ihres langen Zuglaufs den Charakter von Heckeneilzügen. Zudem ist Lübeck Intercity-Bahnhof. Einmal täglich hält erst ein Intercity-Zug nach Puttgarden, und später der Gegenzug nach Frankfurt am Main.

Ein Teil der Fernverkehrsreisenden im Lübecker Hauptbahnhof benutzt Züge nach Lübeck-Travemünde Skandinavienkai, um zu den Fähren nach Schweden oder Finnland zu gelangen.

Der größte Teil des Reisezugverkehrs entfällt auf Pendlerzüge auf der Strecke Hamburg Hauptbahnhof–Lübeck, betrieben von der DB Regio. Hier gibt es in der Hauptverkehrszeit einen durchgängigen 30-Minuten-Takt. Auf allen anderen Strecken, die zum Lübecker Hauptbahnhof führen, herrscht generell Stundentakt.

Seit dem 9. Dezember 2007 werden mit dänischen IC3 gefahrene Eurocity-Züge schrittweise durch dieselbetriebene ICE-TD ersetzt, womit Lübeck an diesem Tag zum ICE-Bahnhof wurde.

Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2008 besitzt Lübeck erstmalig eine ICE-Direktverbindung über Hannover nach München.

Fernverkehr

Linie Tabellennummer (Kursbuch Fernverkehr) Zuglauf Takt
ICE 25 15 (Lübeck Hbf –) Hamburg Hbf – Hannover Hbf – Göttingen – Kassel-Wilhelmshöhe – Fulda – Würzburg Hbf – Nürnberg Hbf – Ingolstadt Hbf – München Hbf (– Garmisch-Partenkirchen) ein Zugpaar
IC 31 (10.4), 10, (13.2) (Fehmarn-Burg – Lübeck Hbf –) Hamburg Hbf – Bremen Hbf – Münster(Westf) Hbf – Dortmund Hbf – Hagen Hbf – Wuppertal Hbf – Solingen Hbf – Köln Hbf – Bonn Hbf – Koblenz Hbf – Mainz Hbf – Frankfurt(M) Flughafen Fernbf – Frankfurt(Main) Hbf  (– Hanau Hbf – Aschaffenburg Hbf – Würzburg Hbf – Nürnberg Hbf – Regensburg Hbf – Passau Hbf) einzelne Züge
ICE 75 (19), 10.4 (Berlin Ostbf –) Hamburg Hbf – Lübeck Hbf – Puttgarden – København H vierstündlich, in der Urlaubssaison zweistündlich
EC 75 10.4 Hamburg Hbf – Lübeck Hbf  – Puttgarden – København H einzelne Zugpaare

Insgesamt gibt es einen ungefähren Zweistundentakt mit einer Lücke am Vormittag mit EC- oder ICE-Zügen von Hamburg nach Kopenhagen.

Regionalverkehr

Linie Zuglauf KBS
RE RB Kiel–Preetz–Lübeck Hauptbahnhof–Lüneburg 145
RE RB Lübeck Hauptbahnhof–Bad Oldesloe–Hamburg Hauptbahnhof 104,140
RE RB Lübeck Hauptbahnhof–Oldenburg (Holst)–Puttgarden 140
RE RB Lübeck Hauptbahnhof–Lübeck Travemünde Strand 104
RE 6 Lübeck Hauptbahnhof–Bad Kleinen–Neubrandenburg–Szczecin (deutsch: Stettin) 175

Museumszug

Auf dem östlichsten also stadtseitigen Gleis in der Bahnhofshalle steht ein Doppelstock-Stromlinien-Wendezug-Gelenkwagen der LBE aus dem Jahre 1936.

Der Umbau

Lübeck Hauptbahnhof, Bahnhofshalle 1998
Lübeck Hauptbahnhof, April 2007

Nach langem Zögern der Deutschen Bahn wurde 2003 der Start für eine umfassende Modernisierung des Lübecker Hauptbahnhofes freigegeben. Dabei mussten Bestimmungen des Denkmalschutzes beachtet werden. Sie sahen vor, das Empfangsgebäude und die Zughalle ganz, den Personensteg in seiner Grundsubstanz wiederherzustellen.

