Maurice Bejart

Maurice Bejart
Maurice Béjart, 1984

Maurice Béjart, ursprünglich: Maurice-Jean Berger (* 1. Januar 1927 in Marseille; † 22. November 2007 in Lausanne) war ein französischer Balletttänzer und Choreograf. Béjart gilt als ein Erneuerer des neoklassizistischen Balletts. Er inszenierte es gegen Ende der 1960er Jahre als „spectacle total“ („Totaltheater“), einem Gesamtkunstwerk aus unterschiedlicher Sprache, Musik, Tanz und Regie. Mit bildreichen und spektakulären Aufführungen erschloss er dem Ballett ein neues Publikum. Béjart emanzipierte die männlichen Tänzer von ihrer sekundären Rolle als Hebepartner von Ballerinen und erlaubte auch ihnen eine sensible Subjektivität auf der Bühne.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Ausbildung und frühe Jahre

Béjart wurde als Sohn des Philosophen Gaston Berger in Marseille geboren. Sein Vater kam aus armen Verhältnissen, er arbeitete erst als Düngemittel-Vertreter, brachte sich Chinesisch bei, wurde dann Lehrer und schließlich ein Beamter für das Universitätswesen.[1] Nach einem Unfall verschrieb ein Arzt dem jungen Maurice Übungen in klassischem Tanz zur medizinischen Rehabilitation. Damit wurde seine Leidenschaft für den Tanz geweckt.

Sein öffentliches Debüt als Tänzer hatte er im Alter von 14 Jahren an der Opéra National de Paris, wo auch Roland Petit tanzte. Nach dem Lizenziat legte er den Familiennamen ab und nannte sich fortan Béjart, nach einer berühmten Schauspielerdynastie des 17. Jahrhunderts, die mit Molière auftrat. In einigen Berichten wird der Geburtsname der Mutter mit Béjart angegeben; sie starb, als er erst sieben Jahre alt war.[2] Er trat zunächst in Frankreich in Kompanien von Janine Charrat und Roland Petit auf, später im „International Ballet London“ und im Cullberg Ballett in Stockholm.

1951 schaffte er dort seine erste Choreografie, L'Inconnu (Der Unbekannte). 1955 choreografierte er Symphonie pour un homme seul (Symphonie für einen einsamen Menschen) für seine eigene Kompanie, die Ballets de l'Étoile. Das Stück, dessen Musik von Pierre Henry und Pierre Schaeffer komponiert wurde, trug ihm Anerkennung beim Publikum und der Kritik ein.

Karriere in Brüssel

1960 wurde Maurice Huisman, damals Direktor am Théâtre Royal de la Monnaie/Koninklijke Muntschouwburg, für das Béjart die preisgekrönte Choreografie für Le sacre du printemps schuf, auf ihn aufmerksam. Der Choreograf erhielt eine feste Anstellung am Haus und gründete mit Huismans Unterstützung in Brüssel das Ballet du XXe siècle, mit dem er weltweit Tourneen unternahm. Berühmte Inszenierungen aus dieser Zeit sind (u.a. Boléro), berühmt geworden mit Jorge Donn als Solist, Messe pour le temps présent und L'Oiseau de feu (1970). In den 1960er Jahren schaffte Béjart das traditionelle Tüll-Tutu ab und ließ die Tänzer in Jeans auftreten.

Umzug nach Lausanne

Da die geforderten Mittel nicht bewilligt wurden, verlegte der inzwischen zum Islam konvertierte Choreograf im Jahre 1987 den Sitz seiner Kompanie nach Lausanne und benannte sie in Béjart Ballet Lausanne um.

1998 wurde er wegen eines Plagiats gerichtlich verurteilt. Sein Stück Le Presbytère… enthielt eine Szene, die La chute d’Icare (Der Absturz des Ikarus) des belgischen Choreografen Frédéric Flamand entnommen war. Béjart überarbeitete das Ballet und benannte es in Ballet for Life um. Die Filmaufzeichnung dazu erhielt 1998 beim Festival Rose d’Or die „Silberne Rose für Kunst & Specials“. 1999 wurde Béjart mit dem Kyoto-Preis geehrt.

Stil und Einfluss

Béjart hatte und hat einen starken, aber auch polarisierenden Einfluss auf das Ballett, die Kritik und das Publikum. Er pflegte einen eklektischen Stil, der sich aus vielen Richtungen zusammensetzte und neigte zu Pathos, Mystizismus und Heldenverehrung. Mythische Figuren, Götter, Künstler und fremde Kulturen sind Themen seiner Kunst. Durch diese bildkräftigen, unmittelbar zugänglichen Themen trug er maßgeblich dazu bei, dass das Ballett ein breiteres Publikum erreichte. Mit dem „Ballet du XXe siècle“ erneuerte er den neoklassizistischen Stil.

