Marschkapelle

Marschkapelle
Spielmannszug eines Musikkorps der Bundeswehr beim Großen Zapfenstreich.

Ein Spielmannszug bezeichnet im engeren Sinn eine Musikgruppe, bestehend aus Marschtrommeln, klappenlosen Querflöten, Lyren, Großer Trommel und Becken. Er wurde vorwiegend in der Marschmusik und für Signale eingesetzt. Spielmannszüge können allein oder zusammen mit anderen Musikgruppen, wie Blasorchestern eingesetzt werden. Umgangssprachlich wird der Begriff Spielmannszug auch für solche Kombinationen verwendet, dann ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten zu Blasorchestern, Fanfarenzügen und Trommlercorps.

Das Bild heutiger Spielmannszüge ist jedoch stark erweitert worden: Heute werden vielfach Konzertflöten eingesetzt, viele unterschiedliche Percussion-Instrumente haben ihren Weg in einen modernen Spielmannszug gefunden, sowie weitere Stabspiele (Marimba, Glockenspiel). Auch das Repertoire der meisten Spielmannszüge besteht heute vielfach aus moderner Marschmusik, sowie Schlagern, Evergreens, modernen Songs und Lateinamerikanischen Rhythmen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Spielmannswesens

Der Ausdruck Spielmann und das Pfeiferrecht lässt sich bis ins achte Jahrhundert zurückverfolgen. Aufzeichnungen aus dem 13. Jahrhundert ist zu entnehmen, dass Flöte und Trommel gemeinsam gespielt wurden (ein „Spyl“). Horn-, Flöten- und Trompetensignale sind schon frühzeitig aus dem Militärwesen bekannt (siehe Fanfare (Signal)). Aufmärsche, Gefechts- und Alarmübungen wurden im Gleichschritt vorgenommen, unterstützt durch das Spielen von Flöten und anderen Blasinstrumenten sowie den Trommelschlag.

Im deutschen Heer des späten 19. Jahrhunderts umfasst der Spielmannszug die Tamboure und Hornisten der Infanterie, die Signale zu geben und Märsche zu spielen hatten. Jede Kompanie hatte zwei Tamboure und zwei mit Hörnern und Querpfeifen ausgerüstete Hornisten. Spielleute bei der Kavallerie wurden Trompeter genannt.

Mit den aufkommenden Turnfesten und den damit verbundenen Umzügen wurde auch die Spielmannsmusik zu einem festen Bestandteil dieser Feste. Sie entwickelte sich damit vom militärischen Ursprung der Marschunterstützung hin zum konzertanten Musizieren. So spielten in der Deutschen Turnerschaft im Jahr 1922 in Leipzig 220, im Jahr 1925 in Frankfurt 2.000 und im Jahr 1926 in Leipzig 4.200 Spielleute auf.

In der Zeit von 1933 bis 1945 wurde das Spielmannswesen von der Nationalsozialistischen Partei für ihre Selbstdarstellungs- und Propagandazwecke vereinnahmt. Der konzertante Bereich trat in den Hintergrund. Das Turnerspielmannswesen erlosch damit nach relativ kurzer Zeit.

Nach dem zweiten Weltkrieg formierten sich im gesamten Bundesgebiet wieder Spielleutegruppen, zunächst ohne eine Verbandszugehörigkeit. Im 1950 gegründeten Deutschen Turnerbund formierten sich erstmals Spiellleutegruppen wieder. Beim Deutschen Turnfest 1953 in Hamburg traten bereits 3.000 Spielleute auf.

Auch in den Feuerwehren sind in Deutschland heute viele Spielmannszüge organisiert, teils als reine Spielmannszüge mit Pfeifen und Trommeln, teils als Spielmanns- und Fanfarenzüge.

Instrumente

Ursprünglich gehören zu den Spielmannszügen Querpfeifen und Trommeln. Seit den Türkenkriegen werden auch die Lyra, das Becken und der Schellenbaum eingesetzt, weshalb man auch von türkischer Musik oder Janitscharenmusik spricht.