Baumaßnahmen neben allgemeinen Modernisierungen:

  • Abriss und Neubau aller vier Bahnsteige
  • Demontage der Zughalle und anschließender Wiederaufbau. Dabei wurden etwa 70 Prozent der alten Stahlträger wiederverwendet. Das Dach der Halle wurde stärker verglast, die Konstruktion insgesamt durch neue Stahldoppelbögen stabilisiert, dabei wurden auch die auf dem Photo erkennbaren Schiffe genannten Rundbögen eingebaut. Sie sind aus statischen Gründen notwendig, weil dort ein Durchfahrtsgleis zwischen zwei Bahnsteiggleisen liegt. Hier könnten die Dachgewichte nicht direkt in den Boden weitergeleitet werden sondern werden über die Rundbögen abgeleitet. Dieses Durchfahrtsgleis wird im Moment nicht benötigt und ist bis heute nicht elektrifiziert. Es dient ausschließlich dem Abstellen von Dieseltriebwagen.
  • Installation eines modernen Licht- und Lautsprechersystems
  • Abriss des Personenstegs und anschließender Neubau unter größtmöglicher Einbeziehung alter Stahlbauteile. Dabei wurde der Steg um 60 cm angehoben, um die Elektrifizierung des Bahnhofes zu ermöglichen
  • Verglasung der Hallenseite des Personenstegs, dessen Fenster in den 1960er Jahren zugemauert wurden
  • Bau einer zweiten Treppe für jeden Bahnsteig
  • Jeder Bahnsteig erhielt einen Aufzug für maximal 20 Personen
  • Sanierung des Empfangsgebäudes
  • Abriss des überflüssig gewordenen Poststegs
  • Alle Bahnsteige erhielten digitale Zugzielanzeiger
  • Einbau einer doppelseitigen Zugabfahrtstafel im Personensteg
  • Neubau des Reisezentrums im Nordflügel (erst 2009 durchgeführt)

Die meisten Arbeiten waren am 20. Juli 2007 abgeschlossen. Die offizielle Einweihung fand am 13. Dezember 2008 zum 100. Jubiläum des Hauptbahnhofes statt. Sieben Geschäfte zogen in den Personensteg ein, darunter ein Schnellrestaurant, eine Buchhandlung und ein Brezelbäcker. Die alte Gepäckbrücke wurde im April 2008 komplett entfernt. Mit dem Umzug des Reisezentrums in den Nordflügel des Gebäudes – ein Durchgang zur Haupthalle wurde geschaffen – sind die Bauarbeiten praktisch abgeschlossen. In den Südflügel, zu dem bereits eine Verbindung von der Halle existiert, sollen zu einem späteren Zeitpunkt weitere Geschäfte einziehen.

Eine weitere, bis 2009 noch nicht ausgeführte Baumaßnahme ist der Umbau des 1. Stockwerks des nördlichen Bahnhofsflügels, das seit einigen Jahren leer steht, nachdem das darin befindliche Restaurant und die darauf folgende Diskothek schließen mussten. Das untere Stockwerk ist nunmehr vom Reisezentrum belegt.

In unmittelbarer Nachbarschaft des Hauptbahnhofs befindet sich am Bahnhofsvorplatz der Handelshof, ein expressionistisches ehemaliges Kontorhaus, dessen Sanierung 2009 abgeschlossen wurde.

Elektrifizierung

Bereits in den 20ern des vorigen Jahrhunderts stand die Elektrifizierung zur Diskussion. Die Alternative, für die sich die LBE seinerzeit entschloss, war die Anschaffung von Doppelstockwagen aus Görlitz.

Lübeck war so für lange Zeit die größte deutsche Stadt ohne elektrischen Bahnanschluss. Seit den 1970er Jahren bemühte sich die Stadt um eine Anbindung an das elektrische Bahnnetz, jedoch sprachen zuerst die Zonenrandlage direkt an der Grenze zur DDR, dann die Geschäftspolitik der Deutschen Bahn dagegen.

Dieser Zustand wurde schließlich 2005 beendet, als offiziell der Vertrag für die Elektrifizierung unterschrieben wurde. Darin wurde die Elektrifizierung der Bahnstrecke Hamburg–Lübeck-Travemünde vereinbart. Die Einbindung in das elektrische Bahnnetz kommt neben dem Personenverkehr vor allem dem immer weiter steigenden Güterverkehr zwischen dem Lübecker Hafen und Hamburg zugute. In dem Vertrag enthalten ist auch der zweigleisige Ausbau zwischen Bad Schwartau Waldhalle und Lübeck-Kücknitz. Dabei werden keine speziellen Bahnstromleitungen vom nächsten Umrichterwerk gebaut, sondern ein neues Werk in Lübeck-Genin errichtet.

