Mathias Rohe

Mathias Rohe

Mathias Rohe (* 12. Oktober 1959 in Stuttgart) ist ein deutscher Islamwissenschaftler und Jurist.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Nach seinem Abitur 1978, Orientaufenthalten und der Ableistung des Zivildienstes studierte er ab 1981 Jura und Islamwissenschaft in Tübingen und Damaskus. Nach dem juristischen Vorbereitungsdienst beschloss Rohe seine Studien 1992 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen. Er promovierte 1993 zum Dr. jur. mit einer Arbeit über Internationales Privatrecht. 1997 folgte die Habilitation für die Fächer Bürgerliches Recht, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, Rechtsvergleichung und Europarecht; Habilitationsschrift zum Thema "Netzverträge - Rechtsprobleme komplexer Vertragsverbindungen". Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg[1] und Gründungsdirektor des dortigen Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa (EZIRE)[2]. In den Jahren 2004 bis 2006 bekleidete er dort das Amt des Dekans des Juristischen Fakultät. Rohe war in den Jahren 2001 bis 2007 Richter am Oberlandesgericht Nürnberg im Nebenamt. Er war Mitbegründer und von 2001 bis 2009 Vorsitzender der Gesellschaft für Arabisches und Islamisches Recht (GAIR) e.V.[3] Sein erstmals 2009 erschienenes Buch "Das islamische Recht. Geschichte und Gegenwart" wurde von der Neuen Juristischen Wochenschrift (Heft 50/2009) als eines der sechs lesenswertesten Bücher des Jahres vorgestellt und erhielt dafür im selben Jahr den Preis des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, der Fritz-Thyssen-Stiftung, des Auswärtigen Amtes und der VG Wort "Geisteswissenschaften International" [4].

Für Aufsehen sorgte in Österreich eine Studie Rohes und eines Teams von Fachwissenschaftlern, in der dort lebende Muslime in vier Gruppen eingeteilt werden, die bestimmte Geisteshaltungen repräsentieren. Hierbei zählen 18 % zur Gruppe der Religiös-Konservativen, 27 % zu den Traditionell-Konservativen, 31 % zu den Moderat-Liberalen und 24 % zu den Säkularisierten. Rohe warnte vor einem Kippen unter verschlechterten Rahmenbedingungen, das zu einer Art Gegengesellschaft führen könnte. Die vom österreichischen Innenministerium in Auftrag gegebene Studie wurde von der Gesellschaft für Soziologie (ÖGS) aufgrund "gröbster methodologischer und technischer Mängel" heftig kritisiert und die "Befähigung des Studienautors" (der die kritisierten, von Sozialwissenschaftlern erarbeiteten Teilstudien nicht selbst angefertigt sondern nur in der veröffentlichten Zusammenfassung gewürdigt hatte) bezweifelt[5].

Rohe beschäftigt sich unter anderem mit der Gefahr durch den Islamismus und berät als Experte den Verfassungsschutz. Er vertritt die Auffassung, dass auch die rechtlichen Teile der islamischen Scharia Recht sei in dem Sinne, dass sie im Grundsatz dieselben Funktionen erfülle wie die Rechtsordnungen westlicher Gesellschaften. So solle auch die Scharia eine gesellschaftliche Friedensordnung durchsetzen und einen Interessenausgleich zwischen den Menschen herstellen. Aus westlicher Sicht bereite deshalb das Rechtsverständnis der Scharia keine größeren Probleme[6]. Erhebliche inhaltliche Kollisionen ergäben sich allerdings aus menschenrechtswidrigen Teilaspekten traditioneller und extremistischer Auffassungen (insbesondere Körperstrafrecht und Ungleichbehandlung der Geschlechter und Religionen).

Am 18. Juli 2007 hielt Rohe einen von der Stadt München organisierten öffentlichen Vortrag, der von Islamgegnern gestört wurde und abgebrochen werden musste. Danach erhielt er zwei Morddrohungen, die auf dem Blog Politically Incorrect als Kommentar gepostet wurden.[7] Auf der Website seiner Universität dokumentiert Rohe dieses Vorkommnis und setzt sich kritisch mit den Positionen von Alice Schwarzer [8] und Hans-Peter Raddatz auseinander.

Rohe ist Mitglied des Kuratoriums der Christlich-Islamischen Gesellschaft.

Kritik

Necla Kelek warf Rohe vor, er wolle islamische Rechtsauffassungen über die Hintertür des Methodenstreits in deutsches Recht implantieren. Zudem habe er als Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe der ersten Islamkonferenz mit dafür gesorgt, dass - gegen den Widerstand der säkularen Muslime - empfohlen wurde, das Kopftuch bei Kindern „als religiöse Vorschrift“ zu akzeptieren und an Schulen zu dulden.[9] Keleks Vorwürfe hat Rohe in seiner Antwort deutlich zurückgewiesen und seinerseits kritisiert, dass Kelek die Grundlagen der deutschen Rechtsordnung außer Acht ließe.[10]

Veröffentlichungen in Auswahl

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.jura.uni-erlangen.de/professoren/rohe.shtml
  2. http://www.ezire.de
  3. Website der Gesellschaft für Arabisches und Islamisches Recht e.V.
  4. http://www.boersenverein.de/de/158446/Pressefotos/343011
  5. "Soziologen kritisieren Moslem-Studie scharf", SCIENCE.ORF.AT/APA, 24. Mai 2006[1]. Rohe erwiderte den Kritikern in einem Interview im "Standard" am 26. Feb. 2007[2]
  6. Aus einem Bericht der deutschen "Bundeszentrale für Politische Bildung" über einen Rohe-Vortrag im März 2003; vgl. [3]
  7. Die Welt: Morddrohungen wegen Dialogs mit den Muslimen, 10. August 2007
  8. Website der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: Alice Schwarzers Kanal, 31. Juli 2007
  9. Necla Kelek: Das ist Kulturrelativismus. FAZ, 15. Februar 2011.
  10. Mathias Rohe: Das ist Rechtskulturrelativismus. FAZ, 22. Februar 2011

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