Anwaltsnotar

Anwaltsnotar
Ein junger Notar an seinem Schreibpult, um 1830

Der Notar (lat. notarius, Geschwindschreiber) ist als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes für die Beurkundung von Rechtsvorgängen und für andere Aufgaben auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege in den Ländern bestellt (§ 1 Bundesnotarordnung).

In Deutschland amtieren derzeit ca. 9000 Notare. Regional verschieden sind entweder hauptberufliche Notare (sog. Nur-Notare) zu finden oder Anwaltsnotare, die zugleich als Rechtsanwalt zugelassen sind. Der Erstbewerber für ein Notaramt darf nicht älter als 60 Jahre sein. Der Notar kann sein Amt bis zur Vollendung seines 70. Lebensjahres ausüben. Notare, insbesondere die Nur-Notare, gelten innerhalb der juristischen Profession oft als besonders angesehen.

Zum Notar darf nur ein deutscher Staatsangehöriger bestellt werden, der die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt hat, also ein Volljurist mit erfolgreich abgelegtem 2. Staatsexamen (siehe Deutsches Richtergesetz). Ausnahmen hiervon gibt es allein in Baden-Württemberg (s. u.) und – übergangsweise – in den fünf neuen Bundesländern.

Das Berufsrecht der Notare ist bundeseinheitlich in der Bundesnotarordnung (BNotO) geregelt. Notare müssen unabhängig und unparteiisch sein und unterliegen der Verschwiegenheitspflicht. Sie unterliegen der Aufsicht der Landesjustizverwaltung.

Inhaltsverzeichnis

Haupttätigkeiten

Notar. Bild von Kv. Massis, 16. Jh.

Die Haupttätigkeit des Notars ist die Beurkundung von Rechtsgeschäften jeglicher Art und die Beglaubigung von Unterschriften. Dabei ist er unbedingt zur Unparteilichkeit verpflichtet, was ihn vom Rechtsanwalt, der die Interessen einer Partei vertritt, unterscheidet. Die Kerntätigkeit des Notars bezieht sich auf folgende Rechtsgebiete:

Eine Reihe vom Gesetzgeber ausdrücklich genannter Rechtsgeschäfte wie z. B. Grundstückskaufverträge, Gesellschaftsgründungsverträge oder Erbverträge bedürfen der notariellen Beurkundung; andere, wie z. B. Testamente, können notariell beurkundet werden. Beurkundungspflichtige Verträge können, müssen aber nicht zwangsläufig durch den Notar entworfen werden. Der Vertragsentwurf kann auch durch die Beteiligten selbst oder durch Rechtsanwälte erstellt werden.

Eine Besonderheit der notariellen Urkunde besteht bei entsprechender Gestaltung in Deutschland und manchen anderen Ländern darin, dass die darin enthaltenen Ansprüche „sofort vollstreckbar“ sind. Dies heißt, dass die Ansprüche ohne vorheriges Klageverfahren durchgesetzt werden können. So kann etwa der Verkäufer eines Grundstückes seinen Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises mittels staatlichen Zwanges (Gerichtsvollzieher etc.) durchsetzen, ohne dass er zuvor den Käufer auf Zahlung verklagen muss.

Der Notar ist verpflichtet, die Urkundsbeteiligten zu betreuen und in juristischen Fragen so umfassend zu beraten, dass er ihren Willen urkundlich erfassen kann. Ohne triftigen Grund darf ein Notar keine Amtshandlung verweigern. Wegen der Unparteilichkeit und Neutralität des Notaramtes darf der Notar nicht tätig werden in Angelegenheiten, die ihn selbst betreffen oder in Angelegenheiten seiner nahen Verwandten. Der deutsche Notar darf zwar grundsätzlich seinen Bezirk für seine Amtshandlungen nicht verlassen, ist aber international zuständig.

Aufklärung und Belehrung sind weitere Amtspflichten des Notars, bei deren Nichteinhaltung der Notar mit seinem gesamten Vermögen haftet. Er ist gesetzlich zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet. Die Höhe der Haftpflichtversicherung legt der Notar selbst fest; sie muss aber mindestens EUR 500.000 je Versicherungsfall betragen (§ 19a BNotO).

