Mohr Siebeck Verlag

Mohr Siebeck Verlag

Der Mohr Siebeck Verlag ist ein geisteswissenschaftlicher Verlag mit Sitz in Tübingen. 1801 in Frankfurt am Main als Buchhandlung mit Verlag und Sortiment gegründet, ab 1805 als Universitätsbuchhandlung in Heidelberg weitergeführt, ist er auch heute spezialisiert vor allem auf Theologie und Jura; zudem erscheinen in dem Verlag Schriften über Judaistik, Religionswissenschaft, Philosophie, Soziologie, Geschichte und Wirtschaft.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Frankfurt und Heidelberg

Am 1. August 1801 gründete August Hermann in Frankfurt am Main eine Buchhandlung mit Verlag und Sortiment. Jakob Christian Benjamin Mohr übernahm sie 1804 und gründete ein Jahr später in Heidelberg mit Johann Georg Zimmer die Akademische Buchhandlung Mohr & Zimmer, ebenfalls mit Verlag und Sortiment. 1811 wurde die Frankfurter Filiale aufgelöst. Ab 1822 führte Mohr die Buchhandlung unter J. C. B. Mohr alleine weiter. Sie war die Universitätsbuchhandlung, hatte also vorwiegend Sachbücher im Sortiment. Der Verlagszweig brachte vor allem Bücher der Heidelberger Gelehrten heraus, auch Dissertationen, Habilitationen, Monographien, Lehrbücher und Zeitschriften.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels wurde 1825 in Leipzig von J. C. B. Mohr mitgegründet; 1838 bis 1840 war er Erster Vorsteher. Nach seinem Tod 1854 ging die Firma an seine Söhne über.

Intermezzo in Tübingen

In Tübingen gab es seit 1816 die H. Laupp’sche Buchhandlung von Heinrich Laupp. Sie war aus dem Universitätsbuchhandel der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung hervorgegangen und umfasste, wie damals üblich, Verlag und Sortiment. 1840 wurde sein Schwiegersohn, der Leipziger Buchhändler Hermann Siebeck Teilhaber, 1866 Alleininhaber. Nach Hermanns Tod 1877 leiteten sein Schwiegersohn J.G. Kötzle und sein Sohn Paul Siebeck sie zusammen. 1878 erwarben sie gemeinsam den Heidelberger J. C. B. Mohr Verlag und holten ihn nach Tübingen.

Freiburg im Breisgau

Paul Siebeck ging 1880 mit den Werken des J. C. B. Mohr Verlages und einigen der H. Laupp’schen Buchhandlung nach Freiburg im Breisgau. Den neuen Verlag nannte er dort „Akademische Buchhandlung von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck)“. Schwerpunkte des Verlagsprogrammes in Freiburg waren die liberale Theologie, die Philosophie des südwestdeutschen Neukantianismus, Staatsrecht, Zivilrecht und Nationalökonomie (zunächst die Historische Schule, dann auch die Reformer um Max Weber). Alsbald dehnte sich das Einzugsgebiet des Verlages von den drei südwestdeutschen Universitäten Freiburg, Tübingen und Heidelberg über ganz Deutschland aus; um die Jahrhundertwende gab es bereits zahlreiche internationale Kontakte.

Rückkehr nach Tübingen

1899 kehrte Paul Siebeck mit seinem Verlag nach Tübingen zurück, übernahm auch die Leitung der H. Laupp’schen Buchhandlung und stellte den Sortimentsbetrieb ein. 1906 trat sein ältester Sohn Oskar Siebeck in die Firma ein. Als Paul Siebeck 1920 überraschend verstarb, übernahmen Oskar und sein Bruder Werner Siebeck die Leitung des Verlages. In der durch Reduzierung der Wissenschaftsförderung und durch die Inflation ausgelösten Notlage strafften sie das Verlagsprogramm und spezialisierten sich auf die heutigen vier Kerngebiete Theologie, Philosophie, Jura und Nationalökonomie.

1930–1960er Jahre

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung war das Verlagsprogramm mit seinen zahlreichen jüdischen und politisch links gerichteten Autoren politisch nicht mehr wohlgelitten. Der Umsatz sank in drei Jahren auf ein Zehntel. Nach dem Tod der beiden Brüder Werner und Oskar Siebeck übernahm dessen Sohn Hans-Georg Siebeck 1936 die Leitung des stark reduzierten Verlages. Zwischen 1939 und 1945 wurden kaum Bücher verlegt. Nach dem Krieg erhielt der Verlag im Jahr 1945 eine der ersten Lizenzen in der französischen Zone und begann wieder mit der Buchproduktion. Nach zwölf Jahren Isolation mussten die Beziehungen ins Ausland wieder aufgenommen werden. In den 1960er Jahren kam durch die Verbindung mit dem Leo Baeck Institut der Programmbereich Judaistik hinzu. Der Verlag wurde auch international wieder salonfähig.

