Mimigernaford

Mimigernaford

Die Geschichte der Stadt Münster in Westfalen umfasst mehr als 1200 Jahre seit Gründung der Stadt und lässt sich darüber hinaus bis zu den vorgeschichtlichen Siedlungsplätzen zurückverfolgen. Als Sitz des Bischofs und wegen ihrer wichtigen Rolle während der Zeit der Hanse in Westfalen (neben Soest, Dortmund, Osnabrück und Hamm) war und ist sie politisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum des Münsterlandes. Da die Täufer während ihrer Herrschaft in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das gesamte Archiv der Stadt vernichtet haben, sind die geschichtlichen Daten bis zu diesem Zeitpunkt teilweise nicht genau bestimmbar und beruhen auf Urkunden und Dokumenten, die nicht innerhalb der Stadt archiviert waren.

Stadtwappen der Stadt Münster in der Schmuckfassung

Inhaltsverzeichnis

Vor- und Frühgeschichte

Das münstersche Stadtgebiet gehörte nicht zu den herausragenden vorgeschichtlichen Siedlungsplätzen der Münsterländischen Bucht. Spuren der Jäger und Sammler der Steinzeit wie Feuersteinwerkzeuge und gestielte Pfeilspitzen sind zwar vorhanden, größere Fundplätze wurden jedoch nicht entdeckt. Aus der Bronzezeit wurden Flintdolche, bronzener Gräberschmuck und Bronzefibeln auf dem heutigen Stadtgebiet gefunden. Siedlungskontinuität in der Bronzezeit bis in die vorrömische Eisenzeit lässt sich hier nachweisen, nicht jedoch im Innenstadtbereich. Auf intensives Schmiedehandwerk weist ein Depotfund schwertförmiger Eisenbarren im Stadtteil Geist hin. Er stammt aus der Hallstatt- oder La-Tène-Zeit.

Römerzeit

Auf dem Horsteberg, dem Hügel an der Aa, auf dem später der Dom errichtet wurde, sind germanische Siedlungsspuren aus der frühen römischen Kaiserzeit entdeckt worden. Jüngere Spuren stammen aus dem 2. und 3. Jahrhundert. Importe belegen enge Kontakte mit den linksrheinischen römischen Provinzen. Die Siedlungen wurden jedoch spätestens um 300 n. Chr. verlassen.

Die Archäologen schreiben diese Spuren der Rhein-weser-germanischen Fundgruppe zu. Nach den Berichten antiker Historiker wie Tacitus und Strabo müsste es sich bei den frühen Bewohnern um Brukterer gehandelt haben. Brukterer gehörten wohl auch zu den germanischen Verbänden, die sich erfolgreich gegen die römische Expansion gewehrt haben. Einer der im Jahre 9 n. Chr. in der Varusschlacht erbeuteten Legionsadler wurde jedenfalls 15 n. Chr. beim Rachefeldzug des Germanicus gegen die Brukterer zurückerobert.

Die jüngere Siedlung wird wohl nicht den Brukterern zuzuordnen sein, da diese – wie Tacitus schadenfroh berichtet[1] – bei kriegerischen Auseinandersetzungen mit germanischen Nachbarstämmen vernichtend geschlagen und fast ausgerottet wurden. Vermutlich besiedelten die siegreichen Chamaven den Hügel an der Aa.

Brukterer, Chamaven und weitere westgermanische Völker haben sich im 3. Jahrhundert zum Stammesverband der Franken zusammengeschlossen.

Altsächsische Siedlung

Schätzungsweise seit dem 6. Jahrhundert lag im Bereich des Domplatzes die kleine sächsische Siedlung Mimigernaford. Die Sachsen, ursprünglich beheimatet im Raum Holstein, breiteten sich im 3. und 4. Jahrhundert über das Elbe-Weser-Dreieck in Richtung England und nach Süden aus. Die Herkunft des Stammesnamens westfalai, wie die westlichen Sachsen in den fränkischen Annalen bezeichnet werden, und sie sich auch wohl selbst bezeichnet haben, ist nicht genau geklärt. Eine Deutung verbindet den Wortstamm fal mit fahl, flachsfarben und bezieht ihn auf die Haarfarbe. Für die Namen der Siedlung Mimigernaford gibt es auch verschiedene Deutungen. Nach neueren Untersuchungen ist die Siedlung an der Furt über die Aa nach den Mimigernen benannt, den Sippenangehörigen eines Stammvaters namens Mimigern. Der Name wurde bis ins 10. Jahrhundert benutzt, allerdings häufig in der abgewandelten Form Mimigardeford.

Mittelalter

Hauptartikel: Entwicklung der Stadt Münster

Der Buddenturm – Überbleibsel der ursprünglichen Stadtbefestigung um 1200.

Früh- und Hochmittelalter

Das Jahr 793 gilt als offizielles Gründungsjahr Münsters: Im Auftrag Karls des Großen gründete der Friese Liudger auf dem Horsteberg in der kleinen Bauernsiedlung Mimigernaford oder in ihrem unmittelbaren Umfeld ein Kloster (monasterium). Am 30. März 805 wurde in Münster ein Bistum eingerichtet und Liudger vom Kölner Erzbischof Hildebold als erster Bischof von Münster beziehungsweise Mimigernaford, wie es immer noch hieß, berufen. Zudem erhielt die Siedlung den Stand einer civitas (Stadt), da ein Bischof nur in einer Stadt residieren durfte, und die Bauarbeiten zum Bau des münsterschen Doms wurden aufgenommen. Die Verleihung der Stadtrechte erfolgte jedoch erst einige Jahrhunderte später. Schätzungsweise um das Jahr 900 herum entstand um die inzwischen deutlich angewachsene Stadt ohne eigentliche Stadtrechte eine Wallanlage um den Dom herum. Innerhalb dieser Domburg begann die Ansiedlung der Ministerialen und Handwerker. Durch den anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung kam es zu ersten Bildungen von Marktsiedlungen vor den Toren der Domburg wie dem Roggenmarkt oder dem Alten Fischmarkt. Neben der Landwirtschaft wandelte sich die Stadt zu einem wichtigen Handelspunkt.

Der Dom zu Münster

Aufgrund der immer größer werdenden Gemeinde wurde um 1040 östlich der Domburg die Lambertikirche als erste Marktkirche der Stadt gegründet, die von den Kaufleuten gestiftet wurde. Im Jahr 1068 erscheint dann erstmals mit „Monasterium“ ein neuer Name für die Stadt. Die wirtschaftliche Entwicklung hielt an bis zur Vertreibung des Bischofs aus der Stadt durch die Bürger, die sich nach dem Investiturstreit zwischen Kaiser und Papst um das Recht der Bischofseinsetzung entzweiten. Als Folge wurde die Stadt durch Lothar von Süpplingenburg belagert und brannte am 2. Februar 1121 komplett nieder. Nach dem Wiederaufbau und der Erweiterung der bislang existierenden Märkte, zum Beispiel durch den Prinzipalmarkt, erhielt Münster – oder „Munstre“, wie es zu jener Zeit auch umgangssprachlich genannt wurde – um 1170 das Stadtrecht und am 4. Mai 1173 mit Bischof Hermann II. von Katzenelnbogen den ersten fürstbischöflichen Landesherren, nachdem an diesem Tag Kaiser Friedrich I. die Erwerbung der Vogteigewalt über das Stift Münster von Simon I. von Tecklenburg durch seinen Vorgänger Ludwig I. von Wippra genehmigte. Als 1197 die Stadt durch einen weiteren großen Stadtbrand komplett niederbrannte, wurde es den Handwerkern und Händlern verboten, sich wieder innerhalb der Domburg anzusiedeln. Sie siedelten sich daher auf den östlich gelegenen Märkten an und legten damit den Grundstein für den Aufstieg Münsters, wie der Name der Stadt aus Quellen des Jahres 1206 erstmals belegt wird, zu einem wichtigen Handelsplatz in Westfalen. Zeitgleich mit dem Wiederaufbau der Stadt wurde auch der Bau einer äußeren Stadtmauer um die Marktsiedlungen beschlossen, um auch die Händler vor möglichen Angreifern verteidigen zu können.

Diese Stadtmauer war acht bis zehn Meter hoch, über 4 km lang und mit einem vorgelagerten Graben versehen. Zur Sicherung der Mauer und der zehn Stadttore existierten in deren Verlauf sechs Türme. Im 14. Jahrhundert wurde sie durch einen Außenwall und zweiten Graben zusätzlich verstärkt. Der Verlauf der Stadtmauer ist in etwa durch die Promenade gekennzeichnet. Mit 104 ha war Münster zu dieser Zeit die flächenmäßig größte Stadt Westfalens, gefolgt von den damals bedeutendsten Städten Soest (102 ha), Dortmund (81 ha), Paderborn (66 ha) und Minden (50 ha). Osnabrück reichte erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert mit der Neustadtgründung in der Größenordnung von 102 ha an Münster heran. Mit einigen dieser genannten Städte wurde Münster zu den wichtigsten Städten der Hanse in Westfalen.

Zeit der Städtebünde und der Hanse

Das historische Rathaus am Prinzipalmarkt

Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts schlossen sich die mächtigen Städte zu Städtebünden zusammen, um der Ohnmacht des Kaisers und der herrschenden Anarchie im Heiligen Römischen Reich entgegenzuwirken. Ziel war es, den freien Zugang zu den Märkten zu sichern und eine Schutzgemeinschaft gegenüber Angreifern einzurichten. So schloss sich Münster am 22. Mai 1246 mit den Städten Osnabrück, Minden, Herford und Coesfeld zum Ladbergener Städtebund sowie im Jahre 1253 mit Dortmund, Soest und Lippe zu einem weiteren westfälischen Städtebund zusammen. Diese Bündnisse stellten die ersten Vorläufer der Hanse in Westfalen dar und führten zu einem andauernden wirtschaftlichen Aufschwung. Münster stieg zu einer bedeutenden Handelsstadt in Westfalen auf und der Einfluss der Händler und Kaufleute auf die Stadt wuchs. Nachdem die Bürgerschaft sich bereits während des frühen 13. Jahrhunderts die Aufsicht über Handel und Gewerbe sowie die Akzise sicherte, stellte sie im Jahre 1270 bereits ein erstes militärisches Aufgebot der Stadt. Durch einen Vertrag mit Fürstbischof Everhard von Diest aus dem Jahre 1278 gelangte Münster in den Besitz weiterer Privilegien und erschien auf dem Landtag erstmals als Stand. Die ersten landesrechtlichen Privilegien sicherte sich die Stadt im Jahre 1309, als der damalige Fürstbischof und Landesherr Konrad I. von Berg auf sein Recht am Nachlass minderfreier Bürger verzichtete.

