Minima Moralia

Minima Moralia

Minima Moralia – Reflexionen aus dem beschädigten Leben ist ein durch Aphorismen bestimmtes Werk Theodor W. Adornos. Es steht nicht systematisch neben seinen Schriften Negative Dialektik und Dialektik der Aufklärung, sondern ist als Teil der kritischen Theorie zwischen 1944 und 1949 entstanden und eine Art „Kaleidoskop der global organisierten Unmündigkeit“. Es sollte schon zum fünfzigsten Geburtstag seines Mitstreiters Max Horkheimer erscheinen, dem Co-Autor des Buches Dialektik der Aufklärung. Dazu kam es nicht, und die Arbeit wurde aus dem Exil mitgebracht und in Deutschland 1951 veröffentlicht. Adorno stellte dem Buch aber eine Widmung an Max Horkheimer voran: "FÜR MAX als Dank und Versprechen".[1] Aufgrund des unsystematischen Vorgehens Adornos wurde Minima Moralia als das letzte deutsche Volksbuch der Philosophie bezeichnet, und als Inventur des Verfalls der ethischen Werte rief es auch viele Gegenstimmen wach.

Inhaltsverzeichnis

Titel

Minima Moralia geht als Antonym auf ein weniger bekanntes Werk von Aristoteles zurück, die Arbeiten über die Ethik, die „Magna Moralia“. In der Widmung taucht ein weiteres Antonym auf: Adorno spricht von den traurigen Wissenschaften als Pendant zu Nietzsches „Die fröhliche Wissenschaft“. Der Zusatz „beschädigtes Leben“ meint die durch den Faschismus verstümmelten Ideen, die Intellektuelle in den Selbsthass treiben müssten, was nicht autobiografisch zu verstehen ist. – „Der Splitter im Auge ist das beste Vergrößerungsglas“.

Inhalt

Das Buch ist als Teil der kritischen Theorie zu betrachten und greift die ethische Frage nach der „Lehre des guten Lebens“ auf, die auch ein zentrales Thema der griechischen und hebräischen Quellen ist. Adorno behauptet, ein gutes, ehrliches Leben sei nicht mehr möglich, da wir in einer unmenschlichen Gesellschaft leben. „Das Leben lebt nicht“, wird Ferdinand Kürnberger zitiert. Adorno zeigt dies anhand von kurzen Aphorismen und Reflexionen. Er fragt: „Wie lebt man unter allen Umständen richtig?“, und die Antwort lautet: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“[2]

Welchen Begriff des Lebens hat die Philosophie? „Was einmal den Philosophen Leben hieß, ist zur Sphäre des Privaten und dann bloß noch des Konsums geworden, die als Anhang des materiellen Produktionsprozesses, ohne Autonomie und ohne eigene Substanz, mitgeschleift wird. Wer die Wahrheit übers unmittelbare Leben erfahren will, muss dessen entfremdeter Gestalt nachforschen, den objektiven Mächten, die die individuelle Existenz bis ins Verborgenste bestimmen.“[3] In das Werk eingestreut sind alltägliche Erfahrungen und Erkenntnisse über die späte industrielle Gesellschaft. Themen wie der Zerfall der Familie und der Verfall der Bildung werden behandelt, wobei Verfall auch im Sinne intellektueller Abklärung zu deuten ist.

Literatur

  • Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-518-29304-1 (Gesammelte Schriften, Bd. 4).
  • Jörg Drews & Karl-Heinz Nusser: "Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben". In: Walter Jens (Hrsg.): Kindlers neues Literatur-Lexikon. Studienausgabe, Bd. 1, Kindler, München 1996 [wie 1988], ISBN 3-463-43200-5, S. 107 f.
  • Rahel Jaeggi: "'Kein Einzelner vermag etwas dagegen.' Adornos Minima Moralia als Kritik von Lebensformen." In: Axel Honneth (Hrsg.): Dialektik der Freiheit. Frankfurter Adorno-Konferenz 2003. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3518293287, S. 115ff.

Einzelnachweise

  1. Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben., Suhrkamp, Berlin und Frankfurt am Main 1951
  2. Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, S. 59.
  3. Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008, S. 7.

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