Arbeitsbeschaffungsmaßnahme

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
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Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (kurz ABM, auch pleonastisch ABM-Maßnahme) sind in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit von der Arbeitsagentur bezuschusste Tätigkeiten auf dem sogenannten zweiten Arbeitsmarkt, um Arbeitssuchenden bei der Wiedereingliederung in eine Beschäftigung zu helfen oder ein geringes Einkommen zu sichern.

Im Gegensatz dazu versteht man unter Arbeitsbeschaffung staatliche Investitionen, die direkt den ersten Arbeitsmarkt ankurbeln.

Am 23. September 2011 beschloss der Deutsche Bundestag das Ende der ABM.[1] Etwa 1000 Menschen - 1998 waren es 500.000 - sind davon betroffen.[2]

Inhaltsverzeichnis

Organisation

ABM sind zeitlich befristete Tätigkeiten (wenige Tage bis mehrere, meist sechs bis zwölf, Monate) und umfassen in der Regel qualifikationslose bzw. sehr niedrig qualifizierte Jobs. ABM werden hauptsächlich bei den Kommunen und in Vereinen zu zusätzlichen gemeinnützigen Arbeiten eingesetzt.

Sogenannte ABM-Träger sind kommunale Beschäftigungsgesellschaften, Vereine, Sozialverbände oder Institutionen, die besonders in den 1990er Jahren entstanden.

Geschichte

Arbeitsbereiche der ABM-Beschäftigen 1988 in der Bundesrepublik Deutschland

Arbeitsbereiche Beschäftigte Prozentanteil
Soziale Dienste 34.531 30,3 %
Landwirtschaft, Garten- und Landschaftsgartenbau 22.309 19,6 %
Büro und Verwaltung 17.118 15,0 %
Bau-, Industrie- und Freizeitgeländeerschließung, Hochbau 7.261 6,4 %
Forstwirtschaft 5.007 4,4 %
Verkehrswesen 1.891 1,7 %
Versorgungsanlagen 829 0,7 %
Küstenschutz und Landgewinnung 389 0,3 %
Sonstige (u.a. Umweltschutz) 24.605 21,6 %
Insgesamt 113.940 100,0 %

Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg

Nach der Wiedervereinigung setzte man die Maßnahmen in den strukturschwachen östlichen Bundesländern stark gegen die hohe Arbeitslosigkeit ein. 1995 befanden sich 205.800 Arbeitslose in Ostdeutschland und 70.100 Arbeitslose in Westdeutschland in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. 1996 stellte die Bundesanstalt für Arbeit 9,282 Milliarden DM für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Verfügung.

Seit 2004 ist es aufgrund einer Änderung des SGB III nicht mehr möglich, sich durch eine ABM-Beschäftigung einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erarbeiten. Wer also, wie dies regelmäßig der Fall ist, aus ALG II in eine ABM geht, fällt nach deren Ende wieder in ALG II zurück. Aufgrund der Anrechnung von Partnereinkommen innerhalb einer ALG-II-Bedarfsgemeinschaft ist es sogar möglich, dass der langzeitarbeitslose Partner eines ABM-Teilnehmers aufgrund dessen relativ „hohen” Einkommens kein „Arbeitslosengeld II” mehr bekommt und sogenannter Nichtleistungsempfänger ohne Leistungsbezug wird. Bei bisherigen Bedarfsgemeinschaften, in denen ein Mitglied ein relativ hohes reguläres Einkommen bezieht und der langzeitarbeitslose Partner somit nicht leistungsberechtigt war, führt die Aufnahme einer ABM-Tätigkeit des langzeitarbeitslosen Partners zur Auflösung der Bedarfsgemeinschaft. Das Einkommen des ABM-Teilnehmers wird dann nicht mit dem Einkommen des regulär beschäftigen Partners verrechnet. Allerdings wurde in solchen Konstellationen nur in Ausnahmefällen überhaupt eine ABM genehmigt (z. B. bei vorliegender Schwerbehinderung). Der Übergang in eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung bedeutet für solche Betroffenen den fast vollständigen Verlust ihres Einkommens, da sie nun wieder auf die Bedarfsgemeinschaft verwiesen werden und allenfalls den Mehraufwand entschädigt bekommen.

