Arbeit in der DDR

Arbeit in der DDR

Das Arbeitsrecht in der DDR ist die Gesamtheit der staatlichen Gesetze, Verordnungen unter anderem Regelungen zur Gestaltung und Entwicklung der Arbeitsverhältnisse zwischen den Werktätigen und den Betrieben. Es fand zum Teil auch Anwendung bei ehrenamtlichen oder anderweitig öffentlichen, gesellschaftlichen Tätigkeiten.

Inhaltsverzeichnis

Arbeitsrechtsparteien im Sozialismus

Begrifflichkeiten

Die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die zur besseren, heutigen Orientierung in den folgenden Absätzen weiter verwendet werden, kamen in der offiziellen Sprachregelung der DDR nicht vor. Das hatte vornehmlich zwei Gründe:

  1. Aus Sicht der DDR-Ideologen würde der Begriff Arbeitgeber in der Marktwirtschaft falsch zugeordnet. Der Lohnabhängige verkaufe seine Arbeitskraft und damit seine Arbeitsleistung. Also gäbe er ja seine Arbeit ab, wäre ein Arbeitgeber. Der Kapitalist, Eigentümer (wie auch immer bezeichnet) nähme die Arbeit entgegen und vermarkte sie gewinnbringend, wäre also ein Arbeitnehmer. Diese Betrachtungsweise war durchaus kein grammatikalisches Wortspiel, sondern eine kommunizierte Argumentation innerhalb der Agitation und Propaganda der Partei- und Staatsführung der DDR.
  2. Zwei Begriffe wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer beschreiben schon als Wortpaar gegensätzliche Seiten. In der sozialistischen Produktion könne es aber keine antagonistischen Gegensätze geben, da ja das Volk das Volkseigentum nutze und mehre.

Folgerichtig sprechen das Arbeitsgesetzbuch und andere einschlägige Quellen nur vom Betrieb und den Werktätigen. Zur besseren heutigen Orientierung werden die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den folgenden Absätzen weiter verwendet.

Arbeitgeberseite (Betriebe)

Der Charakter des Arbeitgebers war bestimmt von der Form seines Eigentums an Produktionsmitteln.

Der Anteil privater Arbeitgeber wurde seit Gründung der DDR, besonders aber seit 1972, systematisch zurückgedrängt. Dies erfolgte unter dem Selbstverständnis der sozialistischen Weltanschauung, dass ein einzelner Mensch oder eine einzelne Gruppe sich nicht an der Arbeit anderer bereichern solle. Dieser Prozess verlief jedoch weniger aus naiv-moralischem Anspruch, sondern war klar politisch motiviert: Die im Sozialismus herrschende Arbeiterklasse könne sich nicht von Kapitalisten ausbeuten lassen. Die Zurückdrängung der privaten Wirtschaft erfolgte in Form von Enteignungen, Zwangsverkäufen, Beschneiden der Aufträge, wirtschaftlichen Aktivitäten und Kontakte. Oft gaben Inhaber selbst resigniert auf. 1962 bestanden in der Industrie noch etwa 6000 Betriebe mit staatlicher Beteiligung und 5500 kleine und mittlere private Betriebe, in denen etwa eine halbe Million Werktätige beschäftigt waren[1]. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung von BRD und DDR 1990 gab es aber nur noch einzelne, meist handwerkliche und Handel treibende Privatbetriebe, die laut Gesetz nur weniger als 10 Beschäftigte haben durften.

Große Bedeutung hatten Genossenschaften. Als Arbeitgeber im heutigen Sinne traten die gewählten Vorstände auf. Sie verwalteten und bewirtschafteten das genossenschaftliches Eigentum der mehr oder weniger freiwillig zusammengeschlossenen Mitglieder. Neben den bekannten Zwangskollektivierungen gab es auch tatsächlich freiwillige Zusammenschlüsse, insbesondere dann, wenn die Mitglieder Vorteile für sich erkannten. Es bestanden z. B. folgende Formen von Genossenschaften:

1988 waren davon z. B. 2.719 PGH (S. 175)[2] und 3.855 LPG, 199 GPG, 51 PGB, PwP und PwZ (S. 181)[2] registriert.