Zeugen von diesem wirtschaftlichen und politischen Aufschwung sind der größere Neubau der bürgerlichen Marktkirche St. Lamberti ab 1375 und das gegen Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts erbaute gotische Rathaus in direkter Sichtlinie zum Dom, das die politische und rechtliche Eigenständigkeit der Stadt gegenüber dem Bischof demonstrieren sollte. Ebenfalls in diesem Jahrhundert entstand eine weitere wichtige Kirche in Münster, die 1340 erbaute Liebfrauenkirche westlich der Domburg, nachdem ihre beiden Vorgänger jeweils komplett zerstört worden waren. Da sie auf der gegenüberliegenden Seite der Aa liegt („Über den Wassern“), ist sie auch unter dem Namen Überwasserkirche bekannt.

Einer der Steine aus den Hansestädten

Im Jahre 1368 wurde Münster erstmals als Mitglied der Hanse in einem Privileg von Albrecht von Mecklenburg, König von Schweden, genannt. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Stadt bereits lange Zeit vorher in die Hanse hineingewachsen war. Als Folge der sogenannten Stiftsfehde von 1450 bis 1458 schied Münster jedoch 1454 aus der Hanse aus. Die Stiftsfehde war eine Auseinandersetzung zwischen der Stadt und dem Bistum um die Ernennung eines neuen Bischofs. Sie endete damit, dass die Gilden das Recht erlangten, Mitglieder des Stadtrates zu stellen. Gleichzeitig erhielt die Stadt die Hanserechte zurück. Ab 1494 bekam Münster den Status eines Vororts der Hanse in Westfalen und somit wieder eine große Bedeutung durch die Führung des westfälischen Hansequartiers, nachdem Köln aus der Hanse ausgetreten war. Seit der 1200-Jahr-Feier im Jahre 1993 erinnern in der Salzstraße, Münsters ältestem Handelsweg, mit Messing umrandete und in das Pflaster eingelassene Originalsteine aus allen Hansestädten mitsamt deren Stadtwappen an die Bedeutung der Stadt innerhalb der Hanse.

Die Stiftsfehde 1450 bis 1457

Zur zuvor genannten Stiftsfehde kam es nach dem Tod des münsterschen Bischofs Heinrich II. von Moers. Zur Wahl seines Nachfolgers traten im Teil des Hochstifts zwei Kandidaten an. Diese waren auf der einen Seite Walram von Moers, der von seinem Bruder und Erzbischof von Köln, Dietrich II. von Moers, bestimmt wurde und in Hausdülmen am 15. Juli die Zustimmung eines Teils der Domherren erhielt. Auf der anderen Seite standen die Grafen von Hoya, die Stadt Münster, ein großer Teil der Geistlichen und später auch ein Teil der Domherren. Nachdem bereits Graf Johann von Hoya zum Stiftsverweser gewählt worden war, sollte dessen Bruder Erich I. von Hoya der neue Bischof von Münster werden. Begünstigt wurde er unter anderem in einem von Graf Everwin von Bentheim-Steinfurt am 13. Oktober 1450 durchgeführten Vergleich. Zudem hatte der Stiftsverweser Graf Johann von Hoya die wichtigsten Landesburgen in seiner Gewalt. Letztendlich wurde ein Appell an Papst Nikolaus V. gerichtet, in dem Streitpunkt zu entscheiden. Entgegen dem zuvor geschlossenen Vergleich bestimmte er jedoch Walram von Moers zum neuen Bischof.

In der Mitte des Jahres 1451 spitzte sich die Situation weiter zu, nachdem sich Johann von Hoya am 11. Juni 1451 durch den Vertrag von Hausdülmen mit Herzog Johann I. von Kleve gegen den vom Papst zum Bischof erklärten Walram von Moers und seinen Bruder, den Erzbischof von Köln, verbündete und sie ihnen am 9. Juli 1451 den Krieg erklärten. Nachdem sich zusätzlich die Stadt Münster den am selben Tag von König Friedrich III. erteilten Befehl Walram von Moers als Bischof anzuerkennen widersetzte, flammten in den darauffolgenden Monaten die Kämpfe auf und Münster sowie die Anhänger von Hoya wurden exkommuniziert und mit einem Interdikt belegt. Dennoch fiel auch mit Vreden einer der letzten Stützpunkte Walrams in die Hände von Johann von Hoya.

Ab dem Jahr 1453 begann sich das Blatt zu wenden und Walram von Moers gewann langsam die Oberhand. Johann von Hoya sah sich daher gezwungen, gegen die Bürger von Münster und den Rat der Stadt vorzugehen. Dieses Vorgehen wurde vom Hansetag am 17. Oktober 1454 scharf kritisiert und Münster aus der Hanse ausgeschlossen, solange die alte Ratsverfassung der Stadt nicht wiederhergestellt werden würde. Auch kriegerisch waren Walram und Dietrich von Moers weiter auf dem Vormarsch, nachdem sie am 18. September 1454 einen Sieg gegen die Truppen der gegnerischen Partei erlangten. Allerdings konnte keine der beiden Parteien einen entscheidenden Sieg erlangen. Auch nachdem der vom Papst zum Bischof ernannten Walram von Moers am 3. Oktober 1456 starb, strebten weiterhin zwei Kandidaten nach dem Amt des Bischofs. Neben Erich von Hoya war der zweite Kandidat jetzt Konrad von Diepholz. Doch Papst Kalixt III. berief keinen von beiden zum neuen Bischof, sondern Johann von Simmern-Zweibrücken. Offiziell beendet wurde daraufhin die Stiftsfehde am 23. Oktober 1457 durch den Kranenburger Vertrag, nachdem Erich von Hoya mit einer lebenslangen Rente abgefunden wurde und die Stadt Münster den neuen Bischof anerkannte.

Neuzeit

Blick von Süd-Westen auf Münster, eine Arbeit von Remigius Hogenberg aus dem Jahr 1570 basierend auf einer älteren Zeichnung von Hermann tom Ring. Links die Überwasserkirche noch mit der ursprünglichen Turmhaube, mittig der St.-Paulus-Dom, rechts davon die Lambertikirche und rechts außen die Ludgerikirche. Im Vordergrund vor dem Dom das Neuwerk als Teil der Stadtbefestigung am Eintritt der Aa in die Stadt.

Zeit der Reformation

Die Bürgerschaft der Stadt Münster versuchte in mehreren Anläufen, sich von der bischöflichen Obrigkeit zu emanzipieren und reichsstädtischen Status zu erlangen, insbesondere nach der durch kriegerische Auseinandersetzungen, Not und politischen Wirren gegen Ende des Mittelalters in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts. Viele Menschen erwarteten das baldige Ende der Welt, das Jüngste Gericht sowie das Neue Jerusalem und suchten Wege zur Erlösung in der Kirche und dem Glauben. Als Martin Luther im Jahre 1517 seine 95 Thesen veröffentlichte, in denen er sich gegen die Ablasslehre und den Ablasshandel aussprach, entfachte er eine Reformationsbewegung im Heiligen Römischen Reich. Gegen Ende der 1520er-Jahre erreichte diese Bewegung Münster.

Im Jahre 1529 begann der Kaplan und Prediger Bernd Rothmann in der St.-Mauritz-Kirche seine Predigten mit Elementen der reformatorischen Lehre zu halten. Nachdem er 1531 von Bildungsreisen nach Wittenberg, Marburg und Straßburg zurückkehrte, erhielt er vom damaligen Bischof und Gegner der Reformation, Friedrich III. von Wied, zunächst am 29. August, dann am 5. Oktober sowie am 17. Dezember 1531 ein Predigtverbot. Am 7. Januar 1532 wurde er schließlich vom Fürstbischof von Münster des Landes verwiesen. Daraufhin wandte er sich in mehreren Briefen an den Bischof und den Rat der Stadt, dass sie doch seine Lehren öffentlich widerlegen mögen, und predigte trotz Verbotes weiter. Unter dem Eindruck der gedruckten Zusammenfassung seiner Glaubensvorstellungen wandte sich die Bürgerschaft der Stadt an die Vorsteher der münsterschen Gilden, sich im Rat der Stadt für eine Gleichberechtigung der Glaubensrichtungen einzusetzen. Durch dieses Bekenntnis zu Rothmanns Lehren erzwang sie dessen Aufnahme in das Haus der Kramergilde, dem Krameramtshaus.

Bekämpfer der Täuferbewegung in Münster: Fürstbischof Franz von Waldeck

Nachdem der regierungsmüde gewordene Bischof Friedrich III. von Wied nach dieser Zuspitzung abdankte und sein Nachfolger, Bischof Erich von Braunschweig-Grubenhagen, nach nur eineinhalb Monaten im Amt verstarb, wurde Franz von Waldeck der neue Bischof von Münster, der prinzipiell der Reformation offen gegenüberstand. Allerdings musste er sich dem münsterschen Domkapitel gegenüber verpflichten, die neue Lehre zu unterdrücken und zu bekämpfen. So belegte er im Sommer des Jahres 1532 die Stadt mit wirtschaftlichen Sanktionen, nachdem der Rat der Stadt der Forderung der Bürgerschaft nachgab, geeignete Prediger für die Lehre der Reformation in allen Pfarrkirchen bereitzustellen und somit zum lutheranischen Bekenntnis übergegangen war. Als diese Sanktionen jedoch keine Wirkung zeigten, gewährte er Münster am 14. Februar 1533 im „Dülmener Vertrag“ die Glaubensfreiheit.

Mittlerweile hatte sich Rothmann jedoch weit von der ursprünglichen Lehre Luthers entfernt und der Theologie von Melchior Hofmann zugewandt, der als einer der Führer der Täuferbewegung galt. Zentraler Punkt dieser Theologie war die Kritik an der Kindertaufe und dem letzten Abendmahl, die am 7. und 8. August 1533 zum Disput im Rathaus führte. Nachdem im September Hermann Staprade, der Prediger der Lambertikirche, die Kindertaufe verweigerte und der Rat die Kirchen schließen ließ, kam es im November zu weiteren Unruhen. Daraufhin wurde vom Rat der Stadt eine „Zuchtordnung“ ausgegeben, die jeden Bürger dazu verpflichtete, nach den in den Evangelien überlieferten Geboten Gottes zu leben. Die Kritik an der Kindertaufe und dem Abendmahl wurde unter Strafe gestellt. Noch im Dezember 1533 wurde sie gedruckt und verteilt. Das Titelblatt zierten unter anderem die Buchstaben „V.D.M.I.E.“ für „Verbum Domini Manet In Eternum“, dem protestantischen Schlachtruf „Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit.“ Mit dieser „Zuchtordnung“ unterstrich die Stadt ihr Bekenntnis zum lutheranischen Glauben und stellte sich noch einmal deutlich gegen katholische geistliche Obrigkeit. Doch war die Bewegung der Täufer nicht mehr aufzuhalten, die sich zu Beginn des Jahres 1534 in Münster ausbreiten sollte.

