Malik el-shabbaz

Malik el-shabbaz

Malcolm X [ˌmælkəm ˈɛks] (* 19. Mai 1925 in Omaha, Nebraska; † 21. Februar 1965 in New York City; geboren als Malcolm Little; nach seiner Pilgerreise nach Mekka 1964 El Hajj Malik el-Shabbaz) war ein US-amerikanischer Führer der Bürgerrechtsbewegung.

Malcolm X im März 1964

Inhaltsverzeichnis

Leben

Eltern

Seine Mutter Louise Little wurde auf Grenada im britischen Westindien geboren. Sie hatte einen weißen Vater. Ihre Mutter starb, als sie noch ein Kind war. Von ihrer Familie wurde sie regelmäßig misshandelt. Als sehr hellhäutige Schwarze fühlte sie sich nirgends zugehörig und wanderte früh nach Kanada aus, wo sie den ebenfalls schwarzen Reverend Earl Little, einen Gelegenheitsarbeiter und Anhänger der Separationsbewegung unter Marcus Garvey, kennenlernte und ihn am 10. Mai 1919 heiratete. Später erfuhr sie, dass er seine frühere Familie verlassen hatte.

Aus der früheren Ehe seines Vaters hatte Malcolm noch drei Halbgeschwister. Die Familie siedelte zuerst nach Philadelphia über, dann nach Omaha, wo Malcolm am 19. Mai 1925 als viertes der sieben Kinder geboren wurde. Schon von Geburt an war Malcolm sehr hellhäutig und hatte rotbraune statt schwarzer Haare – ein Erbe seiner Mutter, die ihn deswegen immer wieder benachteiligte, da er sie an ihren eigenen Vater erinnerte, der sie misshandelt hatte. Sein Vater trat als christlicher Laienprediger für die Rechte der Schwarzen ein, war aber mit einer hellhäutigen Frau verheiratet und bevorzugte Malcolm als seinen hellsten Sohn.

Nach mehreren weiteren Umzügen kamen sie 1929 nach Lansing in der Nähe von Detroit im US-Bundesstaat Michigan, wo der Vater sich ein Haus in einer von Weißen bevorzugten Gegend kaufte. Nach einigen Wochen sollte der Verkauf wegen der Hautfarbe der Familie rückgängig gemacht werden, Malcolms Vater wollte dafür vor Gericht gehen, es kam jedoch nicht dazu, weil das Haus infolge von Brandstiftung abbrannte. Als er die Weißen der Tat bezichtigte, verhaftete die Polizei ihn dafür.

1931 starb der Vater, als er schwer misshandelt und anschließend von einer Straßenbahn überfahren wurde. Die Umstände wurden nie aufgeklärt, seine Frau war von einem Mord an ihrem Mann überzeugt. Nach dem Tod ihres Mannes trat Louise Little den Adventisten bei. Die Fürsorge kam regelmäßig bei den Littles vorbei. Sie wollten die Kinder bei Pflegeeltern unterbringen, denn sie waren der Meinung, dass Louise sich nicht gut um die Kinder kümmere, weil sie den Verstand verliere. Um 1939 wurde Malcolm zu einer Pflegefamilie namens Gohannas gebracht. Louise Little erlitt später einen totalen Nervenzusammenbruch und wurde per Gerichtsbeschluss in eine staatliche Nervenklinik (Kalamazoo) eingewiesen. Daraufhin hatte der Richter McClellan aus Lansing die Vormundschaft über die Kinder der Littles. Louise blieb etwa 26 Jahre in demselben Krankenhaus. Im Jahr 1963 holten die Kinder ihre Mutter aus der Klinik. Fortan lebte sie bei einem ihrer Söhne und dessen Familie (Philbert Little in Lansing).

