Marionetten

Marionetten

Marionetten (Originaltitel: A Most Wanted Man) ist die deutschsprachige Ausgabe des 21. Romans von John le Carré, der auf Vorgänge um die Hamburger Terrorzelle verweist, sich aber auch an das Schicksal des nach Auffassung des Autors jahrelang unschuldig in Guantánamo inhaftierten Murat Kurnaz anlehnt.[1] Der Spionageroman zeigt, wie sich die Gesellschaft nach dem 11. September 2001 in eine Gesellschaft des Verdachts und der Vorurteile gegenüber Muslimen verändert hat. Die deutschsprachige Übersetzung von Sabine Roth und Regina Rawlinson erschien wie die Originalausgabe 2008.

Inhalt

Ein junger Mann namens Issa Karpov, augenscheinlich Muslim, kommt über die Türkei und Dänemark nach Hamburg. Sich hier illegal aufhaltend bittet er eine türkische Familie um Unterstützung. Diese nimmt ihn erstmal auf, steht ihrem Gast jedoch, je mehr sie meint über ihn herauszufinden, immer verängstigter gegenüber. Schließlich sieht sich Issa, der Unmengen von Geld zu besitzen scheint, auch zwischen den Fronten zahlreicher Geheimdienste.

Kritiken

Hendrik Werner erinnert in der Welt daran, dass „der Dramatiker Friedrich Dürrenmatt (...) in seinen theoretischen Schriften die Groteske als die einzige Textform benannt (hat), die einer komplexen, undurchschaubar gewordenen Wirklichkeit gerecht werden könne.“[2] Laut Werner folge le Carré Dürrenmatt „in seinem angestammten Genre, wenn er in der Metapher einer (verdrehten) Marionette eine monströs verästelte politische Realität abbildet, die für die meisten Menschen ähnlich schwer zu verstehen sein dürfte wie die Gesetze des Marktes und die Aporien der Finanzkrise.“ le Carré begebe sich mit seinen Roman auf der anderen Seite „direkt in das Furchtzentrum der westlichen Welt: der Furcht vor islamischem Terror – und einer an Paranoia grenzenden Kultur des Verdachts, die grausame Blüten treibt“.

In diesem Zusammenhang und weniger in seinen Figuren (so eindrucksvolle Charaktere wie in früheren Romanen George Smiley oder Magnus Pym suche man vergeblich) sah Publishers Weekly die besondere Stärke des Romans: „The book works best in its depiction of the rivalries besetting even post-9/11 intelligence agencies that should be allies (...).[3]

Ijoma Mangold schreibt in der Süddeutschen Zeitung, Marionetten "führt meisterhaft vor, wie sich um ein Schlagwort − Dschihadismus − eine ganze Sicherheitsbürokratie bildet"[4].

Günther Grosser sieht in der Berliner Zeitung, dass "le Carré nun nach einigen etwas schwächeren Romanen wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat[5].

Thomas Wörtche hingegen hält den Roman in seiner Besprechung für Deutschlandradio Kultur für le Carrés "vermutlich langweiligsten, zahnlosesten und ausrechenbarsten Roman der letzten 15 Jahre"[6].

Peter Körte findet in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: "In all seiner Undurchsichtigkeit ist das sehr transparent konstruiert. Nur der Ton, in dem le Carré erzählt, ist sehr behäbig ... Dass man das Buch dennoch nicht eher weglegt, als bis auch die letzte Verästelung aufgespürt ist, versteht sich bei einem Mann wie le Carré von selbst."[7].

Jochen Vogt hält Marionetten im Tagesspiegel nicht für einen "Schlüsselroman, sondern eine Erzählung, die souverän den ‚Krieg gegen den Terror‘ und seine Aktualität, typische Versatzstücke des Politthrillers und moralische Grundfragen ausbalanciert," schließlich für einen "herausragenden Roman."[8]

In der Tageszeitung verreißt Jörg Sundermeier das Buch als "ein(en) schnell gestrickte(n) Roman, der noch nicht einmal wirklich spannend ist," und bemängelt die "Gut-Böse-Dichotomie, die heutzutage völlig sinnlos ist."[9]

Tobias Gohlis sieht auf ARTE.TV Issa als "eine der anrührendsten unschuldigsten Figuren, die John le Carré geschaffen hat, ein Seelenbruder seines letzten Helden, des halb kenianischen, halb britischen Dolmetschers Bruno Salvador aus Geheime Melodie, ein Zerrspiegel-Bild des Autors als junger Mann," und hält Marionetten für "le Carré vom Allerfeinsten: eine Clownerie und ein Traktat (davon, dass auch der beste nicht unschuldig bleiben kann), eine Liebesgeschichte und ein Spionagekomplott, ein Märchen und eine Anklageschrift. Angeklagt, wie immer in den letzten Romanen, der blinde, selbstherrliche Imperialismus der USA. Ein großes, komisches, trauriges Buch über schwache, aufrechte, ohnmächtige Menschen."[10]

Einzelnachweise

  1. http://www.abendblatt.de/daten/2008/11/09/968549.html
  2. http://www.welt.de/kultur/article2690139/Gut-so-John-le-Carre-profitiert-vom-Terror.html
  3. Fiction Reviews : A Most Wanted Man. In: Publishers Weekly vom 4. August 2008.
  4. http://www.sueddeutsche.de/kultur/302/449033/text/
  5. "http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/1115/feuilleton/0023/index.html
  6. http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/kritik/878811/
  7. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30. November 2008
  8. Der Tagesspiegel, 30. November 2008
  9. http://www.taz.de/1/leben/buch/artikel/1/geheimdienstler-sind-auch-nur-trottel/
  10. http://www.togohlis.de/03lecarre-marionetten.htm

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