Massenvernichtungswaffe

Massenvernichtungswaffe

Der Begriff Massenvernichtungswaffe (Englisch: weapon of mass destruction) bezeichnet eine Kategorie bestimmter Waffen, die als besonders zerstörerisch angesehen werden und gravierende Auswirkungen auf Leben, Gegenstände und Umwelt haben. Dazu zählen heute chemische, biologische, radiologische und nukleare Waffen (ABC-Waffen, CBRN-Waffen), mit denen der Gegner militärisch behindert oder ausgeschaltet werden soll.

Inhaltsverzeichnis

Verwendung des Begriffes

Zum ersten Mal wurde der Begriff Massenvernichtungswaffe 1937 vom Erzbischof von Canterbury Cosmo Gordon Lang verwendet. Er schrieb einen Artikel in der Times über den Luftangriff auf Gernika.[1]

Die UNO-Resolution zur Schaffung einer Atom Energie Kommission (einer Vorläufer-Kommission der IAEA) verwendete 1946 die Formulierung: „…atomic weapons and of all other weapons adaptable to mass destruction“.

1948 verwendete die Kommission der Vereinten Nationen für konventionelle Rüstung den Begriff zur Abgrenzung von konventionellen Waffen.[2]

In der Regel entstehen bei ihrem Einsatz – vom Anwender nicht beabsichtigte, jedoch in Kauf genommene – Kollateralschäden. Allerdings ist die Beschränkung des Begriffs Massenvernichtungswaffe auf ABC-Waffen umstritten, da die Zerstörungen durch konventionelle Waffen durchaus die Wirkung der ABC-Waffen übersteigen können, beispielsweise im Zweiten Weltkrieg. Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen gilt jedoch als zu vermeidende Gefahr für die weltweite Sicherheit.

Im Strafrecht der USA wird der Begriff Massenvernichtungswaffe im Kontext von terroristischen Anschlägen ausgeweitet auf alle Arten von Waffen, die im United States Code als destructive device (etwa: zerstörerischer Sprengsatz) definiert werden. Dies umfasst auch herkömmliche Bomben, Raketen, Granaten und Minen.[3][4]

Einsatz von Massenvernichtungswaffen

Im Zweiten Weltkrieg warfen die Vereinigten Staaten Kernwaffen über Hiroshima und Nagasaki ab, während Japan biologische und chemische Waffen in China einsetzte. Damit ist der Zweite Weltkrieg der einzige bewaffnete Konflikt, in dem Kriegsparteien alle verfügbaren Massenvernichtungswaffentypen einsetzten. Während der US-amerikanische Kernwaffeneinsatz der bisher einzige geblieben ist, sind biologische und chemische Waffen darüber hinaus im Ersten Weltkrieg, im Koreakrieg, im Vietnamkrieg und im Ersten Golfkrieg zum Einsatz gekommen.

Waffentypen

Atomar

Hauptartikel: Kernwaffe

Während des Zweiten Weltkrieges entwickelten die Vereinigten Staaten die erste Atombombe (Manhattan-Projekt). Die ersten Einsätze waren am 6. August 1945 über der japanischen Stadt Hiroshima und am 9. August 1945 über Nagasaki. Die Bombe über Hiroshima kostete am Tage des Abwurfs 130.000, bis zum 31. Dezember 2005 rund 250.000 Menschen das Leben. Durch die Bombe von Nagasaki starben 70.000 Menschen unmittelbar nach dem Einsatz und in den Monaten danach, bis heute beläuft sich die Zahl der Opfer wegen an Spätfolgen Verstorbener auf etwa 140.000 Menschen. In den Augen mancher Militärs sind nicht alle Nuklearwaffen als Massenvernichtungswaffen anzusehen. In bestimmten Fällen dienen sie militärisch betrachtet Zwecken wie der Flugabwehr, gegen Schiffsziele in der Marine und für besondere Einsatzgebiete wie die Satellitenzerstörung, bei denen angeblich wenig oder keine Menschen zu Schaden kommen.

Biologisch

Hauptartikel: Biologische Waffe

Biologische Waffen richten sich gegen Menschen, Nutztiere und Nutzpflanzen oder Material. Ihre Wirkung kann insbesondere bei infektiösen Pathogenen häufig nicht eingegrenzt werden. Aufgrund der Seuchengefahr richten sich diese Waffen insbesondere gegen zivile Ziele, während militärische Organisationen teilweise über geeignete Abwehrmittel verfügen, wie zum Beispiel Schutzanzüge, präventive Schutzimpfungen und im Fall einer Infektion schnelle Diagnose, Antibiotika in ausreichender Menge und das zur Behandlung nötige Know-how.