Für die Ausübung seiner Amtstätigkeit steht dem Notar ein Dienstsiegel zur Verfügung. Er hat ein Urkundenregister zu führen. Werden Gelder beim Notar hinterlegt, hat er hierfür spezielle Anderkonten einzurichten. Ein Anderkonto ist dazu bestimmt, hinterlegte Gelder (z. B. aus Kaufverträgen) ordnungsgemäß zu verwalten.

Ist der Notar für einen bestimmten Zeitraum (z. B. Urlaub) verhindert, sein Amt auszuüben, so wird für ihn im Regelfall von der Aufsichtsbehörde (das ist i. d. R. der Präsident/die Präsidentin des Landgerichts in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat) ein „Notarvertreter“ bestellt. Ist eine Notarstelle unbesetzt (z. B. wegen Tod des Notars, Amtsniederlegung, Amtsenthebung oder Versetzung des Notars auf eine andere Notarstelle), so wird bis zur Neubesetzung der Stelle ein Notariatsverwalter (früher: „Notariatsverweser“) bestellt und tätig.

Hauptberufliche Notare

Hauptberufliche Notare gibt es in Bayern, Rheinland-Pfalz, in Teilen Nordrhein-Westfalens, Baden-Württembergs (Minderheit), in Hamburg, im Saarland und in allen neuen Bundesländern (nicht in Berlin). Das hauptberufliche, sogenannte Rheinische Notariat in den alten Bundesländern geht auf ein französisches Revolutionsdekret vom 6. Oktober 1791 zurück, das in den von Frankreich annektierten linksrheinischen Gebieten 1798 bzw. 1801, in den in Nordwestdeutschland annektierten Gebieten 1811 eingeführt wurde und dort z. T. bis heute Geltung hat. Durch das sogenannte Ventôse-Gesetz vom 16. März 1803 sowie die Verordnung betreffend die Notarkammern vom 24. Dezember 1803 wurde im den rheinischen Arrondissements darüber hinaus jeweils eine eigene Notarkammer eingerichtet.

Hauptberufliche Notare dürfen keine weitere bezahlte Amtstätigkeit oder einen weiteren gewerblichen Beruf ausüben. Eine bezahlte Nebentätigkeit darf nur auf Antrag bei und mit Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde ausgeübt werden, ebenso eine Tätigkeit im Vorstand, im Aufsichtsrat oder als Berater eines Unternehmens. Der Anwaltsnotar hingegen kann daneben Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer sein.

Um hauptberuflicher Notar zu werden, muss man sich bei der Justizverwaltung des Landes bewerben, in dem man später als Notar arbeiten will. Von dieser wird man, nach entsprechender fachlicher und persönlicher Eignung zum Notarassessor ernannt und nach Anhörung der örtlichen Notarkammer von dessen Präsidenten an einen Notar überwiesen. Der Dienst als Notarassessor geht in der Regel über drei Jahre.

Der Notarassessor kann sich auf frei werdende Notarstellen, die ausgeschrieben werden, bewerben. Ist seine Bewerbung erfolgreich, wird er nach Anhörung der Notarkammer von der Landesjustizverwaltung zum Notar ernannt. Ihm wird ein Amtssitz zugewiesen. Das sind Städte unter 100.000 Einwohner oder, wenn mehr Einwohner, ein Stadtteil oder Amtsgerichtsbezirk. Der Amtsbereich eines Notars umfasst den Bezirk des Amtsgerichtes, in dem der Notar seinen Amtssitz hat. Der Amtsbezirk des Notars wiederum ist der Bereich des Oberlandesgerichtsbezirkes, in dem der Notar seinen Amtssitz hat.

Anwaltsnotare

Gerichtsbezirke, die vor dem 1. April 1961 das Amt des Notars im Nebenberuf mit einem Anwalt besetzten, müssen dies auch weiterhin. Anwaltsnotare finden sich daher in Bremen, Berlin, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Teilen Nordrhein-Westfalens, Hessen und im württembergischen Rechtsgebiet Baden-Württembergs.