Die Elektrifizierung ging nach Plan am 14. Dezember 2008 offiziell in Betrieb, nachdem bereits am 1. Oktober 2008 der Strom eingeschaltet wurde.

Der neue Güter- und Rangierbahnhof

Der neue Güterbahnhof
Der Wasserturm der Bahnhofswasserleitung

Im Zuge der Umgestaltung der lübeckischen Bahnhofsanlagen wurde am 9., 10. und 11. März 1907 ein wesentlicher Abschnitt vollendet. Der Frachtgüterverkehr wurde von dem alten Bahnhof am Holstentor zu dem neuen auf den Rethteichswiesen überführt. Um dies zu gewährleisten, war die Fertigstellung des Rangierbahnhofs, der zeitgleich übergeben wurde, von Nöten. [1]

Der neue Güterbahnhof

Die Hauptanlage des Güterbahnhofs ist der Güterschuppen. Dessen östliche zur Hansastraße hin gelegene Seite ist für den Wagenladungsverkehr zuständig. Im Verwaltungsgebäude waren die verschiedenen Kassen- sowie sonstige Diensträume untergebracht. An dieses schließt sich der etwa 400 m lange und 17 m breite Güterschuppen, welcher zu beiden Seiten mit einer etwa 1,50 m breiten Ladebühne ausgestattet ist und an seinem südlichem Ende wieder in ein Abfertigungsgebäude ausmündete, in welchem einst die Räume der Zollverwaltung untergebracht waren. Die Erhöhungen auf dem Dache des Schuppens ließen vier Abteilungen erkennen. Die ersten beiden entfielen auf die Versand- die letzten beiden auf die Empfangsabteilung. Vor dem Güterschuppen standen noch zwei Ladebühnen mit einem Gleis je Seite. Ihre Länge betrug 330 m. Sie dienten der schnelleren Abwicklung des Verkehrs, da sie eine gleichzeitige Be- und Entladung von bis zu drei Wagenreihen von und nach dem Güterschuppen ermöglichten.

Den Ladebühnen schlossen sich Ladestraßen oder Freiladegleise an welche von einer neu angelegten, sich von der Meyerstraße 600 m parallel zur Hansastraße hinziehenden, 15 m breiten Straße zugänglich war. Es gab sechs zwischen 120 und 130 m lange Freiladegleise. Zwischen je zwei Gleisen befand sich eine Fahrstraße der Breite von 9 m.

Die Beleuchtung ist eine elektrische und wurde seinerzeit das städtische Elektrizitätswerk, das just zu diesem Zwecke eine in den Kasematten neben der Fackenburger Allee Unterstation erbaute, gesichert. Im Güterschuppen waren etwa 400 Glühlampen und auf dem Terrain des Bahnhofs 24 Bogenlampen installiert.

Der Rangierbahnhof

Die zum Güterverkehr gehörigen Anlagen für den Lokomotivverkehr, bestehend aus dem runden Lokomotivschuppen nebst drei Wasserkränen, zwei Kohlenladebühnen, ein großes Gebäude mit Aufenthaltsräumen, Schmiede, usw., ebenso der sich zwischen Elbe-Lübeck-Kanal und Buntkuher Fußweg hinziehende Rangierbahnhof samt zugehöriger Gebäude und Einrichtungen wurden ebenfalls in Betrieb genommen. Auf ihm befanden sich rund 80 Weichen in vier Stellwerksbezirken. Sie standen durch Blockanlagen untereinander und mit der in der Moislinger Allee in ständigen Kontakt und waren von Beginn an mit allen erforderlichen Telefon- und Telegrafenanlagen ausgestattet. Dessen Beleuchtung war ebenfalls elektrisch, wobei 40 Bogenlampen die Gleise erleuchteten.

Seine Verbindung nach dem alten Bahnhof sowie Schwartau erfolgte vorerst über Hafenverbindungsgleise.

Die Wasserversorgung des Bahnhofs

Die Wasserversorgung erfolgte über ein gesondertes, an das städtische Leitungsnetz angeschlossenes, Leitungsnetz. Für dieses wurde ein gesonderter Wasserturm erbaut, der in der Nähe des runden Lokschuppens am Südende des Güterschuppens steht. Das einem abgestumpftem Kegel gleichende Mauerwerk trägt ein mehrere 100 Hektoliter fassendes, von einer Kuppel überdachtes Bassin. Auf halber Höhe der Kuppel läuft um dieselbe eine Galerie von der das gesamte Bahnhofsgelände, seine Umgegend einschließlich des Blicks auf die Stadt hat.