Kindheit und Jugend

Die alleinerziehende Mutter erzog ihre Kinder autoritär, nach dem Vorbild ihrer eigenen Erziehung. Seit dem Tod des Vaters litt die Familie unter Armut und Hunger. Dies und die ebenfalls autoritäre Schulerziehung führten dazu, dass Malcolm mit kleineren Diebstählen begann, um sich zu widersetzen. 1939 kam er in ein Heim, nachdem seine Mutter in die Psychiatrie eingewiesen worden war. Zuvor war er längere Zeit in einer weißen Familie untergebracht, der er sich mit der Zeit zugehörig fühlte. Dieses Zugehörigkeitsgefühl führte dazu, dass er überrascht und schockiert zugleich war, als er nach seinem Highschool-Abschluss erkennen musste, dass er als Schwarzer nicht die gleichen Möglichkeiten wie seine weißen Mitschüler hatte. Konkret bedeutete dies für ihn, dass er trotz seiner Intelligenz und herausragenden schulischen Leistungen nicht studieren, sondern bestenfalls eine Lehre beginnen konnte. Einer seiner Besuche bei seiner Halbschwester Ella bewegten ihn dazu, 1941 zu ihr nach Boston zu ziehen. Dort verkehrte er, zum Ärger seiner Schwester, im Schwarzenviertel und hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.

In dieser Zeit änderte er sein Äußeres: Er kaufte sich moderne Anzüge und ließ sich unter Schmerzen einen Conk machen (die Haare entkräuseln), was der damals weitverbreiteten Mode unter Schwarzen entsprach, ihre Haare den Weißen entsprechend zu glätten. Rückblickend nennt Malcolm X letzteres Ereignis als seinen ersten großen Schritt in Richtung Selbst- Degradierung. Gleichzeitig bewegte er sich im kriminellen Milieu und wurde als „Red” und später als „Detroit Red“ bekannt. Durch einen Job als Kellner in Harlem erwarb er sich Kontakte, fungierte als Drogendealer und Vermittler weißer Kundschaft für Bordelle und begann mit Einbrüchen. Der Einberufung zum Kriegsdienst entging er, weil er einem Psychiater erfolgreich eine psychische Untauglichkeit für den Kriegsdienst vortäuschte. In dieser Zeit begann er Marihuana zu rauchen. 1944 kam er das erste Mal vor Gericht, weil er einen Pelzmantel gestohlen und diesen verkauft hatte. Danach betätigte er sich als Einbrecher.

Haft und Bildung

Anfang 1946 wurde er verhaftet und im Jahr darauf zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Der Grund dafür waren Einbrüche, die er zusammen mit einem Jugendfreund aus Bostoner Zeit, einer verheirateten weißen Frau, Sophia, mit der er auch eine Affäre hatte, deren Schwester und einem weiteren „Bekannten” beging. Der Richter sah „Sex mit weißen Frauen” als Hauptanklagepunkt und verurteilte Malcolm und seinen Freund zu je zehn Jahren Zwangsarbeit. Sophia bekam fünf Jahre und wurde nach sieben Monaten auf Bewährung entlassen.

Er kam ins Charlestown-Gefängnis, wo die hygienischen Zustände katastrophal waren. Dort freundete er sich mit einem schwarzen Redner an, der ihn zum Lesen ermutigte. 1948 wurde er verlegt und wurde in einem Brief seines Bruders mit der „Nation of Islam” bekannt gemacht. Nach der Überzeugungsarbeit einiger seiner restlichen Geschwister, die der „Nation” ebenfalls beigetreten waren, tat er es ihnen gleich. Fortan bekannte er sich zu dem, was von der Nation of Islam als „genuin schwarze Kultur” betrachtet wurde. In der Überzeugung der „Nation” war der Nachname eines jeden Schwarzen der, den einst die Sklavenhalter ihnen gaben. Zur wahren Befreiung aus der Unterdrückung wurden diese Namen von der „Nation” abgelehnt. Weil der ursprüngliche Name eines Nachkommens von Sklaven daher nicht bekannt ist, verlieh man Little den Nachnamen „X”. Er nahm Sonnenbäder um dunkler zu erscheinen, eine Maßnahme, die ihm schon seine Mutter verordnet hatte, und schor sich den Kopf. Als Autodidakt bildete er sich weiter, vor allem in den Bereichen Philosophie und Geschichte. Bei Debattiergruppen im Gefängnis schulte er seine Rhetorik. Die Zeit im Gefängnis nutzte er sehr intensiv für das Studium. Ein Beispiel dafür ist auch, dass er gezielt ganze (Fremdwörter-)Lexika und andere Wörterbücher las und abschrieb.