Um Anwaltsnotar zu werden, muss der sich bewerbende Anwalt eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung aufweisen und in dem Amtsbereich, in dem er tätig werden möchte, drei Jahre ununterbrochen als hauptberuflicher Anwalt tätig gewesen sein. Dazu muss er bestimmte Fortbildungen absolviert haben. Seine Bestellung verläuft wie die eines hauptberuflichen Notars. Um überhaupt Notar zu werden - auch als Notar, der gleichzeitig Anwalt ist - sind strenge gesetzliche Vorgaben zu erfüllen. Denn das Amt des Notars oder Notars, der gleichzeitig Anwalt ist, hat in vielen Bereichen höchste staatliche Funktionen, die unter anderem früher durch Gerichte ausgeübt wurden. Darum erkennt man ein Notariat am Landeswappen an der Kanzlei.

Der Anwaltsnotar ist Rechtsanwalt und gleichfalls Notar. Er muss im Einzelfall klar zum Ausdruck bringen, ob er als Rechtsanwalt oder Notar tätig wird. Wird er als Notar tätig, ist er ohne Einschränkungen an die Bundesnotarordnung gebunden, insbesondere also an seine Pflicht zur Unparteilichkeit. Als Rechtsanwalt dagegen ist er in Übereinstimmung mit den für Rechtsanwälte geltenden gesetzlichen und standesrechtlichen Vorschriften verpflichtet, als Interessenvertreter seines Mandanten zu agieren. Im Einzelfall ergeben sich häufig Abgrenzungsschwierigkeiten.

Die Zulassung zum Anwaltsnotariat erfolgt auf Grund unterschiedlicher, landesrechtlicher Vorschriften, die aufgrund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes derzeit überarbeitet werden.

Im Vergleich zu 2007 ist die Zahl der Anwaltsnotare um 135 auf 6920 Amtsträger gesunken. Insgesamt waren am 1. Januar 2008 unter Einbeziehung der hauptamtlichen Notare bundesweit 8513 Notare zugelassen.

Besonderheiten in Baden-Württemberg (Amtsnotare etc.)

Besonderheiten gelten aus historischen Gründen gemäß §§ 114, 115 BNotO in Baden-Württemberg. In Württemberg ist ein Großteil der Notare nicht Volljurist, der dortige „Bezirksnotar“ hat eine fünfjährige Ausbildung an der Notarakademie Baden-Württemberg erhalten und ist Beamter im gehobenen Dienst. Der badische „Amtsnotar“ ist zwar Volljurist, aber nicht „unabhängiger“ Träger eines öffentlichen Amtes, sondern ebenfalls Beamter (daher auch „Richter-Notar“). Er ist Beamter im höheren Dienst.

Im württembergischen Rechtsgebiet gibt es neben wenigen hauptberuflichen Notaren und Anwaltsnotaren in der Hauptsache beamtete Notare (Bezirksnotare). Diese erwerben die Befähigung zum Amt eines Bezirksnotars durch eine besondere Ausbildung an der Notarakademie und Ablegung der Notarprüfung. Im badischen Rechtsgebiet hingegen gibt es nur beamtete Notare mit der Befähigung zum Richteramt (Amtsnotare).

Die Bezirksnotare im württembergischen Teil im Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart sind auch als Grundbuch-, Nachlass- und Vormundschaftsrichter tätig. Die Amtsnotare im badischen Teil des Oberlandesgerichtsbezirks Stuttgart und im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe sind ebenfalls als Nachlass- und Grundbuchrichter tätig. Beide führen auch die Grundbücher.

Die Notarakademie Baden-Württemberg ist die Studieneinrichtung für die Notaranwärter im Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des Bezirksnotars in Württemberg. Nach einem fünfjährigen Studium, das neben den fachwissenschaftlichen Inhalten auch praxisorientiert ist, erwerben die Studenten mit erfolgreicher Absolvierung der Notarprüfung die Befähigung zum Amt des Bezirksnotars. Die Notarakademie Baden-Württemberg ist darüber hinaus auch für die Fortbildung der beamteten Notare in Baden-Württemberg und für Auskünfte nach § 4 der 1. VVLFGG über das internationale Privatrecht (IPR) zuständig. IPR-Auskünfte werden allerdings nur Gerichten und staatlichen Notariaten in Baden-Württemberg erteilt.