Besonders gefährlich sind Pathogene, die sich leicht züchten lassen oder stabile Sporen bilden. Dazu gehören:

Chemisch

Hauptartikel: Chemische Waffe

C-Waffen wurden erstmals im Ersten Weltkrieg am 22. April 1915 von deutschen Truppen gegen die Franzosen eingesetzt, wobei es sich um das von Fritz Haber als Waffe vorgeschlagene Chlorgas handelte. Da sich militärisches Personal verhältnismäßig einfach und effizient gegen chemische Waffen schützen kann, sind sie vor allem gegen Zivilisten effektiv.

Angesichts der Gräuel des ersten Weltkriegs wurde 1925 im Genfer Protokoll betreffend das Verbot der Anwendung von chemischen Waffen und bakteriologischen Mitteln der Einsatz von chemischen Waffen verboten. Das Verbot wurde im Zweiten Weltkrieg weitestgehend beachtet, obwohl nicht alle beteiligten Länder dem Protokoll beigetreten waren.

Das im Vietnamkrieg von den USA eingesetzte Entlaubungsmittel Agent Orange muss durch seine bekannten giftigen und krebserregenden Nebenwirkungen streng genommen als C-Waffe betrachtet werden, zumal der hohe Dioxingehalt von Agent Orange und seine direkten und indirekten Folgen den verantwortlichen Militärs nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen bekannt gewesen sind.

Berühmtheit als chemische Kampfstoffe haben Lostverbindungen und organische Phosphorsäureester erlangt.

Konventionell

Aufgrund industrieller Fertigungskapazitäten können konventionelle Waffen heute in großer Zahl hergestellt und zur Tötung großer Zahlen von Menschen in kürzester Zeit verwendet werden. Definitionsgemäß handelt es sich jedoch nicht um Massenvernichtungswaffen. Auch Flächenbombardements zählen nicht zu Massenvernichtungswaffen, trotz der großen Opferzahlen. Bei den Bombardierungen von Coventry (Großbritannien) und den Städtebombardements zahlreicher deutscher Städten und Ballungsgebieten (zum Beispiel Hamburg, Dresden) während des Zweiten Weltkriegs wurden also keine Massenvernichtungswaffen eingesetzt, auch wenn zehntausende Menschen getötet wurden.

Im Vietnamkrieg, ersten und zweiten Golfkrieg, Afghanistankrieg, US-amerikanischen Afghanistankrieg und in ähnlichen Konflikten wurden hunderttausende Menschen durch konventionelle Waffen getötet – weit mehr als durch ABC-Waffen im selben Zeitraum. Zum Einsatz kamen dabei zahlreiche konventionelle Techniken, wie etwa der Abwurf von Napalm in Vietnam, aber auch die US-amerikanischen sogenannten Daisy-Cutter-Bomben in Afghanistan, welche nur einen geringen Anteil an der tatsächlich verwendeten Abwurfmunition hatte. Gebräuchlichste Bomben waren 500- und 1000-Pfund-Bomben, die Daisy Cutter wurde von der Öffentlichkeit nur stärker wahrgenommen. Streubomben fordern auf Grund der vielen Blindgänger in der Submunition und den großflächigen Wirkungsbereich die meisten Opfer unter der Zivilbevölkerung.

„Friedensmission“ der nuklearen Massenvernichtungswaffe

Zu Zeiten des Kalten Krieges fand ein Wettrüsten zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt beziehungsweise den USA und der UdSSR statt. Die Angst beider Seiten, bei einem Angriff in jedem Fall noch Opfer der von der anderen Seite als Vergeltung gestarteten Interkontinentalraketen zu werden (MAD, Mutual Assured Destruction), hielt beide Seiten von einem Einsatz von Kernwaffen ab. Seit den Atombomben-Abwürfen auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki ist bisher keine Kernwaffe in einem bewaffneten Konflikt eingesetzt worden.

Siehe auch

Literatur

  • Katrin Krömer: Massenvernichtungswaffen und die NATO. Die Bedrohung durch die Proliferation von Massenvernichtungswaffen als Kooperationsproblem der transatlantischen Allianz. Nomos Verlags-Gesellschaft, Baden-Baden 2003, ISBN 3-8329-0365-8 (Nomos Universitätsschriften. Politik 122), (Zugleich: Trier, Univ., Diss., 2002: Die Bedrohung durch die Proliferation von Massenvernichtungswaffen als Kooperationsproblem der transatlantischen Allianz.).

Weblinks

 Commons: Massenvernichtungswaffen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Massenvernichtungswaffe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. „Archbishop's Appeal,“ Times (London), 28 December 1937, p. 9.
  2. vgl. Howlett, Daryll: 'Nuclear proliferation, in: Baylis, John et. al: The Globalization of World Politics', 4. Auflage, Oxford: Oxford University Press 2008, Kapitel 22, S. 390.
  3. § 921. Definitions. In: United States Code. Cornell University Law School, abgerufen am 5. Mai 2010.
  4. § 2332a. Use of weapons of mass destruction. In: United States Code. Cornell University Law School, abgerufen am 5. Mai 2010.

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