Memnonskolosse

Memnonskolosse
Memnonkolosse

Die Memnonkolosse (arabisch el-Colossat oder auch es-Salamat) sind zwei nebeneinander stehende altägyptische Kolossalstatuen aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. Sie befinden sich im Niltal unweit des Tals der Könige (Bibân el-Molûk) in Theben-West. Die heute einschließlich der Plattformen, auf denen sie stehen, etwa 18 Meter hohen Statuen[1] befanden sich in der Vergangenheit vor den Pylonen des Eingangs zum Tempel des Amenophis III. (ägyptisch Amenhotep III.), einem Pharao der 18. Dynastie.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Beschreibung

Standort der ehemaligen Tempelanlage von Amenophis III.

Die Memnonkolosse, so benannt in griechisch-römischer Zeit nach Memnon, einem mythischen König der Äthiopier, stehen auf 77 Metern Meereshöhe[2] westlich der Stadt Luxor, etwa drei Kilometer vom heutigen Westufer des Nils entfernt. Sie befinden sich direkt nördlich an der Straße zur Nekropole von Deir el-Bahari mit dem Totentempel der Hatschepsut und zum Tal der Königinnen (Bibân el-Harîm).

Die aus dem Material Quarzit bestehenden Statuen sind stark beschädigt. Sie stellen auf einem Sockel den Pharao Amenophis III. auf einem Thron in sitzender Haltung dar, die Hände auf seinen Knien liegend. Allein die Füße der etwa 18 Meter hohen Statuen waren 2 Meter lang und 1 Meter breit.[3] Die Gesichtszüge des Pharao mit Blick in Richtung des Nils sind an den Statuen nicht mehr kenntlich. Auch die ehemals vorhandenen Kronen auf den Köpfen der Statuen fehlen. Mit den Kronen betrug die Gesamthöhe beider Statuen ursprünglich 21 Meter.[2][4]

In wesentlich kleinerem Maßstab sind beidseitig an den Beinen der Statuen aufrecht stehende Frauengestalten angeordnet, wobei die Figur am jeweils rechten Bein die Große Königliche Gemahlin Amenophis des III. Teje und die an den linken Beinen seine Mutter Mutemwia darstellen. Von den vier Figuren ist die der Teje am rechten Bein der südlichen Statue am besten erhalten. Nur noch an den Füßen kenntlich sind die vormals zwischen den Beinen der Amenophis-Statuen angeordneten Figuren einer unbenannten Tochter des Pharao.[5][6]

Die Seiten des Thrones, auf dem die Statuen sitzen, sind geschmückt mit Gottesdarstellungen und ägyptischen Hieroglyphen. Man erkennt zwei Darstellungen von Hapi, dem Gott des Nils und der Überschwemmungen, wie er Lotuspflanzen, als Symbol Oberägyptens, mit Papyrusstauden, dem Symbol Unterägyptens, zu einem geeinten Ägypten zusammenbindet. Die Inschriften bezeichnen den Steinbruch Gebel el Ahmar am östlichen Nilufer bei Heliopolis nordöstlich von Kairo als Herkunft des Baumaterials der Statuen. Eine Analyse des Materials der Memnonkolosse deutet jedoch darauf hin, dass das Quarzit-Gestein vom Gebel Gulab oder Gebel Tingar am westlichen Nilufer bei Assuan stammt.[6]

Dimensionen der südlichen Statue:[4]

Südliche Statue
Nördliche Statue
  • Maße des Sockels: 10,50 Meter x 5,50 Meter
  • Sockelhöhe: 3,30 Meter (zur Hälfte in den Boden gedrückt)
  • Höhe der Statue: 13,97 Meter
  • Gesamthöhe: 17,27 Meter
  • Masse: Sockel 556 Tonnen, Koloss 749 Tonnen, Gesamtmasse 1305 Tonnen.[7]

Dimensionen der nördlichen Statue:[4]

  • Maße des Sockels: 10,50 Meter x 5,50 Meter
  • Sockelhöhe: 3,60 Meter (zur Hälfte in den Boden gedrückt)
  • Höhe der Statue: 14,76 Meter
  • Gesamthöhe: 18,36 Meter
  • Masse: Sockel 602 Tonnen, Koloss 758 Tonnen, Gesamtmasse 1360 Tonnen.

Geschichte

Pharao Amenophis III., Vater des „Ketzerkönigs“ Echnaton, regierte das altägyptische Neue Reich in der ersten Hälfte des 14. vorchristlichen Jahrhunderts. Die ihn darstellenden Sitzfiguren der Memnonkolosse wurden um 1370 v. Chr. an den Seiten des Eingangs seines Toten- und Gedenktempels in Theben errichtet, der sich westlich hinter den Statuen auf einer Fläche von ungefähr 700 Metern Länge und 550 Metern Breite erstreckte.[8] Der Tempel war weitgehend aus Lehmziegeln errichtet, was seinen späteren schnellen Verfall beförderte. Nach Aufgabe der Instandhaltung lösten sich die Ziegel des in den Nilauen gelegenen Amenophis-Tempel durch die jährlich erfolgenden Überschwemmungen mehr und mehr auf. Haltbarere Teile der Tempelruine wurden von späteren Pharaonen für den Bau ihrer Totentempel verwendet.[5] Zur Regierungszeit des Pharao Merenptah, 1213 bis 1204 v. Chr., war der größte Teil des Tempels bereits zerstört[6] bzw. wurde von diesem für seinen eigenen Totentempel verwendet.[9] So fand der Ägyptologe Flinders Petrie 1896 im nordwestlichen Tempel des Merenptha eine große Stele, auf der Amenophis III. die Statuen seines Tempels beschrieb.[5]