Täuferreich

Hauptartikel: Täuferreich von Münster

Körbe der Täufer an der Lambertikirche

Ab 1534 folgte die dramatische Episode der Täuferherrschaft, als ab Januar aus den Niederlanden Gruppen zugezogen waren, die die Erwachsenentaufe propagierten und die Errichtung des „Neuen Jerusalem“ der Endzeit anstrebten. Anführer dieser Gruppe war der ehemalige Bäcker Jan Mathys. Die inzwischen mehrheitlich lutherische Bevölkerung stand dieser Lehre offen gegenüber. Der praktisch aus der Stadt vertriebene Bischof Franz von Waldeck forderte die Stadt auf, die „Wiedertäufer“ auszuliefern. Diese weigerte sich jedoch und stellte sich auf die Seite der Prediger. Am 23. Januar ließ von Waldeck den Begründer der Täuferbewegung in Münster, Bernd Rothmann, verhaften und begann mit den Vorbereitungen zur Belagerung der Stadt. Den daraufhin folgenden „Gegenangriff“ der Täufer am 15. Februar 1534 konnte er jedoch auf Burg Schöneflieth bei Greven abwehren.

Der „König“ von Münster: Jan van Leyden

Nach dem Sieg der Täuferpartei in den Ratswahlen am 23. Februar 1534 und der damit verbundenen Machtübernahme der Täufer kam es zu Bücherverbrennungen und Bilderstürmen, wobei unter anderem die erste astronomische Uhr im Dom zerschlagen wurde. Außerdem wurde das Geld abgeschafft und wenig später im Juli die Polygamie eingeführt. Gegner der Täuferbewegung mussten bis zum 27. Februar die Stadt verlassen oder wurden zwangsgetauft. Als das von Jan Mathys prophezeite Jüngste Gericht an Ostersonntag, dem 5. April 1534, nicht stattgefunden hatte, versuchte er durch einen Ausfall aus der Stadt die Belagerer zu vernichten. Bei diesem Versuch wurde er getötet. Sein Nachfolger wurde Jan van Leyden. Dass weitere Angriffsversuche der Belagerer scheiterten, sah van Leyden als göttliches Zeichen an, wonach Münster das „Neue Jerusalem“ wäre. Er ließ sich daher im September 1534 durch den Warendorfer Goldschmied Johann Dusentschuer zum König des sogenannten „Königreich Zion“ krönen, weshalb Münster sich „Königsstadt“ nennen darf.

Angriff auf Münster durch die Truppen von Fürstbischof Franz von Waldeck an Pfingsten 1534.

Die Lage in der belagerten Stadt spitzte sich weiter zu, so dass sogar die weiße Kalkfarbe von den Wänden der Kirchen abgekratzt und, mit Wasser verdünnt, als Milch verteilt worden sein soll. Trotz der starken Stadtbefestigung, derentwegen Münster als uneinnehmbar galt, wurde die ausgehungerte und in chaotische Zustände geratene Stadt schließlich unter massiver Gegenwehr durch Verrat am 24. Juni 1535 eingenommen, als der Schreiner Heinrich Gresbeck mit ein paar Landsknechten das „Kreuztor“ in der Stadtmauer öffnete. Dabei kam es zu einem Blutbad unter den Täufern. Am 22. Januar 1536 wurden die drei Führer der Täufer, Jan van Leyden, sein Statthalter Bernd Krechting und Ratsmitglied Bernd Knipperdolling, öffentlich vor dem Rathaus gefoltert und hingerichtet. Um ein Zeichen zu setzen, wurden ihre Leichen in drei eisernen Körben an der Lambertikirche aufgehängt, deren Originale dort noch immer hängen. Fälschlicherweise werden diese oft auch als Käfige bezeichnet. Gründe hierfür sind vor allem Berichte von auswärtigen Autoren und Besuchern, die ab dem Ende des 18. Jahrhunderts mit negativ besetzten Begriffen über die Herrschaft der „Wiedertäufer“ berichteten, sowie Übersetzungsfehler lateinischer Handschriften über das Täuferreich.

Folgen der Täuferherrschaft, Blüte der Bürgerstadt und Gegenreformation

Als Folge der Täuferherrschaft ließ Bischof Franz von Waldeck den evangelischen Gottesdienst unterdrücken und entzog Münster sämtliche Rechte, darunter unter anderem die freie Ratswahl, Gerichtsbarkeit, Militärhoheit, Aufsicht über die Stadtverteidigung, Gesetzgebung und Steuererhebung. Die Mitglieder des Rates wurden fortan von ihm selbst bestimmt. Dies änderte sich jedoch 1541, als der Bischof auf die Unterstützung der Stadt angewiesen war. Als Dank gab er ihr einige Rechte und Privilegien zurück. Im Jahre 1553 folgten letztendlich auch wieder die freie Ratswahl und das Recht auf Bildung von Gilden. Somit lag die Kontrolle der beiden einflussreichsten Gruppen wieder in der Hand der Bürger: Der Rat der Stadt verstand sich als Stadtregierung und besaß maßgeblichen Einfluss auf die Politik ihres fürstbischöflichen Landesherren. Die Gilden ihrerseits hatten in vielen Fragen und Entscheidungen des Rates ein Mitbestimmungsrecht, darunter bei der Steuererhebung und der Stadtverteidigung. Zudem sorgten sie mit der 1557 wiedereingeführten „Großen Schützenbrüderschaft“ auch für die Ausbildung des Aufgebots an Bürgern, die zur Verteidigung der Stadt beitrugen.

Nachdem die Bevölkerung während der Herrschaft der Täufer von 10.000 bis 12.000 Einwohnern auf 3.000 bis 4.000 zurückgegangen war, erreichte sie jedoch innerhalb von nur 60 Jahren wieder ihren alten Stand. Gleichzeitig stieg der Wohlstand in Münster, das gegen Ende des 16. Jahrhunderts ihre Blütezeit als Bürgerstadt erlebte. Maßgeblichen Einfluss auf diese Entwicklung hatten die vielen Kirchen, Klöster und andere kirchliche Einrichtungen, die mit ihren wohlhabenden Geistlichen eine große Zahl an Abnehmern von Lebensmitteln, Textilien und Luxusgütern stellten. Aber auch durch die Verwaltungs- und Gerichtsreformen zwischen 1571 und 1574 durch Bischof Johann II. von Hoya und den daraus neu errichteten Behörden mit ihren wohlhabenden Beamten trugen zur wirtschaftlichen Blüte bei. Der Wohlstand spiegelte sich im Bild der Stadt wider. Neben der Prägung von Gold- und Silbermünzen wurden zahlreiche Armenhäuser, Klöster sowie stattliche öffentliche und private Gebäude gestiftet. Zum Schutz des Wohlstandes wurde die bereits gut ausgebaute Stadtbefestigung weiter verstärkt, was sich als Vorteil erweisen sollte, als im Jahre 1618 der Dreißigjährige Krieg in Europa ausbrach.

Die St.-Petri-Kirche der Jesuiten

Während die weltliche Entwicklung klar in eine Richtung ging, war dies bei der religiösen für lange Zeit nicht ersichtlich. Weder die Bischöfe noch die Landesstände wollten mit ihren Erinnerungen an das Täuferreich einen erneuten Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten heraufbeschwören. Erst mit der Wahl des Kölner Erzbischofs Ernst von Bayern zum Bischof von Münster im Jahre 1585 setzte sich die katholische Glaubensrichtung durch. Gegen den Willen des Stadtrates setzte er 1588 die Gründung einer Niederlassung des Jesuitenordens durch und konnte sogar das Paulinum, die traditionsreiche Domschule, übernehmen. Die Hauptaufgabe des Ordens in der Zeit des 16. Jahrhunderts lag vor allem in der systematischen Glaubensunterweisung, der Katechese, durch Pfarren und der Predigt, um die „Gegenreformation“ der katholischen Kirche mit den nach dem Konzil von Trient erneuerten Glaubensvorstellungen vorzubereiten und voranzutreiben. Neben der Unterweisung in der Kirche erfolgte sie auch in Schulen und Universitäten, wie die in Münster durch die Jesuiten gegründete St.-Petri-Kirche und das Jesuitenkolleg. Die Übernahme des Paulinums war deshalb von Vorteil für die Anhänger der Gegenreformation. Insbesondere durch die 1150 Schüler, die es im Jahre 1592 zählte und gut ein Zehntel der Bevölkerung darstellte, sollte Münster innerhalb von nur einer Generation wieder zu einer rein katholischen Stadt werden. Unterstützend wirkten sich zudem die zwischen 1612 und 1624 gegründete Klöster der Kapuziner, Klarissen und Observanten aus. Die letzten verbliebenen Protestanten wurden endgültig unter Fürstbischof Ferdinand von Bayern und auf Befehl des Stadtrates im Jahre 1628 aus der Stadt verwiesen.

Westfälischer Friede

Hauptartikel: Westfälischer Friede

Vogelschau auf Münster im Jahre 1636
Der spanische und die niederländischen Gesandten beschwören im Rathaus zu Münster den spanisch-niederländischen Friedensvertrag.

Münster spielte eine wichtige Rolle im Dreißigjährigen Krieg. Zwar wurde die Stadt zweimal von den Hessen in den Jahren 1633 und 1634 belagert, durch den weiter vorangetriebenen Ausbau der Stadtbefestigung gegen Ende des vorangegangenen Jahrhunderts blieb Münster jedoch die Eroberung und Plünderung sowie die Zerstörung durch feindliche Truppen erspart. Ansonsten blieb Münster und das Münsterland bis auf die Anfangsjahre ein unbedeutender Nebenschauplatz, insbesondere nachdem der protestantische Feldherr Herzog Christian von Braunschweig am 6. August 1623 in der Nähe von Stadtlohn durch das kaiserliche Heer von Graf von Tilly vernichtend geschlagen worden war.

Dies sind vermutlich auch die Gründe, warum genau hier der Westfälische Friede geschlossen wurde, der in Münster und Osnabrück ausgehandelt wurde und die längste Kriegsperiode in Europa beendete. In Osnabrück tagten die Gesandten der evangelischen Kriegsparteien, da es im Einflussbereich Schwedens lag. Dagegen verhandelten in Münster die katholischen Gesandten. Der Vorschlag, Münster als Kongressstadt für die Verhandlungen zu nutzen, kam von den Schweden im Jahre 1641. Der hierfür notwendigen Neutralität der Stadt stimmte der Kaiser Ferdinand III. am 25. Dezember 1641 im Hamburger Präliminarvertrag zu. Nachdem die Stadt und deren Bürger offiziell hierzu gefragt wurden und dem Vorschlag zustimmten, entband Reichshofrat Johann Krane am 27. Mai 1643 Münster von den Verpflichtungen gegenüber Reich und Landesherren. Sie wurde damit für die Zeit des Kongresses zu einer neutralen Stadt.

