Lübecker Jakobikirche

Lübecker Jakobikirche
Der markante Glockenturm

Die Jakobikirche ist eine der fünf evangelisch-lutherischen Hauptpfarrkirchen in der Lübecker Altstadt.

Sie wurde im Jahre 1334 als Kirche der Seefahrer und Fischer geweiht, die ihr Schütting noch heute in der gegenüberliegenden Schiffergesellschaft haben. Ihr Patron ist der Heilige Jakobus der Ältere; die Kirche ist eine Station auf einem Zweig des Jakobswegs von Nordeuropa nach Santiago de Compostela. Seit September 2007 ist die nördliche Turmkapelle der Kirche als Pamir-Kapelle Nationale Gedenkstätte für die zivile Seefahrt.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Die Nordseite - Ansicht vom Koberg
Detail: Opferstock an der Königstraße

Die Jakobikirche ist eine dreischiffige Backsteinhallenkirche. Der heutige Bau am Koberg entstand um 1300 und ersetzte nach dem großen Stadtbrand von 1276 eine romanische Hallenkirche an gleicher Stelle, die bereits um 1227 erwähnt wurde.[1]. Es wird vermutet, dass Rundbogenfriese im Bereich des Kirchturms und der Seitenschiffsmauern Bestandteile dieses Vorgängerbaus sind. Seit dem gotischen Neubau um 1300 hat die Kirche drei Schiffe mit fünf Jochen, die im Osten jeweils von einem Chor abgeschlossen werden. Die Wände des Mittelschiffs überragen die beiden Seitenschiffe um fünf Meter. Der Turm der Kirche verrät ähnlich wie der von St. Petri etwas über die im Laufe der Zeit wechselnden Bauabsichten. Zunächst als mittiger Einzelturm geplant und in der Ausführung begonnen, wurden die nördliche und die südliche Seitenkapelle so stark ausgeführt, das zunächst wie auch bei St. Petri der Plan bestanden haben muss, die Kirche wie die Marienkirche und den Dom mit einer Doppelturmanlage auszustatten. Auch der Plan, die Hallenkirche wohl Ende des 13. Jahrhunderts zu einer Basilika umzubauen, ist aus den heute noch vorhandenen Baubefunden ablesbar, die begonnene Umsetzung aber wieder aufgegeben worden.[2] Die Hauptbauzeit des heutigen Baukörpers wird anhand von Quellen die gotischen Altäre betreffend bestimmt. Für einen neuen Altar wurde 1287 eine Vikarie gestiftet. Dieser Altar ist dann für 1312 belegt. Der neue Altartisch mit dem Chor wurde im Jahr 1334 von Bischof Heinrich II. Bochholt geweiht.[3] Auf diesen Altartisch wurde 1435 als Altaraufsatz das älteste erhaltene Lübecker Hochaltar-Retabel von der Hand des Meisters des Jakobialtars gestiftet, vermutlich durch die Pfarrgemeinde. Er befindet sich heute in der Mittelaltersammlung des Staatlichen Museums Schwerin.

Der Turm dieser Kirche überragte den First des Mittelschiffs zunächst nur um zwei Vollgeschosse. Darüber befanden sich Spitzgiebel wie bei der Marienkirche. Darüber befand sich die achteckige Pyramide des Turmhelms. Der Turm dürfte zu den problematischeren der Lübecker Kirchtürme gehören. Der Lesemeister Detmar berichtet in seiner Chronik, das sich 1375 im Sturm ein Viertel des Turmdachs löste und auf den Hof des Heiligen-Geist-Hospitals geweht wurde.[4] 1628 wurde der Turm „bis zu den Glocken“ abgenommen und erhielt nach der Erneuerung des Mauerwerks 1636 zunächst ein einfaches Bretterdach. Die Turmspitze wurde erst 1657/58 erneuert und erhielt erst jetzt die heute für die Kirche so typischen vier Kugeln an den Turmecken, die damit die vier Ecktürmchen von St. Petri aufnahmen, aber nicht kopierten. Über diese Sanierung und alle daran Beteiligten berichtet eine in Kupfer geritzte Urkunde des Lübecker Rechenmeisters Arnold Möller, die auch Brände überdauerte.[5] Die Turmspitze wurde mehrfach, zuletzt 1901, vom Blitz getroffen und brannte 1901 etwa einen Tag lang.

