Mittlere Reife

Mittlere Reife

Mittlere Reife ist eine Bezeichnung für den in Deutschland existierenden mittleren Bildungsabschluss. Je nach Bundesland wird dieser Abschluss bezeichnet als

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits 1832 wurden Abschlüsse der Realschule in Preußen als Berechtigung zu mittleren Laufbahnen anerkannt. Die Mittlere Reife hieß auch das Einjährige, weil junge Männer mit diesem Bildungsabschluss statt des normalen dreijährigen Wehrdienstes auf freiwilliger Basis (bei Selbstkostentragung für Unterkunft, Verpflegung, Uniform, Kaltwaffe und bei Reitenden Einheiten auch Pferd) nur ein Jahr dienten. Diese nannte man Einjährig-Freiwillige und die Mittlere Reife hieß „wissenschaftliche Befähigung für den Einjährig-Freiwilligen Militärdienst“.

Im Jahre 1970 wurden die Begriffe Realschulabschluss und Mittlere Reife weitgehend synonym verwendet. Im Gymnasium wurde keine Mittlere Reife erworben. Gymnasiasten, die die Abiturprüfung nicht bestanden oder das Gymnasium vorher verließen, hatten demzufolge keinen Schulabschluss.

Der Deutsche Bildungsrat legte 1970 mit dem Strukturplan für das Bildungswesen eine langfristige Perspektive für das ganze bundesdeutsche Bildungssystem vor. Es war für alle Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien ein neuer Abschluss vorgesehen, der der bisherigen mittleren Reife ähnelt. Dieser sollte als Arbeitstitel „Abitur I“ genannt werden. Das „Reifezeugnis“ nach Abschluss des Gymnasiums wäre demnach das „Abitur II“ geworden.[2]

Es dauerte jedoch noch lange, bis dies umgesetzt wurde. So gab es etwa 2002 in Thüringen, im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern, an Gymnasien keine Prüfungen oder automatische Zuerkennung der mittleren Reife nach der 10. Klasse. Die Perspektivlosigkeit schulabbrechender Gymnasiasten galt damals als Motiv für den Täter beim Amoklauf von Erfurt. Erst danach wurde in allen Bundesländern auch in Gymnasien ein Abschluss nach der 10. Klasse eingeführt. Jedoch blieb die konkrete Durchführung (von einer einheitlichen Prüfung für alle Schultypen bis zu einer automatischen Abschlusserteilung an Gymnasien) bis heute unterschiedlich.

Es gelang den Bildungspolitikern der Bundesländer auch nicht, sich auf einen gemeinsamen Namen zu einigen. So wurde aus den früher einheitlichen Begriffen „mittlere Reife“ und „Realschulabschluss“ eine verwirrende Vielfalt von sieben verschiedenen Bezeichnungen (siehe Übersicht zu Beginn dieses Artikels).

Berechtigungen

Der mittlere Schulabschluss ist die Voraussetzung zum Besuch von Schulformen der Sekundarstufe II (Fachoberschulen (FOS), Berufsoberschulen (BOS), Berufskollegs (BK), Gymnasien usw.). Je nach Bundesland und Schulart ist die Aufnahme an einer weiterführenden Schule jedoch außerdem an einen bestimmten Notendurchschnitt gebunden. In einigen Bundesländern wird auch zwischen einem Abschlusszeugnis des 10. Schuljahrs mit und ohne Qualifikationsvermerk unterschieden. Ein „qualifizierter“ Abschluss, zum Beispiel ein Erweiterter Sekundarabschluss I, berechtigt dann zum Besuch einer gymnasialen Oberstufe.

Voraussetzungen

Da Schulpolitik Ländersache ist, regeln in den einzelnen Bundesländern die jeweiligen Schulgesetze, Richtlinien und Erlasse, an welchen Schularten die Mittlere Reife/Fachoberschulreife erreicht werden kann.

Er ist im Regelfall der Abschluss an einer Realschule, einer Berufsfachschule (zum Beispiel in Baden-Württemberg), im Mittlere-Reife-Zug (der Begriff als solcher ist lediglich in Bayern üblich, der Sache nach gibt es ihn aber auch in anderen Bundesländern) einer Hauptschule (in Baden-Württemberg Werkrealschule), an einer Wirtschaftsschule in Bayern, oder an einer Gesamtschule bzw. an einem Gymnasium nach Klasse 10.

