Museum für Deutsch-Jüdische Geschichte Wiesbaden

Museum für Deutsch-Jüdische Geschichte Wiesbaden

Das Aktive Museum Spiegelgasse (mit dem offiziellen Namen „Aktives Museum für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden e.V.“) ist ein wichtiger Ort für die Darstellung des deutsch-jüdischen Erbes als Teil gemeinsamer Stadtkultur in Wiesbaden.

Inhaltsverzeichnis

Gebäude

Zum Aktiven Museum – kurz AMS genannt – gehören in der Wiesbadener Spiegelgasse die Häuser Nr. 7 und Nr. 11. Das Haus Spiegelgasse 11 ist ein Fachwerkhaus aus dem Jahr 1735 und das älteste noch erhaltene jüdische Wohnhaus in Wiesbaden. Nach einer umfassenden Restaurierung dient es dem AMS seit 1999 als Ausstellungshaus. In der Spiegelgasse 7 befinden sich die Geschäftsstelle des Vereins, eine umfangreiche Fachbibliothek mit ungefähr 5000 Bänden, das Archiv sowie weitere Arbeitsräume. Haus Nr. 9 im Spiegelkomplex, das heute unter anderem das „Pariser Hoftheater“ beherbergt, war im 18. und 19. Jahrhundert ein jüdisches Badehotel, das Badhaus zum Rebhuhn, in dem sich damals auch eine Mikwe befand..

Geschichte

1987 entstand aus unterschiedlichen Einzelgruppen eine Bürgerinitiative mit dem Ziel, die traditionsreiche Wiesbadener Spiegelgasse, die seit Ende des 17. Jahrhunderts Ort jüdischen Lebens war, vor Sanierung und Abriss zu bewahren. Im März 1988 gründete sich aus dieser Initiative der „Förderverein Aktives Museum“, der den Spiegelgassenkomplex zum Ort der Erinnerungskultur und des aktiven Gedenkens an das deutsch-jüdische Leben und Erbe der Landeshauptstadt Wiesbaden werden lassen wollte. Die Realisierung dieses Projektes kostete viel Zeit und Kraft. Im Jahr 1993 konnte der Förderverein seine Geschäftsstelle in der Spiegelgasse 7 eröffnen und benannte sich um in „Aktives Museum Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden“. Im November 1999 verlieh die Landeshauptstadt Wiesbaden dem Museum den Kulturförderpreis. 2004 wurden zwei ehemalige Vorsitzende des AMS mit dem „Obermayer German-Jewish History Award“ ausgezeichnet.

Konzept

Trotz des Namens ist das AMS kein Museum, erst recht kein jüdisches Museum im traditionellen Sinn. Es ist Ort des Sammelns und Bewahrens, der Forschung und Dokumentation. Es versucht, dabei die Öffentlichkeit aktiv einzubinden, damit eine Brücke zwischen der heutigen jüdischen und der allgemeinen Stadtkultur wachsen und sich entwickeln kann. Das AMS konzentriert seine Arbeit auf vier Schwerpunkte:

  • Erinnerungsarbeit, Zeitzeugnisse, Kontakte zu Überlebenden der Shoa und ihren Nachkommen
  • Erforschung und Dokumentation der lokalen und regionalen deutsch-jüdischen Geschichte
  • Begegnung mit jüdischen Bürgerinnen und Bürgern, um die Kenntnis und Vertrautheit mit jüdischem Leben und jüdischer Kultur zu fördern, sowie Fremdheit zu überwinden
  • Arbeit mit jungen Menschen – auch jenen mit Migrationshintergrund –, um sie an das aktive Gedenken heranzuführen und in die Erinnerungsarbeit gemäß ihrer eigenen Lebenswelt zu integrieren.

In diesen Bereichen gibt es sowohl kurzfristige als auch längerfristige Tätigkeitsfelder und Projekte unterschiedlicher Art. So wanderte zum Beispiel ein offener Container, in dem 30 Fotos von der Deportation Wiesbadener Juden im Jahr 1942 gezeigt wurden, 1989 am „Tag des offenen Denkmals“ durch die Stadt, wobei an den einzelnen Standorten die jeweilige NS-Stadtgeschichte der Umgebung mit einbezogen wurde; alle Reaktionen wurden dokumentiert und die Fotos und Objekte für eine Ausstellung zusammengestellt, mit der im folgenden Jahr die „Spiegelgasse 11“ eröffnet wurde.

