Minenabwehrfahrzeug

Minenabwehrfahrzeug

Minenabwehrfahrzeuge sind Kriegsschiffe, deren Hauptaufgabe die Beseitigung von Seeminen ist.

Inhaltsverzeichnis

Typen

Seeminen wurden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Kriegen verwandt, aber erst im Ersten Weltkrieg kamen sie in einem solchen Umfang zum Einsatz, dass spezielle Abwehrfahrzeuge entwickelt wurden. Im Laufe der Zeit entstanden verschiedene Grundtypen:

  • Minensuchboote
  • Minenräumboote
  • Minenabwehrdrohnen
  • Sperrbrecher
  • Minenjagdboote
  • Minentaucherboote

Konnten alte Ankertauminen noch recht leicht beseitigt werden, sind die modernen Minen deutlich schwerer zu vernichten. So wie die Seeminen immer weiter entwickelt wurden, mussten auch die Verfahren zu ihrer Beseitigung den veränderten Bedingungen angepasst werden. Moderne Minenabwehrfahrzeuge sind teilweise eine Kombination aus verschiedenen Grundtypen. Die deutschen Minenjagdboote der Klasse 332 wurden gleichzeitig als Minentaucherboote ausgerüstet. Auch die ehemaligen schnellen Minensucher der Klasse 343 wurden später umgerüstet, um zusätzlich als Minenjäger eingesetzt werden zu können. Auf diese Weise können die unterschiedlichsten Aufgaben von einer einzelnen Einheit übernommen werden.

Oft vereinen Minenabwehrfahrzeuge mehrere Funktionen der unterschiedlichen Grundtypen in einem Wasserfahrzeug, etwa bei den Minensuch- und Räumschiffen (MSR) der Volksmarine der DDR, zum Beispiel bei der Kondor-Klasse.

Minensuchboote

Minensuchboot der Serie M 1-26 der Kaiserlichen Marine vor Anker, 19. Juni 1918
Ehemaliges schnelles Minensuchboot Hameln (M1092) der Deutschen Marine, das Typschiff der nach ihr benannten Schiffsklasse 343, inzwischen nach Umbau Hohlstablenkboot der Ensdorf-Klasse (352)

Minensuchboote waren die ersten speziell für die Minenabwehr gebauten Kriegsschiffe. Sie waren dafür ausgelegt, die anfangs ausschließlich eingesetzten Ankertauminen zu räumen. Deshalb haben sie einen geringen Tiefgang und gute Manövriereigenschaften. Während die ersten Boote aus Stahl gebaut waren, ging man später zu nicht-magnetischer Bauweise über, um die Gefährdung durch Magnetminen zu reduzieren. Dafür wurde zunächst Holz verwandt, später GFK oder nicht magnetisierbarer Stahl. Für ihren Einsatz im Küstenvorfeld waren Minensucher meist mit leichten Waffen ausgerüstet und konnten auch für Wachaufgaben eingesetzt werden. Die im Zweiten Weltkrieg im Bereich des Ärmelkanals eingesetzten deutschen Hochseeminensucher waren so stark bewaffnet, dass sie auch als Kanalzerstörer bezeichnet wurden.

Minensucher der Deutschen Marine M1083 Ulm und M1085 Minden in der Nordsee, 1996

Die Räumausrüstung kann aus verschiedenen nachgeschleppten Geräten bestehen, mit denen die Kabel der Ankertauminen geschnitten werden. Anfangs setzte man die Minensuchboote dafür im Gespann ein, um die Räumkabel zwischen den Booten durchs Wasser zu ziehen und einen breiten Kanal zu räumen. Später wurden Räumgeschirre eingeführt, die mittels Scherdrachen zur Seite ausscherten, so dass die Boote einzeln eingesetzt werden konnten. Diese Art der Minenräumung wird als mechanisches Räumen bezeichnet.

Gegen akustische und Magnetminen werden Schallsender und elektromagnetische Kabelschleifen oder so genannte Hohlstäbe, Magnetspulen in einem Bootsrumpf oder Schwimmkörper, nachgeschleppt, die das Magnetfeld größerer Schiffe simulieren und die Minen hinter dem Minensuchboot zur Detonation bringen sollen. Dieses Verfahren wird auch Simulationsräumen genannt. Druckfelder von Schiffen können nicht simuliert werden, weshalb Druckfeldminen nicht von Minensuchbooten bekämpft werden können. Noch in den 1990er-Jahren wurde von den schnellen Minensuchbooten der Klasse 343 herkömmliches Minenräumen mit Schleppgerät praktiziert, bei dem das Boot selbst durch das Minenfeld fahren musste. Obwohl moderne Einheiten dank ihrer Bauweise selbst nach einer Minenexplosion unbeschadet bleiben, gibt es ein Restrisiko. Dieses versucht man weiter zu senken, indem neue oder modernisierte Minensuchboote mit einem Minenmeidesonar gegen Ankertauminen ausgerüstet sind. Ferner können die meisten modernen Einheiten selbst außerhalb des Minenfeldes bleiben, da die eigentliche Räumtätigkeit ferngelenkt durch angetriebene Hohlstäbe wie dem TROYKA-System (s.u.: Minenabwehrdrohnen) und andere Drohnen durchgeführt werden kann. Entsprechend wurden auch die schnellen Minensuchboote der Klasse 343 teilweise zu Hohlstablenkbooten der Klasse 352 und teilweise zu Minenjagdbooten der Klasse 332 umgebaut.

