Magnetofluid

Magnetofluid
Ein Ferrofluid (im Glas), das auf einen Magneten reagiert.
"Igelförmige" Struktur eines Ferrofluids im Magnetfeld.
Nahaufnahme der Struktur.

Ein Ferrofluid bezeichnet eine Flüssigkeit, die auf ein magnetisches Feld reagiert. Ferrofluide Stoffe bestehen aus wenigen Nanometer großen magnetischen Partikeln, die in einer Trägerflüssigkeit kolloidal suspendiert sind. Die festen Teilchen werden in der Regel mit einer polymeren Oberflächenbeschichtung stabilisiert. Es ist wichtig, festzuhalten, dass echte Ferrofluide stabile Dispersionen sind, was bedeutet, dass sich die festen Teilchen nicht mit der Zeit absetzen und selbst in extrem starken Magnetfeldern nicht aneinander anlagern und sich von der Flüssigkeit als andere Phase abscheiden.
Ronald Rosensweigs Buch „Ferrohydrodynamics“ (EA 1985) bietet einen ersten, gut lesbaren Einstieg in die Materie der Ferrofluide (siehe Literatur).

Der Ausdruck Magnetorheologische Flüssigkeit“ (MRF) bezeichnet Flüssigkeiten, die ähnlich wie Ferrofluide auf ein Magnetfeld reagieren, sich aber im Gegensatz zu diesen dabei verfestigen. Magnetorheologische Fluide bestehen jedoch aus einer Suspension von Mikrometer großen magnetischen Teilchen, die ein bis drei Größenordnungen größer sind als die der Ferrofluide.
Der Unterschied zwischen Magnetorheologischen Fluiden und Ferrofluiden besteht in der Art der Reaktion auf ein Magnetfeld. Die relativ großen Teilchen der MRF bilden Ketten, wenn ein Magnetfeld angelegt wird. Das erhöht die Viskosität („Zähigkeit“) der MRF und kann sie sogar verfestigen, wenn eine einwirkende Druckkraft nicht groß genug ist, um die Ketten zu brechen. Im Gegensatz dazu bildet ein Ferrofluid keine Ketten. Die zufällige Bewegung der Teilchen überwiegt die Kraft, die sie zusammenzieht; ihre Viskosität ändert sich fast nicht, aber sie neigen dazu, in hochmagnetischen Feldern zu bleiben. Der Magnetorheologische Effekt beginnt ab einer Teilchengröße von über 10 Nanometern.

Ferrofluide sind superparamagnetisch und besitzen eine sehr geringe Hysterese.

Die Teilchen bestehen normalerweise aus Eisen, Magnetit oder Cobalt und sind kleiner als eine magnetische Domäne, typischerweise 5-10 nm (Nanometer) im Durchmesser. Die umgebende Flüssigkeit ist normalerweise Öl oder Wasser, seltener Wachs. Tenside werden zugesetzt um die Suspension stabiler zu machen, indem sich die in Mizellen gebundenen Teilchen aufgrund sterischer Wechselwirkungen gegenseitig abstoßen.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

In einem Magnetfeld werden die magnetischen Momente der Teilchen des Magnetofluides tendenziell in dessen Richtung ausgelenkt und erlangen hierdurch eine makroskopische Magnetisierung.
Ferrofluide bilden in Magnetfeldern teilweise sehr interessante dreidimensionale Formen und bei einer Begrenzung auf eine dünne Schicht (z.B. zwischen zwei Glasplatten) Streifenmuster. Dies wird hervorgerufen durch die sich ausrichtenden und abstoßenden Magnetfelder der einzelnen Teilchen, wobei die Kraft der Oberflächenspannung der Flüssigkeit sie jedoch zusammenhält (Rosensweig-Instabilität).
In einem Magnetfeld können Ferrofluide Doppelbrechung zeigen (Cotton-Mouton-Effekt).

Anwendungen

Industrielle Anwendungen

Ferrofluide werden in Lautsprechern verwendet, um die Wärme zwischen der Schwingspule und der Magnetanordnung abzuleiten und um die Bewegungen der Membran passiv zu dämpfen. Sie sitzen da, wo sonst der Luftspalt um die Schwingspule wäre, und werden dort durch das Feld des Permanentmagneten gehalten.