Aktivitäten

Ausstellungen (Auswahl)

  • 2007: Hai und Topsy Frankl – Bilder, Lieder und Geschichten
  • 2007: Costa und Julia Bernstein. Virtuelle Begegnung mit dem jüdischen St. Petersburg
  • 2007: Ein Leben aufs neu – Das Robinson Album. Jüdische „Displaced Persons“ auf deutschem Boden 1945–1948
  • 2007: Vor dem Vergessen bewahrt - Vier Entstehungsgeschichten von Erinnerungsblättern
  • 2006: Sterne, die vom Himmel fielen. Dani Karavan, E. R. Nele, Wolfgang Niedecken, Miguel Rothschild, Micha Ullman und weitere Künstler
  • 2005: Jüdische Kinderliteratur. Geschichte, Traditionen, Perspektiven
  • 2005: Jüdische Nachbarn in Wiesbaden und Mainz. Familienschicksale in Zeiten der Ausplünderung (1933-1945)
  • 2004: Teofila Reich-Ranicki. Bilder und Studien
  • 1999: Das bewegte Denkmal

Publikationen und Medien (Auswahl)

  • Elke Steiner: Herbert Lewin und Käte Frankenthal – Zwei jüdische Ärzte aus Deutschland. Katalog. Auch Siebdruck. Wiesbaden 2005
  • Jüdische Kinderliteratur. Geschichte, Traditionen, Perspektiven. Ausstellungskatalog. Wiesbaden 2005
  • Spurensuche II. Rundgänge in Wiesbaden. Wiesbaden 2003
  • Wiesbadener Jugendliche zwischen Hakenkreuz und Davidstern. Die Jahre zwischen 1933 und 1945 aus der Perspektive derjenigen, die damals jung waren. VHS-Video. 2000
  • Charlotte Opfermann, geborene Lotte Guthmann. Der Film beschreibt in ihren eigenen Worten das Leben einer jüdischen Wiesbadenerin von der Kindheit bis zur Deportation nach Theresienstadt. VHS-Video. 1995
  • Kein Tag wie jeder andere. Film über die Verfolgung und Deportation der Wiesbadener Juden. Zeitzeugen erzählen aus den Jahren 1933–1945. VHS-Video. 1992

Längerfristige Angebote

Neben den Sonder- und Dauerausstellungen sowie der Bibliothek mit zirka 5000 Bänden und dem Archiv mit Ton-, Film- und Photodokumenten zu den Themen Judenverfolgung, Zeitzeugen, Erinnernungsarbeit und Gedenkpädagogik:

  • Erschließung und Pflege der „Lazarus-Bibliothek“ mit 1200 Bänden (hierbei handelt es sich um die dem AMS zugeeignete Bibliothek des liberalen Rabbiners Lazarus, der 1938 nach Palästina emigrierte)
  • Bearbeitung der „Opferdatei“, die alle jüdischen Bürgerinnen und Bürger, die im Holocaust ermordet wurden, nach ausgewählten Basisdaten ausweisen wird
  • Pädagogische Arbeit: Lehrerfortbildung; Zeitzeugengespräche mit Schulklassen sowie Angebote zur Geschichte der Juden in Wiesbaden für Lehrkräfte; ferner Angebote an Jugendliche im Rahmen der Jugendinitiative „Spiegelbild“ – in Kooperation mit Schulen, Jugendzentren und Jugendbildungsträgern
  • Recherchen und Patenbetreuung im Rahmen des Stolpersteinprojektes von Gunter Demnig
  • Hilfestellung bei genealogischen Anfragen
  • Gestaltung und Veröffentlichung von „Erinnerungsblättern“ zum Gedenken an die Wiesbadener Holocaust-Opfer
  • Führungen und Rundgänge zu historischen Orten – sowohl des jüdischen Lebens als auch der Judenverfolgung in Wiesbaden
  • Religionsphilosophischer Gesprächskreis „Halomdim“ sowie „Jüdisches Lehrhaus“ (Lehr- und Lerntag zu Themen jüdischer Kultur und Religion)
  • Jugendbegegnung zwischen Wiesbaden und dem israelischen „Beit Berl College“[1]

Literatur

  • Stefan Weiller: Erinnerung für bessere Zukunft. Aktives Museum Spiegelgasse fördert seit 20 Jahren Kultur des Erinnerns. In: Wiesbadener Tagblatt vom 26. November 2007
  • Anja Koch: Die Retter der Spiegelgasse. In: Frankfurter Rundschau vom 26. November 2007
  • Hans Riebsamen: Die Aufklärerinnen. Krieg, Holocaust, Widerstand. In: FAZ vom 19. Mai 2007
  • Dorothee Lottmann-Kaeseler: Aktives Museum Spiegelgasse: Zur Erinnerung an die größte Deportation Wiesbadener Juden vor 64 Jahren, am 10. Juni 1942. PDF-Onlinetext
  • Margit Fehlinger: Zur Erinnerung. Gedenkblätter mit den Biografien von 1200 jüdischen Menschen, die vor dem Holocaust in Wiesbaden lebten. In: Frankfurter Rundschau vom 14. November 2003

Einzelnachweise

  1. Beit Berl College http://www.beitberl.ac.il/engDataPages/DataPagesPreview.asp?ID=3812

Weblinks

50.0851111111118.242757Koordinaten: 50° 5′ 6″ N, 8° 14′ 34″ O


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