Mercedes 35 PS

Mercedes 35 PS
Mercedes 35 PS (1901) im Foyer des Mercedes-Benz Museums

Emil Jellinek bestellte am 2. April 1900 bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft gleich in dutzenden Exemplaren einen neuen Wagentyp als Nachfolger des Phönix-Rennwagen. Wilhelm Maybach entwickelte den Mercedes 35 PS und lieferte ihn am 22. Dezember an Jellinek.

Jellinek war ein wichtiger Mann: Der rennsportbegeisterte Autohändler und Konsul residierte in Monaco und unterhielt allerbeste Kontakte in die Haute-Volee Europas an der Côte d’Azur. Er vertrieb Daimler-Wagen in Frankreich, Italien und der Schweiz. Er verlangte, dass die nach seinen Anforderungen und Rennsporterfahrungen in Sammelbestellung gebauten Wagen am Kühler den spanischen Namen „Mercedes“ („die Gnadenreiche“) trugen, nach seiner abgöttisch geliebten Tochter Mercédès Jellinek. Sie hatte ihm auch die Idee zu seinem Pseudonym geliefert, mit dem er seine Rennen bestritt: „Monsieur Mercedes“.

Technische Details des Mercedes 35 PS

Maybach entwickelte zunächst den neuen Motor für den ihm in groben Zügen vorschwebenden „Mercedes“-Wagen. Das horizontal geteilte Kurbelgehäuse des Vierzylinder-Reihenmotors bestand erstmals aus Aluminium. Die paarweise gefertigten Zylinder aus Grauguss erhielten angegossene Köpfe („Sackzylinder“) anstelle der abnehmbaren des „Phönix“-Wagens. Mit einem Bohrung/Hub-Verhältnis von 116 x 140 mm ergab sich ein Hubraum von 5918 cm³, gut 400 cm³ mehr als beim „Phönix“-Wagen.

Für die Hauptlager verwendete er Magnalium, eine Aluminiumlegierung mit einem Anteil von fünf Prozent Magnesium. Die bis dato als „Schnüffelventile“ ausgebildeten Einlassventile – sie öffnen durch Unterdruck beim Ansaugen – wurden nunmehr wie die Auslassventile von einer Nockenwelle gesteuert. Der Antrieb der ungekapselten Nockenwellen links und rechts des Kurbelgehäuses geschah durch einen offenen Zahnradabtrieb an der Schwungscheibenseite.

Die Auslassnockenwelle trieb über einen in ihrer Mitte angeordneten Zahnradsatz den Niederspannungs-Zündmagneten und eine die Kühleffizienz steigernde Wasserpumpe an, ein weiterer Radsatz am vorderen Ende den kleinen Ventilator hinter dem Kühler. Pro Zylinderpaar gab es, auch das war neu, je einen Vergaser. Die Drehzahlsteuerung zwischen 300 und 1000 Umdrehungen funktionierte über einen Hebel am Lenkrad.

Alle Verbesserungen erbrachten im Endeffekt sehr viel mehr Laufruhe, einen stabileren Leerlauf und gutes Beschleunigungsverhalten – eine neue Qualität der Motorcharakteristik, die seinerzeit kaum für möglich gehalten wurde. Zudem verringerte sich das Motorgewicht um 90 kg auf rund 230 kg.

Den Motor baute Maybach nicht mehr mit einem Hilfsrahmen im Chassis ein, wie bis dato allgemein üblich, sondern er verengte den vorderen Rahmenteil ab Pedalhöhe derart, dass der Motor direkt auf den erstmals bei der DMG aus Stahlblech gepressten – und nicht mehr gefalzten – Längsträgern verschraubt werden konnte. Mit beiden Maßnahmen sparte er nicht nur Gewicht, sondern erreichte auch den angestrebten tieferen Schwerpunkt.

Eine völlige Neukonstruktion war die sehr klein bauende und automatisch nachregelnde Federbandkupplung, eine aus Federstahl gewickelte Schraubenfeder, die mit Hilfe einer kleinen Trommel auf die Getriebewelle aufgesteckt und innerhalb des Schwungrades befestigt war. Spätere Weiterentwicklungen des Wagens profitierten von dieser Bauweise. Ein konischer Nocken regulierte die Federspannung beim Auskuppeln.

Die vier Vorwärtsgänge und der Rückwärtsgang wurden mit einem einzigen in einer Schaltkulisse geführten Hebel eingelegt. Dieses Detail war ebenso neu wie die verbesserte, leichtgängige Lenkung mit einem Schnecken-Lenkgetriebe, die zudem noch weiter hinten und verhältnismäßig stark geneigt eingebaut war. Die Lenkachsen wanderten weit nach außen an die Radnaben, wodurch Fahrbahnstöße auf die Lenkung nachhaltig gemildert wurden.

Ein im Vergleich zum „Phönix“-Wagen deutlich längerer Radstand von 2245 Millimetern und die auf 1400 Millimeter verbreiterte Spur führten zu einem entschieden stabileren Fahrverhalten des neuen Wagens. Auch wurden an beiden Achsen nahezu gleichgroße Räder verwendet, allerdings noch in der Zwölfspeichen-Holzbauweise.

Der stärkeren Motorleistung entsprachen auch die Bremsen. Der Mercedes erhielt 30 Zentimeter große Trommelbremsen an den Hinterrädern, deren Betätigung via Handhebel und Gestänge erfolgte. Als Fußbremse fungierte zusätzlich eine Kardanbremse.

Eine der sensationellen und bis heute in der Grundsubstanz unveränderten Erfindungen an diesem ersten „Mercedes“ ist zweifellos der Bienenwabenkühler. Üblich waren bis dato Rohrschlangenkühler, deren Effizienz sehr zu wünschen übrig ließ. Sie bedingten einen hohen Wasserverbrauch bzw. einen groß dimensionierten und damit gewichtsintensiven Kühlkreislauf. Maybach war der Lösung des Kühlungsproblems bereits 1897 mit dem „Röhrchenkühler“ einen großen Schritt näher gekommen. Dieser bestand aus vielen kleinen Röhrchen, die vom Kühlwasser umspült und vom Fahrtwind durchströmt wurden. Der größere Luftstrom gestattete eine deutliche Verringerung des Wasservorrats, der aber immer noch 18 Liter umfasste. Mit dem erstmals beim „Mercedes“ realisierten Bienenwabenkühler gelang Maybach der entscheidende Durchbruch. Er ließ aus quadratischen, sechs mal sechs Millimeter messenden Röhrchen, es waren 8070 Stück, einen völlig neuartigen, rechteckigen Kühler zusammenlöten. Der größere Durchtrittsquerschnitt der Vierkantrohre und die kleineren Spalte zwischen den Rohren ermöglichten eine erheblich gesteigerte Kühlwirkung; der Wasserbedarf sank um die Hälfte auf neun Liter. Der Verbesserung der Kühlleistung bei langsamer Fahrt diente der kleine Ventilator hinter dem Kühler. Der Bienenwabenkühler war geboren – und mit ihm das automobile Kühlproblem ad acta gelegt.

Der zweisitzige Wagen konnte nach einem Rennen durch ein in wenigen Minuten aufsetzbares hinteres Karosserieteil als eleganter Viersitzer genutzt werden.

Nachfolger des Mercedes 35 PS war ab 1902 der Mercedes-Simplex.


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