Die Verhandlungen fanden abwechselnd in den Quartieren der beteiligten Gesandten statt. Am 30. Januar 1648 konnte der spanisch-niederländische Friedensvertrag im Quartier der Niederländer, dem heutigen Haus der Niederlande, unterzeichnet werden. Am 15. Mai 1648 wurde dieser Vertrag in einer feierlichen Zeremonie beschworen. Der spanische Gesandte Graf Peñaranda hatte sich zu diesem Anlass die Ratskammer im Erdgeschoss des Rathauses der Stadt erbeten, die später Friedenssaal genannt wurde. Der Friede von Münster beendete den Achtzigjährigen Krieg der Niederländer um ihre Unabhängigkeit von den Spaniern und kann als Geburtsstunde der Niederlande gesehen werden.

Die Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück zwischen dem Kaiser, den Reichsständen, den Schweden und den Franzosen zogen sich noch bis zum Herbst hin. Am 24. Oktober 1648 wurden schließlich in Münster die Friedensverträge unterschrieben und am 18. Februar 1649 die Ratifikationsurkunden ausgetauscht. Damit war der Dreißigjährige Krieg endgültig beendet und der Westfälische Friede geschlossen.

Die historische Inneneinrichtung des Friedenssaals ist auch heute noch zu bewundern, da sie vor der fast vollständigen Zerstörung des Rathauses und des Prinzipalmarkts während des Zweiten Weltkriegs ausgelagert worden war. Einzig der Kamin entspricht nicht mehr dem Original.

Stadt gegen Fürstbischof

Zur Zeit des Westfälischen Friedens hatte Münster den Höhepunkt seiner städtischen Unabhängigkeit erreicht und die Stadt war sehr bemüht, diese Unabhängigkeit zu behalten und weiter auszubauen: Am 11. September 1647 richtete die Stadt Münster ein offizielles Schreiben an Kaiser Ferdinand III., ihr weitergehende Rechte zu verleihen. Diese sollten unter anderem das Münzrecht und das Besatzungsrecht enthalten. Durch die Gewährung dieser eigentlichen Landesherrenrechte wäre Münster faktisch in den Stand einer Freien Reichsstadt erhoben worden. Ein Konflikt mit dem fürstbischöflichen Landesherrn war unausweichlich. Seit dem Jahre 1650 war dies Christoph Bernhard von Galen, auch als Kanonenbischof bekannt.

Zur ersten Konfrontation zwischen der Stadt und dem Fürstbischof kam es im Jahre 1654. Der Versuch von Galens, seinen Kontrahenten Bernhard von Mallinckrodt bei der Bischofswahl 1650 verhaften zu lassen, scheiterte, als der Rat der Stadt ihm die Unterstützung verweigerte. Der anschließende Versuch, Münster in einem militärischen Handstreich einzunehmen, scheiterte ebenso und führte am 25. Februar 1655 zum Vertrag von Schöneflieth, benannt nach der Burg Schöneflieth am südlichen Ufer der Ems in Greven, wo der Vertrag geschlossen wurde. Dieser Vertrag war im Wesentlichen ein Kompromiss zwischen dem Fürstbischof und der Stadt Münster und gestattete es von Galen, 450 Infanteriesoldaten und 100 Reiter innerhalb der Stadt zu stationieren. Diese mussten jedoch auch auf die Stadt vereidigt werden, so dass von ihnen letztendlich keine Gefahr ausging.

Die Belagerung von Münster im Jahr 1657 – Radierung von Caspar Merian

Aufgrund weiterhin anhaltender Spannungen zwischen der Stadt und Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen suchte sie nach Verbündeten. Als der Stadtsyndicus Nikolaus Drachter am 9. August 1657 von Verhandlungen aus den Niederlanden zurückkehrte, ließ von Galen ihn verhaften. Die Stadt verwehrte ihm daraufhin den Zugang und forderte die sofortige Freilassung von Drachter. Als Reaktion belagerte am 20. August 1657 der Fürstbischof die Stadt das erste Mal und setzte hierbei vor allem auf den Beschuss mit Artillerie. Seine Aufforderung zur Kapitulation am 6. September wurde zurückgewiesen. Auf das Gerücht, ein holländisches Heer eile der Stadt Münster zu Hilfe, brach von Galen die Belagerung ab. Das Ende der Belagerung durch den Geister Vertrag vom 21. Oktober 1657 stellte für ihn faktisch eine Niederlage dar.

Plan der Belagerung im Jahre 1657
Der siegreiche Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen

Eine Wende in der Geschichte brachte der Winter 1659/60, als der Kaiser Münsters Wunsch auf das Besatzungsrecht ablehnte und gleichzeitig untersagte, nach Verbündeten im Ausland zu suchen. Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen nutzte diese Entwicklung und begann am 20. Juli 1660 mit der zweiten Belagerung von Münster. Da keine Unterstützung für die Stadt in Sicht war, litt sie bald darauf unter Finanznot und Lebensmittelknappheit. Auch das Einschmelzen des Tafelsilbers, die Aufnahme von Krediten bei den Bürgern und das Prägen von Notgeld konnten die Situation nicht verbessern. Die Situation spitzte sich zu, als von Galen zur Weihnachtszeit des Jahres 1660 die Aa unterhalb der Stadt aufstauen ließ und es innerhalb der Stadt zu Überschwemmungen kam. Aufgrund der hoffnungslosen Situation und mangels Aussicht auf Unterstützung von außerhalb übergab der Rat der Stadt dem Fürstbischof am 26. März 1661 die Stadt. Der Rat musste eine Erklärung unterschreiben, die faktisch das Ende der städtischen Autonomie bedeutete: Die Stadt verpflichtete sich, keine Kontakte zu ausländischen Mächten mehr aufzunehmen und die Kontakte zu den Niederlanden abzubrechen. Neben der Beteiligung an den Steuereinnahmen hatte Münster zudem die Summe von 45.000 Reichstalern an den Fürstbischof zu entrichten.

Weitere Folge des Konflikts war die Abtragung der westlichen Stadtmauer und die Ergänzung um eine Zitadelle in diesem Bereich durch den Bischof, der so seinen Machtanspruch gegenüber der Stadt durchsetzte. Als offene Provokation der Bürger richtete er zudem im Rathaus ein bischöfliches Wachlokal ein und umgab den Vorplatz des Gebäudes mit einem Palisadenzaun. Die Bürger verloren nahezu alle Selbstverwaltungsrechte, als auch die freie Ratswahl abgeschafft und die Ratspositionen durch den Fürstbischof vergeben wurden. Sogar die Gilden ließ von Galen entmachten. Erst während der Zeit des Fürstbischofs Ferdinand von Fürstenberg in den Jahren von 1678 bis 1683 wurden Münster die Selbstverwaltungsrechte teilweise zurückgegeben.

Siebenjähriger Krieg und seine Folgen

Das fürstbischöfliche Schloss und heutiger Sitz der Universität in Münster.

Im Siebenjährigen Krieg war Münster als Unterstützer von Maria Theresia, der Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen, wiederholt Kriegsschauplatz. Infolge dessen wurde die Stadt von den Kriegsparteien Preußen und Hannover sowie deren Gegnern Österreich und Frankreich mehrfach belagert und auch erobert. Den größten Schaden erlitt sie dabei während der Belagerung durch die Hannoveraner im Jahr 1759, als durch schweres Bombardement am 3. September das „Martiniviertel“ vollständig zerstört wurde. Angesichts der schweren Zerstörungen während des Krieges ordnete Franz Freiherr von Fürstenberg, Minister für das Fürstbistum Münster unter Fürstbischof Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels, nach dem Ende des Krieges im Jahr 1764 die Schleifung der Befestigungsanlagen an. Münster sollte somit eine offene Stadt sein und damit weiteren Zerstörungen und Verwüstungen entgehen.

Auf Wunsch der Münsteraner Bevölkerung genehmigte der Fürstbischof im Jahre 1767 den Bau eines fürstbischöflichen Residenzschlosses am Ort der abgetragenen Zitadelle, dessen Bauarbeiten sich bis ins Jahr 1787 hinzogen. Erbaut wurde es – bis zu seinem Tod im Jahre 1773 – durch Johann Conrad Schlaun und nachfolgend durch Wilhelm Ferdinand Lipper, der die Arbeiten zu Ende führte. Erstgenannter war es auch, der die ehemaligen Befestigungen der Stadt nach deren Schleifung im Jahre 1770 in die Promenade umwandelte. Ebenfalls in fürstbischöflicher Verantwortung wurde 1773 die Entscheidung gefällt, eine Landesuniversität zu schaffen, die ihren Lehrbetrieb mit der Gründung am 16. April 1780 aufnahm und aus der sich später die Westfälische Wilhelms-Universität entwickelte. Maßgeblichen Anteil daran hatte Franz Freiherr von Fürstenberg, der Generalvikar und ständige Vertreter des Erzbischofs von Köln und Bischofs von Münster, Maximilian Friedrich von Königsegg-Rothenfels. Weiterhin war er maßgeblich an der Entwicklung des Steuersystems sowie des Rechts- und Gesundheitswesens beteiligt.

Von Wilhelm Ferdinand Lipper stammte auch das Komödienhaus, Münsters erstes Theater. Eröffnet wurde es 1775 am Roggenmarkt, finanziert von der münsterschen Bürgerschaft. Ein bekannter Künstler war Albert Lortzing, der hier in den 30er-Jahren des 19. Jahrhundert auftreten sollte und nach dem der spätere Theaterneubau benannt werden sollte. Nach dem Abriss 1890 und der Zerstörung der Inneneinrichtung des Schlosses im Zweiten Weltkrieg existieren von Lipper in Münster nur noch die beiden sogenannten „Torhäuschen“ im frühklassizistischen Stil am „Neutor“ am nördlichen Ende des Hindenburgplatzes.

Ende des 18. Jahrhunderts wirkte sich die Französische Revolution auch auf das Fürstbistum Münster aus. Mehrere tausend französische Emigranten suchten hier Zuflucht, darunter sehr viele katholische Geistliche. Allein in der Stadt Münster zählte man 1794 mehr als tausend Flüchtlinge. Dank des am 5. April 1795 geschlossenen preußisch-französischen Friedens von Basel, in dem der norddeutsche Raum neutralisiert wurde, wirkten sich die Revolutionskriege zunächst nicht unmittelbar auf Münster aus. Dies sollte sich jedoch nur kurze Zeit später zu Beginn des 19. Jahrhunderts ändern.

Münster unter der Herrschaft Preußens

Münsters letzter Fürstbischof: Maximilian Franz von Österreich

In einem Vertrag vom 23. Mai 1802 einigten sich Preußen und Frankreich, wie Preußen für die in den französischen Revolutionskriegen abgetretenen linksrheinischen Gebiete entschädigt werden soll. Dazu wurde Preußen in Westfalen, neben dem Fürstbistum Paderborn und den Abteien Essen, Werden und Herford, die östliche Hälfte des Oberstifts Münster einschließlich der Hauptstadt Münster zugesprochen. Der Immerwährende Reichstag und der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mussten diesem Vertrag jedoch zustimmen.

