Marin Polich

Marin Polich
Martin Pollich von Mellrichstadt Öl auf Holz Ende des 16. Jahrhunderts von Johannes Jessenius veranlasst.

Martin Pollich, auch Mellrichstadt oder lux mundi („Licht der Welt“) genannt; andere Namenskonventionen: Marti Polich, Martinus Polichius (* um 1455 in Mellrichstadt; † 27. Dezember 1513 in Wittenberg) war Philosoph, Mediziner, Theologe und Gründungsrektor der Universität Wittenberg.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Leipziger Zeit

Pollich wurde 1470 an der Universität Leipzig eingeschrieben, hatte nach mehrjährigem Studium 1472 das Baccalaurat, im Wintersemester 1475 die Magisterwürde der artistischen philosophischen Fakultät erworben und hielt Vorlesungen zu den logischen Schriften des Aristoteles im Sinne des Thomasius. 1475 promovierte zum Doktor der Philosophie und widmete sich der Astrologie und Medizin. Um 1480 (vermutlich in Mainz) promovierte er zum Doktor der Medizin und wurde 1482 als Leibarzt des Kurfürsten Friedrich des Weisen erwähnt. Obwohl er der Astrologie skeptisch gegenüberstand, widmete sich Pollich von 1482–1490 astronomisch-astrologischen Jahresvorhersagen. 1490 wurde er Mitglied der durch Konrad Celtis ins Leben gerufenen Sodalitas litteraria Rhenana, wo er Kontakte zu verschiedenen Persönlichkeiten wie Bohuslaw von Hassenstein aufbaute, von denen er wiederum den Beinamen lux mundi (Leuchte der Welt) erhielt. Vom 19. März bis zum 30. Oktober 1493 begleitete er Friedrich den Weisen auf einer Pilgerfahrt ins Heilige Land nach Jerusalem. 1494 unternahm Pollich eine Reise nach Holland, um dort die Hohen Schulen zu besichtigen.

Am Ende des 15. Jahrhunderts grassierte in Europa die Syphilis als Seuche. Die Ärzte standen zur damaligen Zeit der Franzosenpest oder Spanischen Grippe, wie sie damals genannt wurde, ratlos gegenüber. 1497 erschien eine Schrift des Arztes Leoniceno aus Venedig, der mit der überkommenen Vorstellung brach, dass die Konstellation der Planeten die Gesundheit beeinflusste. Stattdessen wies er Wege zur rationellen Bekämpfung der Seuche, die Pollich als Unterrichtslektüre in seine Vorträge aufnahm. Sein Kollege in der medizinischen Fakultät Simon Pistoris stellte daraufhin Gegenthesen (1498) gegen Leoniceno und Pollich auf. Daran entzündete sich ein gelehrter Disput. Pollich wollte sich nicht mehr die törichten Äußerungen seines Kollegen Pistoris anhören müssen, der Gebete und Gottvertrauen gegen die unheilbare Krankheit empfahl, statt nach wirksamer Medizin zu suchen. Experimente mit neuer Arznei lehnte Pistoris als Eingriff in das Werk des Schöpfers ab und sperrte sich gegen die Erprobung von Quecksilber. Als Pistoris das Ringen um seinen Standpunkt aufgab, ging Pollich zwar als Sieger aus der Disputation hervor, jedoch schlugen ihm nun neue Anfeindungen der Anhänger der scholastischen Lehre entgegen, denen er selbst einst angehört hatte.

Sein einstiger Schüler und Freund, der Theologieprofessor Konrad Wimpina forderte ihn 1500 mit der Streitschrift Poesie über die neue humanistische Richtung heraus. Pollich geriet dabei mit dem Theologen Konrad Wimpina in einen erbitterten schriftlichen Streit über das Verhältnis von Poesie und Theologie zur Dichtkunst. In den Werken Apologetius und Palillogia hatte sich Wimpina an einen unbekannten humanistischen Literaten gewandt, den er beschuldigte, sich in seinen Gedichten Poesie über die Theologie zu heben. Zu jener Zeit galt die Theologie als höchste Stufe des Geisteslebens. Mit dieser Unterstellung versuchte Wimpina, Menschen davor abzuschrecken, sich mit humanistischen Studien zu beschäftigen. Nun kann man nicht Disputationen mit moderner Streitkultur vergleichen. Sie vollzogen sich damals heftiger und waren von „ausfälligen Aktionen“ mitgeprägt. Als Wimpina Pollich als Gotteslästerer und Beschimpfer der Leipziger Universität denunzierte, reagierte dieser verärgert und beschimpfte Wimpina wiederum als „zweibeinigen Esel“ und „niederträchtigen, lügenhaften Schurken“. Dies war für Pollich in der Sache jedoch wenig förderlich und so konnte er in Leipzig seine neuen Ideen nicht durchsetzten.

Wittenberger Zeit

Der Streit um die Syphilis war die Ursache, dass sich Pollich seinem Dienstherrn Friedrich dem Weisen zuwandte und es 1502 zur Gründung der Universität Wittenberg kam. Pollich widmete sich mit großem Eifer dem Aufbau der Hochschule. Für die medizinische Fakultät warb er Hermann von dem Busche und Erasmus Stuler. Für die theologische Fakultät konnte er Hermann Kaiser gewinnen. Somit wurde Pollich Gründungsrektor und zur ersten Stütze der neuen Univdersität. Die andere Stütze war der Gründungsdekan der Theologischen Fakultät, Johann von Staupitz. Durch seinen Einfluss wurden Siegmund Epp, der Gründungsdekan der Artisten und Wolfgang Strählin, der Gründungsdekan der Juristen, an die Universität gezogen.