Gegenwart

1972 trat Georg Siebeck in den Verlag ein und übernahm 1976 die Geschäftsführung. Die Internationalisierung der Wissenschaften prägte auch die Fortschreibung des Verlagsprogramms; der Anteil ausländischer Autoren hat beständig zugenommen. Mehrsprachige Buchreihen sind neu entstanden, Zeitschriftenredaktionen sind international besetzt, einige Zeitschriften erscheinen inzwischen ausschließlich auf englisch. Großprojekte wie das Lexikon Religion in Geschichte und Gegenwart wurden unter internationaler Beteiligung organisiert. Electronic publishing und Internet kommen seit etwa Mitte der 1980er Jahre hinzu.

Im Jahr 2005 wurde der als Personengesellschaft geführte Verlag in „Mohr Siebeck GmbH & Co. KG.“ umgewandelt. Der Verlag ist einer von derzeit 17 Mitgliedsverlagen der Vertriebsgemeinschaft Uni-Taschenbücher (UTB). Mohr Siebeck pflegt weiterhin die Gebiete Theologie, Judaistik, Religionswissenschaft, Philosophie, Soziologie, Geschichte, Jura und Wirtschaft in Einzelwerken, Buch- und Zeitschriftenreihen.

Das Archiv des Verlages wurde 2010 der Staatsbibliothek zu Berlin geschenkt, die sich im Gegenzug verpflichtete, die Bestände zu erschließen und teilweise zu digitalisieren. Der Bestand aus den Jahren 1801 bis 1978 umfasst unter anderem Verlagskorrespondenz, Verträge und gesammelte Rezensionen veröffentlichter Schriften. Unter der Signatur Nachl. 488 (Archiv des Verlages Mohr Siebeck) wird der Bestand in das Datenbanksystem Kalliope eingearbeit.[1]

Hauptwerke, wichtige Buchreihen, Zeitschriften

Theologie, Judaistik, Religionswissenschaft
Hauptwerke Wichtige Buchreihen Zeitschriften
  • Beiträge zur historischen Theologie
  • Forschungen zum Alten Testament
  • Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie
  • Religion in Philosophy and Theology
  • Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts
  • Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam Religionemque pertinentia
  • Spätmittelalter und Reformation
  • Studien und Texte zu Antike und Christentum
  • Texts and Studies in Ancient Judaism
  • Tria Corda. Jenaer Vorlesungen zu Judentum, Antike und Christentum
  • Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament


Philosophie, Soziologie, Geschichte
Hauptwerke Wichtige Buchreihen Zeitschriften
  • Internationales Jahrbuch für Hermeneutik
  • Philosophische Untersuchungen


Jura
Hauptwerke Wichtige Buchreihen Zeitschriften
  • GmbH-Großkommentar
  • Grundgesetz Kommentar
  • EMRK/GG-Konkordanzkommentar
  • Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
  • Handbuch des Schuldrechts
  • Hans Kelsen Werke
  • Historisch-Kritischer Kommentar zum BGB
  • Kommentar zur ZPO
  • Hugo Preuß - Gesammelte Schriften
  • Beiträge zum internationalen und ausländischen Privatrecht
  • Beiträge zur Rechtsgeschichte
  • Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht
  • Grundlagen der Rechtswissenschaft
  • Handbuch des Schuldrechts
  • Jus Ecclesiasticum
  • Jus Internationale et Europaeum
  • Jus Privatum
  • Jus Publicum
  • Mohr Lehrbuch
  • Studien zum internationalen und ausländischen Privatrecht
  • Tübinger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen


Wirtschaft
Hauptwerke Wichtige Buchreihen Zeitschriften
  • Beiträge zur Finanzwissenschaft
  • Conferences on New Political Economy
  • Einheit der Gesellschaftswissenschaften
  • Konzepte der Gesellschaftstheorie
  • Neue ökonomische Grundrisse
  • Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik
  • Wirtschaftswissenschaftliches Seminar Ottobeuren


Literatur

  • Silke Knappenberger-Jans : Verlagspolitik und Wissenschaft. Der Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) im frühen 20. Jahrhundert. Harrassowitz, Wiesbaden 2001. ISBN 3-447-04497-7

Einzelnachweise

  1. Ulrike Heitmüller: Einfach nur scannen? Das Archiv eines wissenschaftlichen Verlags wird erschlossen. In: c’t, Nr. 1, 20. Dezember 2010.

Weblinks

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