Am 9. Oktober 2007 hat die CDU-Landtagsfraktion von Baden-Württemberg der Vorbereitung einer Notariatsreform für Baden-Württemberg zugestimmt[1]. Damit sind sich die Regierungsfraktionen von Baden-Württemberg CDU und FDP [2] einig, dass bis zum Jahr 2018 das beamtete Notariat in ein freiberufliches Nur-Notariat überführt werden soll. Diese Absicht, eine Notariatsreform herbeizuführen, wurde im Koalitionsvertrag für die 14. Legislaturperiode des Landtags von Baden-Württemberg[3] vereinbart und nun auf politischer Ebene beschlossen. Am 18. Dezember hat die Landesregierung einen entsprechenden Beschluss gefasst, nachdem verbeamtete Notare in Baden-Württemberg insgesamt abgeschafft werden sollen.[4]

Vergütung

Notare erheben für ihre Tätigkeit Gebühren nach der Kostenordnung (KostO). Diese müssen vom Notar erhoben werden, abweichende Kostenvereinbarungen mit ermäßigten oder erhöhten Kosten sind unwirksam. Die Kostenrechnungen werden durch den Landgerichtspräsidenten oder eine Notarkasse (A.d.ö.R.) in regelmäßigen Abständen überprüft. Damit soll die Unparteilichkeit des Notars gewährleistet werden. In aller Regel werden einem Amtsgeschäft des Notars nach einer Kostentabelle wertmäßig gesetzlich festgelegte Gebühren zugeordnet. Die Notarkosten richten sich daher nicht nach dem Aufwand, sondern nach dem Wert, auf den sich die notarielle Tätigkeit bezieht (dem Geschäftswert). Bei einem Grundstückskauf ist dies regelmäßig der Kaufpreis.

Die Abgabe eines verbindlichen Kostenvoranschlages bereits vor dem Tätigwerden durch den Notar (Durchführung der Beurkundung oder Beglaubigung) ist häufig nicht möglich, da sich die anfallenden Gebühren nach den in den Urkunden enthaltenen Bestimmungen und Regelungen sowie nach den einzelnen durch den Notar vorzunehmenden Tätigkeiten richten. Diese Tätigkeiten stehen letztendlich erst mit Unterzeichnung der einzelnen Urkunden fest. Alle Aussagen von Notaren und Notariatsangestellten im Vorfeld einer Beurkundung/Beglaubigung haben keinerlei bindende Wirkung und stellen lediglich kostenrechtliche Anhaltspunkte dar.

Notarhaftung

Der Notar haftet für den durch fahrlässige und vorsätzliche Amtspflichtverletzungen entstandenen Schaden gemäß § 19 Bundesnotarordnung (BNotO) in Verbindung mit § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Streitverkündung gegen einen Notar im Zivilprozeß ist ein beliebtes Mittel, um u.a die Hilfe durch den Notar vor Gericht zu bekommen und die Verjährung der Ansprüche gegen den Notar zu verhindern. Noch lassen die Gerichte in Deutschland das zu und verwerten auch im Folgeprozeß die Feststellungen des Erstprozesses gegen den Notar. Dies begegnet wichtigen Bedenken, weil der Notar immer neutral bleiben muss, wenn die Parteien z.B aus einer Urkunde, die er errichtet hat, streiten. Ansonsten muss er sowieso neutral bleiben. Darum wird vom Verfasser bestrebt, alle Versuche für unzulässig zu erklären, die den Notar in einen Streit der Vertragsparteien oder Dritte hineinziehen sollen. Dies gilt um so mehr als häufig die Haftpflichtversicherung des Notars diesem verbietet - aus Kostengründen - dem Rechtsstreit beizutreten. Leistet der Notar dieser Weisung Folge, damit er seinen Versicherungsschutz nicht verliert, kann er später schutzlos werden und auch disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Er darf nämlich häufig nach noch geltendem Recht im Folgeprozeß unstreitg getätigte Vorträge der Parteien nicht mehr bestreiten oder anders außer Kraft setzten. Diese Zwangslage zum Nachteil des Notars ist verfassungsrechtlich bedenklich.