Beide Bauten, obwohl entzwischen außer Dienst gestellt, existieren noch heute.

Das Empfangsgebäude

Die Beamten des Bahnhofs-Neubaubureaus zwischen den Querbahnsteigen
außer Dienst gestelltes Stellwerk

Der architektonische Gesamteindruck ist zweifelsfrei ein guter. Es ist ein sowohl in der Raum- als auch Massenverteilung vortrefflicher Bau.

Ein von zwei Uhrentürmen flankierter hoher Mittelbau mit abgewalmtem Mansarddach aus schwarzblauen Ziegeln und drei hochgewölbten Öffnungen – das Mauerwerk in weißgefugtem Backstein mit Sandsteinverblendung an den bemerkenswerten Stellen – betont den Verkehrsmittelpunkt der gesamten Anlage. Rechts und links schlossen sich in gleichem Dach zwei niedrigere langgestreckte Flügelbauten von niedrigerer Bedeutung an. Am Ende des rechten (nördlichen) Flügels, schloss sich das um ein Stockwerk höhere Postgebäude an.

Bei dem Luftangriff in der Nacht zu Palmsonntag 1942 wurde der nördliche Flügel in Mitleidenschaft gezogen. Nach dem Krieg war sein Dach nur noch halb so hoch, da man sein Mansarddach durch ein Walmdach ersetzte und die zusätzliche Etage im Postbereich ersatzlos verschwinden ließ.

Ganz links im Hintergrunde fügen sich fügen sich dem Bilde die langgestreckten tiefer liegenden die Bahnsteige überdachenden Eisenhallen an. Es war ein klarer Aufbau zwischen den Hallen über die Neubauten zum Mittelbau der Empfangshalle und als Gegengewicht die lange Front des nördlichen Flügels zum kurzen Auftakt des Postgebäudes gegeben.

Die Gleise lagen auf dem Niveau des Lübecker Hafens. Zwischen dem ersten und zweitem Bahnsteig lag ein Durchgangsgleis, das über eine eigene Überdachung verfügte. Diese stellte ein statisches Moment der Halle dar. Als die Halle wegen des Umbaus abgetragen werden musste, standen ihre Außenwände dennoch um bis zu 50 cm aus dem Lot. Das Durchgangsgleis ist heute ein Abstellgleis und die Form seiner einstigen Überdachung nur angedeutet. Dessen Funktion übernimmt heute ein Bogen.

Das Dach hat durch seine Umrisslinie gekrönt mit dem Dachreiter eine monumentale Wirkung. Die vier aufgereihten Spitzen der Uhrentürme uns Zwischenpylone unterstreichen diese.

Die Baukritik bemängelte, dass zwei Giebel, je einer des nördlichen und südlichen Flügels, das Erscheinungsbild des großzügig gedachten Bauwerks beeinträchtigten.

Wie bei der Stadthalle stößt der Betrachter auch hie auf nachträgliche architektonische Entgleisungen. So ist das Dach durch Schornsteinköpfe verunziert, die in ihrer Balanciertechnik einem Vorlageheft für Steinbaukästen entnommen zu sein schienen, die Dacherker schienen mit Dominosteinen gepflastert, ...

An den Einzelheiten merkte man, dass verschiedene Hände an dem Bauwerk tätig waren und dass stellenweise um jeden Preis „Architektur“ gemacht werden sollte.

Tritt man durch die Haupteingänge des Mittelhauses so gelangt man zunächst in die im gelben Ton gehaltene helle und luftige Schalterhalle. Rechts stieß ursprünglich die Gepäckhalle ab und ist heute eine, im Verhältnis zur damaligen Halle, kleine Fahrkartenschalterhalle. Der Rest des Nordflügels steht heute leer und wird bewusst dem Verfall anheim gegeben. Der lange Querbahnsteig beeindruckt in seiner schlichten Sachlichkeit und in ursprünglicher Farbgebung.

Der Wartesaal der IV. Klasse befand sich im Gegensatz zu denen der anderen Klassen im Kellergeschoss.