Des Weiteren wurden Volkseigene Güter (VEG) gebildet. Im Gegensatz zum privaten und genossenschaftlichen Eigentum sollten sie den staatlichen Sektor in der Landwirtschaft stärken. Im ideologischen Sinn ging es darum, den Einfluss der Arbeiterklasse auch auf das Land auszudehnen. Unabhängig von diesem Hintergrund handelte es sich letztlich um volkseigene landwirtschaftliche Großbetriebe. Es gab z. B. Saatzucht- und Tierzuchtgüter sowie weitere Lehr- und Versuchsgüter. 1977 gab es in der DDR 420[3] und 1988 insgesamt 465 VEG (S. 181)[2]. Als Arbeitgeber traten die jeweiligen Leiter der VEG auf.

Vorherrschende Wirtschaftsorganisation waren in der DDR die Volkseigenen Betriebe (VEB). Deren Leitungen verwalteten und bewirtschafteten das den Betrieben zugeordnete („anvertraute“) Volkseigentum. Ein VEB unterstand einem übergeordneten Staatsorgan oder als Kombinatsbetrieb einem Kombinat. Vorläufer der Kombinate waren Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB). 1988 gab es 3.408 Industriebetriebe (S. 139)[2] Als Arbeitgeber traten die jeweiligen Betriebs-, VVB- bzw. Kombinatsleiter auf.

Neben diesen entscheidenden verzeichnete man eine Reihe spezieller Formen von Betrieben, z. B.:

  • reine Staatsbetriebe, wo also Kommunen, Kreise, Bezirke, Ministerien u.a. Staatsorgane von ihnen direkt verwaltetes Eigentum bewirtschafteten (Beispiel Staatsdruckerei, Staatliche Münze u.a.)
  • Volkspolizei und Nationale Volksarmee, die neben militärischen Dienstverhältnissen auch zivile Beschäftigte hatten
  • künstlerische Betriebe (z. B. Theater, Kulturbetriebe u.a.)
  • kirchliche Betriebe
  • organisationseigene Betriebe (VOB) im Eigentum von Parteien und Organisationen (z. B. Verlage, Druckereien, Immobilien u.a.)
    • darunter ca. 160 SED-Betriebe[4]

Nach der Wiedervereinigung erfasste übrigens auch im Rahmen des Einigungsvertrags das D-Markbilanzgesetz Unternehmen und Betriebe der DDR, die die Pflicht zur Aufstellung eines Inventars und einer Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark (DM) hatten.[5]

Arbeitnehmerseite (Werktätige)

In seinen Geltungsbereich bezieht das AGB ein:[6]

  • Arbeiter und Angestellte, einschließlich Heimarbeiter und Lehrlinge (Werktätige)
  • Zivilbeschäftigte im Bereich der bewaffneten Organe
  • Werktätige, die im Auftrag ihres Betriebes oder zuständigen Staatsorgans im Ausland tätig sind
  • Rehabilitanden
  • Absolventen von Hoch- und Fachschulen
  • Schüler und Studenten, die während der Ferien arbeiten

Grundlegende Inhalte

Gesetzliche Grundlagen

Grundlegende Bestimmungen zu arbeitsrechtlichen Fragen enthielten:

  • Artikel 24 der Verfassung der DDR, der das Recht auf Arbeit und das Recht auf einen Arbeitsplatz formulierte.[7]
  • das Arbeitsgesetzbuch (AGB)[6] enthielt alle wesentlichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in für jeden Arbeitnehmer und Arbeitgeber verständlicher Form.
  • Verordnung über die Pflichten, die Rechte und die Verantwortlichkeit der Mitarbeiter in den Staatsorganen[8]
  • Mutterschutzgesetz[9]
  • die Arbeitsschutzverordnung (ASVO)[10]
  • Arbeitschutzanordnungen (ASAO), Arbeitsschutz- und Brandschutzanordnungen (ABAO), etwa vergleichbar den Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der heutigen gesetzlichen Unfallversicherung; Beispiel: ASAO 5 „Arbeitsschutz für Frauen und Jugendliche“[11]
  • Technische Güte- und Lieferbedingungen(TGL), Pendant der DIN-Norm
  • der Rahmenkollektivvertrag (RKV) mit dem FDGB (entspricht etwa einem gesamtstaatlichen Mantel-Tarifvertrag)
  • Betriebskollektivverträge (BKV)
  • Neuererverordnung[12] (entspricht etwa einer gesamtstaatlichen Regelung zum betrieblichen Vorschlagswesen)
  • Anordnung über die arbeitsrechtliche Stellung der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeiter und Angestellten vom 18. Januar 1958
  • weitere siehe z. B. in[13]

Beginn und Ende von Arbeitsrechtsverhältnissen

Begründet wurden Arbeitsrechtsverhältnisse durch Arbeits- oder Lehrvertrag, Berufung oder Wahl.

War die Auflösung eines Arbeitsrechtsverhältnisses notwendig, sollte die im gegenseitigen Einvernehmen durch Aufhebungs- oder Überleitungsvertrag erfolgen. Des Weiteren gab es die fristgemäße Kündigung und die fristlose Entlassung.

Bei Kündigung und Entlassung sah das AGB zwingend eine gewerkschaftliche Zustimmung vor. Verweigerte die zuständige betriebliche Gewerkschaftsleitung (BGL) die Zustimmung, entschied auf Antrag des Betriebes die übergeordnete Gewerkschaftsleitung bzw. der übergeordnete Vorstand endgültig.

Besonderen Kündigungsschutz, Einschränkungen der Kündbarkeit oder zusätzliche Zustimmungen zu Kündigungen und Entlassungen wurden unter anderen formuliert für:

Werktätige hatten des Weiteren das Recht, gegen Änderungsverträge oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Einspruch einzulegen.

über das Arbeitsverhältnis hinaus gehende Tätigkeiten

Der Rahmenkollektivvertrag und die Betriebskollektivverträge regelten die Einkommensstruktur in der Volkswirtschaft der DDR. Leistungen darüber hinaus waren von den Werktätigen formell nicht forderbar. Aber der politische und moralische Druck führte dennoch zu Leistungen über die arbeitsrechtlichen Pflichten. In der Aktivistenbewegung kam es zu Effizienzsteigerungen in der Produktion, die nur durch motivierte Werktätige möglich wurden. Der erste offiziell gefeierte Aktivist war Adolf Hennecke. Später wurden engagierte Mitarbeiter als Aktivist der sozialistischen Arbeit ausgezeichnet. Die offizielle und von der Partei- und Staatsführung betonte Würdigung dieser Leistungen soll nicht verbergen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft bewusst im Interesse des Betriebes oder der Gesellschaft handelten und tatsächlich Leistungen über die Normative erbrachten.

Leistungssportler

Leistungssportler hatten keinen sportlichen Arbeitgeber. Das hätte der offiziellen Doktrin widersprochen, nach der der Profisport unvereinbar mit der sozialistischen Werteordnung wäre. Begründet wurde das mit dem dem Sport als friedlichem Wettstreit zugrunde liegenden Olympischen Gedanken und mit der ökonomischen Betrachtung, dass sportliche Leistungen, die erbracht werden müssen, um die Daseinsvorsorge zu sichern, letztendlich zur Selbstausbeutung und Schädigung des Sportlers führen würden.