Amtsenthebung von Notaren

Der Notar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) unterliegt strengen berufsständischen Anforderungen und Regeln bei der Ausübung seiner Amtstätigkeit. Das Amt des Notars erlischt durch Erreichung einer bestimmten Altersgrenze oder durch andere Erlöschensgründe nach § 47 BNotO. Zur Wahrung der Zuverlässigkeit und des Ansehens seines Berufsstandes ist der Notar unter bestimmten Voraussetzungen seines Amtes zu entheben. Diese Voraussetzungen sind in den Ziffern 1 bis 10 des § 50 Absatz 1 BNotO geregelt. Hierüber wacht die Dienstaufsicht über Notare gem. §§ 92 ff BNotO.

Der Notarberuf in anderen Staaten

Büro eines Notars in Vigo, Spanien

In den meisten Staaten Kontinentaleuropas findet sich das Berufsbild des Notars lateinischer Prägung, d. h. des Notars, der unabhängiger und unparteiischer Berater ist und dem sein Amt vom Staat als öffentliches Amt verliehen wird. Das lateinische Notariat, das seine Ursprünge im römischen Recht findet, ist traditionell neben Deutschland auch in Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der West- und Zentralschweiz und Spanien vertreten. In Mittel– und Osteuropa haben Albanien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Mazedonien, Moldawien, Polen, Rumänien, Russland, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn das lateinische Notariat angenommen. Auch außerhalb Europas ist das lateinische Notariat weit verbreitet. Die Berufsorganisationen aus 76 Ländern mit lateinischem Notariat haben sich in der Internationalen Union des Notariats (UINL) zusammengeschlossen. In Europa vorherrschend ist innerhalb der lateinischen Tradition das „Trennungsmodell“ französischer Prägung (gekennzeichnet durch das freiberufliche Nur-Notariat).

Gänzlich anders ist der notary oder notary public des angelsächsischen Rechtskreises einzuordnen. In den Vereinigten Staaten und Großbritannien hat der notary meist nur die Aufgabe, Unterschriften zu beglaubigen, eine rechtliche Beratung übernimmt er nie.

Der Notar - ursprünglich Repräsentant des Königs - kann im angelsächsischen Recht gesetzlich geforderte oder erlaubte Eide abnehmen, Urkunden, Pfandverschreibungen, Hypotheken, Vollmachten und andere Schriftstücke im Rechtsverkehr beglaubigen und Einsprüche protokollieren. Bei der Abnahme von eidesstattlichen Versicherungen nimmt er richterliche Funktionen wahr und kann Zeugenvernehmungen und Zwangsmittel anordnen.

Nur in den vormals französisch geprägten Teilen der USA (Louisiana) und Kanadas gibt es das lateinische Notariat. Zur besseren Unterscheidbarkeit wird der Notar lateinischer Prägung im Englischen als „Civil Law Notary“ bezeichnet.

Vom freien Notariat zu unterscheiden ist auch das „Amtsnotariat“, wobei öffentliche (zwingend zum Beweis zugelassene) Urkunden durch vereidigte Beamtennotare errichtet werden. In der Regel erfolgt der Urkundsentwurf durch einen beratenden frei praktizierenden Juristen. Das Schriftstück wird in der Folge vom „Amtsnotar“ des in der Angelegenheit zuständigen Amtes (Grundbuchamt, Zivilstandsamt, Handelsregisteramt etc.) beurkundet. In den meisten Kantonen der Ostschweiz herrscht diese Organisationsform der notariellen Tätigkeit vor. Die Ausbildung der Schweizer Amtsnotare erfolgt regelmäßig über eine kaufmännisch-administrative Berufslehre und eine anschließende berufsspezifische juristische Weiterbildung an einer Hochschule.

Ein vergleichbares System stellte früher das reine Staatsnotariat Portugals dar, in dem Notariate zwar als eigenständige Ämter existieren, die jedoch Behördencharakter besaßen. Auch hier waren Notare Staatsbeamte und die Beratungsfunktion spielte nur eine untergeordnete Rolle (weiterführende Angaben unter dem Stichwort Amtsnotar). Obwohl die damalige Notariatsverfassung Portugals starke Ähnlichkeiten zum englischen Modell aufwies, wurde das portugiesische Notariat traditionell in der Regel dem lateinischen Kreis zugerechnet.