Der klassische Spielmannszug begnügt sich mit diesen Instrumenten, wobei an Querpfeifen nur die Sopranflöte benutzt wird. Ein klassischer Spielmannszug mit erweitertem Flötensatz nutzt auch Diskant-, Alt- und Tenorflöten. Auch ein erweitertes Schlagwerk mit zusätzlichen Schlaginstrumenten (große Trommel, Pauke, Stabspiele etc.) kommt immer häufiger zum Einsatz. Wenn die Schlaginstrumente die Hauptrolle übernehmen bzw. alleinige Instrumente sind, wird der Verein Trommlercorps genannt.

Eine aktuelle Entwicklung ist die Modernisierung des Instrumentariums. Neben den Sandnerflöten werden, ergänzend oder ausschließlich, Klappenflöten eingesetzt. Mit Querflöten und Piccoli stehen neue Klangfarben zur Verfügung. Auch Altquerflöten und Bassflöten werden zunehmend eingesetzt. Das Schlagwerk wird erweitert um Pauken, Drumset und erweitertes Schlagwerk (Cymbals, Guiro, Congas etc.) Die Stabspiele werden ergänzt durch Marimba, Xylophon oder Vibraphon.

Mischung von Spielmannszügen und Fanfarenzügen

Spielmannszüge und Fanfarenzüge wurden beim Militär streng getrennt. Diese Form des Zusammenspiels, das vom musikhistorischen Standpunkt aus gesehen bisher keine Vorbilder hatte, kommt im Österreichischen und Deutschen Spielmannswesen zum Einsatz: eine Mischung von reinen Spielmannszügen mit reinen Fanfarenzügen und somit ein Zusammenspiel von Flöte, Trommel (diverse Ausführungen), Lyra (oder Glockenspiel), Schlagzeug und Blechblasinstrumenten wie Trompete/Fanfare, Sousafon, Horn in Es oder Parforcehorn in Es/B.

Musikrichtungen

Die typische Musik der Spielmannszüge/Spielleutegruppen/Spielleuteorchester ist die Musik in der Bewegung und somit zwangsläufig die Marschmusik. Mit dem klassischen Instrumentarium lässt sich diese Musik besonders gut spielen.

Moderne Spielmannszüge haben ihr Repertoire über Marschmusik, volkstümliche Lieder und Karnevalsmusik hinaus erweitert. Sie verstehen sich als Flötenorchester und spielen häufig Arrangements von Musical, Pop- und Rockmusik und Filmmusik. In zunehmenden Maße werden auch Originalkompositionen einstudiert.

Zugehörigkeit der Spielmannszüge

In Deutschland

Spielmannszüge gehören häufig anderen Vereinen oder Organisationen an. Die Zugehörigkeit variiert regional. Häufig gehören Spielmannszüge zu:

  • Feuerwehren (Kleidungsfarbe: blau);
  • Schützenvereine (Kleidungsfarbe: grün);
  • Karnevalsvereine;
  • Turnvereine (Kleidungsfarbe: grau/ blau, blau/ weiß oder nur weiß);
  • Vereine, die einem Spielleute-Verband angehören
  • Selbständige Vereine.

Von den angegebenen Uniformfarben kann es Abweichungen geben; die meisten Züge folgen jedoch der traditionellen Farbskala.

Sportspielmannszüge findet man hauptsächlich in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin-Brandenburg. Diese Spielmannszüge waren zur Zeit der DDR im DTSB organisiert. Die Uniform ist weiß: weiße Hose, weißes Hemd, weiße Schuhe.

Die Uniformen bayerischer Spielleutegruppen sind oft angelehnt an regionale Trachten oder historische Uniformen bzw. sind in den jeweiligen Stadtfarben gehalten. Viele Spielmannszüge tragen frei gestaltete Uniformen.

Einige Bundesländer unterhalten Spielmannszüge als Auswahlorchester (Landesspielleuteorchester, Landesspielleutekorps), deren Mitglieder sich aus Vereinen des jeweiligen Bundeslandes zusammensetzen. Diese Auswahlorchester haben repräsentative Aufgaben, und ihre Mitglieder wirken mit ihrem erworbenen Wissen als Multiplikatoren in die Heimatvereine.