Um Studenten für die Universität Wittenberg zu gewinnen, ließ Friedrich der Weise Handzettel verteilen, in denen der Erlass der Studiengebühren für drei Jahre angeboten wurde. Zudem berief sich der Kurfürst bei der Universitätsgründung auf ein in Italien geltendes Recht und setzte durch, dass jeder, der in Wittenberg studierte, rechtlich den Adligen gleichgestellt wurde. Im Zusammenhang mit den großen Aushängeschildern des Lehrkörpers entwickelte sich die Universität zu einem Magneten für Studenten, die aus allen Teilen Europas nach Wittenberg strömten. Pollich, der zeitlebens Vizekanzler der Universität blieb, hielt an der medizinischen, philologischen und theologischen Fakultät Vorlesungen, kümmerte sich nebenbei um die Nahrungsversorgung der Studenten, die Einrichtung einer Universitätsdruckerei und gründete 1508 eine Apotheke. 1503 erhielt er als Erster die Promotion als Doktor der noch scholastischen Theologie. Bereits 1508 machte er Bekanntschaft mit dem jungen Augustinermönch Martin Luther, der als Magister Artium von Staupitz für die Dozentur der aristotelischen Ethik von Erfurt nach Wittenberg berufen wurde. Als dieser nach einem Aufenthalt in Rom 1512 die Nachfolge von Staupitz antrat, war Pollich von Luthers Begabung überzeugt und sagte vier Jahre vor dessen reformatorischem Auftreten von ihm: „Der Mönch wird alle Docktors irre machen, eine neue Lehr aufbringen, und die ganze römische Kirche reformieren, denn er legt sich auf der Propheten und Apostel Schrift, und stehe auf Jesu Christi Worte: Das kann keiner, weder mit Philosophie, noch Sophisterei, Skotisterei, Albertisterei, Thomisterei und dem ganzen Tartaret, umstoßen und niederfechten!“ Dies erlebte Pollich nicht mehr. Er verstarb am 27. Dezember 1513 und wurde in der Wittenberger Stadtkirche begraben. Ihm wurde dort ein Epitaph errichtet, dessen Text Georg Spalatin verfasste. Zum Gedenken an den einstigen Gründungsrektor befindet sich am Standort seines einstigen Wohnhauses eine Gedenktafel.

Werke

  • Practica” oder „Pro(g)nosticacio Astronomisch-astrologische Jahresvorhersagen
  • Anathomia Mundini (um 1488 oder um 1493)
  • Speculum medicine (um 1495)
  • De complexione quid est et quot sunt (um 1498)
  • Defensio Leoniceniana (1498)
  • Castigationes in declarationes D. S. Pistoris(1500)
  • Responsio ad superadditos errores Simonis Pistorii de malo franco (1501)
  • Martinus Mellerstadt Polichi in Wimpinianas offensiones & denigrationes Sacre-Theologiae Wittenberg (1503)
  • Poema natale oujusdam Flectorii principis Septentrionalis (1501)
  • Responsio Martini Mellerstadt in supadditos errores Simonis pistoris in medicinina ad honore almi gymnasij lipcensis (1501)
  • Martini Mellerstat polichii Theoremata aurora pro studioses philosophie & theologie inicaiatis Thomistis … Ex felici academia Albiorensi. (1503)

Literatur

  • Klaus Kühnel: Friedrich der Weise – Kurfürst von Sachsen – Eine Biographie. Drei Kastanien Verlag 2004 ISBN 3-933028-81-7
  • Heinz Kathe: Die Wittenberger Philosophische Fakultät 1502–1817. Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien ISBN 3-412-04402-4
  • Walter Friedensburg: Geschichte der Universität Wittenberg. Max Niemeyer Verlag/Halle (Saale) 1917
  • Christian Gottlieb Jöcher: Allgemeines Gelehrten Lexikon 3. Teil. 1751 Leipzig
  • August Hirsch : Pollich, Martin. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 26, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 393 f.
  • Helmut Schlereth: Pollich, Martin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, S. 605 f.
  • Stiftung Leucorea (Hrsg.): Leucorea – Bilder zur Geschichte der Universität Wittenberg 1999 ISBN 3-9804492-6-2
  • Heinrich Kühne und Heinz Motel: Berühmte Persönlichkeiten und ihre Verbindung zu Wittenberg Druckhaus Göttinger Tageblatt GmbH & Co 1990 ISBN 3-924781-17-6
  • Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienen Drucke des XVI. Jahrhunderts Band 16. Anton Hiersemann Verlag Stuttgart 1990 ISBN 3-7772-9007-6
  • Max Senf (sen.): Calendarium Historicum Vitebergense. Wittenberg 1912
  • Rotary Club Wittenberg (Hrsg.): Berühmte Wittenberger Gäste. 2. Auflage
  • Gerhard Wolf: Polich, Martin, auch: M. P. von Mellerstadt. In: Walther Killy (Hg.): Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache (15 Bände). Gütersloh, München: Bertelsmann-Lexikon-Verl., 1988-1991 (CD-ROM: Berlin 1998, ISBN 3-932544-13-7), Bd. 9, S. 202

Weblinks


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