Mit der Einführung des ALG II und der damit stärker genutzten „Arbeitsgelegenheiten” (wie die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, so genannte 1-Euro-Jobs) wurden die ABM-Mittel zugunsten der günstigeren Jobs weitgehend umgestellt. Der Mitteleinsatz wurde von den Trägern der ARGEn bzw. Jobcenter in der örtlichen Geschäftspolitik beschlossen. Seit dem 1. Januar 2009 fielen die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gänzlich aus dem Bereich SGB II.

Da ABM, MBM und RBM verstärkt in sozialen und kulturellen Bereichen eingesetzt wird, können sie auch einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft liefern. Kaum eine soziale Institution arbeitet heute ohne derartige Maßnahmen.

Kritik

Kritiker beanstandeten zur Einführung, das die ABM nur dazu dienen sollte, die Arbeitslosenstatistik zu schönen und die berichtete Arbeitslosenquote niedriger zu halten als sie in Wirklichkeit ist. Die so zugeführten Arbeitslosen entfielen aus der Statistik.

Mit nunmehr in ABM und in den übrigen geringfügigen Beschäftigungen werden mehr als 20% (Statistisches Bundesamt[3] (2011) 28,0 Mio. Beschäftigte einschl. 3,0 Mio. (10%) Arbeitslose, davon (2009) 4,9 Mio. (17%) geringfügig Beschäftigte im Hauptjob + 2,25 Mio. (8%) geringfügig Beschäftigte im Nebenjob[4]), mithin mehr als 1/3 der Gesamtzahl der insgesamt Beschäftigten im Arbeitsmarkt als aktive Verfügungsreserve ohne soziale Perspektive gehalten.

In ordnungspolitischer Perspektive ist erkennbar, dass ein zweiter Arbeitsmarkt mit Beschäftigungsgesellschaften und mit Nachfrage nach gering bezahlter Arbeit versorgt wird, der nur von staatlichen Subventionen lebt oder alternativ ohne direkte Zuschüsse kein dem Mindesteinkommen entsprechendes Einkommen bietet. Die betroffenen Arbeitnehmer sind auf Verzehr ihrer Rücklagen oder auf Leistungen der Arbeitsförderung mit Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe angewiesen.

Generell kann ein Nutzer solcher subventionierter Arbeit die allgemein nachgefragten Leistungen unter den realen Kosten und damit unter den marktüblichen Preisen anbieten (Dumping), was wiederum Unternehmen im ersten Arbeitsmarkt die Wettbewerbsgrundlage entzieht. Durch das Fehlen von gesetzlichen Mindestlöhnen wird diese klar erkennbare Tendenz befördert. In einzelnen Branchen hat das zu einer Korrektur der Arbeitgeberinteressen geführt, die nun nach dem Einbruch der Marktpreise für Dienstleistungen auf terifvertraglicher Basis solche Mindestlöhne vereinbaren.

Solange die Kommentare aus der Politik seitens Bundesregierung und Bundestag weiter verschleiern, dass die Beschäftigung in Deutschland trotz geringen Lohnzuwachses einen mit Vollbeschäftigung verglichen völlig unzureichenden Stand hat, wird sich die jeweils anstehende nächste Wahlentscheidung der bisher oder demnächst Betroffenen kaum von den bisher bekannten Wahlergebnissen unterscheiden. Zudem thematisiert keine der massgeblichen politischen Parteien das Problem, da ein taugliches Rezept zur Veränderung der Situation weder in der Wissenschaft noch in der Gesellschaft sonst angeboten wird.

Siehe auch

  1. bundestag.de: Reform der Arbeitmarktinstrumente beschlossen
  2. Rheinische Post: [1]
  3. Arbeitsmarktdaten 2011 der Bundesagentur für Arbeit, BA
  4. Geringfügige_Beschäftigung#Statistik

Weblinks


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