Dass die Partei- und Staatsführung selber ein System der Stimulierung bis zum Doping zuließ oder gar forderte, ist nicht Gegenstand dieses Artikels. An dieser Stelle genüge ein Hinweis auf Klagen von ehemaligen Leistungssportlern gegen die DDR, deren Ministerien, das NOK der DDR bzw. deren Rechtsnachfolger.[14] oder auf einschlägige Literatur, z. B.[15], [16]

Leistungssportler waren entweder noch Schüler, oft in Sportschulen mit Abschluss 10. Klasse oder Abitur bzw. sie waren mehr oder weniger formell als Werktätige angestellt in Betrieben oder als Armeesportler bei der NVA. Das heißt, sie wurden in Berufen ausgebildet, leisteten einen Teil ihrer Zeit tatsächlich Arbeit in diesem Betrieb, und die andere war dem Training und sportbezogenen Aktivitäten gewidmet. Im Extremfall aber bestand das Arbeitsverhältnis scheinbar nur auf dem Papier und der Sportler widmete sich ausschließlich seinem Sport. Dies war sogar auf der Basis des AGB möglich, denn im Par. 182(1) Abs. f) war die Freistellung von der Arbeit wegen Vorbereitung und Durchführung von gesellschaftlichen, sportlichen und kulturellen Veranstaltungen entsprechend den Rechtsvorschriften geregelt.

Diese intensive Förderung des Sports in der DDR führte dazu, dass sie bei Olympischen Spielen in der Regel bei Medaillenspiegeln auf dem Niveau der Favoriten USA und Sowjetunion rangierte, was für die Vergleichbarkeit der sportlichen Vorbereitung mit dem Profisport spricht. Arbeitsrechtlich bestand dennoch ein Unterschied. Im Gegensatz zum Profi im heutigen Sinne hatten die Leistungssportler in der DDR auch nach Beendigung der sportlichen Karriere:

  • eine anerkannte berufliche Ausbildung außerhalb der Sportlandschaft;
  • ein gültiges Arbeitsverhältnis mit tariflich bestimmten Einkommen;
  • Versicherungsschutz nach Sport- o.a. Unfällen;
  • auch während der aktiven Laufbahn aufgelaufene Rentenansprüche

Künstler, Ärzte und andere Gruppen

Es gab Freischaffende und Angestellte in speziellen Berufen, z. B. Künstler, Ärzte, Wissenschaftler, Journalisten, Schriftsteller usw.

Arbeitsverhältnisse der Freischaffenden wurden nicht im AGB geregelt. Sie unterlagen Einzelverträgen.

Angestellte unterlagen dem AGB. Für Sie galten aber Besonderheiten, z. B. im Par. 178(3) ermöglichte das AGB für diese Berufsgruppen besondere Regelungen bezüglich der Überstundenarbeit. Des Weiteren enthielten die verschiedenen Betriebskollektivverträge (BKV) eigene Regelungen.

Gesellschaftliche und ehrenamtliche Tätigkeiten

In der DDR wurde großen Wert gelegt auf gesellschaftliche und ehrenamtliche Aktivitäten. Die sollten die Verbundenheit mit dem herrschenden System dokumentieren und dem Anspruch genügen, dass sinnvolle und der Allgemeinheit dienende Tätigkeit ein inneres Anliegen der Menschen sein müsse und nicht nur gegen Be- oder Entlohnung erbracht wird. Dennoch waren solche Tätigkeiten nicht vom Arbeitsgesetzbuch getrennt. Sofern sie mit der ideologische Vorstellungen übereinstimmten, waren sie sogar vom AGB und nachfolgenden Bestimmungen geschützt.

Eine Form solcher gesellschaftlicher Arbeit waren z. B.