Lehrtätigkeit

École Mudra

Béjart war sehr erfolgreich und einflussreich als Lehrer. Sein Schüler und späterer Lebensgefährte Jorge Donn war durch die Zusammenarbeit mit ihm zum Star geworden. 1970 gründete Béjart die École Mudra in Brüssel, um junge Talente in der Tanzkunst zu unterrichten. Aus dieser Schule, die bis 1988 bestand, gehen eine ganze Reihe von Tänzern und Choreografen hervor, die die weitere Entwicklung des zeitgenössischen Tanzes in Europa beeinflussen, unter ihnen Maguy Marin, Anne Teresa De Keersmaeker und Enzo Cosimi. 1977 gründete er in Dakar die École Mudra Afrique, die bis 1985 bestand.

École Rudra

1992, nach seinem Umzug nach Lausanne, gründete Béjart dort das École-atelier Rudra, das seitdem eine der angesehensten Ausbildungsstätten in der Welt des klassischen Tanzes ist.

Zitat

Béjart war unendlich wichtig für die Neudefinition des klassischen Tanzes.“ Er habe ein ganz neues Publikum für den klassischen Tanz gewonnen, „weil er ihn in eine revolutionäre Richtung geführt hat, ohne die klassischen Wurzeln zu zerstören.

John Neumeier, Intendant des Hamburg Balletts [3]

Wichtige Werke

  • 1955: Symphonie pour un homme seul (Symphonie für einen einsamen Menschen, Paris)
  • 1957: Sonate à trois (Triosonate, Essen)
  • 1958: Orphée (Orpheus, Lüttich)
  • 1959: Le sacre du printemps (Brüssel)
  • 1961: Boléro (Brüssel)
  • 1964: IXe Symphonie (Brüssel)
  • 1966: Roméo et Juliette (Romeo und Julia, Brüssel)
  • 1967: Messe pour le temps présent (Messe für die Gegenwart, Avignon)
  • 1968: Bhakti (Avignon)
  • 1972: Nijinski, clown de Dieu (Nijinsky, Clown Gottes, Brüssel)
  • 1975: Pli selon pli (Falte für Falte, Brüssel)
  • 1975: Notre Faust (Brüssel)
  • 1977: Petrouchka (Brüssel)
  • 1980: Eros Thanatos (Athen)
  • 1982: Wien, Wien, nur du allein (Brüssel)
  • 1983: Messe pour le temps futur (Messe für die Zukunft, Brüssel)
  • 1987: Souvenir de Léningrad (Lausanne)
  • 1988: Piaf (Tokio)
  • 1989: 1789… et nous (1789 … und wir, Paris)
  • 1990: Pyramide (Kairo)
  • 1991: Tod in Wien (Wien)
  • 1992: La Nuit (Die Nacht, Lausanne)
  • 1993: M (Tokio)
  • 1995: À propos de Shéhérazade (Über Scheherazade, Berlin)
  • 1997: Le Presbytère n'a rien perdu de son charme, ni le jardin de son éclat (Das Pfarrhaus, Paris)
  • 1999: La Route de la soie (Die Seidenstraße, Lausanne)
  • 2000: Enfant-roi (Kind-König, Versailles)
  • 2001: Tangos (Genua)
  • 2001: Manos (Lausanne)
  • 2001: Lumière (römisches Theater von Lyon) [4]
  • 2002: Mère Teresa et les enfants du monde (Mutter Theresa und die Kinder der Welt)
  • 2003: Ciao Federico, eine Hommage an Federico Fellini
  • 2006: L'amour de la danse (Die Liebe zum Tanz)
  • 2006: Zarathoustra

Ehrungen

  • 1986: „Orden der aufgehenden Sonne“ von Kaiser Hirohito
  • 1988: Ernennung zum „Grand Officier de l’Ordre de la Couronne Belgique“ durch König Baudouin
  • 1993: Praemium Imperiale
  • 1994: Ehrenmitglied der Académie des Beaux-Arts de l’Institut de France
  • 1996: Ehrenbürger der Stadt Lausanne
  • 1999: Kyoto Prize der japanischen Inamori Stiftung
  • 2002: „Grand Siècle Laurent Perrier“
  • 2003: „Commandeur de l’Ordre des Arts et des Lettres“ durch den französischen Botschafter in der Schweiz
  • 2004: Preis für sein Lebenswerk bei „Movimentos – Internationales Tanzfestival“ in Wolfsburg

Siehe auch

Weblinks

Nachrufe

Bilder

Belege

  1. „Maurice Bejart, 80, Choreographer, Is Dead“, Associated Press / New York Times, 23. November 2007
  2. „Maurice Béjart, 80, Ballet Iconoclast, Dies“, New York Times, 23. November 2007
  3. „Choreograph Maurice Béjart gestorben“, FAZ, 22. November 2007
  4. Besprechung von «Lumière»: Maurice Béjart sucht das Licht, NZZ, 22. Juni 2001

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