Auf ähnliche Weise werden sie verwendet, um flüssige (und daher verschleißfreie, reibungsarme) Dichtungen um rotierende Wellen durch Wandungen zu bilden. Diese Dichtungen dichten Wellendurchführungen in Vakuumkammern und auch solche in den Reinraum, zum Beispiel in einer Festplatte.

Zur Dichtetrennung wird Ferrofluid auf Wasserbasis verwendet. Dabei wird mit einem Magnetfeldgradienten ein weiterer Druck erzeugt, mit dem man auch Körper hoher Dichte schwimmen lassen kann.

Die Viskosität Magnetorheologischer Fluide kann durch Verwendung von Sensoren und Elektromagneten dynamisch geregelt werden, wodurch eine aktive Dämpfung (z.B. bei Fahrzeugerschütterungen) ermöglicht wird. Das erlaubt die Beherrschung von großen mechanischen Leistungen durch einen geringen Aufwand elektrischer Leistung, was wesentlich effizienter als andere Methoden der Vibrationsdämpfung wie z.B. piezoelektrische Kristalle ist.

Matsushita Electric Industrial Co. produzierte einen Tintenstrahldrucker, der ferrofluide Tinte verwendet (Druckleistung: 5 Seiten pro Minute).

Militärtechnik

Die Farbe, die Flugzeuge für Radar unsichtbar macht, besteht aus Ferrofluiden und nichtmagnetischen Substanzen, was die genaue Reflexion der Radarwellen unterbindet.

Messtechnik

Für Ferrofluide gibt es zahlreiche optische Anwendungen aufgrund ihrer Lichtbrechungseigenschaften, d.h. jedes Nanoteilchen, ein „Minimagnet“, reflektiert Licht. Zu diesen Anwendungen gehört die Messung der spezifischen Viskosität einer Flüssigkeit mit Hilfe von einem Polarisationsmikroskop.

Medizintechnik

In der Medizin versucht man Ferrofluide zur Krebserkennung (Diagnostik) zu verwende, oder mit speziell modifizierten Oberflächen mit angelagerten Wirkstoffen zur Krebstherapie. Sehr erfolgreich verliefen z. B. Test mit oberflächenmodifizierten Ferrofluidnanopartikeln, die in Krebszellen eingeschleust und diese dann durch Anlegen eines hochfrequenten Magnetfeldes erhitzt wurden. Diese Wärme wird auf das Zelleninnere übertragen, und die Zelle kann somit in ein künstliches Fieber versetzt werden. Damit kann das Tumorwachstum gestoppt und der Tumor unter günstigen Bedingungen auch vollständig entfernt werden. Das deutsche Unternehmen MagForce möchte nach Abschluss der laufenden klinischen Studien im Jahre 2009 die Zulassung des Verfahrens beantragen.

Literatur

  • Elmars Blums, Andrej Cebers, Michail M. Majorov: Magnetic fluids. De Gruyter, Berlin u. a. 1996, ISBN 3-11-014390-9
  • Christian Lang: Nanostab-Ferrofluide. Dissertation, Universität des Saarlands, Saarbrücken 2006 (Volltext)
  • Sebastian Lissek: Die allgemeine Theorie magnetischer Flüssigkeiten. Dissertation, Universität Hannover 2001 (Volltext als PDF)
  • Arnim Nethe, Thomas Scholz, und Hanns-Dietrich Stahlmann: Ferrofluidunterstützte Elektromotoren und Aktuatoren. Köster, Berlin 2006, ISBN 978-3-89574-618-5
  • Stefan Odenbach (Hrsg.): Ferrofluids. Magnetically controllable fluids and their applications. (= Lecture notes in physics; Bd. 594). Springer, Berlin u. a. 2002, ISBN 3-540-43978-1
  • Ronald E. Rosensweig: Ferrohydrodynamics. Dover Publications, Mineola NY 1997, ISBN 0-486-67834-2
  • Magforce, Berlin

Siehe auch

Weblinks


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