Preußen wartete jedoch den sogenannten Reichsdeputationshauptschluss nicht ab. Ein Jahr nach dem Tode des letzten Fürstbischofs von Münster, Maximilian Franz von Österreich, rückte am 3. August 1802, dem 32. Geburtstag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III., General Gebhard Leberecht von Blücher mit seinem Husarenregiment und drei Bataillonen Füsiliere in Münster ein. Erst im Anschluss wurde diese Besetzung durch den Reichsdeputationshauptschluss am 25. Februar 1803 legitimiert. Das Hochstift Münster wurde aufgelöst, und der östliche Teil, und damit auch die Stadt Münster, kam an Preußen. Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom Stein war für die Säkularisation zuständig; er begann daraufhin eine Verwaltung nach preußischem Vorbild in der Stadt zu errichten. Diese ersten Bemühungen waren jedoch nicht von langer Dauer.

Im Jahre 1806 zogen die französischen Truppen von Napoléon Bonaparte in Münster ein. Am 14. November 1808 wurde die Stadt dem Département Ems des Großherzogtums Berg zugeteilt und kam mit diesem am 27. April 1811 an Frankreich. Hierbei wurde sie Hauptstadt des zu diesem Zeitpunkt neu gebildeten Département Lippe. Münster wurde Sitz einer Mairie, die Stadt und benachbarte Gemeinden verwaltete.

Im Jahre 1813 vertrieben preußische und russische Truppen im Rahmen der Befreiungskriege die Franzosen aus Münster. Nach dem Wiener Kongress 1814/1815 wurde Münster endgültig dem Königreich Preußen zugeteilt. Aus der Mairie wurde die „Bürgermeisterei Münster“. Münster wurde Sitz des Kreises Münster, die Stadt selbst blieb aber so genannte „Immediatstadt“ und gehörte damit nicht zum Kreis. Seit 1. April 1816 war Münster Provinzialhauptstadt der neu gegründeten Provinz Westfalen, Verwaltungssitz des Regierungsbezirks Münster und Sitz des Generalkommandos des VII. Armee-Korps.

Am 25. Mai 1848 begann in Münster das Zeitalter der Eisenbahn durch die „Münster-Hammer Eisenbahngesellschaft“ mit der Eröffnung der Bahnstrecke Münster – Hamm mit Anschluss an die Cöln-Mindener Eisenbahn. Acht Jahre später (1856) wurde die Strecke Münster – Rheine mit Anschluss an die Hannoversche Westbahn in Betrieb genommen sowie im Jahre 1872 die Strecke von Wanne-Eickel über Münster nach Hamburg durch die Cöln-Mindener Eisenbahngesellschaft. Am 1. Oktober 1890 wurde der „Zentralbahnhof“ eröffnet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die zwei Eisenbahngesellschaften jeweils ihren eigenen Bahnhof. Das Bahnhofsgebäude sollte bis zum Zweiten Weltkrieg Bestand haben, als es durch alliierte Bombenangriffe vollständig zerstört wurde.

Das Jahr 1872 markierte den Beginn des Kulturkampfes, der in Münster besonders heftig geführt wurde, und bei dem der Einfluss der katholischen Kirche auf den Staat maßgeblich beschnitten werden sollte. Dabei kam es in der Folge zu aufruhrähnlichen Zuständen unter der münsterschen Bevölkerung und im Jahre 1875 zur Verhaftung des Bischofs Johannes Bernhard Brinkmann. Er konnte später in die Niederlande flüchten. Aus dem Exil dort kehrte er 1884 in die Stadt zurück, von der Bevölkerung triumphal begrüßt.

Die Tuckesburg, ehemaliges Wohnhaus von Münsters erstem Zoodirektor Hermann Landois.

Die erste Eingemeindung von Landgemeinden in die Stadt Münster fand am 1. Januar 1875 statt; Teile der umliegenden Gemeinden Lamberti, St. Mauritz und Überwasser kamen zu Münster. Das Stadtgebiet wuchs dadurch von 1,92 km² auf 10,84 km², die Einwohnerzahl stieg um 8.963 Einwohner. Ein weiteres wichtiges Ereignis war im gleichen Jahr die Eröffnung des ersten Zoos in Münster, der zu jener Zeit noch Zoologischer Garten zu Münster hieß. Bis zu seiner Schließung im Jahre 1973 und dem Umzug an den Aasee 1974 befand er sich im Bereich des sogenannten „Himmelreichs“ in der Nähe des ehemaligen „Neuwerks“ im Südwesten der Stadt. Erster Vorsitzender des Zoovereins und Zoodirektor wurde Hermann Landois, dessen Wohnhaus, die „Tuckesburg“, noch immer auf dem Gelände des ehemaligen Zoos bewundert werden kann und nach dessen Plänen auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Aasee erbaut wurde.

Das Zeitalter der Industrialisierung sorgte auch in Münster für einen starken Anstieg der Bevölkerung in der Stadt. So betrug im Jahr 1885 die Einwohnerzahl 44.060 Einwohner, darunter 36.751 Katholiken, 6.784 Evangelische und 513 Juden. Kurz darauf im Jahre 1887 wurde aus der bisherigen Immediatstadt eine kreisfreie Stadt. Münster blieb jedoch weiterhin Sitz des Kreises Münster, dessen Zuschnitt in den folgenden Jahrzehnten noch mehrmals verändert wurde. Durch die Zunahme der Bevölkerung kam es zudem zu Engpässen auf den bisherigen drei innerstädtischen Friedhöfen „Kirchhof vor dem Neuthore“, „Kirchhof vor dem Hörsterthore“ und „Kirchhof vor dem Aegidiithore“. Nach mehrjähriger Planung konnte im Jahre 1887 der Zentralfriedhof – zu jener Zeit noch unter dem Namen „Central-Kirchhof“ – eröffnet werden.

Reste der Fassade des Lortzing-Theaters

Um den Bewohnern der Stadt auch weiterhin Theatervorstellungen bieten zu können, wurde 1885 durch den großzügigen Umbau des „Rombergschen Hofs“ an der Neubrückenstraße das 115 Jahre alte, baufällige Komödienhaus am Roggenmarkt ersetzt. 1890 wurde der alte Bau abgerissen. Das neue Haus bekam den Namen Lortzing-Theater, benannt nach dem berühmten Künstler Albert Lortzing. Die Eröffnung fand am 30. November 1895 statt. Aufgrund der vollständigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und der Entscheidung gegen einen originalgetreuen Wiederaufbau sind jedoch nur noch Teile der Ruine vorhanden, die in den Neubau zwischen 1952 und 1956 integriert wurden. Dieser Neubau wurde der erste Theaterneubau in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Stadtansicht von 1897 auf einer alten Postkarte

1899 erhielt Münster einen Hafen am neuen Dortmund-Ems-Kanal. Aufgrund der relativen Nähe zwischen Bahnhof und Hafen und der daraus resultierenden guten Verkehrsanbindung kam es in diesem Gebiet zur Ansiedlung von Industriebetrieben. Ein Novum des Jahres 1899 war auch die erste „Kläranlage“ der Stadt. Die Abwässer wurden ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in die Aa, sondern auf dem Gebiet der Rieselfelder verrieselt. Aber auch der innerstädtische Verkehr erfuhr eine revolutionäre Entwicklung: Mit der Gründung der Stadtwerke Münster im Jahre 1901 wurden auch die ersten drei Straßenbahnlinien eröffnet, die die Pferdewagen ablösten. Sie fuhren anfänglich im 6-Minuten-Takt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 15  km/h auf einem Streckennetz von insgesamt 8 km Länge. Die für den Betrieb der Straßenbahn notwendige Elektrizität wurde durch das im selben Jahr eröffnete und damit erste Elektrizitätswerk der Stadt erzeugt.

Im Jahre 1900 wurde das Schillergymnasium eingeweiht. Es war das erste staatliche evangelische Gymnasium für Jungen in Münster. Kurz darauf stiftete im Jahre 1902 Kaiser Wilhelm II. der Stadt Münster wieder eine Universität. 1907 wurde sie ihm zu Ehren in Westfälische Wilhelms-Universität umbenannt, als er am 22. August Münster besuchte. Im Jahre 1908 war es Frauen zum ersten Mal erlaubt, dort ihr Studium aufzunehmen.

Im Jahre 1903 vergrößerte Münster sein Stadtgebiet durch die Eingemeindung der übrigen Teile der bis dahin weiterhin selbständigen Gemeinden Lamberti und Überwasser sowie weiteren Teilen von St. Mauritz. Das Stadtgebiet vergrößerte sich dadurch auf 65,9 km². 1915 wuchs die Einwohnerzahl von Münster auf über 100.000 Einwohner. Dies war eine Vervierfachung der Einwohnerzahl seit 1870 und Münster wurde zu einer Großstadt. Bereits nach der Eingemeindung von 1903 erschien die bis dato zur Brandbekämpfung eingesetzte Freiwillige Feuerwehr Münster nicht mehr ausreichend. Die Zunahme der Bevölkerung und die Vergrößerung des Stadtgebietes erforderten eine dauerhaft Einsatzbereitschaft, so dass am 1. Mai 1905 die Feuerwehr Münster als hauptamtliche Feuerwehr gegründet wurde.

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik

Der Prinzipalmarkt zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Am Geschehen des Ersten Weltkriegs war die Stadt Münster nur über ihre kriegsdienstleistenden Mitbürger beteiligt. Allerdings zeugten auch hier die ersten Kriegsjahre von einer euphorischen Begeisterung, wie sie in großen Teilen des Deutschen Reichs herrschte. So ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Spendenaktionen zugunsten der Finanzierung des Krieges erfolgreich verliefen. So wurden anlässlich des U-Boottages am 3. Juni 1917 über 22.000 Reichsmark gespendet, obwohl es damals nach fast drei Kriegsjahren bereits zu Lebensmittel- und Geldknappheit kam. Die zusätzlich zu den etwas mehr als 100.000 Einwohnern der Stadt zu versorgenden über 90.000 Kriegsgefangenen, die 1918 in drei Lagern rund um Münster interniert waren, trugen zur Verschärfung der Situation bei.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erreichte die Revolution in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1918 Münster. Nachdem das örtliche Generalkommando sich zuvor in Berlin über die Verhaltensregeln informiert hatte, trat es am 9. November 1918 in Verhandlungen mit Vertretern der Soldaten, der SPD und der christlichen Gewerkschaften. Als Folge wurde ein vorläufiger „Vollzugs-Ausschuss“ gebildet, der Kontrolle über das Militärkommando und die zivilen Behörden erhielt. Gegen Nachmittag verkündete der dem Ausschuss angehörende Vorsitzende der SPD-Ortsgruppe Emmerich Düren auf dem Hindenburgplatz, dass am selben Tag in Berlin die Republik ausgerufen worden sei. Am 13. November 1918 wurde ein Soldatenrat eingesetzt, der „Arbeiter- und Soldatenrat Bezirk Münster (Westf.)“. Dieser wurde erst am 6. Februar 1919 durch General von Watter entmachtet, als sich nach der Eröffnung der Nationalversammlung der münstersche Soldatenrat weigerte, die geänderten Bestimmungen über die Stellung der Soldatenräte in der Armee anzuerkennen. General von Watter und sein Stab waren es auch, die im darauffolgenden Jahr von Münster aus die Truppen der Reichswehr und Freikorps koordinierten, die im Ruhrgebiet die Rote Ruhrarmee der Soldatenräte und der Kommunisten besiegten.