Der Erwerb des mittleren Schulabschlusses ist mittlerweile in allen Bundesländern mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz an zentrale Prüfungen gebunden. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen fanden diese Prüfungen erstmalig am Ende des Schuljahres 2006/2007 statt, in Schleswig-Holstein im Mai 2009,[3] in den übrigen Ländern waren sie bereits eingeführt bzw. sind niemals abgeschafft worden, wie zum Beispiel in Thüringen. In etlichen Bundesländern sind Gymnasiasten davon ausgenommen, aber durchaus nicht in allen (so beispielsweise nicht in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg).

Realschule

Die Realschule führt nach der 10. Klasse im Allgemeinen zur Mittleren Reife. Es ist jedoch auch möglich die Realschule nach der 10. Klasse "nur" mit erweitertem Hauptschulabschluss zu verlassen, wenn die Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss nicht bestanden wurden, das Klassenziel jedoch erreicht wurde.

Hauptschule

An einer Hauptschule kann die Mittlere Reife unter bestimmten Voraussetzungen erreicht werden:

Gesamtschule

An einer Gesamtschule kann die Mittlere Reife (in Nordrhein-Westfalen Fachoberschulreife genannt) mit dem Abschluss der 10. Klasse erreicht werden. Dabei wird unterschieden zwischen einem Abschluss mit oder ohne Zugangsberechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe (in Nordrhein-Westfalen: Fachoberschulreife mit [FORQ] bzw. ohne Qualifikation [FOR]).

Gymnasium

Am Gymnasium werden je nach Bundesland nach der 10. Schulklasse entweder Prüfungen zum Erwerb des Mittleren Schulabschlusses durchgeführt, oder es reicht das Versetzungszeugnis in die Jahrgangsstufe 11 als Nachweis für die Mittlere Reife.

Berufsschule

Der erfolgreiche Abschluss einer Berufsausbildung (Lehre) kann unter bestimmten Umständen ebenfalls zur Mittleren Reife führen, wenn weitere allgemeinbildende Unterrichtsfächer an der Berufsschule belegt werden und ein bestimmter Notendurchschnitt erreicht wird (9+3 Modell).

Wirtschaftsschule

Die Wirtschaftsschule in Bayern führt zwei- bis vierstufig (je nach Voraussetzungen) zur Mittleren Reife.[4]

Zweiter Bildungsweg

Daneben gibt es Weiterbildungsmöglichkeiten über den Zweiten Bildungsweg, beispielsweise per Fernunterricht, über die Abendrealschule oder über Sonderschulformen an beruflichen Schulen (zum Beispiel Berufskolleg). Voraussetzung hierfür ist der Hauptschulabschluss.

Polytechnische Oberschule

Ein vergleichbares Zeugnis wurde in der früheren DDR nach Abschluss der 10. Klasse der polytechnischen Oberschule erreicht. Es ist heute dem eines Realschulabschlusses gleichgesetzt. Am Ende der 10. Klasse fanden DDR-weite zentrale Prüfungen statt. Diese bestanden aus

  • schriftlichen Prüfungen in Russisch, Deutsch, Mathematik sowie Biologie, Physik oder Chemie,
  • mindestens zwei und höchstens fünf mündlichen Prüfungen,
  • einer Prüfung in Sport - Leichtathletik und Turnen.

Die Abschlussprüfung wurde mit einem Prädikat abgeschlossen, das sich aus dem Durchschnitt aller Zensuren aus dem Zeugnis ergab (mit Auszeichnung (überwiegend Einsen, maximal 2 Zweien) - sehr gut (Note 1) - gut (Note 2) - befriedigend (Note 3) - genügend (Note 4) - ungenügend (Note 5).

Einzelnachweise

  1. Die sogenannte Fachoberschulreife ist nicht mit dem Begriff der Fachhochschulreife zu verwechseln, da der mittlere Schulabschluss keine Hochschulzugangsberechtigung beinhaltet.
  2. Abitur auch für Schlosser? Der Spiegel 19/1969
  3. Ministerium für Bildung und Kultur Schleswig-Holstein
  4. wirtschaftsschule.de, aufgerufen am 17. April 2011

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