Ende 1952 wurde er vorzeitig entlassen, geriet aber wieder in die Gefahr, verhaftet zu werden, als er erneut den Militärdienst (zur Zeit des Korea-Kriegs) verweigerte. Er wurde jedoch aufgrund seiner Religion offiziell als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Den Ersatzdienst umging er wieder mit dem Attest eines Psychiaters.

Wirken in der Nation of Islam

Die Anfänge

Nach seinem Umzug nach Detroit lernte er Elijah Muhammad kennen, den Führer der Nation of Islam (Abk. „NoI”, auch einfach nur „Nation”), der ihm zu einem Ersatzvater wurde. Bald darauf leitete Malcolm X als Vertrauter Muhammads den Harlemer Tempel und etablierte sich als einer der Wortführer der Organisation. Diese Position erreichte er durch sein selbstsicheres und wortgewandtes Auftreten und seinen grenzenlosen Einsatz für die „Nation”. Er nutzte alle Mittel, um möglichst viele Schwarze zu erreichen - zum Beispiel ging er in die Schwarzenviertel der Großstädte und sprach im Jugendslang zu den Bewohnern, wodurch er leicht einen Zugang zur Straßenszene bekam und dort viele Anhänger gewann.

Malcolm X 1964 im Queens Court

1958 heiratete Malcolm X Betty Jean Sanders, die als Pflegerin für die Organisation arbeitete. Im Laufe ihrer Ehe bekamen sie sechs Töchter: Attallah (* 16. November 1958); Qubilah (* 25. Dezember 1960); Ilyasah (* 22. Juli 1962); Gamilah Lamumbah (* 4. Dezember 1964) und die Zwillinge Malaak und Malikah, die am 30. September 1965, sieben Monate nach der Ermordung ihres Vaters, zur Welt kamen.

The Big X

Als nationaler Sprecher der Nation of Islam wurde Malcolm X nicht müde, den Rassismus der weißen Gesellschaft anzuprangern. Immer wieder zeigte er die Zusammenhänge zwischen US-Geschichte und der Versklavung der Afrikaner auf. Die Weißen seien schon deshalb „Teufel”, weil sie jederzeit als solche handelten. Sie lynchten Schwarze und predigten den Schwarzen gegenüber „Gewaltlosigkeit”. Sie gäben ihnen die miesesten Jobs und erklärten, Schwarze taugen zu nichts anderem. Sie verhinderten die Bildung der Afroamerikaner und nahmen an deren Analphabetismus Anstoß. Sie redeten liberal und handelten rassistisch.

Es war die Zeit des Beginns der Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King, und Malcolm X war ihr radikalster Kritiker und Wortführer zugleich. Kings gewaltlose Integrationsstrategie war besonders unter den Schwarzen aus den ländlich geprägten Südstaaten und innerhalb der kleinen schwarzen Mittelschichten stark, die in der Mehrheit ein Ende der „Rassentrennung” und einen fairen Anteil am „American Dream” erlangen wollten. Für sie war der Norden der USA vielfach immer noch so etwas wie das „Gelobte Land”. Sie hegten die Hoffnung, endlich von den Weißen akzeptiert zu werden. Ganz anders Malcolm X. Er kannte die Großstadtslums im Norden, war in ihnen als „Detroit Red” groß geworden. Malcolm sprach für die afroamerikanischen Slum-Bewohner des Nordens, die keine Hoffnung mehr in weiße „Liberale” setzten, weil sie auf ihrem Weg von den Plantagen in die Ghettos erfahren hatten, dass es auf Seiten der Weißen keinen Raum für ihren Fortschritt gibt.

Malcolm X (rechts) bei einer Diskussion mit Martin Luther King (links)

Kings christlich-gewaltloser Ansatz war für Malcolm X, in dieser Phase seines Lebens, nur ein weiterer Versuch, von den Weißen, die ihre Unwilligkeit bereits zur Genüge demonstriert hätten, Gerechtigkeit zu erbetteln. Entsprechend war King für ihn ein „Onkel Tom”, der, ganz anders als die rebellischen „Feldsklaven”, nur ein weiterer den Weißen dienstbarer „Haussklave” war. (Onkel Tom spielt an auf den servilen Haussklaven in Harriet Beecher-Stowes Roman „Onkel Toms Hütte”.)