Die zivile Luftfahrt begann in Münster im Jahre 1920, als auf der Loddenheide der erste Flughafen eröffnet wurde. Die erste reguläre Flugverbindung führte nach Bremen. Angeflogen wurde der Flughafen von Maschinen der Lloyd Luftverkehr und Junkers-Luft-Verkehrs-A.G, später auch von der neu gegründeten Deutschen Luft Hanse A. G.. Trotz Subventionen vom Reichspostministerium und regelmäßigen Investitionen der Stadt in den Flughafen war der Erfolg jedoch eher bescheiden. Nachdem es immer wieder Unterbrechungen im Flugbetrieb und Änderungen am Flugplan gegeben hatte, wurde Münsters erster Flughafen nach nur 10 Jahren Betrieb bereits 1930 wieder geschlossen und der Flugbetrieb eingestellt. Danach sollte es bis 1972 dauern, ehe Münster mit dem Flughafen Münster/Osnabrück wieder in den (Teil-)Besitz eines Flughafen kam, nachdem der Flugplatz in Handorf bereits kurz nach seiner Eröffnung durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wieder geschlossen und abgebrochen wurde.

Im Jahre 1924 wurde in Münster der Vorgänger des Westdeutschen Rundfunks (WDR), die „Westdeutsche Funkstunde AG“ (Wefag) gegründet. Sie begann mit der Ausstrahlung von Hörfunksendungen mit dem Titel Westdeutsche Funkstunde. Zwei Jahre später wurde der Sitz der Rundfunkanstalt jedoch von Münster nach Köln verlegt.

Im Jahre 1926 wurde das Universitätsklinikum fertiggestellt. Im selben Jahr kam es auch in unmittelbarer Nähe des Hafens und des Hauptbahnhofs zur Fertigstellung der Halle Münsterland. 1928 begannen im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogramms die Bauarbeiten für den Aasee. Die Pläne dazu hatte der ehemalige Zoodirektor Prof. Landois schon 1868 gefertigt.

Zeit des Nationalsozialismus

Zu Beginn des Aufstiegs der Nationalsozialisten in Deutschland war das katholisch geprägte Münster ihnen gegenüber größtenteils skeptisch eingestellt. Dementsprechend war die Ortsgruppe der NSDAP auch nicht besonders groß. 1931 begann der langsame Aufstieg der Nationalsozialisten durch eine Vielzahl von Veranstaltungen, darunter 16 Großveranstaltungen. Begünstigt durch auswärtige Redner wie Hermann Göring und August Wilhelm von Preußen erfuhren sie einen stetigen Zulauf. Insbesondere die Rede der zuvorgenannten Persönlichkeiten am 25. August 1931 sorgte für einen Wendepunkt. Die NSDAP konnte ihren Ruf in der Bevölkerung weg von „braunen Marxisten“ hin zu einer „anständigen“ Partei verbessern. [2]

Nach den zahlreichen Veranstaltungen der NSDAP-Ortsgruppe folgte im Jahre 1932 eine weiter verschärfte Propaganda, bei der nahezu die gesamte Parteiführung Münster einen Besuch abstattete. Unter ihnen waren unter anderem Joseph Goebbels, Robert Ley, Gregor Strasser und Wilhelm Frick sowie der Anführer der nationalsozialistischen Bewegung, Adolf Hitler. Für Hitler war es der zweite und zugleich letzte Besuch in Münster, nachdem er zuvor im Jahre 1926 nach seiner Haftentlassung den früheren Freikorpsführer Franz Pfeffer von Salomon aufsuchte, um ihm die Leitung der SA anzuvertrauen. Er sprach im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung zur Wahl des Reichspräsidenten am 8. April 1932 vor insgesamt etwa 10.000 Menschen. Etwa 7.000 Interessierte verfolgten seine Rede innerhalb der Halle Münsterland, die anderen 3.000 hörten ihm von draußen vor der Halle zu. Erwähnenswert ist, dass noch im Jahre zuvor der Rat der Stadt den Nationalsozialisten verweigerte, Veranstaltungen innerhalb der Halle abzuhalten. Aufgrund ihres zunehmenden Einflusses auf die Politik und die Polizei war eine Ablehnung im Jahre 1932 nicht mehr durchsetzbar. Der Erfolg dieser anhaltenden Propaganda sollte sich zu Beginn des Jahres 1933 zeigen. Bei der Reichstagswahl 1933 erhöhte die NSDAP ihren Stimmenanteil von 16.246 (24,3 %) auf 26.490 (36,1 %), stand aber damit immer noch hinter der Zentrumspartei mit 41,6 %[2]. Wenige Tage später, bei der Kommunalwahl am 12. März 1933, hatte sich dieses Verhältnis bereits umgekehrt: die NSDAP war nun stärkste Partei mit 40,2 % vor dem Zentrum mit 39,7 %. Zum Vergleich: Bei der Wahl am 5. März kam die NSDAP im Deutschen Reich auf insgesamt 43,9 % [3].

In der darauffolgenden Zeit des Nationalsozialismus war Münster Verwaltungssitz des NSDAP-Gaus „Westfalen-Nord“. Seit Hitlers Machtübernahme 1933 waren die Gaue nicht mehr nur Organisationseinheiten der Partei, sondern wurden zunehmend auch staatliche Verwaltungsbezirke. Gauleiter Meyer wurde zum Oberpräsidenten Westfalens ernannt. Die Gauhauptstadt Münster wurde Sitz von SA-Brigade 66, SA-Standarte 13, SS-Abschnitt XVII, SS-Fußstandarte 19, HJ-Gebietsführung 9, BDM-Obergauführung 9 und weiteren Parteibehörden. Auch die Wehrmachtsdienststellen wurden ausgebaut.

Münster wurde Verwaltungssitz des Befehlshabers der Ordnungspolizei (BdO) im Wehrkreis VI, dem bevölkerungsreichsten und größten Polizeibereich im damaligen Deutschen Reich. Dieser umfasste das heutige Nordrhein-Westfalen, den Raum Osnabrück und ab 1940 Ost-Belgien. Die Ordnungspolizei wurde durch Erlass vom 26. Juni 1936 gebildet. Die uniformierte Schutzpolizei ging in der Ordnungspolizei auf. Statt der 16 Landespolizeien wurde eine Reichspolizei formiert. Im Oktober 1944 wurde der Befehlssitz der Ordnungspolizei für den Wehrkreis VI aus Münster nach Düsseldorf-Kaiserswerth verlegt.

Die Zahl der Einwohner nahm von 123.000 im Jahre 1933 auf 145.000 im Jahre 1944 zu. Obwohl zwischen 1933 und 1940 insgesamt 5818 Wohnungen entstanden, wurde die Wohnungsnot nicht beseitigt. Von den Neubauten wurden 30 % mit öffentlichen Mitteln gefördert; vor 1933 waren es 60 %.

Das Problem der Arbeitslosigkeit wurde zunächst durch viele Feiern überdeckt und später durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angegangen. Zwischen 1933 und 1937 gab die Stadt Münster etwa 9,7 Millionen Reichsmark für diesen Zweck aus und erreichte 1937 mit nur 616 Arbeitslosen praktisch Vollbeschäftigung.

Seit April 1940 war Dr. Heinrich B. Lankenau Befehlshaber der Ordnungspolizei. Er residierte in der „Villa ten Hompel“ mit bis zu 40 Mitarbeitern und befehligte an die 200.000 Mann. Der Krieg erweiterte die Aufgaben der Ordnungspolizei. Das Aufsichtspersonal für die Arbeitserziehungslager, später auch für die Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager, war von hier aus zu stellen. Für die Deportationszüge in die Konzentrations- und Vernichtungslager im Osten wurden Wachmannschaften und Transportbegleitungen zusammengestellt. Von Münster aus wurde die Aufstellung von mindestens 22 Polizeibataillonen überwacht, die bei der Organisierung der Ermordung der jüdischen Bevölkerung Osteuropas eingesetzt wurden. Tausende Polizisten wurden von hier in die besetzten Gebiete Europas geschickt. Aus Ordnungshütern wurden ausführende Organe einer menschenverachtenden Vernichtungspolitik.

Gedenktafel an die Opfer des Holocaust am Platz des ehemaligen Lokals „Gertrudenhof“ an der Warendorfer Straße.

Opfer dieser Politik wurde unter anderem die jüdische Gemeinde in Münster. Während der Reichspogromnacht 1938 wurde am frühen Morgen des 10. November die Synagoge in Brand gesetzt und zerstört. Nicht nur die Synagoge und die Häuser wurden zu Zielen, sondern auch die Juden selbst. Konkret begann der Holocaust in Münster und dem Münsterland Anfang Dezember 1941. Insgesamt 403 jüdische Mitbürger, davon 105 direkt aus Münster, wurden in dem an der Warendorfer Straße gelegenen Lokal „Gertrudenhof“ zusammengetrieben und in der Nacht zum 13. Dezember 1941 zum Güterbahnhof gebracht. Gegen 10 Uhr verließ ein Güterzug Münster und brachte die Menschen in verschlossenen Güterwaggons in das Ghetto in Riga. In den darauffolgenden Monaten fanden drei weitere Deportationen statt: Am 27. Januar 1942 ebenfalls nach Riga, am 31. März in das Ghetto in Warschau und am 31. Juli zum KZ Theresienstadt.[4] Von den im Jahre 1933 ursprünglich 708 Angehörigen der jüdischen Gemeinde wurden 299 Menschen in Konzentrationslager deportiert, von denen nur 24 überlebten. Insgesamt 280 jüdische Bürger verließen Münster und emigrierten ins Ausland, sieben begingen Selbstmord und vier überlebten den Nationalsozialismus in Münster im Untergrund. Abzüglich der 77 Personen, die in diesem Zeitraum eines natürlichen Todes starben, verbleiben 42 Menschen, deren Schicksal ungeklärt geblieben ist [5].

Im Juli und August des Jahres 1941 hielt Bischof Clemens August Graf von Galen, Bischof von Münster, seine berühmten Predigten gegen das „Euthanasie“-Programm der Nationalsozialisten, die so genannte Aktion T4, und erstattete dagegen am 28. Juli 1941 Strafanzeige. Dieser Kampf gegen das Dritte Reich brachten ihm den Titel Der Löwe von Münster ein. Nach Ende des Krieges wurde er am 18. Februar 1946 durch Papst Pius XII. zum Kardinal ernannt. Am 22. März 1946 starb er in Münster an den Folgen eines Blinddarmdurchbruchs. Am 9. Oktober 2005 wurde er durch den portugiesischen Kardinal José Saraiva Martins in Rom selig gesprochen.