Der zweite Querbahnsteig war für die Gepäck- und Postbeförderung. Dieses Bauteil entsprach damals den von Muthesius geprägten Satz der Schönheit der reinen Zweckform. Er war bereits mit Fahrstühlen ausgestattet. Während des Umbaus diente ein Nachfolger seiner als Zugang zu den Gleisen.[2]

Die heute ungenutzten Stellwerksgebäude erwuchsen ihrer Form nach aus dem Zweck heraus. Mit ihrer klaren Gliederung, harmonisch abgetönten Farben und ihren schönen Dachformen zählten sie zu den reifsten architektonischen Leistungen des Bahnhofs.[3]

Bahnhofsvorplatz und Umfeld

Die neue Verbindungsstraße vom Lindenplatz zum Bahnhof (1905)
Die neue Straßenbrücke in der Fackenburger Allee
Erste Anbindung des ÖNVs an den Bahnhof
Kaiser Wilhelm II. beim Abschreiten der Lübecker Ehrenkompanie am 9. August 1913

Vor dem Empfangsgebäude des Personenbahnhofs war ein großer, von drei Seiten zugänglicher Platz zur Bewältigung des Wagen- und Straßenbahnverkehrs geschaffen worden. Umsäumt wurde dieser von dreistöckigen Häusern, Hotels, Restaurants und dem Verwaltungsgebäude der Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft in geschlossener Weise. Die Platzgröße sei, wie man sich einst echauffierte, viel zu groß, wenn ein solcher Platz nicht gerade zum Parademarsch einiger Ehrenkompanien, wie beim Besuch von Kaiser Wilhelm im Jahre 1913, bestimmt sei. Anno 1908 war man der Ansicht, dass die Verkehrsrücksichten niemals eine solche Größe erfordern werden und die Raumwirkung des Platzes wäre, da er keinen Charakter hätte, keine glückliche. Nach Süden war er ohne jeglichen Abschluss. Es bestünde ein eigenartiges Missverhältnis zwischen dem Herrn, dem Empfangsgebäude und den im Abhängigkeit zu diesen stehenden „Reihenhausbauten“. Die Erdrückung des repräsentativen war kaum zu leugnen. Erst in den 20ern schloss der Handelshof die Lücke im Süden.

Hier irrte die Kritik. Ein Jahr nach der Bahnhofseröffnung verlegte die Straßenbahn, die bis dahin den Bahnhof nur mit einer Linie über die Fackenburger Allee tangierte, ihren Schwerpunkt nördlich des Bahnhofs. Von dort ging es bald über den Bahnhofsvorplatz. Der Verkehr entwickelte sich so stark, dass der Zentrale Bahnhof des Nahverkehrs ZOB heute platzbedingt nicht mehr vor dem Bahnhof sondern auf dem Platz hinter dem ehemaligen Verwalzungsgebäude ist. Von hier fahren die Linien des Lübecker Stadtverkehrs, der Autokraft und der Firma Dahmetal. Vom Bahnhof aus ist er am schnellsten durch den 2007 verbreiterten Gang durch das einstige Verwaltungsgebäude erreichbar.

Unter ästhetischen Gesichtspunkten war die Höhe der Gebäude, welche aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich war, im Sinne des Empfangsgebäudes zu bedauern. Der Versuch, diese Momente in Einklang zu bringen, sei beim Verwaltungsgebäude noch ge- beim Hotel Viktoria mit seinen missglückten Giebeln und dem Haus Automat, nach dem Krieg stand hier die Post und heute die Lindenarcaden, jedoch eher misslungen.

Manche Einzelheiten des Hauses Automat waren gegenüber der vorhergehenden Mietshausarchitektur, obgleich dessen nicht auszurottender Eckturm missfiel, fortschrittlich. Johan Heinrich Mahn verglich es in seiner architektonischen Betrachtung aufgrund seiner Grunstücksform mit dem Flatiron Building Neuyorks und bezeichnete das schmale überhohe Gebäude, welchen er abschätzig als Kasten bezeichnete, als abstoßend.

Die Brücke über die Fackenburger Allee hat eine aus praktischen Zwecken entwickelte Form. Sie ist aus Gründen der dekorativen Wirkung durch Kunstformen an den Geländern und Lichtmasten sowie besonderen Schmuck ergänzt worden.

