Mischa Ebner

Mischa Ebner

Mischa Ebner (* 1975; † 24. November 2002 im Regionalgefängnis Thun, Suizid) war ein Waffenläufer, der gestand einen Mord begangen zu haben.

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Biografie

Mit zwei Jahren wurden er und sein Bruder Alex verwahrlost aufgefunden und 1979 einer Adoptivfamilie übergeben. Die Jungen waren auf Grund fehlender Betreuung durch die Eltern in ihrer Entwicklung stark beeinträchtigt, der vierjährige Mischa konnte noch nicht richtig gehen, sein Bruder kein Wort sprechen. Beide Kinder waren misshandelt worden. Mischa entdeckte nach Aussagen seiner Adoptivmutter, dass er seine Wut im Ausdauersport, etwa beim Radfahren, bewältigen konnte.

Mit 23 Jahren gewann Mischa Ebner unerwartet den Frauenfelder Militärwettmarsch, den bekanntesten Waffenlauf der Schweiz. Bei seinem Sieglauf begleitete ihn der Bruder mit dem Fahrrad. Drei Tage später beging der Bruder Selbstmord, was Mischa Ebner schwer traf.

Mischa Ebner arbeitete zu dieser Zeit als Koch in verschiedenen gastronomischen Betrieben, seit 1999 im Berner Altstadtlokal Goldener Schlüssel. Er fand eine Freundin und trainierte beim Laufverein 95 Burgdorf. Als erfolgreicher Sportler und engagierter Koch wirkte er sozial völlig integriert.

Taten und Aufklärung

In der Nacht zum Schweizer Nationalfeiertag, dem 1. August 2002, wurden innerhalb weniger Stunden in Bern zwei Frauen mit einem Messer schwer verletzt. Eines der Opfer, eine 20-jährige Maturantin, erlag den Verletzungen.

Es gab zunächst Täterbeschreibungen durch die Opfer. Später lagen der Polizei handgeschriebene Briefe an die Opfer und die Polizei vor, zum Teil mit Gegenständen, die einem der Opfer gehörten. Zwei der Briefe enthielten DNA-Spuren. In den Briefen an die Polizei beschwerte sich der Täter über die Fahndungsmeldung, er habe einen „unreinen Teint“. Die Handschriftproben wurden veröffentlicht und zu einem weiteren Fahndungsansatz. Der Täter wurde mit Hilfe der Medien und des zugezogenen österreichischen Fallanalytikers Thomas Müller eingegrenzt und gefasst. Es war der als Sportler bekannte Mischa Ebner.

Ebner gestand den ihm vorgeworfenen Mord und insgesamt 29 weitere Delikte, darunter mehrere Überfälle auf junge Frauen, die er zum Teil erheblich durch Messerstiche verletzt hatte. Weiterhin räumte Ebner mehrere Gewalt- und Eigentumsdelikte ein. Dabei stellte die Polizei eine zunehmende Verschärfung der jeweiligen Gewaltanwendung fest.

Ein psychiatrisches Gutachten von Professor Rainer Luthe wies aus, dass der Täter nicht ohne weiteres einem bestimmten psychiatrischen Schema zugeordnet werden könne. Der Täter sei selbst daran interessiert gewesen, die Quellen der dunklen Seite seiner Persönlichkeit zu erhellen.

Suizid

Schon im Berner Untersuchungsgefängnis unternahm der siebenundzwanzigjährige Koch einen Suizidversuch. Danach wurde er stündlich kontrolliert und in einer Gemeinschaftszelle untergebracht. Trotzdem gelang es Mischa Ebner, sich in der Zelle zu erhängen. Er verstarb, während sein Zellengenosse bei laufendem Fernseher schlief.

Kontroverse um die mediale Berichterstattung

Nachdem die Berner Kantons- und Stadtpolizei am 21. August den Namen Mischa Ebners als Verdächtigen genannt hatte, kam es zu einer heftigen Kontroverse um die Veröffentlichung des Namens und eines Fotos. Die Polizei erhoffte sich von der Veröffentlichung des Namens weitere Hinweise von Frauen, zu denen Ebner Kontakt hatte. Einige Medien veröffentlichten das Bild nicht, andere verpixelt oder mit einem Balken über den Augen. Die Agentur Associated Press stellte schließlich die Verbindung zu den Sporterfolgen des Verdächtigen her. Darauf zogen viele Medien mit Veröffentlichungen nach. Die erste Kammer des Presserates befasste sich mit der Frage, ob die Namensnennung des Verdächtigen zu rechtfertigen oder abzulehnen sei. Vor allem die Aspekte der erforderten Unschuldsvermutung, der Schutz der Angehörigen der Verdächtigen und die Resozialisierungschancen seien zu berücksichtigen. Der Presserat kam zu dem Schluss, dass auch im Fall Mischa Ebner die Nennung des Namens im Sinne der Unschuldsvermutung und der prinzipiellen Anonymisierung der Gerichtsberichterstattung ein Fehler gewesen sei.

Film

Die Lebensgeschichte Mischa Ebners wurde 2005 von Stella Tinbergen in einem Dokumentarfilm mit dem Titel „Der Fall Mischa E. – Lebensweg eines Mörders“ rekonstruiert. Der Film wurde 2006 mit dem Robert-Geisendörfer-Preis ausgezeichnet.

Bühnenstück „Mischa, der Fall“

Eine weitere künstlerische Adaption des Stoffes ist das Bühnenstück „Mischa, der Fall“, das im Juli 2008 in Mersch und Ettelbrück (Luxemburg) uraufgeführt wurde. Das Bühnenstück beschäftigt sich mit Täter- und Opferrollen, psychopathologischem Verhalten und der Rolle der Massenmedien im Falle von Ereignissen, die die Öffentlichkeit traumatisieren. Es arbeitet mit den künstlerischen Mitteln von Schauspiel, Tanz, Musik, Video und Installation. (Choreographie: Bernard Baumgarten, Regie: Claude Mangen, Text: Toni Bernhart, Bühne: Do Demuth, Video: Jacqueline Wachall u. Klaudia Stoll, Musik: Emre Sevindik).

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