Arbeiterbewegung in Deutschland

Arbeiterbewegung in Deutschland

Die Arbeiterbewegung ist ein zusammenfassender Begriff für Zusammenschlüsse und Organisationen, die sich seit Beginn der Industriellen Revolution in Deutschland bildeten, um sich um die Belange der Arbeiter und Arbeiterinnen zu kümmern. Ihr Ziel ist vornehmlich, die wirtschaftliche und soziale Situation der Arbeiter und ihrer Familien zu verbessern, aber auch die Arbeiter zur Umgestaltung der Gesellschaft durch Revolution oder Sozialreformen zu organisieren.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Entwicklung

Sozialistische Parteien und Organisationen (1863–1933) der Arbeiterbewegung in Deutschland

Zur klassischen Arbeiterbewegung in Deutschland gehörten vor allem die Gewerkschaften, gesellschaftliche Zusammenschlüsse wie Bildungs-, Sport- und Gesangsvereine, Naturfreunde, Waldheimvereine, soziale Organisationen wie die Arbeiterwohlfahrt und der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und schließlich Genossenschaften, die vorrangig der Versorgung der Arbeiter mit Nahrungsmitteln, Wohnungen u. ä. dienten.

Partei, Gewerkschaften und proletarische Selbsthilfeorganisationen werden auch als die Drei Säulen der Arbeiterbewegung bezeichnet. Diese linken Organisationen werden oder wurden oft mit dem Adjektiv frei verknüpft.

Die christlichen Arbeiter waren zunächst solidarisch Teil der allgemeinen marxistisch-sozialistischen Arbeiterbewegung. Während die evangelische Arbeiterbewegung sich zunächst aufgrund der Sozialistengesetze verschloss, waren die Katholiken offener und dominierten so auch christlich-überkonfessionelle Bestrebungen, wie die Christlichen Gewerkschaften von 1894 bis 1933 und später bis mindestens in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts die CDU.[1] In der katholischen Arbeiterbewegung entstanden so vor allem die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) oder das Kolpingwerk. Die Evangelische Arbeiterbewegung entstand gerade als Minderheitenbewegung in katholisch geprägten Gebieten, so etwa der erste evangelische Arbeiterverein (EAV) 1848 in Bayern.[1] Generell betonen konfessionelle Gesellschaftskonzeptionen allerdings den sozialen Ausgleich gegenüber sozialen Konfliktstrategien.

Die Entstehung der Arbeiterbewegung ist eng mit den Barrikadenkämpfen der Märzrevolution von 1848 verbunden. Karl Marx und Friedrich Engels waren die Theoretiker der Arbeiterbewegung. Ferdinand Lassalle, August Bebel und Wilhelm Liebknecht begründeten zwischen 1860 und 1876 die sozialdemokratische Richtung. Die Verantwortung der Kirche für die Arbeiter wurde zuerst durch Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler als Innere Mission begriffen.

Die Arbeiterinnenbewegung als Bestandteil der Arbeiterbewegung entstand ebenfalls im Zusammenhang mit der Märzrevolution. Eine ihrer Protagonistinnen war die Publizistin Louise Otto-Peters, die in der 1848 von ihr gegründeten politisch motivierten Frauenzeitung den Zusammenschluss von Arbeiterinnen nach dem Vorbild der Assoziationen männlicher Gesellen forderte. Die ersten Arbeiterinnenvereine wurden jedoch vom Staat verboten. Bedeutende Schrittmacherinnen der sozialistisch-kommunistischen Bewegung waren Clara Zetkin, Rosa Luxemburg und Luise Zietz.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts gab es sozialdemokratische, evangelische und katholische, sowie sozialistische, kommunistische und anarchistische Arbeiterinnenvereine.

Forderungen

Zu den wichtigsten Forderungen der frühen Arbeiterbewegung gehörten ein menschenwürdiges Dasein, also Mindestlöhne, der Achtstundentag, die Fünf-Tage-Woche, Arbeitsschutz, der Kündigungsschutz und die Sicherung bei Krankheit, Invalidität und Arbeitslosigkeit. Diese Errungenschaften wurden mit Streiks Stück für Stück erkämpft. Daneben spielte die Arbeiterbildung eine wichtige Rolle. Teil der Arbeiterbewegung war auch die proletarische Frauenbewegung, die sich für das Frauenwahlrecht und die Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Lebensbereichen einsetzte.

Seitdem diese Hauptziele erreicht schienen, spielte die Arbeiterbewegung bei Arbeitern und Angestellten nicht mehr eine so große Rolle. Der Organisationsgrad in Gewerkschaften und Parteien sank. Organisationen wie Arbeitersportvereine oder Arbeitergesangsvereine existieren kaum noch, seit sie im Nationalsozialismus zerschlagen wurden.

Siehe auch

Literatur

Allgemein

  • Sebastian Haffner u. a.: Zwecklegenden. Die SPD und das Scheitern der Arbeiterbewegung. Verlag 1900, 2002, ISBN 3-930278-03-0.
  • Karl Heinz Roth: Die „andere“ Arbeiterbewegung und die Entwicklung der kapitalistischen Repression von 1880 bis zur Gegenwart. 2. Auflage, Trikont-Verlag, München 1976.

Bibliographien

Einführungen

  • Wolfgang Abendroth: Einführung in die Geschichte der Arbeiterbewegung. Von den Anfängen bis 1933. Distel Verlag, 2. Auflage, Heilbronn 1988, ISBN 3-923208-19-7.
  • Helga Grebing: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von der Revolution 1848 bis ins 21. Jahrhundert. Vorwärts 2007, ISBN 3-86602-288-3.
  • Ralf Hoffrogge: Sozialismus und Arbeiterbewegung in Deutschland: Von den Anfängen bis 1914. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2011, 3-89657-655-0.
  • Arno Klönne: Die deutsche Arbeiterbewegung, Geschichte – Ziele – Wirkungen. DTV, München 1989, ISBN 3-423-11073-2.
  • Axel Kuhn: Die deutsche Arbeiterbewegung. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-017042-7.

Anfänge

  • Jürgen Kocka: Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert. Bonn 1990.

Zeit des Nationalsozialismus

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Carl Gunther Schweizer: Evangelische Arbeiterbewegung. In: Friedrich Karrenberg (Hrsg.): Evangelisches Soziallexikon / Im Auftrag des deutschen evangelischen Kirchentages. Stuttgart: Kreuz-Verlag 1954, S. 34 f.

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