Unter den angebauten Kapellen dürfte die Brömbsen-Kapelle wegen des darin erhaltenen Brömbsen-Altars an der Südseite die bekannteste sein. Sie geht auf eine Stiftung des Domherrn Detmar Schulop im Jahr 1338 zurück und ging 1488 an den Lübecker Bürgermeister Heinrich Brömse über. Sie blieb bis 1826 im Besitz seiner Familie. 1877 fiel sie von einem Testamentsvollstrecker der Familie Brömse an die Kirche zurück. Die daneben befindliche Vellin- oder Warendorp-Kapelle beruht auf einer Stiftung des Ratsherrn Gotthardt Vellin († 1350) zurück und ging mit dem Tod von dessen Witwe auf die Familie Warendorp über, die sie bis in das 18. Jahrhundert inne hatte. An der Nordseite gegenüber der Brömbsenkapelle befindet sich die Hoghehus- oder auch Haleholtscho-Kapelle, von die Konrad Hogehus († 1351) gestiftet wurde. Später ging sie nacheinander in den Besitz der Familien Haleholtscho, Warendorp, von Dorne (1712) über. Die beiden weiteren im Westen der Nordseite gelegenen Kapellen sind für das Jahr 1392 bezeugt. Die Sakristei der Kirche im Südosten ist ein Anbau vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Das Muschelmotiv ihrer Holztäfelung von 1667 erinnert an die Muschel als Symbol der Jakobspilger. Die Turmkapelle unter dem Mittelturm befand sich im Besitz der Zunft der Brauer. Die Kapelle nördlich des Turms wurde nach dem Lübecker Bürgermeister Hinrich Witte als Wittenkapelle, später wegen der dort gelagerten Ausstattung Sargträgerkapelle genannt. Diese Kapelle erinnert heute an den Untergang der Pamir. Derzeit (2007) laufen Umbauarbeiten, durch die unter dieser Kapelle eine neue Grabanlage für Urnen geschaffen werden soll.

Die südliche Turmkapelle war früher die Marientiden-Kapelle.

Der Dachreiter wurde nach der Chronik des Reimar Kock 1496 errichtet. Er wurde aber von einem Sturm alsbald wieder herabgeweht. Allerdings muss er um die Mitte des 16. Jahrhunderts erneut errichtet worden sein, weil er sich zeitlich nach dieser Nachricht bereits 1552 wieder auf dem großen Lübecker Holzschnitt des Elias Diebel findet. Der heutige Dachreiter ist eine barocke Schöpfung aus den Jahren 1622–28.[6]

Die bedeutenden mittelalterlichen Fresken der Kirche wurden bei Renovierungsarbeiten Ende des 19. Jahrhunderts wieder entdeckt.

Das Rettungsboot der Pamir vor dem Umbau 2007 in der nördlichen Turmkapelle

Die Jakobikirche blieb als eine der wenigen Lübecker Kirchen während des Bombenangriffs in der Palmsonntagsnacht 1942 unbeschädigt. Sie verfügt daher als einzige Lübecker Kirche über zwei alte Orgeln.

Neben der Kirche, zum Koberg hin, befinden sich die Pastorenhäuser im Stil der niederländischen Backsteinrenaissance.

Ausstattung

Orgel an der Westwand
Stellwagen-Orgel
  • In der Kirche befindet sich in der nördlichen Turmkapelle eine Gedenkstätte für die auf See gebliebenen Lübecker Seeleute. Hier steht auch das Wrack eines Rettungsbootes der 1957 gesunkenen Viermastbark Pamir, bei deren Untergang 80 der 86 Besatzungsmitglieder ums Leben kamen. Die Gedenkstätte wurde am 21. September 2007 nach dem Willen der Kirchengemeinde, der Landes- und der Bundesregierung zur Nationalen Gedenkstätte für die zivile Seefahrt erklärt. Unter der Kapelle entsteht eine Urnengrabstätte für Seefahrer.
  • Die Kirche enthält eine reiche Innenausstattung. Die große Orgel an der Westwand war ursprünglich ein gotisches Blockwerk, wurde aber im Barock mehrfach erweitert und umgebaut. Die kleine Orgel (Stellwagenorgel; Nordorgel) ging ebenfalls aus einer mittelalterlichen Orgel hervor (1467), wurde aber 1636/1637 von Friedrich Stellwagen umgebaut, und zählt heute zu einer der bedeutendsten Orgeln Europas.
  • Die eherne Fünte von 1466 wurde von dem Rotgießer Klaus Grude gegossen.
  • Die Turmuhr stellt eine Besonderheit dar, da sie als Einzeigeruhr nur die Stunden anzeigt.
  • In der Glockenstube hängt ein wertvolles Geläut, dessen Klang maßgeblich durch die chromatische Tonfolge der drei großen Glocken geprägt wird. Die Glocken werden im Folgenden vorgestellt:
Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer
 