Minenräumboote

Deutsches Minenräumboot F 38, 1917
Modell eines von der Volksmarine aus Beständen der Kriegsmarine übernommenen Räumbootes mit Räumgeschirr (1: Schlepptrossen; 2: Tiefendrachen; 3: Greifer; 4:Greifer fasst Ankertau; 5: Scherdrachen; 6 – 10: Minen)

Minenräumboote sind kleine Minensuchboote für den Einsatz in Küstennähe und in Häfen. Anfangs wurden in diesem Bereich umgebaute Motorboote und -yachten eingesetzt. Sie verfügen meist nur über ein relativ kleines Räumgeschirr für den Einsatz in engen Fahrwassern. In den 1920er Jahren wurden von der Werft Abeking & Rasmussen (A&R) in Lemwerder erstmals Räumboote als eigenständiger Schiffstyp konstruiert. Die ersten Boote wurden in den Jahren 1929–1934 gebaut. Sie waren 60 t groß, in Kompositbauweise (Stahlspanten mit Holzbeplankung), hatten MWM- bzw. MAN-Dieselmotoren auf zwei Voith-Schneider-Propellern mit gesamt 714 PS.

Schnelles Minensuchboot Fische der Bundesmarine

Aus dem Typ Minenräumboot ist in der Bundesmarine der Typ „Schnelles Minensuchboot“ entstanden, der anfangs in Nebenaufgabe auch zur Bekämpfung von U-Booten vorgesehen war.

Minenabwehrdrohnen

Minenabwehrsystem TROIKA mit ferngelenkten Räumdrohnen

Minenabwehrdrohnen sind ferngelenkte kleine Boote oder Unterwasserfahrzeuge, die auf verschiedene Weise zur Minenabwehr eingesetzt werden. Ferngelenkte Hohlstäbe enthalten eine starke elektrische Magnetspule, die das Magnetfeld eines Schiffes simuliert. Solche Boote können auch Geräuschbojen zur Simulation des Schallfeldes eines Schiffes mitführen. Weitere Entwicklungen erlauben auch den Einbau von Sonaranlagen, deren Bild auf das Lenkboot übertragen wird. Damit können Minen geortet und identifiziert werden.

Minenjagddrohne Pinguin

Ferngelenkte Unterwasserfahrzeuge (Unterwasserdrohnen) wie der Pinguin können geortete Kontakte mittels Kamera und/oder Sonar näher identifizieren und sie gegebenenfalls per Sprengladungen bekämpfen. Dabei platzieren sie entweder die Ladung an der Mine oder sie tragen die Sprengladung in sich und gehen dann beim Einsatz verloren.

Sperrbrecher

Sperrbrecher 131 der deutschen Kriegsmarine etwa 1943

Sperrbrecher sind Schiffe, die beim Durchfahren eines Minenfeldes durch ihr eigenes Geräusch-, Magnet-, und Druckfeld Minen zur Detonation bringen und so ein Fahrwasser minenfrei räumen. Sie ergänzen Minensuchboote hinsichtlich der Bekämpfung von Druckminen. Sperrbrecher wurden erstmals im Ersten Weltkrieg und in größerer Zahl im Zweiten Weltkrieg und danach eingesetzt. Es handelte sich meist um umgebaute Frachtschiffe, deren Laderäume durch Fässer oder andere schwimmfähige Behälter gegen das Volllaufen gesichert waren. Ankertauminen wurden mit dem verstärkten Bug zur Detonation gebracht. Außerdem verfügten einige deutsche Sperrbrecher über Magnetwicklungen, sogenannte VES-Anlagen, die ihr Magnetfeld vergrößerten, mit dem Ziel, Minen möglichst schon bei der Annäherung zu zünden. Kleine Sperrbrecher, die in Hafeneinfahrten, Flussmündungen und Binnenwasserstraßen eingesetzt wurden, waren mit einer Canona Antimagnetica oder einem Kreuzpolgerät ausgerüstet, die beide nach dem gleichen Prinzip arbeiteten. In den achteren Frachträumen der im und nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzten Sperrbrecher wurden zusätzliche Schiffs- oder Flugzeugmotoren aufgestellt, die den erforderlichen Strombedarf zur Erzeugung des elektromagnetischen Kraftfeldes des Schiffes lieferten (bei dem abgelichteten Sperrbrecher 131 Schwan waren es insgesamt zwölf Junkers-Flugzeugmotoren). Bereits im Ersten Weltkrieg wurden einige Sperrbrecher mit Bordflugzeugen ausgestattet, die die Aufgabe hatten, Minen aus der Luft zu entdecken und Minenabwehroperationen als Aufklärer zu unterstützen.