Nördliche Memnonstatue

In makedonisch-griechischer Zeit ab 332 v. Chr., der Herrschaft der Ptolemäer über Ägypten, scheint der Totentempel Amenophis des III. nicht mehr vorhanden gewesen zu sein. Die Sitzskulpturen wurden wie heute als einzeln stehende Kolossalstatuen wahrgenommen, deren eigentliche Bedeutung niemand mehr kannte. Über ihren damaligen Erhaltungszustand ist wenig überliefert. Während die starken Beschädigungen der Statuen zum Teil dem Einfall des achämidischen Königs Kambyses II. in Ägypten 525 v. Chr. zugeschrieben werden, nehmen andere Quellen ein Erdbeben 27 v. Chr. als deren Ursache an,[3] über das auch Strabon berichtete.[10] Risse innerhalb der nördlichen Statue, ein größerer davon vom Kopf bis zur Taille des dargestellten Pharao, führten jeweils bei Sonnenaufgang zu sphärisch klingenden Tönen, die zur Namensgebung der Kolosse nach dem in der griechischen Mythologie vorkommenden äthiopischen König von Oberägypten Memnon führten.[3][5]

Mythologische Bedeutung des Memnon

Memnon galt bei den Griechen als Sohn der „Göttin der MorgenröteEos (entspricht der römischen Aurora) und Tithonos, dem Sohn des trojanischen Königs Laomedon. Als Memnon seinen Onkel Priamos, zu diesem Zeitpunkt König von Troja, im zehnten Jahr des Trojanischen Krieges mit einer großen Flotte unterstützte, wurde er vor den Toren Trojas durch den Griechen Achilleus getötet. Seine Mutter Eos entführte Memnons Leichnam zurück nach Äthiopien und beweint ihn noch immer. Ihre Tränen, die jeden Morgen als Tau vom Himmel fallen, rührten den obersten olympischen Gott Zeus so sehr, dass er Memnon Unvergänglichkeit gewährte. Seitdem antwortet er morgentlich seiner Mutter Eos mit einem Klagelaut, wenn sie ihn mit den ersten Sonnenstrahlen streichelt. Eine passende Assoziation zu den Geräuschen, die der rechten Statue der Memnonkolosse im oberägyptischen Theben jeden Tag bei Sonnenaufgang entwichen, deren Ursprung wahrscheinlich in Vibrationen der großen Bruchstelle des Kolosses beim schnellen Durchgang der nächtlichen Kälte durch die Erwärmung der ersten Sonnenstrahlen zu suchen sein dürfte.[3]

Bedeutung der Statuen

Die Memnonkolosse um 1900

Die Statuen waren bei griechischen und römischen Reisenden ein beliebtes Ziel, da das Vernehmen der Töne des nördlichen der Kolosse Glück bringen sollte. Im Jahr 92 n. Chr. ließ der Präfekt von Ägypten Titus Petronius Secundus eine Inschrift anbringen, die von dem Ereignis berichtet. Auch die Historiker Tacitus, Pausanias und Philostratos bezeugten das Phänomen. Der reisefreudige Kaiser Publius Aelius Hadrianus besuchte 130 n. Chr. mit seiner Gattin Vibia Sabina die Statuen, um das einmalige Hörereignis selbst zu erleben. An beiden Kolossen brachten Besucher hunderte griechische und lateinische Graffiti an. Eine Restaurierung der nördlichen Statue unter Kaiser Septimius Severus im Jahr 199 n. Chr. führte zum Ausbleiben der „Gesänge des Memnon“. Überliefert hat sich der Name der Statuen als Memnonkolosse und des nach ihnen Memnonia genannten Gebietes für das gesamte westliche Theben.[5][10]

Aktuelle Projekte

In neuester Zeit wurden die Memnonkolosse durch die deutsche Firma Kirchner, Experten für die Reinigung großer Gebäude, vom Schmutz der Jahrhunderte befreit, wobei Farbreste der Statuen freigelegt wurden.[10] Die Ausgrabungen auf dem Gelände des Amenophis-Tempels erfolgen in Zusammenarbeit von Teams deutscher und ägyptischer Archäologen.[9]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Egypt: Colossi of Memnon
  2. a b The Megalithic Portal: Colossi of Memnon
  3. a b c d Giovanna Magi: Luxor, Casa Editrice Bonechi, Florenz 2005, ISBN 88-7009-619-X, Seite 28
  4. a b c Sourouzian Hourig, Rainer Stadelmann, Madden Bianca, Gayer-Anderson Theodore: Annales du service des antiquités de l'Égypte, vol.80, Seite 324
  5. a b c d e Luxor – Memorial Temple of Amenhetep III And The Colossi Of Memnon
  6. a b c Ancient Egypt – Colossi of Memnon
  7. Joseph Davidovits: Ils ont bâti les pyramides, éd. J-C. Godefroy, Paris, 2002, ISBN 2-86553-157-0, Seite 359.
  8. Egypt and the Nile: Colossi of Memnon
  9. a b Egyptian monuments – Temple of Amenhotep III
  10. a b c Egyptian monuments – The Colossi of Memnon

25.720532.6104444444447Koordinaten: 25° 43′ 14″ N, 32° 36′ 38″ O


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