Zur Stadtgeschichte während der Zeit des Nationalsozialismus gehört auch die Beschäftigung von Zwangsarbeitern in Münster und Umgebung.

Bombenkrieg auf Münster

Blick von der Lambertikirche auf den zerstörten Prinzipalmarkt 1945

Im Zweiten Weltkrieg wurde Münsters Innenstadt im Rahmen der Moral-Bombing-Strategie durch alliierte Bombenangriffe zu fast 91 % zerstört, darunter zahlreiche bedeutende historische Bauwerke wie der St.-Paulus-Dom, das Schloss und fast die gesamte Bebauung des Prinzipalmarkts. Der Zerstörungsgrad im gesamten Stadtgebiet betrug etwa 63 %. [6] Bemerkenswert ist jedoch, dass die meisten der berühmten Giebelhäuser des Prinzipalmarkts, wenn auch meistens vereinfacht, wieder aufgebaut wurden. Dies ist vornehmlich dem Begehren der münsteraner Bürger zu verdanken, die die Stadt in ihrem alten Erscheinungsbild wieder aufbauen wollten anstatt in einer neuen, modernen Bauweise. Das historische Gesamtbild der Stadt blieb so erkennbar.

Bei dem ersten Luftangriff wurde am 16. Mai 1940 ein Industrielager zerstört. Bis zum Dezember folgten weitere 23 Angriffe. In den Nächten zwischen dem 6. und 10. Juli 1941 gehörte Münster zu den ersten deutschen Städten, die von einem Flächenbombardement der Alliierten betroffen war. Nach einem nächtlichen Großangriff am 12. Juni 1943 folgte der erste Angriff bei Tageslicht am 10. Oktober 1943, bei dem gleichzeitig weite Teile der Innenstadt zerstört wurden oder schwere Schäden erlitten. Nach weiteren periodischen Angriffen wurde ab Herbst 1944 die bedingungslose Kapitulation Deutschlands vorbereitet. Die Moral der Zivilbevölkerung sollte gebrochen werden. Zwischen September 1944 und März 1945 wurden 50 Luftangriffe auf Münster geflogen. Der letzte und gleichzeitig verheerendste verwüstete am 25. März 1945 die bereits stark in Mitleidenschaft gezogene Altstadt: In einer knappen Viertelstunde, zwischen 10:06 Uhr und 10:22 Uhr, wurden aus 112 schweren Bombern etwa 1.800 Spreng- und 150.000 Brandbomben abgeworfen. Zitat eines beteiligten Bomberpiloten: „Wir rissen die Schächte los, wie auf dem Exerzierplatz, in 16 Minuten rasselten 441 Tonnen Bomben herunter – ‚Münster‘ könnt ihr auf der Karte ausradieren…“ [7]. Am Abend des Ostermontags, 2. April 1945, wurde Münster von der 17. US-Luftlandedivision und von britischen Panzertruppen kampflos eingenommen. Zu diesem Zeitpunkt lebten nur noch 17 Familien innerhalb des Promenadenrings.[8]

Bis zu diesem Zeitpunkt gab es in Münster insgesamt 1.128 Luftalarme und 102 Luftangriffe. Die Menge der abgeworfenen Bomben betrug insgesamt etwa 32.000 Sprengbomben, 642.000 Stabbrandbomben und 8.100 Phosphorbomben. Bei den zahlreichen Angriffen starben mehr als 1.600 Menschen durch direkte Bombeneinwirkung. Die im Vergleich zur Intensität geringe Opferzahl lässt sich dadurch erklären, dass während der Zeit der intensiven Bombardements gegen Ende des Krieges weite Teile der Bevölkerung bereits aus der Stadt evakuiert waren. Von 33.737 Wohnungen im Stadtgebiet blieben nur 1.050 unbeschädigt[9], mehr als 60 % waren stark oder komplett zerstört und somit unbrauchbar. Die Infrastruktur brach fast vollständig zusammen: Erhebliche Teile der Wasserrohrleitungen wurden zerstört sowie das Stromnetz zu 85 %. Die Gasversorgung war komplett ausgefallen. Straßen waren nicht mehr befahrbar und der öffentliche Personenverkehr komplett verloren. Zerstört wurden auch 24 Schulen sowie ein Großteil der Krankenhäuser, so dass von ursprünglich knapp 7.000 Krankenbetten nur noch etwa 400 zur Verfügung standen. Insgesamt fielen in Münster circa 2,5 Millionen Tonnen an Schutt und Trümmern an, die beseitigt werden mussten.[5]

Nachkriegszeit

Das zerstörte historische Rathaus, kurz bevor der Giebel in sich zusammenstürzte.

Im Februar des Jahres 1946 kam es im Stadtgebiet von Münster zu einer Hochwasserkatastrophe, insbesondere in tiefergelegenen Gebieten in der Nähe der Aa. Grund hierfür waren tagelange Regenfälle und die sich überall auftürmenden Trümmerreste des Zweiten Weltkriegs, die das Abfließen des Regenwassers verhinderten. An vielen Stellen war ein Durchkommen nur noch mit Booten möglich.

Am 23. August 1946 wurde die Verordnung Nr. 46, welche die nördliche Rheinprovinz mit der Provinz Westfalen vereinigte, im Amtsblatt der britischen Militärregierung veröffentlicht. So entstand das Land Nordrhein-Westfalen. Zur Hauptstadt des neuen Landes wurde Düsseldorf bestimmt, der Sitz des britischen Zivilkommissars für das Rheinland und Westfalen. Münster verlor seinen Status als Provinzialhauptstadt, blieb jedoch Verwaltungssitz des Regierungsbezirks Münster und des inzwischen als Landkreis genannten Kreises Münster.

Im Sommer des Jahres 1949 wurden auf Grundlage der vom vormaligen Stadtbaurat Heinrich Bartmann erarbeiteten Richtlinien die Durchführungspläne für den Wiederaufbau der Innenstadt erstellt. In den darauffolgenden 1950er Jahren wurden diese dann umgesetzt, wobei das historische Bild, unter anderem die Fassaden am Prinzipalmarkt und die Straßenführung und -breite, weitgehend wiederhergestellt wurde. Dies ist insbesondere der münsterschen Bevölkerung zu verdanken, die sich intensiv für einen originalgetreuen Wiederaufbau und gegen einen modernen Neuaufbau aussprach. Das historische Rathaus wurde, ebenfalls in seinem historischen Aussehen, am 30. Oktober 1958 fertiggestellt. Um den Wiederaufbau zu finanzieren, wurde unter anderem eine „Rathauslotterie“ veranstaltet, um die Baukosten für das Rathaus begleichen zu können.

Die 1950er-Jahre markierten auch einen Wandel in der Verkehrspolitik der Stadt. Nachdem bereits am 1. Oktober 1949 die erste O-Bus-Linie eröffnet wurde, ersetzten diese Busse kurz darauf die Straßenbahn. Nach über 50 Jahren, in denen sie im Jahre 1922 aufgrund der hohen Inflation zeitweise stillgelegt werden musste sowie die starken Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg überstand, fuhr am 25. November 1954 die letzte Straßenbahn durch Münster. Die Zeit der O-Busse sollte jedoch nur bis zum 25. Mai 1968 dauern, als sie durch Omnibusse ersetzt wurden.

Aber auch der Individualverkehr war von der Verkehrspolitik betroffen. Mit dem beginnenden wirtschaftlichen Aufschwung kam es zu einem starken Anstieg der Verkehrsbelastung in der Innenstadt, insbesondere auf den wichtigsten Einkaufsstraßen Prinzipalmarkt, Ludgeristraße und Salzstraße. Zunächst wurden die beiden letztgenannten verkehrsberuhigt. Im Jahre 1959 kamen Diskussionen auf, auch den Prinzipalmarkt in eine verkehrsberuhigte Zone umzuwandeln. Es dauerte jedoch bis ins Jahr 1974, bis es auch hier zu einer Verkehrsberuhigung kam. Bereits fünf Jahre zuvor, im Jahre 1969, wurde die schon verkehrsberuhigte Ludgeristraße in eine Fußgängerzone umgewandelt, im Jahre 1977 folgte die Salzstraße. Der Prinzipalmarkt allerdings ist weiterhin eine verkehrsberuhigte Zone, die nur in bestimmten Ausnahmefällen mit motorisierten Gefährten befahren werden darf.

Lage und Größe der Stadt Münster am 31. Dezember 1974

Während einerseits Straßen für den Verkehr geschlossen wurden, entstanden an anderer Stelle neue, wichtige Verkehrswege. Im Jahre 1965 erhielt Münster den ersten Autobahnanschluss an die Autobahn 1 vom Kamener Kreuz her. Seit 1968 besteht eine durchgehende Verbindung bis nach Bremen. Dieser Abschnitt der Bundesautobahn 1 ist auch als Hansalinie bekannt. Im Jahre 1981 wurde der Anschluss an die Autobahn 43 freigegeben, der den stark überlasteten Abschnitt der Bundesstraße 51 zwischen Münster und Bochum ersetzte. Neben dem Straßenverkehr wurde auch der Luftverkehr ausgebaut. Zusammen mit den Städten Osnabrück und Greven sowie den Landkreisen Münster und Tecklenburg wurde am 27. Mai 1972 der Flughafen Münster-Osnabrück eröffnet. Im Jahr 1986 wurde der bis dato als Regionalflughafen eingestufte zu einem internationalen Flughafen heraufgestuft.

Gedenktafel zur Eingemeindung von Amelsbüren

Am 29. April 1972 fand in Münster die erste Schwulendemo der Bundesrepublik Deutschland statt. Münster blieb die nächsten Jahre neben Westberlin wichtigstes Zentrum der bundesdeutschen Schwulen- und Lesbenbewegung. 1979 und 1988 fand in Münster das Lesben-Frühlings-Treffen beziehungsweise damals noch Lesben-Pfingst-Treffen statt.

Im Zuge der Gemeindereform von 1975 wurde der Kreis Münster zum 1. Januar dieses Jahres nach dem Münster/Hamm-Gesetz aufgelöst. Gleichzeitig wurden Teile des ehemaligen Landkreises in die Stadt Münster eingemeindet. Dabei handelte es sich um die Gemeinden Sankt Mauritz, Handorf, Hiltrup, Amelsbüren, Albachten, Nienberge, Roxel, Angelmodde und Wolbeck. Die Einwohnerzahl stieg dadurch von 200.000 Einwohnern auf 265.000 Einwohner. Die Fläche des Stadtgebietes wuchs dadurch um 228,4 km² auf 302,79 km² an, was circa der dreifachen Fläche des bisherigen Gebietes entsprach.

Im Mai 1987 besuchte Johannes Paul II. als erster Papst Münster. Er sprach auf dem Hindenburgplatz vor dem fürstbischöflichen Schloss sowie auf dem Domplatz und betete am Grab von Kardinal Clemens August Graf von Galen. Der Papst übernachtete eine Nacht im Priesterseminar, wo der Regens seine Wohnung für Johannes Paul räumte. An den Besuch des Papstes erinnert eine in den Boden eingelassene Bronzeplatte vor dem Grab von Galens im münsterschen Dom.