King mochte „einen Traum” haben, den viele Schwarze teilten; Malcolm sah den gegenwärtigen Albtraum aller. 400 Jahre weißer Terror hätten hinreichend deutlich gemacht, dass die Weißen keine Kompromisse wollten, und dass das Gerede von Gleichberechtigung nichts als Heuchelei sei. Die Schwarzen sollen gewaltlos bleiben, sich nicht verteidigen, während der Ku-Klux-Klan ihre Kinder massakriert? Malcolm X hielt derartige Aufforderungen für ein Verbrechen; für ein kollektives Verbrechen der Weißen (und ihrer schwarzen „Onkel Toms”) an seinem Volk. Die Weißen wählten wieder und wieder die Sprache der Gewalt, also müssten die Schwarzen beginnen, „ihre Sprache zu sprechen”, um verstanden zu werden. Die Afro-Amerikaner sollten endlich aufstehen und tun, was auch immer nötig sei, um sich selbst zu verteidigen, „by any means necessary”.

Um ihr Selbstbewusstsein zu erwecken, müssten die Afro-Amerikaner sich ihre eigene, von den Weißen verfälschte Geschichte neu aneignen. Die weiße Geschichtsschreibung hätte den Afro-Amerikanern das Image angedichtet, unterwürfig, dumm, harmlos und ignorant zu sein, und sie dadurch „psychologisch kastriert”. Die Schwarzen hätten aber immer Widerstand geleistet, z.B. durch bewaffnete Aufstände gegen die Sklaverei. Die weiße Lüge, Afrika sei lediglich ein wilder Dschungel und die Schwarzen seien erst durch sie zivilisiert worden, hätte einen ähnlichen Effekt gehabt. Dieser ideologische Unsinn müsse hinweggefegt und die „Neger” (wie sie sich damals auch untereinander bezeichneten) müssten beginnen, sich zugleich als Afrikaner und als Amerikaner, als Afro-Amerikaner, zu sehen.

Malcolms Rolle in der Nation of Islam

Die Nation of Islam (NoI) – und vor allem Malcolm X als ihr Aushängeschild – wurde in den Medien zum Feindbild der weißen Nation stilisiert. Insbesondere Malcolm sei ein gewalttätiger „Hass-Prediger”, ein „schwarzes Monster”. Es ging Malcolm X um Selbstverteidigung, um das Recht der Schwarzen auf Notwehr –, eine Gesamtbeurteilung der Nol blieb trotzdem ambivalent.

Die Betonung einer eigenständigen, kämpferischen afroamerikanischen Geschichte, der Stolz, den die „Schwarzen Muslime” mit ihrem Schwarz-Sein verbanden, ihre Kompromisslosigkeit und Radikalität machten sie zu einem wichtigen Ansprechpartner für die wachsende Ungeduld und Wut der afroamerikanischen Ghetto-Jugend. Die NoI und mit ihr Malcolm X trug mit diesem Ansatz des „Schwarzen Nationalismus” sicherlich ganz wesentlich zur „Black-Power-Bewegung” der 60er Jahre bei, war gewissermaßen ihr Vorläufer. Andererseits war die NoI kein bruchloses Vorbild; auch Oppositionsbewegungen gegen Rassismus richten sich nur selten nach harmonischen Wunschbildern. So war und ist die NoI sexistisch: Während die Männer die Macher sind, werden die Frauen rigoros auf ihren vermeintlich „natürlichen” Platz als Hausfrau und Mutter verwiesen und hierauf in eigenen Kursen gezielt vorbereitet. Sie können in der NoI keine wichtigen Funktionen übernehmen und auch der Fruit of Islam, der Selbstverteidigungsorganisation der Schwarzen Muslime, nicht beitreten.

Die interne Hierarchie, angeführt vom „Botschafter Allahs” Elijah Muhammad (heute von seinem Nachfolger Louis Farrakhan), war kompromisslos. Diese Struktur wurde vom Charakter als Religionsgemeinschaft (die in vielen Punkten nicht dem orthodoxen Islam entspricht) ebenso befördert, wie konkrete real politische Protestaktionen gebremst wurden. Zudem unterhielt die NoI fragwürdige Verbindungen zu weißen Befürwortern der Rassentrennung und dem Ku-Klux-Klan.