Explosionen neben dem Schiff oder im Hinterschiffsbereich in Höhe der Maschinenräume sollten vermieden werden. Wie auf einigen anderen Minenabwehrfahrzeugen auch, wurde die Besatzung durch Holz- oder Pappunterlagen auf den Decks gegen die Detonationsstöße geschützt. Gleichwohl blieb der Dienst auf Sperrbrechern gefährlich, weil Schiff und Besatzung der Minenwirkung ausgesetzt waren.

Die Schiffe waren durch die diversen Umbaumaßnahmen sehr widerstandsfähig. So brach 1946 infolge einer Grundminenzündung das Vorschiff des vom Deutschen Minenräumdienst eingesetzten Sperrbrechers 11 Belgrano in Höhe der vorderen Brückenkante ab. Beide Schiffsteile blieben schwimmfähig. Der Sperrbrecher 11 lief mit eigener Kraft und dem mitgeschleppten Vorschiff in die Elbmündung zurück.[1]

Die Grömitz (M 1064), ein Minenjagdboot der Klasse 332, fast baugleich mit den Minensuchbooten der Klasse 343

Minenjagdboote

Das US-amerikanische Minenjagdboot USS Raven im Jahr 2004

Im Gegensatz zu früher, als die üblichen Ankertauminen mittels Räumgeschirr leicht zu beseitigen waren, lassen sich die heutigen modernen Grundminen oft nicht einmal durch Simulationsräumung beseitigen. Als Reaktion entwickelte man die Minenjagdboote, welche Minen gezielt suchen und vernichten. Sie suchen mit einem hochfrequenten Sonar den Meeresgrund nach Minen ab. Die dabei festgestellten Kontakte werden mit einer Unterwasserdrohne oder durch Minentaucher identifiziert und gegebenenfalls mit Minenvernichtungsladungen bekämpft. Hierbei wird in der Regel bei Grundminen der Sprengstoff in der Mine durch den nahe platzierten Sprengstoff mittels einer sogenannten „Sympatiezündung“ zur Explosion gebracht. Bei Ankertauminen muss der Sprengstoff hingegen am Ankertau angebracht werden.

Im Gegensatz zum herkömmlichen Minenräumen der klassischen Minensuchboote ist dieses Verfahren sehr zeitaufwendig, da jede Mine einzeln geortet und vernichtet werden muss. Doch auf diese Art können auch Minen bekämpft werden, die von Minensuchbooten nicht geräumt werden können. Im Grund verborgene Minen können auf diese Weise oft nicht geortet werden. Diese müssen wiederum durch das Simulationsräumen der Minensuchboote bekämpft werden. Minenjagdboote wie die dänischen StanFlex 300 (Flyvefisken-Klasse) verfügen über sogenannte Side-Scan-Sonare, mit denen sie auch Kontakte in Schlamm- und Sandschichten orten können.

Die von einem deutschen Werftenverbund gebauten Minenjagdboote der Klasse 332 wurden, ebenso wie die fast baugleichen ehemaligen schnellen Minensuchboote der Klasse 343, aus nichtmagnetisierbarem Stahl gefertigt. Diese und diverse andere Besonderheiten machen diese Boote besonders unempfindlich gegen Minen. Dies zeigt sich, als in der Nähe eines der Boote mehrere Unterwassersprengungen durchgeführt wurden, wie sie auch bei Minen zu erwarten sind. Die Besatzung blieb dabei an Bord. Trotzdem gab es, bis auf den Ausfall einzelner Glühlampen, keine Schäden oder Verletzten.

Minentaucherboote

Minentaucherboote sind Einsatzfahrzeuge für Minentaucher, die in engen Gewässern wie zum Beispiel Häfen und Einfahrten eingesetzt werden. Minentaucherboote verfügen über für den Tauchereinsatz notwendigen Einrichtungen wie Kompressoren, Druckkammer und Ruheräume.

Literatur

  • Peter Arndt: Deutsche Sperrbrecher 1914–1945, 2. Auflage, Bernard & Graefe Verlag, Bonn 2005, ISBN 3-7637-6257-4.
  • Friedrich Ruge: Im Küstenvorfeld. 2. verbesserte Auflage, München 1977, ISBN 3-7637-5160-2.
  • Köhlers Flottenkalender. 1960/61.
  • Erich Gröner: Die Schiffe der deutschen Kriegsmarine und Luftwaffe. Lehmanns Verlag, München 1954

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Minenabwehrfahrzeug – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bericht der „Hamburger Zeitung“: „Sperrbrecher 11 sank wieder nicht“

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