  • das Nationale Aufbauwerk (NAW);
  • Bewegegung der Aktivisten;
  • die so genannten Subbotniks;
  • alle Arbeit in Parteien oder gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Organisationen (sofern nicht festangestellt);
  • Aktivitäten im Rahmen der Bewegung „Brigade der sozialistischen Arbeit“ und im sozialistischen Wettbewerb;
  • so genannte Feierabendbrigaden der Betriebe, in denen MitarbeiterInnen unentgeltlich Arbeit nach Feierabend und an Wochenenden leisteten und
  • weitere einzeln organisierte Tätigkeiten (deren Spektrum war nicht begrenzt, es reichte von Sportfesten, Kulturveranstaltungen bis zu Maidemonstrationen).

Ehrenamtliche Tätigkeiten gab es, vergleichbar mit heute, in allen Sphären des gesellschaftlichen Lebens. Sie waren von der Gesellschaft organisiert bzw. initiiert oder privat motiviert.

Obwohl es bei all diesen Tätigkeiten nicht um Arbeitsverhältnisse im engeren Sinne ging, erstreckte sich ein Teil des im 10. Kapitel des AGB geregelten Arbeits- und Gesundheitsschutzes auch auf sie. Z. B. legte Par. 220(3) des AGB fest, dass Unfälle bei organisierten gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten Arbeitsunfällen gleichgestellt sind.[6]

Arbeitsrechtsstreitigkeiten

Im sozialistischen Selbstverständnis erwartete die offizielle Gesellschaft Streitigkeiten nur aus folgenden Gründen:[6]

  • Verletzung der Gesetzlichkeit,
  • unvollständige oder unklare rechtliche Regelungen,
  • Gesetzesunkenntnis.

Politisch motivierte oder Streitigkeiten im Zusammenhang mit Lohnforderungen, Streiks u.a. Konflikten regelte das Arbeitsrecht der DDR nicht.

Organe zur Entscheidung über Arbeitsrechtsstreitigkeiten zwischen Betrieben und Werktätigen waren:

  • die Konfliktkommissionen
  • die Kammern für Arbeitsrecht der Kreisgerichte
  • die Senate für Arbeitsrecht der Bezirksgerichte
  • der Senat für Arbeitsrecht des Obersten Gerichts der DDR

Die früher vorhandenen, selbständigen Arbeitsgerichte wurden 1963 in die Kreis- und Bezirksgerichte eingegliedert.[17]

Allerdings waren Arbeitsrechte de facto eingeschränkt oder gar außer Kraft, wenn die Tätigkeit den Zielen der Partei (SED) oder Staatsmacht zuwider lief. Wenn dies auch in vielen Fällen festgestellt werden muss, ist dennoch zu konstatieren, dass die übergroße Mehrheit der Arbeitsrechtsverhältnisse nach den oben genannten rechtlichen Grundlagen bestanden und Streitfragen danach geregelt wurden.

Im Jahr 1988 wurden z. B. 15.137 Arbeitsrechtsverfahren beantragt, wovon 14.937 abgeschlossen wurden. Nach Streitgegenstand waren es

  • 1.420 Beendigungen des Arbeitsrechtsverhältnisses;
  • 3.679 Lohn- oder Vergütungsforderungen einschl. Rückforderungen;
  • 4.517 materielle Verantwortlichkeit des Werktätigen oder des Betriebes (Schadensersatzansprüche);
  • 5.321 sonstige Arbeitsrechtsstreitigkeiten.(S. 400)[2]

Änderungen nach dem 9. November 1989

Mit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 und der Öffnung der Grenze zur Bundesrepublik erfolgte eine grundlegende Wende im politischen Leben der DDR. Die erstmals vom Westen anerkannte, am 18. März 1990 frei gewählte Volkskammer (Konstituierung am 5. April 1990) und die Kultur der Runden Tische brachten eine grundlegende Diskussion der weiteren Ausrichtung der Gesellschaft in der DDR mit sich, die sich auch in Änderungen des Arbeits- und Sozialrechts ausdrückte.

Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht der DDR

Ziel der Änderungen im Arbeits- und Sozialerecht war es, politisch und ideologisch begründete Bestandteile des Rechts in der DDR aufzuheben, Ergebnisse der gesellschaftlichen Diskussion in die Gesetzgebung einzubringen und bewährte Strukturen des bürgerlichen und bundesdeutschen Rechts zu adaptieren. So wurden in der kurzen Zeit zwischen 5. April 1990 und 3. Oktober 1990 durch intensive parlamentarische Tätigkeit von der Volkskammer zahlreiche Gesetze der DDR aufgehoben oder novelliert sowie neue Gesetze verabschiedet. Als Beispiele seien aufgeführt:[5]

  • Verordnung über die Gewährung von Vorruhestandsgeld vom 8. Februar 1990, Gbl. I Nr. 7 S. 42;
  • Verordnung über die Einführung gesetzlicher Feiertage vom 16. Mai 1990, Gbl. I Nr. 27 S. 248;
  • Anordnung über die Förderung der Beschäftigung von Bürgern, die in ihrem Sozialverhalten gestört sind vom 29. Mai 1990, Gbl. I Nr. 34 S. 364;
  • Verordnung über die Veränderung von Arbeitsrechtsverhältnissen mit ausländischen Bürgern, die auf der Grundlage von Regierungsabkommen der DDR beschäftigt und qualifiziert werden vom 13. Juni 1990, Gbl. I Nr. 35, S. 398;
  • Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches vom 22. Juni 1990, Gbl. I Nr. 35 S. 371;
  • Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vom 22. Juni 1990, Gbl. I Nr. 36 S. 403;
  • Gesetz über die Sozialversicherung (SVG) vom 28. Juni 1990, Gbl. I Nr. 38 S. 486;
  • Rentenangleichungsgesetz vom 28. Juni 1990, Gbl. I Nr. 38 S. 495;
  • Verordnung über die Änderung oder Aufhebung von Rechtsvorschriften vom 28. Juni 1990, Gbl. I Nr. 38 S. 509;
  • Gesetz über die Errichtung und das Verfahren der Schiedsstellen für Arbeitsrecht vom 29. Juni 1990, Gbl. I Nr. 38, S. 505;
  • Verordnung zu Übergangsregelungen bis zur erstmaligen Wahl der Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Juli 1990, Gbl. I Nr. 44, S. 715;

Übergang in bundesdeutsches Recht nach der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990

Der Einigungsvertrag regelte u.a. die Überleitung bestehenden bundesdeutschen Rechts auf das Gebiet der beigetretenen DDR, als auch fortgeltendes Recht der DDR. Mit seinem Inkrafttreten wurden des Weiteren neue Gesetze im wiedervereinten Deutschland gültig. Gleichzeitig wurden auch einzelne bundesdeutsche Gesetze außer Kraft gesetzt.

Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung wurden Gesetze, Verordnungen und Ordnungen übergeleitet im Rahmen:[5]

  • der Arbeitsrechtsordnung;
  • des Technischen und sozialen Arbeitsschutzes;
  • des Sozialrechts einschl. Sozial-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungsrechts;
  • der Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsförderung, Arbeitslosenversicherung;
  • des Entschädigungsrechts und der Rehabilitation;
  • der Förderung der Vermögensbildung

Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung galten neben den im Absatz "Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht der DDR“ aufgezählten Nachwendegesetzen und -verordnungen auch ältere Rechtsgrundlagen der DDR in der jeweils aktuellen Version teilweise und befristet fort, z. B.:[5]