Durchmesser
(mm)
Gewicht
(kg)
Nominal
(16tel)
1 Pulsglocke 1507 Geert van Wou 1871 4500 a0 +7
2 Predigtglocke 1756 Johann Hinrich Armowitz 1632 2537 ais0 +3
3 Bürgerglocke 1743 Lorenz Strahlborn 1730 3338 h0 −4
4 Abendglocke 1619 Berend Bodemann 1300 1800 e1 +6
  • Die Kanzel ist aus dem Jahr 1698.
  • Der Broemsenaltar, gestiftet um 1515 von dem Bürgermeister Heinrich Brömse. Das Relief im Mittelteil stammt aus der Werkstatt von Heinrich Brabender in Münster/Westfalen. Dieses um 1500 entstandene Kunstwerk zählt aufgrund seiner virtuosen Bildgestaltung zu den wichtigsten Lübeck. Die Darstellung der Familie Brömse auf den Altarflügeln entstand etwas später um 1515.

Kirchenmusik

Der Pastor Axel Werner Kühl gewann 1930 für die Gemeinde den Studienrat und Kirchenmusiker Bruno Grusnick als Kantor. Beide gemeinsam lernten kurz darauf den Komponisten und Kirchenmusiker Hugo Distler kennen, der 1931 auf Vermittlung von Günther Ramin die Organistenstelle der Kirche antrat und die Kirchenmusik an Jakobi erstmals aus dem Schatten der Marienorganisten herausführte. Die Jakobikirche wurde damit zu einem wichtigen Zentrum der Erneuerungsbewegung der evangelischen Kirchenmusik in der ausgehenden Weimarer Republik. Weitere bekannte Organisten der Kirche waren Georg Wilhelm Saxer und Manfred Kluge. Die Jakobikirche dient häufig als Konzertsaal für Orgelkonzerte.

Pastoren

Kreuzweg

Beginn des Kreuzweges an der Außenwand von St.Jacobi
Station im Detail

An der Nordseite des Kirchenschiffes findet sich eine Reliefplatte, die die erste Station des ältesten erhaltenen Kreuzweges in Deutschland markiert. Der Lübecker Kreuzweg führt von hier aus zunächst durch die Breite Straße zum Kanzleigebäude und wieder zurück durch die Große Burgstraße, das Burgtor und über das Burgfeld zum Endpunkt auf dem Jerusalemsberg in der Vorstadt St. Gertrud.

Literatur

  • Götz J. Pfeiffer: „Im Chor war früher der hohe Altar von Holtz geschnitten“. Zur Geschichte und Malerei des Coronatio-Retabels von 1435 aus St. Jakobi zu Lübeck, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde, 87, 2007, S. 9-40.
  • Johannes Baltzer, Friedrich Bruns: Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Herausgegeben von der Baubehörde. Band III: Kirche zu Alt-Lübeck. Dom. Jakobikirche. Ägidienkirche. Verlag von Bernhard Nöhring, Lübeck 1920, S. 305-449. Unveränderter Nachdruck 2001: ISBN 3-89557-167-9
  • Lutz Wilde, Armin Schof: St. Jakobi. Heft 8 der Lübecker Führer, Schmidt-Römhild, Lübeck 1979, ISBN 3795010225

Einzelnachweise

  1. Baltzer aaO., S. 305 mit Hinweis auf die Überlieferung bei Jacob von Melle
  2. Baltzer, sso., S.313 ff.
  3. Baltzer, S. 315.
  4. Zit. nach Baltzer, S. 318.
  5. Wiedergabe bei Baltzer, S. 319 ff.
  6. Baltzer, S. 331.

Weblinks

53.871310.6891666666677Koordinaten: 53° 52′ 16,7″ N, 10° 41′ 21″ O


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