Aufstieg und Abbruch

Mit dem Wachsen der Nation of Islam, für welches auch Malcolm X als wichtiger Tempelleiter eine große Rolle spielte, wuchs der Reichtum von Muhammad und seiner Familie. Stimmen wurden laut, die Muhammad Korruption und Bereicherung vorwarfen. Er tätigte um des Geldes Willen auch Geschäfte mit radikalen weißen Gruppierungen. Malcolm X ignorierte diese Entwicklung, indem er die Vorwürfe als Gerüchte abtat. Nachdem Malcolm X die Ermordung John F. Kennedys folgendermaßen kommentiert hatte: „a case of chickens coming home to roost” (Redewendung, bedeutet in etwa: „Eigene Taten fallen auf einen selbst zurück.”), wurde er im Dezember 1963 von der NoI mit einem 90-tägigen Redeverbot belegt. Als Elijah Muhammad den für verwerflich gehaltenen außerehelichen Sex praktizierte (mit der Erklärung, er müsse die Sünden aller Propheten als letzter der Propheten wiederholen), distanzierte Malcolm X sich zusehends von seinem Ziehvater.

1964 brach Malcolm X schließlich mit der Nation of Islam. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Haddsch (die Pilgerfahrt nach Mekka). Er erlebte dort, wie Menschen verschiedenster Hautfarben in Frieden zusammenkommen. Er schloss sich dem sunnitischen Islam an und nannte sich von nun an Malik El-Shabazz.

Letztes Jahr

Die Pilgerfahrt

Mit dem Austritt aus der Nation of Islam begann die kurze Phase der intellektuellen Unabhängigkeit Malcolms, der sich jetzt Malik El-Shabazz nannte, aber unter seinem alten Namen bekannt blieb. Zu seinem bisherigen Verhältnis zur Nation of Islam und Elijah Muhammad im besonderen sagte Malcolm X: „Ich war ein Papagei. Jetzt ist der Papagei dem Käfig entsprungen.”, kommentierte er sich selbst. In seinem letzten Jahr wandte er sich nunmehr frei von irgendwelchen ideologischen Grenzen der afroamerikanischen Befreiungsbewegung zu. Er wollte nicht mehr nur reden, sondern endlich Taten sehen. Allerdings wollte Malcolm zugleich Muslim bleiben. „Immer wenn ich eine Religion sehe, die mich nicht für mein Volk kämpfen lassen will, sage ich: zur Hölle mit dieser Religion, deshalb bin ich ein Muslim.”

So gründete er zunächst mit einigen anderen, die ebenfalls die NoI verlassen hatten, die Muslim Mosque Inc. Mit ihr war zweierlei beabsichtigt: Sie sollte den Ex-Muslimen ein neues religiöses Zentrum sein und gleichzeitig in den anschwellenden afroamerikanischen Befreiungskampf politisch intervenieren. „Unsere Religion ist der Islam, unsere Philosophie ist ‚Schwarzer Nationalismus‘” beschrieb Malcolm. Er wollte dazu beitragen, die Afro-Amerikaner über ihre internen Klassenschranken hinweg politisch zu einigen, und attackierte andere Wortführer der afroamerikanischen Bewegung wie Martin Luther King in der kompromisslosen Schärfe von einst. Alle verfügbaren Hebel galt es jetzt zu nutzen; seine Alternative zur Befreiung der Afro-Amerikaner lautete nunmehr: Wahlzettel oder Kugel, „the ballot or the bullet”.

Die Wandlung

Malcolm X unternahm eine Pilgerfahrt nach Mekka, das Geld dafür lieh er sich von der Halbschwester. Die Einigkeit aller Völker und Rassen beeindruckte ihn während der Haddsch so sehr, dass er seine rassistische Einstellung überdachte. Er schloss sich dem sunnitischen Zweig des Islam an. Gleichzeitig initiierte er die Organisation für die afroamerikanische Einheit, deren Ziel die Selbstbestimmung der Schwarzen war. Im Gegensatz zu seiner Linie zur Zeit in der Nation of Islam war er jetzt auch bereit, die Unterstützung und Hilfe der Weißen anzunehmen und anzuerkennen, und wollte nach einer Etablierungsphase seiner Organisation auch ihr Recht auf Mitgliedschaft anerkennen. Malcolm verabschiedete sich von jedwedem Biologismus. Was zählte, war das konkrete Handeln der Menschen, egal welcher Hautfarbe. Politisch-aktivistischer Radikalismus war es, der ihn nun vorrangig interessierte. Im Anschluss an seinen Mekka-Aufenthalt machte er eine über vier Monate dauernde Reise durch Afrika. Im Kontakt mit den antikolonialistischen Kämpfern wurde sein Denken endgültig revolutioniert. So begann er in Afrika zu verstehen, dass in fortschrittlichen Staaten auch die Frauen fortschrittlich und kämpferisch sind, dass also das orthodox-islamische Frauenbild einer grundlegenden Korrektur bedurfte. Er sah, dass viele afrikanische Staaten, die gerade die Unabhängigkeit erkämpft hatten, den sozialistischen Weg einschlugen. Und er erkannte, mehr noch als zuvor, die Zusammenhänge zwischen afrikanischem und afroamerikanischem Befreiungskampf.