  • Achte und neunte Durchführungsbestimmung vom 2. Januar 1957 zur VO über die Sozialpflichtversicherung - Deckung der Lasten bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten; Gbl. I Nr. 3 S. 21 bzw. Gbl. I Nr. 8 S. 82;
  • Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973, Gbl. I Nr. 22 S. 199;
  • Arbeitsgesetzbuch (AGB) vom 16. Juni 1977, Gbl. I Nr. 18 S. 185;
  • Verordnung zur Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 17. November 1977, Gbl. I Nr. 35 S. 373;
  • Verordnung über die freiwillige Zudsatzrentenversicherung (FZR) vom 17. November 1977, Gbl. I Nr. 35 S. 395;
  • Verordnung über die Sozialpflichtversicherung der in eigener Praxis tätigen Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und der freiberuflich tätigen Kultur- und Kunstschaffenden vom 9. Dezember 1977 (Sonderdruck Gbl. Nr. 942;
  • Verordnung über den Erholungsurlaub vom 28. September 1978, Gbl. I Nr. 33 S. 365;
  • Rentenverordnung vom 23. November 1979, Gbl. I Nr. 43 S. 401;
  • Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von Berufskrankheiten vom 26. Februar 1981, Gbl. I Nr. 12 S. 137 sowie ihre erste Durchführungsbestimmung - Liste der Berufskrankheiten vom 21. April 1981, Gbl. I Nr. 12 S. 139;
  • Verordnung über die besondere Unterstützung von Familien mit schwerstgeschädigten Kindern vom 24. April 1986, Gbl. I Nr. 15 S. 243;
  • Regelungen für Sonder- und Zusatzversorgungssysteme
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Einzelnachweise

  1. Autorenkollektiv: Geschichte der SED. Abriß., Dietzverlag Berlin 1978, S. 439
  2. a b c d e Statistisches Jahrbuch der DDR 1989, 1. Auflage, Staatsverlag der DDR, Berlin Juni 1989, ISBN 3-329-00457-6
  3. Meyers Universallexikon Band 4, VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1980, S. 494
  4. Schlussbericht der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR, Berlin 5. Juli 2006, Abschnitt C.I.1.c), http://www.bmi.bund.de/Internet/Content/Common/Anlagen/Themen/Deutsche__Einheit/DatenundFakten/UKPV__Abschlussbericht,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/UKPV_Abschlussbericht.pdf
  5. a b c d Vertrag zwischen der BRD und der DDR zur Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31. August 1990, Sonderdruck aus der Sammlung das deutsche Bundesrecht/ [Bundesrepublik Deutschland; DDR] - 1. Auflage -Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 1990, ISBN 3-7890-2197-0
  6. a b c d Arbeitsgesetzbuch, Textausgabe mit Sachregister, Verlag Tribüne Berlin und Staatsverlag der DDR, Berlin 1987, ISBN 3-329-00138-0
  7. Wortlaut der Verfassung der DDR(pdf)
  8. Gesetzblatt Teil II, Nr. 26 S. 163 vom 19. Februar 1969
  9. Gesetz über den Mutter- und Kindschutz und die Rechte der Frau, GBl. Nr. 111 S. 1037 vom 27. September 1950
  10. Arbeitschutzverordnung, GBl. I Nr. 36 S. 405 vom 1. Dezember 1977
  11. Arbeitschutzanordnung 5 vom 9. August 1973, GBl. I Nr. 44 S. 465
  12. VO über die Förderung der Tätigkeit der Neuerer und Rationalisatoren in der Neuererbewegung, GBl. II 72 Nr. 1 S. 1 vom 22. Dezember 1971
  13. Das geltende Recht, Verzeichnis der geltenden Rechtsvorschriften vom 7. Oktober 1949 bis 31. Dezember 1986, Staatsverlag der DDR, Berlin 1987
  14. http://www.svl.ch/doping/ddr_doping_4.html
  15. Giselher Spitzer: Doping in der DDR. Ein historischer Überblick zu einer konspirativen Praxis. Genese-Verantwortung-Gefahren, 2003³, ISBN 3-89001-315-5
  16. Stern 47/2007: Fräulein Courage aus Dessau, S. 214ff
  17. Meyers Universallexikon Band 1, VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1978, S. 134

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