Der Blick vom Lindenplatz wurde vorerst durch die Brandmauer des Verwaltungsgebäudes verdorben. Bedingt durch dessen dem Bahnhofsgebäude verwandte Formen ist dessen Wirkung edel und vornehm. Die im stumpfen Winkel gebrochene Front ist durch Pilaster in einfachster, jedoch straffer, rhythmischer Weise gegliedert. Obwohl deren Turm lt. Der Kritik zu entbehren gewesen wäre, sei es frei von Übertriebenheiten, materialgerecht und würdig. Deren Dachlösung, die ähnlich des Leibholzhauses in der Innenstadt war, fand hier im Gegensatz zur Holstenstraße in der Komposition der Gebäude allgemeines Wohlgefallen.[4]

Die Zuwegung zum Bahnhof war von einem malerischem Reiz der seinesgleichen suchte. Zwar beeindruckte das schwere, wuchtige Holstentor den Besucher am altem Bahnhof als ein Zeuge großer Vergangenheit (siehe analog den Dom zu Köln an deren damaligem Kopfbahnhof), jedoch wirkte der Eingang in die Holstenstraße mit dem abfällig als Warenhauswand bezeichneten Leibholz-Haus und die Geschäftshäuser an der Untertrave eher beschämend als repräsentativ. Das grün des Lindenplatzes reckt sich schlank der Petrikichturm. Geht man auf ihn zu, baut sich ein Teil der Altstadt auf. Nach dem Durchschreiten der alten Linden geht es über die neue Puppenbrücke von dessen Scheitel man auch das Holstentor und die Marienkirche erblickt. Die Steigerung der Bildschönheiten ist das Charakteristische des Weges.

Weblinks

Einzelverweise

  1. Vaterstädtische Blätter: Lübeck, den 17. März 1907, Artikel: Der neue Güter- und Rangierbahnhof
  2. Vaterstädtische Blätter; Lübeck, den 3. Mai 1908, Artikel: Die Entwicklung der Lübeck-Büchener Eisenbahn
  3. Lübeckische Blätter: Jg. 50, Ausgabe Nr. 24 vom 14. Juni 1908, Artikel: Der neue Bahnhof – Das Empfangsgebäude
  4. Lübeckische Blätter: Jg. 50, Ausgabe Nr. 25 vom 21. Juni 1908, Artikel: Der neue Bahnhof - Bahnhofsplatz und Zuwegung

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hauptbahnhof (Lübeck) — Lübeck Hauptbahnhof Bahnhofsgebäude Bahnhofsdaten Kategorie Regionalknoten, Fernverkeh …   Deutsch Wikipedia

  • Lübeck Hbf — Lübeck Hauptbahnhof Bahnhofsgebäude Bahnhofsdaten Kategorie Regionalknoten, Fernverkeh …   Deutsch Wikipedia

  • Lübeck-Kleinener Eisenbahn — Lübeck–Bad Kleinen Kursbuchstrecke (DB): 175 (DR: 782) Streckennummer: 1122 Streckenlänge: 61,9 km …   Deutsch Wikipedia

  • Hauptbahnhof Hamburg — Hamburg Hauptbahnhof Hamburger Hauptbahnhof einer der Uhrentürme Bahnhofsdaten Kategorie Fernverke …   Deutsch Wikipedia

  • Lübeck-Büchener Eisenbahngesellschaft — Die Lübeck Büchener Eisenbahn (LBE) war ein Unternehmen, das den Eisenbahn Verkehr zwischen den Orten Lübeck und Büchen sowie Hamburg betrieb. Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1.1 Vorgeschichte 1.2 Aufbau des Streckennetzes 1.3 Entsteh …   Deutsch Wikipedia

  • Lübeck — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Hauptbahnhof Kiel — Kiel Hauptbahnhof Haupteingang des Bahnhofs Bahnhofsdaten Kategorie Fernverkehrssystemhalt …   Deutsch Wikipedia

  • Hauptbahnhof Berlin — Berlin Hauptbahnhof Blick von der Spree auf die Südfront des Bahnhofs Bahnhofsdaten …   Deutsch Wikipedia

  • Lübeck-Büchener Eisenbahn — (160∙87 km), teils in Preußen, teils in dem Gebiet der freien und Hansestädte Lübeck und Hamburg und teils in Oldenburg (Fürstentum Lübeck) gelegene Privateisenbahn mit dem Sitz der Gesellschaft in Lübeck, besteht aus den Linien Lübeck Büchen… …   Enzyklopädie des Eisenbahnwesens

  • Bahnstrecke Lübeck-Travemünde — Lübeck–Lübeck Travemünde Strand Kursbuchstrecke (DB): 104 Streckennummer: 1100, 1113–1115, 1117 Streckenlänge: 20,6 km …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”