Der Internationalismus wurde zum zentralen Angelpunkt seines Denkens. Die Befreiung der Afro-Amerikaner sei nicht von derjenigen der Afrikaner zu trennen, da Rassismus in den USA des Rassismus des Weltmarktes bedurfte und umgekehrt. „Es ist unmöglich für einen Weißen, an den Kapitalismus und nicht zugleich an den Rassismus zu glauben. Es gibt keinen Kapitalismus ohne Rassismus.” Es seien daher dieselben Strukturprinzipien, die die Afro-Amerikaner in den USA wie die Afrikaner auf dem Kontinent unterdrückten. Die internationale Ausbeutung der „Dritten Welt” entspreche der nationalen der Afro-Amerikaner (und anderer „Dritte Welt-Menschen” in den kapitalistischen Metropolen). Daher „können wir keinen Schritt schneller vorangehen als die Afrikaner”. Malcolm sah, dass ein Vorwärtskommen allein im nationalen Maßstab nicht mehr möglich war. Dem Ziel, diese internationalen Herrschaftsverhältnisse zu bekämpfen und dazu die Befreiungskämpfe von Afrikanern und Afro-Amerikanern effektiv miteinander zu verbinden, galt fortan sein ganzes Engagement. Nach seiner Rückkehr in die USA gründete er deshalb die Organization of Afro-American Unity (OAAU). Sie sollte Verbindungen zwischen Afro-Amerikanern und Afrikanern schaffen und in die nationale Bürgerrechtsbewegung eingreifen. Malcolm X erklärte seine Bereitschaft, mit allen zusammenzuarbeiten, die konsequent für ein Ende der Apartheid eintraten. Aber er wusste auch, „dass es keine schwarz-weiße Einheit geben kann, bevor zuerst schwarze Einheit erreicht worden ist”.

Vorträge und Tod

Am 7. Juni 1964 gab er im Audubon Ballroom in New York bekannt, dass Elijah Muhammad nicht weniger als sechs nach den Moralvorstellungen der Nation of Islam „illegitime” Kinder habe. Am 12. Juni wiederholte er diese Aussage in einem Bostoner Radiosender. Seit dem 16. Juni 1964 stand er wegen anonymer Drohungen unter Polizeischutz.

Am 21. Februar 1965 hielt er in Harlem (wieder im Audubon Ballroom) einen Vortrag, als zwei Zuhörer scheinbar in Streit gerieten und die Ordner von ihm ablenkten. Eine Rauchbombe explodierte und im darauf folgenden Durcheinander wurde Malcolm X erst von einem Schuss aus einer abgesägten Schrotflinte und dann von 16 aus zwei verschiedenen Waffen abgefeuerten Kugeln getroffen und getötet.

Einfluss

Der Einfluss von Malcolms Ansichten auf die Schwarzenbewegung spiegelte sich 1966 in der Gründung der Black Panther Party for Self-defence, ein Jahr nach dessen Ermordung, wider.

Reden

  • George Breitman (Hrsg.): By any means necessary. Pathfinder Press, New York 1992, ISBN 0-87348-754-0.
  • George Breitman (Hrsg.): Malcolm X on Afro-American History. Pathfinder Press, New York 1992, ISBN 0-87348-592-0 (Nachdruck d. Ausg. New York 1967).
  • George Breitman (Hrsg.): Malcolm X speaks. Selected speeches and statements. Pathfinder Press, New York 1993, ISBN 0-87348-546-7.
  • Archie Epps (Hrsg.): Speeches at Harvard. Paragon House, New York 1991, ISBN 1-55778-479-5 (Nachdruck der Ausgabe New York 1968).
  • Benjamin Karim (Hrsg.): The end of white world supremacy. Four speeches. Arcade Press, New York 198, ISBN 1-55970-006-8 (Nachdruck der Ausgabe New York 1971)
  • Bruce Perry: The last speeches. Pathfinder Press, New York 1989, ISBN 0-87348-543-2.