Geschichte

Im römischen Reich arbeiteten in Kammern organisierte Tabellionen als glaubwürdige Personen mit dem Auftrag, Urkunden für Private auszustellen. Auf dieser Tradition fußt das italienische Notariat des frühen Mittelalters, das in Süditalien durch die Konstitutionen Friedrichs II. von 1231 durch die Notwendigkeit, Urkunden auch durch einen Richter beglaubigen zu lassen, an Bedeutung verlor. In Mittel- und Norditalien stieg das Selbstbewusstsein der Notare mit dem steigenden Interesse am römischen Recht und der verbesserten juristischen Ausbildung insbesondere an der Universität Bologna. Die Loslösung der oberitalienischen Städte aus dem Reichsverband stellte neben die notarii sacrii palatii oder notarii domini imperatoris auch städtische Notare. Die juristische Diskussion des 12. und 13. Jahrhunderts widmete sich deshalb besonders der Frage, in welchen Gebieten die von den städtischen Notaren ausgefertigten instrumenta Gültigkeit besitzen sollten. Die Glaubwürdigkeit der vom Papst bestellten Notare war wie die der kaiserlichen Notare unbeschränkt.

In Deutschland verbreitete sich das Notariat und die Notarsurkunde im 13. und 14. Jahrhundert im Zusammenhang mit der geistlichen Gerichtsbarkeit, für die ein öffentlich glaubwürdiger Notar vorgeschrieben war, von Frankreich aus. Seit dem 15. Jahrhundert löste es sich aus dem Umfeld der geistlichen Gerichtsbarkeit, ohne sich jedoch gegen die Praxis der Besiegelung als vorrangiger Beglaubigung von Urkunden durchsetzen zu können. Reichsweit fand das Notariat in der Reichskammergerichtsordnung von 1495 und schließlich in der Reichsnotariatsordnung von 1512 rechtliche Regelungen.

Die Notarsurkunden des Mittelalters werden ausschließlich durch die Unterschrift des Notars beglaubigt, die von einem für den Notar typischen Zeichen (Notarssignet) begleitet werden.

Literatur

  • Artikel „Notar, Notariat“ in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, Sp. 1271–1281.
  • H. v. Voltelini (Hg.): Die Südtiroler Notariats-Imbreviaturen des 13. Jahrhunderts, 1. Teil (Acta Tirolensia 2), 1899, ND 1973 (mit grundlegender institutionengeschichtlicher Einleitung)
  • L. Koechling, Untersuchungen über die Anfänge des öffentlichen Notariats in Deutschland, 1925
  • F. Luschek, Notariatsurkunde und Notariat in Schlesien, 1940
  • P.-J. Schuler, Geschichte des südwestdeutschen Notariats, 1976 (mit weiterführender Literatur)
  • P.-J. Schuler, Südwestdeutsche Notarszeichen. Mit einer Einleitung über die Geschichte des deutschen Notarszeichens, 1976
  • Ch. Neschwara, Geschichte des österreichischen Notariats, Band I (Vom Spätmittelalter bis zur Notariatsordnung 1850), Wien 1996
  • Per una storia del notariato meridionale (Studi storici sul notariato italiano VI), 1982
  • A. Pratesi, Il notariato latino nel Mezzogiorno medievale d’Italia (Scuole, diritto e società nel Mezzogiorno mediev. d’Italia, hg. M. Bellomo, II, 1987), 137–168
  • M. Amelotti – G. Costamagna, Alle origini del notariato it., 1975
  • Attilio Bartoli Langeli, Notai. Scrivere documenti nell’Italia medievale, Roma 2006 (I libri di Viella 56).
  • Il notariato nell’Italia Settentrionale durante i secoli XII e XIII (Congr. Internat. de diplomatica II, 1986), 991–1008.
  • Petra Schulte, ‚Scripturae publicae creditur‘. Die Grundlagen des Vertrauens in notarielle Verträge in den italienischen Kommunen (12./13. Jh), Tübingen 2003 (Bibliothek des deutschen historischen Instituts in Rom 101).

Belege

  1. Meldung
  2. Pressemitteilung vom 10. Oktober 2007
  3. PDF-Datei, dort Seite 72
  4. SWR-Nachrichten vom 19. Dezember 2007, [1]

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