In folgenden Landesverbänden können Spielmannszüge, Spielleuteorchester bzw. Spielleutegruppen organisiert sein:

  • Bayerwaldspielmannsvereinigung
  • Bund Saarländischer Musikvereine
  • Deutscher Feuerwehr-Verband/Musiktreibende Züge
  • Deutscher Schützenbund/Fachgebiet Musik
  • Deutscher Turner-Bund/Fachgebiet Musik
  • Diözesanverband der Bläserchöre - Bistum Mainz
  • Hessischer Musikverband
  • Landesblasmusikverband Brandenburg
  • LandesMusikVerband NRW 1960
  • Landesmusikverband Rheinland-Pfalz
  • Landesmusikverband Sachsen-Anhalt
  • Landes- Musik- und Spielleuteverband Sachsen
  • Landesverband der Spielmanns- und Fanfarenzüge
  • Landesverband für das Spielmannswesen
  • Musikbund von Ober- und Niederbayern
  • Musikerverband Schleswig-Holstein
  • Musikverband Hamburg
  • Niedersächsischer Musikverband
  • Niedersächsischer Sportschützenverband
  • Nordbayerischer Musikbund
  • Sächsischer Blasmusikverband
  • Volksmusikerbund NRW
  • Blasmusikverband Baden-Württemberg
  • Blasmusikverband Berlin
  • Blasmusikverband Thüringen
  • Bläserverband Mecklenburg-Vorpommern
  • Bund Deutscher Blasmusikverbände
  • Thüringer Turnverband

Diese Verbände sind auf Bundesebene unter dem Dach der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände (BDMV) zusammengefasst und über diese Mitgliedschaft auch dem Internationalen Musikverband CISM angehörig.

In Österreich

Beeindruckt vom Auftreten und Spiel der deutschen Turnerspielleute beim Deutschen Turnfest 1953 in Hamburg beschlossen die österreichischen Teilnehmer, auch in ihren Turnvereinen Spielmannszüge ins Leben zu rufen. Der erste österreichische Spielmannszug wurde 1954 im Turnverein Ried 1848 auf Betreiben von Turnwart Sepp Schendl gegründet. In weiterer Folge kam es zu Gründungen in Gmunden, Salzburg, Wien und Linz. In Österreich gab es im Jahr 2000 jedoch nur etwa 15 Spielmannszüge.

Organisatorisch wurde das Spielmannswesen im Österreichischen Turnerbund 1965 durch die Errichtung eines Bundesfachausschusses für Spielmannswesen im Rahmen des Bundesturnausschusses verankert. Seit 1987 ist es als Fachgebiet direkt im Bundesturnrat vertreten. Die einzelnen Spielmannszüge sind Fachabteilungen der Turnvereine.

Deutsche Meisterschaften

Aufgrund der zahlreichen Verbände gibt es verschiedene Deutsche Meisterschaften. So kann jeder Verband seinen „Deutschen Meister“ küren.

Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände e. V.

2007 fand im Rahmen des von der BDMV getragenen Deutschen Musikfestes in Würzburg die erste „Offene, offizielle Deutsche Meisterschaft des BDMV“ statt. Startberechtigt waren alle Spielleutevereine, die ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland haben und sich im Rahmen der Vorausscheide qualifiziert haben.

Deutscher Bundesverband der Spielmanns-, Fanfaren-, Hörner- und Musikzüge e. V.

Die „Deutsche Meisterschaft des DBV“ wird seit über 30 Jahren alle 2 Jahre ausgetragen. Teilnehmer müssen sich auf Länderebene qualifizieren.

Deutsche Meisterschaft der Sportspielmannszüge

Die Meisterschaft findet seit 1996 statt. 1996 und 1998 nannte sie sich noch Deutschlandpokal der Sportspielmannszüge. Es gibt keine Klasseneinteilung, da sich bereits aus dem Namen der Veranstaltung (Sportspielmannszüge)eine Spezifizierung ergibt.

Deutscher Orchesterwettbewerb

Alle vier Jahre findet der Deutsche Orchesterwettbewerb statt, der vom Deutschen Musikrat ausgerichtet wird, und an dem seit dem Jahr 2000 auch Spielleutecorps teilnehmen können. Dem Orchesterwettbewerb geht eine Qualifikation auf Landesebene voraus.

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