Masuren (Volk)

Masuren (Volk)
Alter Masure
Das Kreuz auf dem Heldenfriedhof Jägerhöhe bei Angerburg

Die Masuren sind eine durch Einwanderungen gemischte Volksgruppe aus dem heute polnischen südlichen Teil Ostpreußens, der Region Masuren.

Inhaltsverzeichnis

Sprache

Sie sprachen zum Teil bis in den Zweiten Weltkrieg hinein das Masurische, eine westslawische Mundart versetzt mit altpreußischen und deutschen Einflüssen. Nach und nach legten viele Masuren – beeinflusst durch Schulwesen und Kontakt mit deutschsprachigen Bewohnern – den Gebrauch ihrer ursprünglichen Mundart ab und wurden deutschsprachig, oft weiterhin mit hörbarem Akzent. Während zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch mindestens 90 % der Masuren das Masurische verwendeten, sank dieser Anteil in den folgenden hundert Jahren stark, so daß das Masurische zur Zeit der Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg bereits eine aussterbende Sprache war.

„Das masurische Selbstbewußtsein zeigte sich jedoch nicht nur im polnischen Mehrheitsmilieu, sondern erfaßte auch die lokale Elite, die durch Schule und Studium deutsch geprägt war und auf Deutsch miteinander verkehrte. Sichtbarer Ausdruck ihres Heimatstolzes war die studentische Verbindung Masovia, die in den vierziger Jahren an der Albertina entstand. Mit deren Farben blau-weiß-rot erfolgte später die regionale Identifizierung vieler Masuren mit ihrer Heimat. Ein Mitglied der Königsberger Masovia, der Gymnasiallehrer Friedrich August Dewischeit (1805-1884), komponierte 1855 das Masurenlied Wild flutet der See, das sich zur inoffiziellen Hymne Masurens entwickeln sollte. Der Reichssender Königsberg verwendete die Melodie ab 1930 als Pausenzeichen.“

Andreas Kossert 2001

Geschichte

Die meisten Masuren waren seit der Einführung der Reformation 1525 Lutheraner. Eine Ausnahme bildete des Gebiets um Allenstein, das unter der Herrschaft der ermländischen Bischöfe katholisch geblieben war.

Nach der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts boten sich der armen Landbevölkerung Masurens verlockende Perspektiven im Westen des Reiches. Viele Masuren wanderten daher in die westlichen Industriegebiete (Berlin, Westfalen, Rheinland) ab, so dass trotz erheblichem Geburtenüberschuss die Bevölkerungszunahme unter dem Reichsdurchschnitt lag. So zogen viele Masuren ins Ruhrgebiet, insbesondere nach Gelsenkirchen, wo sie eigene Vereine, beispielsweise Gebetsvereine namens „gromadki“, gründeten, die teilweise bis zum heutigen Tage bestehen. Das Masurenlied von Friedrich Dewischeit wird von den Alten noch gesungen. Die Eltern des verstorbenen FC-Schalke-04-Spielers Ernst Kuzorra stammten aus Masuren.

In der Kaiserzeit galten die Masuren als konservativ. In den masurischen Wahlkreisen der Regierungsbezirke Allenstein und Gumbinnen erzielte bei den preußischen Landtagswahlen die Deutschkonservative Partei jeweils mehr als 80% der Stimmen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde 1920 unter alliierter Aufsicht eine Volksabstimmung über die zukünftige Zugehörigkeit zu Deutschland/Ostpreußen oder Polen durchgeführt. Daran nahmen auf Vorschlag der polnischen Delegation bei der Konferenz von Versailles auch etwa 100.000 Masuren, die in das Ruhrgebiet und andere Teile des damaligen Deutschland gezogen waren, teil[1]. Die polnische Delegation hatte jedoch die Stimmung der Masuren, die eine ganz andere war, als die der „Ruhrpolen“ aus der Provinz Posen, ganz falsch eingeschätzt. 97,89 % der 371.189 Abstimmungsteilnehmer im Abstimmungsgebiet Allenstein (im eigentlichen Masuren, ohne Ermland 99,32%[2]) votierten für einen Verbleib Masurens bei Ostpreußen, 2,1 % stimmten für eine Angliederung an Polen.

Während der Weimarer Republik erzielten rechtskonservative monarchistische Parteien wie die Deutschnationale Volkspartei in Masuren hohe Stimmenanteile. In der Endphase der Republik erzielten auch die Nationalsozialisten überproportional hohe Stimmengewinne. Unter nationalsozialistischer Herrschaft wurde ein Großteil der Ortsnamen polnischer, litauischer und altprußischer Herkunft durch neu geschaffene deutsche Namen ersetzt. Zum Teil wurden auch masurische Familiennamen eingedeutscht und der öffentliche Gebrauch der masurischen Sprache wurde verboten. Damit sollte die Erinnerung an das polnische Erbe getilgt werden.

Nach dem Einmarsch der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg flüchteten viele Masuren genau wie die Mehrheit der deutschsprachigen Ostpreußen nach Westen. Ungefähr 160.000 blieben auch nach Kriegsende, der Potsdamer Konferenz und der Angliederung Masurens an die Republik Polen zurück, weil sie sich nach Ansicht der Volksrepublik Polen als mehr oder weniger polnischstämmige „Autochthone” nicht der Vertreibung in den Westen fügen mussten. Von den 160.000 zurückgebliebenen Masuren übersiedelte jedoch der Großteil später als Aus- und Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland.

Siehe auch

Weblinks

Literatur

Anmerkungen

  1. Richard Balanke, Polish-speaking Germans? language and national identity among the Masurians since 1871. Köln 2001, S. 134
  2. Andreas Kossert, „Grenzlandpolitik“ und Ostforschung an der Peripherie des Reiches, S. 124

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