Literatur

  • Abdul Alkalimat (Hrsg.): Perspectives on black liberation and social revolution. In: Ders.: Malcolm X. Radical tradition and a legacy of struggle (Conference proceedings). 21th. Century Books, Chicago, Ill. 1991 (Bd. 1, Conference, Nov. 1-4, 1990).
  • [Anonym]: Malcolm X (Perspektiven. Zeitschrift für sozialistische Theorie/Sonderheft; Nr. 3). Perspektiven-Verlag, Marburg 1993.
  • James Baldwin: Sie nannten ihn Malcolm X. Ein Drehbuch ("Malcolm X"). Rowohlt, Reinbek 1993, ISBN 3-499-13363-6.
  • George Breitman: The last year of Malcolm X. The evolution of a revolutionary. Pathfinder Press, New York 2004, ISBN 0-87348-004-X.
  • Jan Carey: „Geister in unserm Blut“. Mit Malcolm X auf den Spuren schwarzer Identität ("Ghosts in our blood"). Edition Atlantik, Bremen 1997, ISBN 3-926529-10-5.
  • Alex Haley: Malcolm X. Die Autobiographie ("The autobiography of Malcolm X"). Edition Atlantik, Bremen 2003, ISBN 3-926529-14-8.
  • Robert L Jenkins, Mfanya D. Tryman: The Malcolm X encyclopedia. Greenwood Press, Westport, Conn. 2002, ISBN 0-313-29264-7.
  • Frank Kofsky: Black nationalism and the revolution in music. Pathfinder Press, New York 1991, ISBN 0-87348-129-1.
  • Charles Eric Lincoln: The Black Muslims in America. Eerdmans Publications, Grand Rapids, Mich. 1994, ISBN 0-86543-400-X.
  • Bruce Perry: Malcolm X ("Malcolm"). Verlag Junius, Hamburg 1993, ISBN 3-88506-215-1.
  • Theresa Perry (Hrsg.): Teaching Malcolm X. Routledge, N.Y. 1996, ISBN 0-415-91154-0.
  • Albert Scharenberg: Schwarzer Nationalismus in den USA. Das Malcolm X-Revival. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1998, ISBN 3-89691-433-2 (zugl. Dissertation, Freie Universität Berlin 1997).
  • Kwame Toure, Charles V. Hamilton: Black Power. The politics of liberation in America. Vintage Books, New York 1992, ISBN 0-679-74313-8 (Nachdruck d. Ausg. New York 1967).
  • Britta Waldschmidt-Nelson: Martin Luther King, Malcolm X. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt/M. 2002, ISBN 3-596-14662-3.
  • Joe Wood (Hrsg.): Malcolm X in our own image. Doubleday, New York 1994, ISBN 0-385-47141-6.
  • Britta Waldschmidt-Nelson: Martin Luther King Gegenspieler Malcolm X (Fischer Taschenbuchverlag GmbH; Mai 2000

Filmographie

  • Ein Dokumentarfilm mit dem Titel Malcolm X aus dem Jahr 1972 war 1973 für einen Academy Award als bester Dokumentarfilm (Feature) nominiert, siehe zelluloid.de
  • Aus dem Jahr 1981 stammt eine TV-Verfilmung der letzten 24 Stunden des Lebens von Malcolm X namens Death of a Prophet (dt. Titel: Malcolm X - Tod eines Propheten) mit Morgan Freeman in der Hauptrolle.
  • Malcolm X' Leben wurde 1992 von Spike Lee mit Denzel Washington in der Hauptrolle verfilmt, siehe Malcolm X (Film).
  • Die letzten Tage einer Legende - Malcolm X. Dokumentation, 2008, 60 Min., Produktion: The Biography Channel, Erstausstrahlung: 3. Juli 2008, Inhaltsangabe von The Biography Channel

Weblinks


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