Am 18. Juni 1990 fanden vorbereitende Treffen für die so genannten 2+4 Gespräche im Rathaus statt. Bei diesen Gesprächen, die den Weg zur Wiedervereinigung ebneten, traf der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Hans-Dietrich Genscher, unter anderem in Münster seinen Amtskollegen aus der UdSSR, Eduard Schewardnadse. Genscher wählte einen Treffpunkt, der eine aus der Geschichte rührende, vorwärtsgewandte Symbolik vermitteln sollte. Seine Wahl fiel auf Münster, da dort mit dem Westfälischen Frieden 1648 den deutschen Fürsten und Reichsständen das Recht eingeräumt worden ist, selbst Pakte mit ausländischen Staaten schließen zu dürfen. Ein Bild, das um die Welt ging, zeigt Genscher und Schewardnadse aus dem Goldenen Hahn der Stadt trinkend, dem symbolischen Friedensbecher der Stadt.

Bei der Wahl zum Oberbürgermeister im Jahre 1994 setzte sich Marion Tüns (SPD) gegen die männliche Konkurrenz durch. Fast genau 1200 Jahre nach der Gründung Münsters stand damit zum ersten Mal eine Frau an der Spitze der Stadt. Ihre Amtszeit dauerte jedoch nur eine Legislaturperiode und endete im Jahre 1999.

Die Villa ten Hompel am Kaiser-Wilhelm-Ring.

Am 13. Dezember 1999 wurde die Villa ten Hompel wiedereröffnet. Nachdem in diesem geschichtsträchtigen Gebäude während der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1940 und 1945 die Ordnungspolizei und von 1953 bis 1968 das „Dezernat für Wiedergutmachung für politisch, rassisch und religiös Verfolgte“ untergebracht war, ist sie seit diesem Datum eine Gedenkstätte an den Nationalsozialismus in Deutschland, die eine Auseinandersetzung mit dieser Zeit mittels unterschiedlicher Ausstellungen und Veranstaltungen sowie eigenständigen Recherchen in den Beständen der Bibliothek mit historischer Primär- und wissenschaftlicher Sekundärliteratur ermöglicht.

Prinzipalmarkt 26. November 2005

Das wahrscheinlich meistbesuchte Ereignis in Münsters Geschichte fand am 12. Mai 2002 statt: Die erste Etappe des Radrennens Giro d’Italia, deren Zielort Münster war, zog bis zu 200.000 Menschen in die Innenstadt. Dabei wurden dreieinhalb Runden durch die historische Innenstadt gefahren, insgesamt 18 Kilometer, unter anderem auch über Kopfsteinpflaster.

Am 25. November 2005 kam es in Münster und dem umgebenden Münsterland zu einem „historischen“ Wintereinbruch, dem sogenannten Münsterländer Schneechaos. Dabei fielen in Münster im Laufe des Tages bis zu 32 cm Schnee. Diese Menge war die Höchste, die seit dem Beginn der meteorologischen Wetteraufzeichnung der Stadt im Jahre 1888 gemessen wurde und übertraf die bisherige Höchstmarke von 30 cm aus dem Jahre 1925. Im Gegensatz zu vielen Umlandgemeinden war die Stadt Münster selbst nur kurzfristig und in Teilen von Stromausfällen betroffen. Aufgrund der Schnee- und Eismassen brach jedoch der Verkehr größtenteils zusammen. So musste der Bahnverkehr eingestellt werden und zahlreiche Reisende saßen in Münster fest und mussten in Hotels oder im Luftschutzbunker unter dem Hauptbahnhof übernachten. Auch im öffentlichen Personennahverkehr kam es zu Behinderungen. Hiervon waren größtenteils die Regionalbuslinien betroffen, die Busse der Stadtlinien verkehrten noch bis 22 Uhr. Im Laufe des darauffolgenden Tages normalisierte sich die Situation im Stadtgebiet wieder und es kam nur noch zu vereinzelten Behinderungen.

Ein gutes Jahr später, am Abend des 18. Januar 2007 und in der darauffolgenden Nacht kam es aufgrund des Orkantiefs Kyrill wiederholt zu chaotischen Verhältnissen in Münster. In den Außenbezirken kam es wegen beschädigter Stromleitungen wiederholt zu Stromausfällen. Mehrere Hauptverkehrsstraßen wie am Hindenburgplatz oder die Weseler Straße wurden durch umstürzende Bäume blockiert und mussten für den Verkehr gesperrt werden. Betroffen davon waren auch die Stadtbuslinien der Stadtwerke, die spätestens zum Mitternacht den Betrieb einstellen mussten. Ebenfalls eingestellt werden musste der Bahnverkehr seit dem späten Nachmittag, da die Oberleitungen sämtlicher Strecken nach Münster beschädigt waren. Wie im Jahre 2005 öffnete die Feuerwehr den Luftschutzbunker im Hauptbahnhof für die festsitzenden Reisenden und versetzte beide Löschzüge der Berufsfeuerwehr und alle 20 Züge der Freiwilligen Feuerwehr in Alarmbereitschaft. Zusammen mit dem Technischen Hilfswerk registrierte sie 940 Notrufe, bei der Polizei gingen 323 Notrufe ein. Insgesamt fielen mehr als 1000 Bäume innerhalb des Stadtgebietes dem Orkan zum Opfer, der Schäden in Millionenhöhe anrichtete. Besonders betroffen war das Areal rund um das Schloss, wo am Hindenburgplatz um die 40 [10] und im Schlossgarten rund 50 Bäume durch direkte Windeinwirkung umknickten oder entwurzelt wurden.

Geschichte der städtischen Selbstverwaltung

An der Spitze der Stadt ist schon seit dem Erlangen der Stadtrechte im 12. Jahrhundert ein Gemeinderat nachweisbar. Er bestand aus zwölf kollegialen Schöffen und den Ratsmannen. Vorsteher waren „Schöffenmeister“, später „scheppenmester“ oder „borgemester“. Seit dem 14. Jahrhundert gab es regelmäßig „borgemester“ und „raeth“ beziehungsweise „borgemester“ und „scheppen“. Ab dem 15. Jahrhundert wurde der Rat am ersten Montag in der Fastenzeit, ab 1542 am Dienstag nach dem 17. Januar gewählt. Die Mitgliederzahl des Rates betrug 24 Mitglieder ab 1654, 20 Mitglieder ab 1670 und 14 Mitglieder ab 1682. Im Laufe der Geschichte wurde die Ratswahl mehrmals aufgehoben, insbesondere während der Zeit der Wiedertäufer.

Nach Aufhebung des Hochstifts Münster 1802 wurde die Ratswahl zunächst unter preußischer Herrschaft beibehalten, ab 1805 jedoch durch ein berufenes, ständiges Magistratskollegium ersetzt. An der Spitze der Stadt standen danach der Stadtdirektor, zwei Bürgermeister und ein Kämmerer.

Unter napoléonischer Herrschaft wurde ab 1809 die französische Munizipalverfassung mit einem Maire und drei Beigeordneten an der Spitze eingeführt. Nach dem Wiener Kongress kam Münster im Jahre 1815 erneut unter die Herrschaft Preußens und das Stadtoberhaupt hieß wieder Bürgermeister beziehungsweise Oberbürgermeister (endgültig ab 1836 mit der Einführung der preußischen Städteordnung). Der Oberbürgermeister war Vorsitzender des Magistrats, dem noch Beigeordnete und Stadträte angehörten.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Oberbürgermeister durch die NSDAP eingesetzt. Dies war von 1933 bis zur Einnahme der Stadt durch amerikanische und britische Truppen 1945 Albert Anton Hillebrand. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die Militärregierung der Britischen Besatzungszone ihn ab und Major H. S. Jackson übernahm die Amtsgeschäfte, bis eine neue Stadtverwaltung etabliert wurde. Unter seiner Kontrolle wurde Münster zum 317. Military Government Detachment, einer Militärregierung, die sich im Wesentlichen an den Aufbau der deutschen beziehungsweise preußischen Verwaltung orientieren sollte. Erster Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg wurde am 15. April 1945 Fritz Carl Peus, jedoch nur übergangsweise, bis Mitte Juni Dr. Karl Zuhorn durch die Militärregierung zum amtierenden Oberbürgermeister berufen wurde. Ihm beratend zur Seite stehen sollte ein Beirat aus zwölf bis 14 Männern.

1946 wurde die Kommunalverfassung nach britischem Vorbild eingeführt. Danach gab es einen vom Volk gewählten „Rat der Stadt“, dessen Mitglieder man als „Stadtverordnete“ bezeichnet. Der Rat wählte anfangs aus seiner Mitte den Oberbürgermeister als Vorsitzenden und Repräsentanten der Stadt, welcher ehrenamtlich tätig war. Des Weiteren wählte der Rat ab 1946 ebenfalls einen hauptamtlichen Oberstadtdirektor als Leiter der Stadtverwaltung. 1997 wurde die Doppelspitze in der Stadtverwaltung aufgegeben. Seither gibt es nur noch den hauptamtlichen Oberbürgermeister. Dieser ist Vorsitzender des Rates, Leiter der Stadtverwaltung und Repräsentant der Stadt. Er wurde 1999 erstmals direkt vom Volk gewählt.

Literatur

  • U. Bardelmeier, A. Schulte Hemming (Hrsg.): Mythos Münster. Schwarze Löcher, weiße Flecken. Unrast, Münster 1993. ISBN 3-928300-15-6
  • Franz-Josef Jakobi (Hrsg.): Geschichte der Stadt Münster. 3. Auflage. Aschendorff, Münster 1994, 3 Bde., ISBN 3-402-05370-5
  • Stadtmuseum Münster, Verein Münster-Museum e. V. (Hrsg.): Geschichte der Stadt Münster, Münster 2006

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tacitus: Germania, 33
  2. a b Hitler in Münster – Artikel über den Aufstieg der NSDAP in Münster
  3. Stadtmuseum Münster, Geschichte der Stadt Münster, Münster 2006, Seite 246
  4. Gedenktafel zur Erinnerung an den Holocaust in Münster am Standort des ehemaligen Gertrudenhofs an der Warendorfer Straße
  5. a b Internetportal „Kriegschronik“ des Stadtarchivs Münster: Bilanz des Krieges
  6. Münsters Geschichte von 1900 bis 1945 – Internetportal von Münster Marketing
  7. Internetportal „Kriegschronik“ des Stadtarchivs Münster: 1945 – Letzte Alarme
  8. Helmut Müller: fünf vor null – Die Besetzung des Münsterlandes 1945, Münster 1972, Seite 115
  9. Stadtmuseum Münster, Geschichte der Stadt Münster, Münster 2006, Seite 270
  10. westline.de: „Kyrill“ fällt 800 Bäume

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